Wenn wir an unsere Kindheit zurückdenken, dann fallen uns zahlreiche Anekdoten ein, wie zum Beispiel: "Wir hatten keinen GAME-BOY!", oder "Was? Ich hatte auch nur eine Puppe, warum muss es ständig die neuste BARBIE sein?" oder auf die Schule projiziert: "Warum brauchst du für die Schule unbedingt die aktuellsten Nike-Schuhe oder Esprit-T-Shirts? Bei uns damals, da bekamen wir höchsten einmal im Jahr neu Kleidung oder wir haben die Kleidung von unseren Geschwistern aufgetragen."
Und dann erinnern wir uns sehr gut, dass wie wir altklug geantwortet haben: "Damals, bla, bla. Früher, damals." Wir leben im Hier und Jetzt. Und heute können wir selbst immer wieder erschreckt feststellen, dass wir die heutige Schülergeneration ähnlich kritisch betrachten, wie es damals unsere Eltern taten.
Wir möchten mit dieser Einleitung ausdrücken, dass es schon immer soziale Entwicklung und Veränderungen gegeben hat und immer geben wird. Mit Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung kann man sagen, dass sich früher Veränderungsprozesse langsamer vollzogen haben. Im Zuge der Industrialisierung forcierten sich diese Prozesse im zunehmenden Maße. Die Sozialisationsforschung spricht in diesem Zusammenhang von den so genannten "Modernisierungsschüben" (vgl. Fölling-Albers, 1993, S.1).
Des Weiteren möchten wir zum Ausdruck bringen, dass sich die Erziehungseinstellungen und Verhaltensweisen von Erwachsenen konsistent über die Zeit sind. Lediglich die Lebenswelt der Kinder ist eine andere. Die Folge davon ist eine Diskrepanz zwischen der Erfahrungswelt der Kinder und der Erwachsenen. Insbesondere im Schulalltag müssen die Lehrerinnen und Lehrer (im Folgenden werden wir nur noch den neutralen Ausdruck des Lehrers verwenden) auf die veränderte Lebenswelt der Kinder einstellen und sensibel für die unterschiedlichen Entwicklungsstränge der eigenen Geschichte und der Geschichte der Kinder werden. Aufgrund dieser Problematik soll in dieser Hausarbeit die veränderte Kindheit thematisiert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was bedeutet veränderte Kindheit?
3. Grundschüler in der heutigen Zeit
3.1 Lern- und Arbeitsverhalten
3.2 Soziales Verhalten und Selbständigkeit
3.3 Sprachentwicklung
3.4 Entwicklungsschere
4. Konsequenzen auf das Schulverhalten
5. Literaturangaben
1. Einleitung
Wenn wir an unsere Kindheit zurückdenken, dann fallen uns zahlreiche Anekdoten ein, wie zum Beispiel: „Wir hatten keinen GAME-BOY oder was ich hatte auch nur eine Puppe, warum muss es ständig die neuste BARBIE sein?“ oder auf die Schule projiziert: „Warum brauchst du für die Schule unbedingt die aktuellsten Nike-Schuhe oder Esprit-T-Shirts? Bei uns damals, da bekamen wir höchsten einmal im Jahr neu Kleidung oder wir haben die Kleidung von unseren Geschwistern aufgetragen.“
Und dann erinnern wir uns sehr gut, dass wie wir altklug geantwortet haben: Damals, bla, bla. Früher, damals. Wir leben im Hier und Jetzt. Und heute können wir selbst immer wieder erschreckt feststellen, dass wir die heutige Schülergeneration ähnlich kritisch betrachten, wie es damals unsere Eltern mit uns taten.
Wir möchten mit dieser Einleitung ausdrücken, dass es schon immer soziale Entwicklung und Veränderungen gegeben hat und immer geben wird. Mit Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung kann man sagen, dass sich früher Veränderungsprozesse langsamer vollzogen haben. Im Zuge der Industrialisierung forcierten sich diese Prozesse im zunehmenden Maße. Die Sozialisationsforschung spricht in diesem Zusammenhang von den so genannten „Modernisierungsschüben“ (vgl. Fölling-Albers, 1993, S.1).
Des Weiteren möchten wir zum Ausdruck bringen, dass sich die Erziehungseinstellungen und Verhaltensweisen von Erwachsenen konsistent über die Zeit sind. Lediglich die Lebenswelt der Kinder ist eine andere. Die Folge davon ist eine Diskrepanz zwischen der Erfahrungswelt der Kinder und der Erwachsenen. Insbesondere im Schulalltag müssen die Lehrerinnen und Lehrer (im Folgenden werden wir nur noch den neutralen Ausdruck des Lehrers verwenden) auf die veränderte Lebenswelt der Kinder einstellen und sensibel für die unterschiedlichen Entwicklungsstränge der eigenen Geschichte und der Geschichte der Kinder werden. Aufgrund dieser Problematik soll in dieser Hausarbeit die veränderte Kindheit thematisiert werden.
