Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Entwicklung der Fremdsprachendidaktik und Interkultu-
relie Kompetenz im Fremdsprachenunterricht
2.1 Entwicklung der Methodik und Didaktik des Fremdsprachenunterrichts
2.2 Interkulturelles Lernen
2.3 Interkulturelle Kompetenz
2.3.1 Interkulturelle Kompetenz in der Fremdsprachendidaktik
2.3.2 Interkulturelle Kompetenz in der Bildungspolitik
2.4 Auswertung der vorgestellten Auffassungen interkultureller Kompetenz
3 Kriterien für die Beurteilung des interkulturellen Potentials
3.1 Kriterienkatalog
3.2 Begründung der Kriterien
4 Empirischer Teil
4.1 Methodisches Vorgehen
4.2 Materialbasis/ Grundlegende Informationen zu den ausgewählten Lehrwerken
4.3 Detailanalysen
4.3.1 Detailanalyse ,Deutsche Sprachlehre für Ausländer’
4.3.2 Detailanalyse ,Deutsch aktiv Neu’
4.3.3 Detailanalyse ’Geni@l klick’ - Kapitel 9 ״Alles Gute“
4.4 Gesamtanalysen
4.4.1 Gesamtanalyse ,Deutsche Sprachlehre für Ausländer’
4.4.2 Gesamtanalyse ,Deutsch aktiv Neu’
4.4.3 Gesamtanalyse ’geni@l klick’
4.5 Auswertung und Vergleich der Analyseergebnisse
4.6 Zusammenfassung der Ergebnisse
5 Fazit
6 Literatur
7 Anhang
1 Einleitung
Interkulturelle Kompetenz wird bisweilen als Basis von ״transkultureller Harmonie und dauerhaftem Frieden“ (Roche 2001: 4) bezeichnet, da dieser nur durch interkulturelle Annäherungen entstehen könne, welche wiederum bedingt seien durch interkulturelle Kommunikation (vgl. Roche 2001: 4). Der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 25.10.1996 beschreibt die Vermittlung interkultureller Kompetenz als Aufgabe der Schule (KMK 2013: 4). Der Fremdsprachenunterricht, als ״Ort der Vorbereitung auf interkulturelle Kontakte und interkulturelle Kommunikation par excellence“ (Kiffe 1999: 1) sollte einen relevanten Teil dieser Aufgabe übernehmen. Jandok und Müller-Jaquier (2008: 151) schreiben, dass die Vermittlung interkultureller Kompetenz ein Bestandteil des Unterrichts sein sollte, da die Verwendung von Fremdsprachen durch die Lernenden meistens in interkulturellen Kontexten geschehe. Lehrwerke stellen einen festen Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts dar. Sie werden häufig als ,heimliches Curriculum’ bezeichnet (vgl. FreudenbergFindeisen 2004: 245) und sind ״oft das wichtigste Lern-/Lehrmaterial im Unterricht“ (Jandok/ Müller-Jacquier 2008: 151). Mit der Vermittlung interkul- türellen Kompetenz in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache befasst sich die vorliegende Arbeit. Eine vergleichende Analyse unterschiedlicher Lehrwerke soll eine Beurteilung der Entwicklung des interkulturellen Potentials vor und nach der kommunikativen Wende in der Geschichte der Fremdsprachendidaktik ermöglichen.
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Fördern Lehrwerke des Deutschen als Fremdsprache die interkulturelle Kompetenz? Ferner soll beantwortet werden, wie sich die Förderung der interkulturellen Kompetenz seit den 1960er Jahren bis in das aktuelle Jahrhundert entwickelt hat.
Im ersten Teil dieser Arbeit (2.2 und 2.3) werden alle Begrifflichkeiten erläutert, die für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema der interkulturellen Kompetenz unabdingbar sind. Um einen Überblick über die didaktische Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts zu bekommen, findet auch diese Beachtung (2.1). An diesen theoretischen Teil schließt ein Kapitel an, welches einen Kriterienkatalog vorstellt und begründet (3.1 und 3.2). Dieser Kriterienkatalog resultiert aus der Auseinandersetzung mit den Begrifflichkei- ten des ersten Teils und dient als das primäre analytische Instrument für die Untersuchung der Lehrwerke. Der Katalog gliedert sich in drei Teile: Teil A enthält Kriterien, welche die affektiv-attitudinale Dimension untersuchen, Teil В nimmt die kognitiv-analytische Dimension in den Blick und Teil c analysiert die handlungsorientierte Dimension. Im Anschluss an die Begründung der Kriterien folgt das vierte Kapitel, welches mit der Darstellung der Methodik beginnt. Die empirische Basis, auf die der Kriterienkatalog angewendet wird, bilden vier Lehrwerke, die zwischen 1967 und 2011 herausgegeben wurden. Die grundlegenden Informationen zu den einzelnen Lehrwerken werden in Kapitel 4.2 erbracht. In dem ersten empirischen Teil sollen alle vier Lehrwerke einer Detailanalyse unterzogen werden (4.3). Darauf folgen Gesamtanalysen, welche alle Kapitel der drei Lehrwerke untersuchen (4.4). Dazu soll der Kriterienkatalog in stichwortartiger, tabellarischer Form dienen, auf dem eine graduelle Bewertung der einzelnen Kriterien erfolgt. Aus der Bewertung der einzelnen Einheiten und Kapitel der Lehrwerke, soll ein Durchschnitt errechnet werden können, der eine Beurteilung des Potentials hinsichtlich der interkulturellen Kompetenz für ein gesamtes Lehrwerk ermöglicht. Diese Bewertung erfolgt in Unterkapitel 4.5, bevor im Fazit (5.) die Forschungsfrage beantwortet wird, nachdem in 4.6 die Ergebnisse zusammengefasst wurden.
