Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Hintergrund
1.2 Methodik
1.3 Aufbau der Hausarbeit
1.4 Vorwort und Reisebericht
2 Begriffsbestimmungen
2.1 Die Irokesen oder Haudenosaunee
2.2 Begriffsbestimmung: Schamane
3 Geschichte der Irokesen
3.1 Liga der Irokesen
3.2 Zur Struktur der Stamme
4 Spezifische Rollen innerhalb eines Stammes
5 Die Irokesen-Nationen Heute
6 Symboliken der Haudenosaunee
6.1 Gott, Erschaffer, Mutter
6.2 13 Monde
6.3 Tiersymbolik
6.4 Wasser, Erde und Luft
7 Gesundheit und psychische Gesundheit
7.1 Umgang mit akustischen Halluzinationen in Form von Stimmen horen
7.2 Wege aus der Depression
7.3 Umgang mit dem Tod
7.4 Suizidalitat
8 Schlussbetrachtung
9 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG I - HAUS VONKI-ON TWOK-KY (EIGENES FOTO)
ABBILDUNG II - KI-ON TWOK-KY MIT TRADITIONELLEM TIERSCHMUCK (EIGENES FOTO)
ABBILDUNG III - NACHBAUEINESLANGHAUSES (SCHULER ET AL., 2014, S. 23)
ABBILDUNG IV - SYMBOL OF THE FIVE NATIONS FROM WEST TO EAST (EIGENE DARSTELLUNG)
ABBILDUNG V - 13 MOONS OF A YEAR (NATIVE AMERICAN CENTER FOR THE LIVING ARTS, 1984)
1 Einleitung
1.1 Hintergrund
In der deutschen Versorgungslandschaft ist ein Umdenken zu spuren. Etablierte Be- handlungsangebote werden zunehmend kritisch hinterfragt und sukzessive durch zeit- gemaBe, wirksame Interventionen und Systeme ersetzt. Eine Aufgabe fur die psychiatri- sche Pflege ist es, sich den Herausforderungen an die Pflegepraxis zu stellen und das eigene Angebot am tatsachlichen Bedarf auszurichten. Ein Blickpunkt psychiatrischer Pflege ist die Transkulturalitat.
Es ist inzwischen moglich, von asylsuchenden kriegsfluchtigen Menschen abgesehen, die ganze Welt ohne sonderlich groBe logistische oder monetare Hurden zu bereisen. Psychische Gesundheit ist weltweit ein Thema und erhebt nicht zuletzt den Anspruch, in ihrer Mehrdimensionalitat verstanden zu werden.
Um der Frage nachzugehen, wie sich psychische Gesundheit in verschiedenen Kulturen definiert, wurde eine Reise zu einem Schamanen der Haudenosaunee unternommen. Um einen groben Einblick in das vorhandene Selbstverstandnis zu gewinnen, wurde diese Reise ohne einschrankende Leitfrage angetreten. Psychiatrische Pflege verortet sich in der Lebenswirklichkeit von Menschen und erfordert es, in fremde Erfahrungs- welten einzutauchen und diese kennen zu lernen. Betrachtet man die Idee von Recovery, so wird deutlich, dass Hoffnung, die Verbindung zur Welt, dem Sinn im Leben, Selbstbestimmung und die eigene Identitat zentrale Einflussfaktoren der psychischen Gesundheit sind (Leamy, Bird, Le Boutillier, Williams, & Slade, 2011). Versucht man die Vielschichtigkeit der einzelnen genannten Phanomene zu erfassen wird schnell klar, dass es sich um ein hochkomplexes Thema handelt. Die zentrale Frage dieser Arbeit ist es, ob, und wenn wie weit sich das Verstandnis psychischer Gesundheit der Haudenosaunee mit den etablierten Anschauungen der deutschen Psychiatrielandschaft deckt und welche Aspekte im Verstandnis psychosozialer Phanomene fur die hiesige Versor- gungspraxis von Bedeutung sein konnen.