2 Die Entwicklung der Fremdsprachendidaktik und Interkulturelle Kompetenz im Fremdsprachenunterricht
2.1 Entwicklung der Methodik und Didaktik des Fremdsprachenunterrichts
Die Methodik und Didaktik des Fremdsprachenunterrichts der letzten 100 Jahre ist von vielen Umbrüchen gekennzeichnet. Dies lässt sich durch die jederzeit gegenwärtige !Tage nach der effektivsten Vermittlungsmethode, welche ״je nach Epoche und kulturellen Kontexten unterschiedlich beantwortet wurde“ (Doff 2016: 321) erklären. Problematisch sei laut Neuner (2003: 227) bei einer genauen Erforschung der geschichtlichen Entwicklung der fremdsprachlichen Methodik und Didaktik, dass sich die Wirkung der unterschiedlichen Konzeptionen auf die Unterrichtspraxis schwerlich ermitteln ließe, da dazu eine empirische Dokumentation fehle. Sicher sei hingegen, ״dass sich die unterrichtspraktische Umsetzung neuer Methoden nicht in klar abgrenzbaren Epochen vollzogen“ (Neuner 2003: 227) habe, sondern selbige zeitgleich und in kombinierten Formen auftraten. Dieses Unterkapitel liefert einen Überblick über die besonders einflussreichen Ansätze und Entwicklungen und somit einen Bezugsrahmen, der es ermöglicht, die analysierten Lehrwerke in die Geschichte der Fremdsprachenmethodik und -didaktik einzuordnen.
Als eine der ältesten Methoden des organisierten Fremdsprachenunterrichts, gilt die Grammatik-Übersetzungs-Methode. Bezeichnend für die Methode ist, wie der Name vermuten lässt, die Kenntnis über die Vokabeln und die Grammatik (vgl. Neuner 2003: 227). Dabei seien die Beherrschung der Grammatik und formale Korrektheit das Ziel und die Übersetzung die Methode (vgl. Roche 2013: 16/ Doff 2016: 322). Zur Formulierung der Sprachregeln nutzte man unabhängig von der Zielsprache ״Kategorien der lateinischen Schulgrammatik “ (Neuner 2003: 227). Obwohl die Methode ursprünglich zum Lehren und Lernen der Alten Sprachen (Latein/ Griechisch) angewandt wurde, orientierte sich der neusprachliche Unterricht mit der Etablierung des Englischen und Französischen als Schulfächer an der Grammatik-Übersetzungs-Methode aus den Gymnasien (vgl. Neuner 2003: 227). Es ging demnach auch im neusprach- liehen Unterricht primär um die Beherrschung der Grammatik (vgl. Roche 2013: 16). Die Grammatik-Übersetzungs-Methode war auf die Schriftsprache ausgerichtet und die Sprachkompetenz wurde durch die Übersetzung in die oder aus der Muttersprache nachgewiesen (vgl. Neuner 2003: 227). Stärker als das Sprachkönnen zielte die Grammatik-Übersetzungs-Methode jedoch auf ״geistig-formale Schulung“ (Neuner 2003: 227) und Sprachwissen ab, womit nach Neuner (2003: 227) die Einsichtnahme in die Grammatik und die Kategori en der Zielsprache gemeint sei.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde deutlich, dass die Grammatik-Übersetzungs-Methode den Ansprüchen und Zielen des neusprach- liehen Unterrichts, welcher auch auf Nützlichkeit und Praktikabilität ausgerichtet war, nicht mehr gerecht werden konnte (vgl. Doff 2016: 232/ Neuner 2003: 228). Nun konnten neuartige Unterrichtkonzepte propagiert werden, welche das Mündliche über das Schriftliche und die Sprachkompetenz vor das Sprachwis- sen stellten (vgl. Neuner 2003: 228). Neuner (2003: 228) nennt als entscheidend für die Konzeption neuer Methoden, den Versuch ״sich von der Lehrmethode der alten Sprachen zu lösen“ und Methoden zu entwickeln, die den neuen, ,lebenden’ Sprachen gerecht werden. Zu den wesentlichen Prinzipien der Direkten Methode, wie der Neuansatz genannt wird, zählt Neuner (2003: 228) unter anderem die Orientierung des Unterrichts an Alltagssprache, ausschließ- liehe Kommunikation in der Zielsprache und das induktive Lernen. Die Reformbewegung habe jedoch keine ״in sich konsistente didaktisch-methodische Konzeption“ (Neuner 2003: 228) hervorgebracht.
Dies geschah erst mit der Konzipierung der Audiolingualen Methode, welche aus der linguistischen und lernpsychologischen Forschung Mitte des 20. Jahrhunderts resultierte (vgl. Neuner 2003: 228/ Doff 2016: 323). Sie wurde vor Allem durch die Diskussion um einen hauptschulgemäßen Englischunterrieht vorangetrieben und integrierte wesentliche Aspekte der Direkten Methode (vgl. Doff 2016: 323). Die Audiolinguale Methode beruhte nicht mehr wie die Grammatik-Ubersetzung-Methode auf dem Regelsystem einer Bezugsprache, sondern auf den, der Zielsprache zu Grunde hegenden Spezifika (Doff 2016: 323). Ihr Hauptaugenmerk lag auf der Alltagsprache, welche durch Dialoge erlernt wurde, die aus Alltagssituationen der Kultur der Zielsprache stammten (vgl. Doff 2016: 323). Die Kritik, die unter anderem an der Audiolingualen Methode geübt wurde, führte in den 1970er Jahren zu Forderungen nach Vermittlungsmethoden, durch welche die Lernenden zu aktiven und emanzipierten Mitgliedern des Fremdsprachenunterrichts wurden (vgl. Doff 2016: 323).
Diese Kritik führte im Rahmen der ,Kommunikativen Wende’ zu der kommunikativen Sprachdidaktik, die nach Roche (2013: 28) als ״wichtigster methodischer Ansatz der Periode von 1970 bis 2000 gilt“. Man wandte sich gegen das behavioristische Einüben von Sprachgewohnheiten und hin zu authentischer Kommunikation. Das Augenmerk des Unterrichts verschob sich von der formalen Korrektheit zu flüssiger, alltagssprachlicher Kommunikation (vgl. Doff 2016: 324). Des Weiteren sollten sich die Rollen der Lehrenden und Lernenden wesentlich verändern. Erstere sollten nicht mehr allein verantwortlieh für die Unterrichtsinhalte, den Unterrichtsverlauf, sowie die Unterrichtsmethoden sein. Hingegen wurde den Sprachlernenden mehr Eigenständigkeit und Mitspracherecht eingeräumt (vgl. Roche 2013: 28). Doff schreibt, dass es mit der Kommunikativen Wende zu einem ״Pluralismus an methodischen Ausprägungen“ (2016: 323) kam. Dadurch, dass die Entwicklung des kommunikativen Ansatzes auch maßgeblich und direkt aus der Unterrichtspraxis beeinflusst wurde, ״erscheint der kommunikative Sprachunterricht [...] heute als ein variantenreiches, oft diffuses Konzept“ (Roche 2013: 29).
Bei einer Auseinandersetzung mit der Geschichte der Didaktik und Methodik im Fremdsprachenunterricht zeigt sich, dass viele Ansätze und Konzepte den jeweils vorherigen entgegenwirken wollen, gleichzeitig aber auch Elemente älterer Ansätze integrieren. So wirken viele überholt geltende Methoden in einzelnen Aspekten bis heute nach.
2.2 Interkulturelles Lernen
Aufgrund der zunehmenden Multikulturalität und Internationalisierung aller Lebensbereiche wurde interkulturelles Lernen zu einem der am stärksten debattierten Felder des Bildungsbereiches, so Lüsebrink (2016: 71). Durch einen nachlässigen Sprachgebrauch wurde dieser Terminus jedoch unscharf, weshalb für eine Verwendung des Begriffes eine inhaltliche Präzisierung notwendig ist. Dieses Kapitel beschäftigt sich daher mit dem interkulturellen Lernen. Dabei wird zunächst auf die konzeptionellen Ansätze und darauf folgend auf den Prozess und die Ziele des interkulturellen Lernens eingegangen.