1.2 Methodik
Die Methodik dieser Arbeit basiert auf einer Kombination narrativer Interview, dichter Beschreibung und dessen Ausdeutung unter Anlehnung an Konzepte der qualitativen Inhaltsanalyse und Hermeneutik. Methoden der qualitativen Forschung wurden, auf- grund des limitierten Umfangs dieser Arbeit primar als Explorationshilfe eingesetzt.
Das erworbene Wissen stammt von einem Experten, respektive einem der letzten leben- den praktizierenden Schamanen der Irokesen im Raum Montreal und ist in seiner inhalt- lichen Konsistenz den geschilderten Wahrheiten aus den Interviews und dem subjekti- ven Erleben des Autors untergeordnet. Geschichtliche Daten und Erzahlungen wurden mit einem etablierten Lehrbuch verglichen. Der Fokus dieser Arbeit liegt jedoch auf dem subjektiven Empfinden und der Erfahrungswirklichkeit des begleiteten Schamanen.
1.3 Aufbau der Hausarbeit
Die vorliegende Arbeit beginnt mit einer Darstellung der kulturellen Geschichte der Haudenosaunee und beschreibt das spirituelle und transzendente Selbstverstandnis. Im Anschluss folgt der direkte Bezug zur psychischen Gesundheit und es schlieBt eine Schlussbetrachtung an.
1.4 Vorwort und Reisebericht
Der initiale Wunsch, psychische Gesundheit in anderen kulturellen Kontexten kennen- zulernen entstand aus der psychiatrischen Praxis heraus. Im Alltag psychiatrischer Ver- sorgung ist es selbstverstandlich, dass die Gemeinschaft von Menschen mit Unterstut- zungsbedarfen durch ihre pluralistischen Biografien gepragt ist. Es ist zu beobachten, dass bestimmte Phanomene (z.B. Stimmenhoren) primar im Kontext spezifischer psychiatrischer Storungsbilder auftreten. Es scheint jedoch, auBerhalb diagnoserelevanter Symptomatiken weitere wichtige Kriterien zu geben, welche zu einer erfolgreichen Krankheitsbewaltigung beitragen. Im Rahmen der Untersuchung ging es im Kern da- rum, den Zugang und das Verstandnis fremder Kulturen im Bezug auf psychische Gesundheit kennenzulernen. Die Reise begann mit einer Kontaktaufnahme. Es wurde mit etwas zeitlichen Vorlauf besprochen, dass die Reise rund drei Wochen andauern kann.
Herr Ki-on Twok-Ky nahm mich in sein Haus auf, welches rund eine Stunde entfernt von der nachst groBeren Stadt lag. Ich durfte ihn uber die gesamte Zeit begleiten, bei Ritualen assistieren, traditionellen Schmuck herstellen und gemeinsam die Tage am Feuer ausklingen lassen. Durch die Weitlaufigkeit des Landes ist es naheliegend, dass weite Strecken im Auto zuruckgelegt werden mussten. In diesem Rahmen hat es sich angeboten uber spirituelle Themen zu sprechen, Fragen zu stellen und auf groBes Inte- resse des Gastgebers hin, etwas von der deutschen Kultur zu erzahlen. Der Gastgeber empfang mich am Flughafen mit den Worten: „Now you have to stop running, just walk“ und machte damit deutlich, dass die Welt in die ich eintauchen wurde, eine vollig andere war. Ruckblickend sehe ich neben einer erfahrungsreichen Reise und vielen be- antworteten Fragen eine besonders starke Beziehung, welche wahrend des Besuches entstanden ist.