Als Ursprung der Entstehung des interkulturellen Lernens kann die, im Zuge der Migrationsbewegungen seit den 1960er Jahren entstände- ne ,Ausländer- und Migrantenpädagogik’ aus den Erziehungswissenschaften gesehen werden, welche sich auf Assimilations- und Integrationskonzepte stützte (vgl. Krumm 2003: 139). Laut Krumm (2003: 139) habe die ’Ausländerpädagogik’ die Diskussion um die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts besonders im Hinblick auf eine stärkere Wahrnehmung des pädagogischen Auftrages über die Sprachvermittlung im engeren Sinne hinaus und bezüglich der Entwicklung von Konzepten der Begegnung von Sprachen und Kulturen, die eine multikulturelle Schule ermöglichen, beeinflusst (vgl. Krumm 2003: 139.). Etwa zwei Jahrzehnte nach der Entstehung der Ausländerpädagogik, betonte der interkulturelle Ansatz, dass der Unterricht nicht der Assimilation der Migranten dienen, sondern im Sinne einer interkulturellen Erziehung dazu befähigen solle, in einer soziokulturell heterogenen Gesellschaft Leben und Lernen zu können. Somit wandte man sich von der Defizithypothese ab, welche den Assimilations- und Integrationskonzepten zugrunde lag (vgl. Krumm 1995: 156). Die Defizithypothese betrachtete Differenzen der fremden Sprache und Kultur als Mangel, welchen es auszugleichen galt. Für die Differenz-Hypothese hingegen gelten die kulturellen und sprach- liehen Unterschiede als Bereicherung. Sie geht von einer Gleichwertigkeit der Sprachen und Kulturen aus. Mit dem Konzept des inter kulturellen Lernens soll somit ״die Bewahrung der kulturellen Identität der Ausländerinnen unter
Beibehalt ihrer Handlungsfähigkeit in der deutschen Kultur“ (Kiffe 1999: 30) erreicht werden. Ein grundlegender Unterschied zwischen dem interkulturellen Lernen und der Ausländer- und Migrantenpädagogik besteht darin, dass sich interkulturelles Lernen auch an die Einheimischen und nicht nur an Ausländer1 und Migranten richtet ״und deshalb auch von den Deutschen bestimmte Haltungen und Kompetenzen verlangt“ (Kiffe 1999: 30). Die Annahme, dass multikulturelle Gesellschaften nicht nur die Minoritäten, sondern auch die Majoritäten fordere, bringe jedoch die Gefahr mit sich, die Lernziele für Migranten und Einheimische zu sehr anzugleichen und somit den stark divergierenden Lernausgangssituationen, welche spezifische Förderungen brauchten, nicht gerecht zu werden (vgl. Kiffe 1999: 30). Uber eine Befähigung zum Leben und Lernen in multikulturellen Gesellschaften hinaus, soll interkulturelles Lernen durch kulturvergleichendes Vorgehen ״die Sensibilisierung für fremde Kulturen, die Sichtbarmachung und de [n] Abbau von Vorurteilen und Klischees und die Entwicklung kritischer Toleranz gegenüber anderen Kulturen“ (Krumm 1995: 157) fördern. Dabei solle nicht nur die fremde, sondern auch die eigene Kultur kritisch betrachtet und ihre Normen in Frage gestellt werden (vgl. Krumm 1995: 158). Der Fremdsprachenunterricht bekommt durch interkulturelles Lernen und den Versuch Selbst- und Fremdbilder zu Entwickeln einen sozialen und pädagogischen Charakter (vgl Krumm 1995: 159). Er solle Lernende auf interkulturelle Begegnungen vorbereiten und verhindern, dass Missverständnisse entstehen oder Tabus gebrochen werden (vgl. Bredella 2010: 123). Da diese Begegnungen sehr unterschiedlich sein können, müsse auch das interkulturelle Lernen unterschiedliche Kompetenzen fördern (vgl. Bredella 2010: 123). Bre- della (2010: 123) betont als Ziel des interkulturellen Lernens die Fähigkeit des Perspektivenvjechsels, sowie die ״Einsicht in die Relativität von Werten“.
Lüsebrink (2016: 74) definiert interkulturelles Lernen als ״zielgerichtete Aneignung interkultureller Kompetenz“. Durch interkulturelles Lernen werde also interkulturelle Kompetenz systematisch aufgebaut. Ferner bezeichnet Lüsebrink (2016: 74) interkulturelles Lernen als eine Form des sozialen Lernens, da es ״entweder mit lebensweltlichen Erfahrungen oder mit institutionalisierten Lernprozessen verknüpft“ sei. Jandok und Müller-Jacquier (2008: 155) fassen interkulturelles Lernen als ״ganzheitlichen (kognitiven, affektiven und
2.3 Interkulturelle Kompetenz
Interkulturelle Kompetenz gilt heute als Schlüsselqualifikation (vgl. Erll/Gymnich 2015: 6; Lüsebrink 2016: 8) und gehört zu den grundlegenden Kompetenzen der Kultusministerkonferenz. Kompetenzen wurden als Reaktion auf das vergleichsweise schlechte Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler in Großstudien wie PISA oder TIMSS, im Rahmen von bildungspolitischen Reformbemühungen eingeführt (vgl. Küster 2016: 83). Bei der Kompetenzorientierung stehen im Vergleich zur früheren LernZielorientierung nicht mehr die Ziele, sondern die Ergebnisse im Vordergrund. Die Umorientierung wird daher oft mit den Begriffen ,input’ und ,output’ beschrieben (vgl. De Florio-Hansen 2008: 68). Mit der Formulierung von Kontrollfragen wäre die Umorientierung von Inputorientierung ״Was habe ich gemacht?“ zu Outputorientierung ״Was habe ich beigebracht? Was können die Schülerinnen und Schüler?“ zu beschreiben (vgl. Ziener 2013: 37). Eine bekannte Definition des Begriffs ,Kompetenz’, welche dem Konzept der Kompetenzorientierung zu Grunde hegt stammt von Weinert (2001: 27L). Er definiert Kompetenzen als:
[...] die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähig-keiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitiona- len und sozialen Bereitschaften und Fähig-keiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.
Diese Definition betont, dass Kompetenzen erst mit ihrer Anwendung als vorhanden betrachtet werden können. Ergebnisse schulischen und somit auch fremdsprachlichen Lernens sollen ״handlungsrelevant, praktisch anwendbar sowie persönlich und gesellschaftlich bedeutsam sein“ (De Florio-Hansen 2008: 69). Für den Bereich der interkulturellen Kompetenz bedeutet dies, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur über Wissen verfügen, welches sie in interkulturellen Begegnungen nutzen könnten, sondern, dass sie dieses Wissen miteinander verknüpfen und bereit und in der Lage dazu sind, es lösungsorientiert anzuwenden. So definiert Lüsebrink (20f 6: 8) interkulturelle Kompetenz als die Fähigkeit ״mit fremden Kulturen und ihren Angehörigen in adäquater, ihren Wertesystemen und Kommunikationsstilen angemessener Weise zu handeln, mit ihnen zu kommunizieren und sie zu verstehen“. Da der Begriff der Kompetenz komplex und insbesondere die interkulturelle Kompetenz vielschichtig und mehrdimensional ist, behandelt dieses Kapitel unterschiedliche Modelle interkultureller Kompetenz und ihre unterschiedlichen, interdependenten Dirnen- sionen. Zunächst wird auf das fremdsprachendidaktische Modell von Byram eingegangen. Darauf folgt eine Auseinandersetzung mit verschiedenen aktuelleren Auffassungen von interkultureller Kompetenz. Abschließend werden die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich ihrer Nützlichkeit für die Erstei- lung eines Kriterienkataloges diskutiert.
2.3.1 Interkulturelle Kompetenz in der Fremdsprachendidaktik
Interkulturelle kommunikative Kompetenz nach Byram
Das f997 von Michael Byram veröffentlichte Model 01 Intercultural Communicative Competence gilt als richtungsweisend für die Diskussion um interkultu- relie Kompetenz im Fremdsprachenunterricht und wurde speziell für den Kontext des schulischen fremdsprachlichen Lernens entwickelt (vgl. Fellmann 20f 4: 41). Auch für die folgenden, aktuellen Auffassungen interkultureller Kompetenz, dient es als Orientierung, weshalb von den fremdsprachendidaktischen Modellen der interkulturellen Kompetenz zunächst das byramsche Modell vorgestellt wird.
Byram integriert intercultural competence als eine Teilkompetenz in sein übergeordnetes Modell der interkulturellen kommunikativen Kompetenz und erkennt somit an, dass für eine erfolgreiche zwischenkulturelle Kommunikation mehr Fähigkeiten angewendet werden müssen, als rein linguistische und diskursive fremdsprachliche Fähigkeiten. Zunächst geht das byramsche Modell davon aus, dass bei jeglicher Kommunikation über kulturelle Grenzen hinweg die Rollen host und visitor zumindest förmlich vergeben sind (vgl. Byram f997: 32). Weiterhin gilt die Annahme, dass jeder Gesprächspartner bei einer interkulturellen Begegnung ein gewisses Weltwissen mit in die Begegnung hinein trage (vgl. Byram 1997: 32). Dieses Weltwissen schließe außerdem Wissen über das fremde und das eigene Land ein, wobei letzteres weniger bewusst sei und einen Teil der sozialen Identität darstelle (vgl. Byram 1997: 32). Die genannten Annahmen sind jedoch nicht als erfolgversprechend, sondern vielmehr als Voraussetzung für eine interkulturelle Kommunikation zu verstehen. Der Erfolg eines interkulturellen Gespräches hingegen ״can be judged in terms of the effective exchange of information, [...], but also in terms of the establishing and maintenance of human relationships.“ (Byram 1997: 32f.), wobei letzteres von weiteren attidunialen Faktoren abhängig sei. Somit lassen sich der effektive Informationsaustausch sowie der Aufbau und Erhalt interkultu- relier menschlicher Beziehungen auch als Lernziel der interkulturellen kommunikativen Kompetenz beschreiben (vgl. Fellmann 2014: 42). Kognitive und attiduninale Faktoren seien also Voraussetzungen für eine interkulturelle Kommunikation, wobei der Prozess der Kommunikation die Faktoren rückwirkend stetig beinflusse (vgl. Byram 1997: 33). Der Prozess wiederum sei abhängig von den Fähigkeiten des Kommunikationspartners (vgl. Byram 1997: 33). Diese unterteilt Byram (1997: 33) in: ״first, skills of interpretation and establishing relationships between aspects of the two cultures; second, skills of discovery and interaction“. Es spielen folglich vier Komponenten bei der Verständigung über kulturelle Grenzen hinweg eine Rolle: Einstellungen und Haltungen, Wissen sowie zwei Kategorien von pragmatisch-kommunikativen Fähigkeiten. Diese vier zusammenwirkenden Komponenten bilden die Basis für die Kompetenz der Education, einem ״kritische [n] Bewusstsein über die Gesellschaft und deren Werte und Verhaltensweisen“ (Fellmann 2014: 42). Die unten abgebildete Tabelle stellt die genannten fünf Komponenten der interkulturellen Kommunikation nach Byram dar, auf welche nun im Einzelnen eingegangen wird.
Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Factors in intercultural communication (Byram 1997: 34)
Unter Attitudes versteht Byram Einstellungen und Haltungen gegenüber Menschen, welche in Bezug auf ihre Kultur, ihren Glauben oder ihre Verhaltensweisen als anders wahrgenommen werden (Byram 1997: 34). Es handelt sich somit um persönlichkeitsbezogene Eigenschaften, welche mit den ״motiva- tionalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften“ aus der Kompetenzdefinition Weinert’s (2001: 27f.) gleichgesetzt werden können. Diese Attitudes würden häufig als Stereotype und Vorurteile bezeichnet, wobei sie nicht zwangsläufig negativ sein müssen (vgl. Byram 1997: 34). Sowohl positive als auch negative Attitudes könnten interkulturelle Kommunikation behindern (vgl. Byram 1997: 34). Entscheidender sei daher, um welche Einstellungen und Haltungen es sich konkret handelt. Dazu gehören nach Neugier und Offenheit außerdem ״die Bereitschaft sich auf fremde Situationen einzulassen und einzustellen sowie die eigene Sichtweise zu relativieren und versuchen, sich in die Perspektive der bzw. des Anderen einzufühlen“ (Fellmann 2014: 44).
Den Bereich Knowledge unterteilt Byram einerseits (1997: 35) in Wissen über die eigene(n) und fremde(n) Kultur(en) und andererseits Wissen über die Prozesse und Konzepte der individuellen und gesellschaftlichen Interaktionen. Der erste Bereich sei unterschiedlich stark vertreten, jedoch immer zu einem Mindestmaß vorhanden (vgl. Byram 1997: 35). Er stelle im Gegensatz zu dem zweiten Bereich, dem Wissen über Interaktionen, keine notwendige Basis für erfolgreiche Interaktionen dar (vgl. Byram 1997: 35). Beide Bereiche sind eng miteinander verknüpft, da sich das kulturspezifische Wissen auf die Prozesse der Interaktion auswirkt. Das stets kulturspezifisches Wissen vorhanden ist, begründet Byram (1997: 35) damit, dass dieses Wissen durch die Sozialisation aufgebaut wird. Durch ״primary socialisation largely in the family and secondary socialisation usually in formal education“ (Byram 1997: 35) wird bewusstes und unbewusstes Wissen über die eigene social group und über solche, die zwar fremd sind mit denen die eigene soziale Gruppe jedoch Kontakt hat, erworben (vgl. Byram 1997: 35). Mit dem Wissenserwerb werden nach Byram (1997: 35) außerdem unterschiedliche Identitäten, wie Z.B. regionale, ethnische und nationale Identitäten, aufgebaut.
Voraussetzung für die Fähigkeit des Interpretierens und In-Beziehung- Setzens ist unbewusstes und bewusstes Wissen, sowohl über die eigene als auch fremde Kultur (Byram 1997: 37). Unter skills of interpreting and relating subsumiert Byram (1997: 37) die Fähigkeiten ״Dokumente und/ oder Eréig- nisse der anderen Kultur zu interpretieren, diese zu explizieren, in Beziehung zu eigenkulturellen Dokumenten oder Ereignissen zu setzen bzw. sie in einem größeren Zusammenhang zu verstehen“ (Fellmann 2014: 50). Ferner geht es um das Vermögen einer Person Stereotype und Missverständnisse sowie deren Gründe zu erkennen und zu erklären (vgl. Fellmann 2014: 50).
Die Komponente skill of discovery and interaction setzt im Gegensatz zu der vorangegangenen Fähigkeit einen oder mehrere Interaktionspartner voraus (vgl. Byram 1997: 37). Sie beschreibt zunächst die Fähigkeit notwendiges, fehlendes Wissen, also neues Wissen, eigenständig zu erwerben (discovery) und ferner die Fähigkeit ״Wissen, Einstellungen und Fertigkeiten zur Bewältigung realer Kommunikations und Interaktion einzusetzen“ (Fellmann 2014: 51). Dabei müssen diese Fähigkeiten nicht nur im Rahmen der sozialen Interaktionen des Anwenders Verwendung finden, sondern können auch von einem Mediator zwischen Personen unterschiedlicher Herkunft und Identität genutzt werden (vgl. Byram 1997: 38). Eben diese Eigenschaft, gepaart mit dem Vermögen Fehlfunktionen in einem interkulturellen Gespräch zu erkennen macht einen intercultural speaker aus und unterscheidet ihn von einem native speaker (vgl. Byram 1997: 38).