Abbildung I - Haus von Ki-on Twok-ky (eigenes Foto)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2 Begriffsbestimmungen
2.1 Die Irokesen oder Haudenosaunee
Die Irokesen oder auch Haudenosaunee (Menschen des Langhauses) genannt, sind bis heute auf dem Nordamerikanischen Kontinent beheimatet. Es handelt sich bis um eine indigene Minderheit unter der Gesamtpopulation. Das Volk der Haudenosaunee ist uberwiegend im nordostlichen Teil Nordamerikas beheimatet, entlang des Ontario Lakes und des St. Lawrence Rivers. Der Begriff „Irokesen“ wurde dem Volk der Haudenosaunee durch die im 18. Jahrhundert eingefallenen Kolonialisten auferlegt und ist innerhalb der gegenwartigen nativen Bevolkerung tendenziell widerwillig im Gebrauch.
2.2 Begriffsbestimmung: Schamane
Der Schamanismus als Begriff ist weitlaufig verbreitet. In seiner Charakterisierung sind schamanistische jedoch kulturell zu unterscheiden. Es geht, wenn man weitlaufig uber Schamanismus spricht meist um eine Form des Kontaktes zur Geisterwelt. Dies ge- schieht in unterschiedlichen Auspragungen und auf unterschiedliche Weise. Im Schamanismus tritt eine Person durch eine Ekstase, hervorgerufen durch tradierte Rituale in einen spirituellen Bewusstseinszustand. Die Arbeit von Schamanen richtet sich am Ge- meinwohl einer sozialen Gemeinschaft aus und begrundet sich auf spezifischen, meist uber viele Generationen uberlieferten Erkenntnissen. Der Schamane begrundet sein Handeln auf einer individuellen Ideologie, respektive Transzendenz (Stiglmayr, 1962).
Abbildung II - Ki-on Twok-Ky mit traditionellem Tierschmuck (eigenes Foto)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3 Geschichte der Irokesen
Das Volk der Irokesen lebte bis zum Ende des 17. Jahrhunderts unabhangig auf rund 70.000 km[2]. Sie betrieben intensiv Landwirtschaft und nutzten die vielen Mischwalder, wie auch das weitlaufige Land vorwiegend zum Jagen, Sammeln und Fischen. Gegen- wartig ist das territoriale Gebiet der Haudenosaunee nicht groBer als ca. 800 km2. Tradi- tionell leben die Irokesen in s.g. Langhausern. Diese Hauser konnten uber 100 Meter lang sein und uber 30 Familien beheimaten, welche zum gleichen Stamm gehorten. Es gab gemeinsame Feuerstellen und geteilte Lagerraume an den Enden des Hauses (Schuler, Biasio, Capol, & Gerber, 2014).
Abbildung III - Nachbau eines Langhauses (Schuler et al., 2014, S. 23)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.1 Liga der Irokesen
Innerhalb des Volkes der Haudenosaunee wird zwischen unterschiedlichen Volkern unterschieden. In der Abbildung IV ist zu erkennen, dass es sich um funf ursprungliche Nationen handelt. Die Abbildung ist jedoch aus heutiger Sicht nicht mehr vollstandig, da im 18. Jahrhundert die Nation der Tuscarora (Ursprung: North Carolina) als sechste Nation aufgenommen wurde. Die Haudenosaunee beschreiben ihre Verbindung auch als Liga der Irokesen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2 Zur Struktur der Stamme
Jede der vorgestellten Nationen kann weiter in Klans unterteilt werden. Es gibt zum Einen Zuordnungen zu bestimmten Tieren (z.B. Die Baren, Wolfe oder Biber) und zum Anderen zur Moiety (z.B. Bar - mutterlicherseits und Biber - vaterlicherseits). In Abs.
6.3 wird spezifisch auf die Bedeutungen der tierischen Symboliken eingegangen. Die Moiety hat daruber entschieden, wie Sitzverteilungen in Versammlungen vorzunehmen waren.
Es ist grundsatzlich so, dass die Zugehorigkeit zu einem bestimmten Klan durch die Zugehorigkeit der Mutter bestimmt ist. Sie wird stets an die Nachkommen weitergege- ben. Heiraten eine Frau-Wolf und ein Mann-Bar, so wird der Wolf an das Kind weiter- gegeben (Twok-ky, 2017).
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