Die in Tabelle 1 im Zentrum hegende Komponente der politicai education/ critical awareness bezeichnet die Fähigkeit fremd- und eigenkulturelle Praktiken, Produkte und Perspektiven durch explizite Kriterien bewerten zu können (vgl. Byram 1997: 53). Die zentrale Stellung dieser Komponente lässt sich dadurch begründen, dass skills knowledge und attidudes alle eine Rolle bei der Ausübung der critical cultural awareness spielen. Entscheidend sei für die zentrale Komponente, dass der intercultural speaker einen rationalen und eindeutigen Standpunkt zur Evaluation aller kultureller Erfahrungen einge- nommen habe (vgl. Byram 1997: 54). Hierin zeigt sich das ״reflexive Moment, d.h. also die Fähigkeit, die eigenen kulturellen Werte und Normen zu relatīvie- ren und kritisch zu hinterfragen“ (Freitag-Hild 2010: 122), welche für Byram zu den zentralen Fähigkeiten bezüglich interkultureller Kommunikation zählen.
Aktuelle Auffassungen interkultureller Kompetenz
Wie im Folgenden zu sehen ist, weisen aktuelle Modellierungen von interkultureller Kompetenz im Gegensatz zu dem Modell von Byram drei statt fünf Teilkompetenzen auf. Da sich die aktuellen Auffassungen interkultureller Kompetenz inhaltlich zum größten Teil überschneiden, wird auf eine separate Darstellung verzichtet. Signifikante Abweichungen zwischen den unterschiedliehen Auffassungen werden hervorgehoben.
1. Affektive und attitudinale Teilkompetenz
Rössler (2010: 142) schreibt, dass Emotionen den Zugang zu Fremdem positiv und negativ beeinflussen könnten. Selbige seien zwar oft nicht zu verhindern, man könne sie sich jedoch bewusst machen und versuchen sie ״in sinnvolle Bahnen zu lenken“ (Rössler 2010: 142). Die Einstellungen und Haltungen, die aus Emotionen resultieren werden der affektiv-attitudinalen Komponente zugeordnet. Zu ihr gehören ״Offenheit und Neugier gegenüber Angehörigen fremder Kulturen Empathiefähigkeit und damit die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, aber auch Persönlichkeitsmerkmale wie Geduld, Toleranz und Neugierde“ (Rössler 2010: 142). Caspari und Schinschke (2009: 278) ergänzen dies um die Bereitschaft bereits erworbene Sprachkenntnisse ,fehlerhaft-approximativ’ zu verwenden sowie ״sich als Person auf fremde, möglicherweise schwierige oder peinliche Situationen einzulassen“ (Caspari/Schinschke 2009: 277). Für Erll und Gymnich (2015: 12f.) ist außerdem die Ambiguitätstoleranz ein wichtiger Bestandteil der affektiv-attitudinalen Teilkompetenz. Sie befähige dazu kulturelle Unterschiede und Widersprüche zu tolerieren (vgl. Erll/Gymnich 2015: 12). Caspari und Schinschke (2009: 278) betonen die hohe Relevanz der affektiv-attitudinalen Teilkompetenz, welche sie damit begründen, dass die ״Bereitschaft, das erst im Aufbau befindliche, fragile Selbstbild zu verlassen“ (Caspari/Schinschke 2009: 278) eine große Herausforderung darstellt und somit das Einnehmen einer offenen Haltung gegenüber fremder Kulturen potentiell erschweren könne.
2. Kognitiv-analytische Teilkompetenz
Grundsätzlich schließt diese Teilkompetenz alle Wissensbestände ein, welche für eine interkulturelle Begegnung relevant sein könnten. Laut Rössler (2010: 143) habe eine Abwendung von der traditionellen Landeskunde und die Ausrichtung auf den Kompetenzerwerb dazu geführt, dass das Hauptaugenmerk auf dem fremdsprachlichen Können und nicht mehr auf dem Wissen liege. Weiterhin betont sie, dass interkulturelle Kompetenz sich jedoch nur durch die wechselseitige Beziehung zwischen unterschiedlichen Wissensbereichen aufbauen könne (vgl. Rössler 2010: 143). Sie gliedert die kognitiv-analytische Teilkompetenz in die drei Bereiche ,allgemeines Wissen über Kultur und Korn- munikation’, ,Wissen über die Beziehung zwischen Sprache und Kultur’ und ,soziokulturelles Wissen über Zielländer’.
Konkret gehörten nach Rössler (2010: 143) zu dem erst genannten Bereich Kenntnisse über den kulturellen Einfluss auf Kommunikationskonventionen, die Funktion von Kulturstandards und Stereotypen sowie das Wissen, dass ״af- fektive und soziale Komponenten für das Gelingen von zwischenmenschlicher Kommunikation von großer Bedeutung sind“. Caspari und Schinschke (2009: 277) nennen diesen ersten Bereich ,strategisches Wissen’. Sie lassen etwas allgemeiner auch das ״Wissen über die kulturelle Geprägtheit des menschlichen Verhaltens, der menschlichen Wahrnehmung und Wertung“ mit einfließen. Erll und Gymnich (2015: 12.) sprechen dem ersten Wissensbereich, den sie ,kultur- theoretisches Wissen’ nennen, eine höhere Relevanz zu als dem dritten Bereich, dem des soziokulturellen Wissens über Zielländer. Unter kulturtheoretischem Wissen verstehen sie Z.B. die grundsätzliche Kenntnis von interkulturellen Unterschieden und Funktionsweisen von Kulturen.
Mit dem zweiten Bereich Wissen über die Beziehung zwischen Sprache und Kultur’ betonen sowohl Caspari und Schinschke (2009: 277) als auch Rössler (2010: 143), dass Fremdsprachenunterricht sich nicht auf die Vermittlung sprachlichen Wissens im engeren Verständnis beschränken könne, sondern insbesondere für das Erlangen interkultureller Kompetenz die Notwendigkeit bestünde, Wissen ״über die kulturspezifischen Prägungen von Wortschatz und semantischen Feldern, über Register und Varietäten, Konventionen des Diskursverhaltens, des para- und nonverbalen Verhaltens etc.“ (Rössler 2010: 143) zu vermitteln.
Das Gleiche gilt für den dritten Bereich der kognitiv-analytischen Teilkompetenz. Dieser umfasst nach Rössler (2010: 144) sowohl Wissen, welches von außen wahrnehmbar ist, wie ״aktuelle und historische soziokulturelle Phänomene“ als auch Kenntnisse über ״Werte und Normen, Einstellungen und Wahrnehmungsweisen“ von Individuen einer Kultur, die ihnen selbst nicht unbedingt bewusst sind. Caspari und Schinschke (2009: 276) zweiteilen den Bereich soziokulturelles Wissen über Zielländer zum einen in landeskundliches Faktenwissen, wozu sie bspw. historische, geographische und politische Kenntnisse zählen und zum anderen in soziokulturelles Handlungswissen. Es schließt Kenntnisse über Rituale, Konventionen und Traditionen, sowie über ״Auto- und Heterostereotype, ggf. auch über ihre Ent-stehung, sowie über ihre sprachliche Realisierung“ (Caspari/Schinschke 2009: 276) ein. Da es nur schwer möglich ist, immer auf dem aktuellsten Stand der Entwicklungen in den Zielkulturen zu sein, nimmt Rössler (2010: 144) die byramsche Komponente skills of discovery mit in die kognitiv-analytische Teilkompetenz auf, welche die Fähigkeit bezeichnet ״sich selbst fremdkulturelles Wissen zu erschließen“.
3. Handlungsorientierte Teilkompetenz
Die handlungsorientierte Teilkompetenz rückte aufgrund ihres direkten AnWendungsbezugs im Laufe der Kompetenzorientierung besonders in den Fokus. Sie zeigt sich dadurch, dass Lernende ״ihr deklaratives Wissen über die fremde Sprache und Kultur in interkulturellen Kommunikationssituationen handlungsorientiert Umsetzen können“ (Rössler 2010: 145). Rössler (2010: 145) gliedert die handlungsorientierte Teilkompetenz in zwei Bereiche: ,interkultu- rell relevantes rezeptives und produktives Können’ und ,interkulturell relevante Kommunikationsstrategien’. Zu dem ersten Bereich zählt das Erkennen kultureller Prägungen sowohl von Genre- als auch Diskursmustern. Außerdem soll soziokulturelles und kulturtheoretisches Wissen dazu dienen, Gesprächssituationen einzuschätzen, Tabuthemen zu erkennen und non-verbale Kommunikation interpretieren zu können (vgl. Rössler 2010: 145)
Zu dem Bereich der interkulturell relevanten Kommunikationsstrategien zählen hingegen Strategien, welche in den Bereich skills of interaction fallen, nämlich Strategien der Gesprächsführung, der Vermeidung von Kommunikationsstörungen und die ״Fähigkeit zum Initiieren, Strukturieren und Aufrechterhalten von mindestens bikulturellen “ (Rössler 2010: 145) Gesprächen. Dass die handlungsorientierte Teilkompetenz äußerst wichtig ist, wird auch bei Cas- pari und Schinschke (2009: 277) deutlich, da sie ״die Fähigkeit, die gegebene Situation für die Kommunikationspartner in der Fremdsprache verständlich zu bewältigen“ einschließt. Erst durch die handlungsorientierte Teilkompetenz also, können Lernende in realen Begegnungssituationen handeln und in der Fremdsprache sprechen. Ferner gehören für Caspari und Schinschke (2009: 277) auch die von Bredella und Christ geprägten Strategien zum Perspektivenwech- sei zu dieser Teilkompetenz.
1 In der gesamten Arbeit wurde auf eine gendergerechte Sprache geachtet. Auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen wird für eine bessere Lesbarkeit jedoch verzichtet. In einigen Fällen gelten männliche Personenbezeichnungen für beiderlei Geschlechter.
handlungsorientierten) und nicht abschließbaren Prozess auf“. Auch für Erll und Gymnich (2013: 148) ist interkulturelles Lernen ein lebenslanger Prozess. Sie beschreiben den Erwerb interkultureller Kompetenz daher mit dem Modell einer Lernspirale, bei der alle Teilkompetenzen miteinander verbunden sind. Der Begriff der interkulturellen Kompetenz, inklusive seiner Teilkompetenzen, findet im folgendem Kapitel Beachtung.
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