2. Was bedeutet veränderte Kindheit?
- Die heutige Zeit ist durch Sinnkrisen, Werteverluste und Konkurrenzkämpfe geprägt. Das soziale Mit- und Füreinander wird von einer egoistischen „Ellenbogen-gesellschaft“ verdrängt. Die Leidtragenden sind in den meisten Fällen die Kinder. Die derzeitige Gesellschaft ist geprägt von rasanten Wandelungsprozessen, technologischen Fortschritten und ist gekennzeichnet durch zunehmende Komplexität.
Was ist unter diesen Gesichtspunkten „veränderte Kindheit“ zu verstehen?
Veränderte Kindheit kann nicht auf eine kurze Definition beschränkt und festgelegt werden. Sie hat so viele Einflussfaktoren und ist dementsprechend sehr facettenreich. Im Folgenden soll versucht werden einige Aspekte „veränderter Kindheit“ aufzuzeigen, die sich in der Literatur wieder finden und mit welchen sich Lehrer beschäftigen sollten.
1. Die Geburtenrate hat sich in den letzten drei Dekaden um fast 50% rückläufig entwickelt. Die Autorin Fölling-Albers spricht in ihren Werken davon, dass sich die Kinderanzahl in den Familien drastisch verändert hat. Diese Aussage kann mit folgenden Zahlen belegt werden. Haushalte mit drei und mehr Kindern sind weniger geworden. Der Anteil an Haushalten betrug 1970 37,5% und hatte bis zum Jahre 1985 eine rückläufige Entwicklung von 18,5% (vgl. Fölling-Albers, 1995, S.10). Im Jahre 2000 betrug der Anteil der Haushalte mit drei Kindern 9,5% (vgl. Rolff / Zimmermann, 2001, S.23).
Des Weiteren waren im Jahre 1970 noch 26% Einkind-Familien, wobei es an dieser Stelle einen Zuwachs bis zum Jahre 1985 von 11,7% auf 37,7% (vgl. Fölling-Albers, 1995, S.10). Im Jahre 2000 betrug der Anteil 50,5% (vgl. Rolff / Zimmermann, 2001, S.23), was somit eine Verdoppelung innerhalb von drei Dekaden ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Veränderung der familiären Lebenswelt
Diese Zahlen weisen darauf hin, dass in circa 80% der Familien Kinder nur mit einem oder keinem Geschwisterkind aufgewachsen sind. Ferner kann festgestellt werden, dass nur ein Drittel der jungen Kinder Umgangserfahrungen mit dem anderen Geschlecht machen kann (vgl. Fölling-Albers, 1995, S.10). Durch diesen Wandel der Familienstruktur kommt es zu einer veränderten Form der Sozialerfahrung mit anderen Kindern und dem anderen Geschlecht im familiären Umfeld. Dadurch werden verschiedene und wichtige Erfahrungen des Gleichseins oder Andersseins schon im Vorfeld ausgeschlossen.
2. Des Weiteren ist die Erwerbestätigkeit von Frauen in der heutigen Gesellschaft gestiegen. Im Vergleich zu früher war der Mann der „Versorger“ der Familie zu sehen. Diese Rolle hat sich im Laufe der modernisierten Gesellschaft und Emanzipation immer weiter verändert, sodass die Frauen auch zunehmend berufstätig werden. Die berufstätige Frau bezieht immer mehr die autonome Position in der Gesellschaft, um sich unter anderem aus der Abhängigkeit des Mannes zu lösen. Heutige Frauen ordnen in der Rangfolge ihre Karriere über die Gründung einer Familie an. Das lässt sich unter anderem auch in dem Rückgang der Geburtenrate erkennen.
In der Psychologie spricht man Bedürfnissen, die subjektiv hierarchisch angeordnet sind. Abraham Maslow spricht an dieser Stelle von einer „Bedürfnishierarchie“, mit dem höchsten Bedürfnis der Selbstverwirklichung. „Die Selbstver- wirklichung stellt man sich als ein Bedürfnis vor, sich selbst zu erfüllen, ’das zu werden, wozu man fähig ist.’ Es ist ein Bedürfnis, seine Talente und seine Fähigkeiten und sein potenzial voll zu entwickeln und zu benutzen.“[1]
Die Erwerbstätigkeit beider Elternteile führt in den meisten Familien zu einem Betreuungsproblem vor und nach der Schulzeit. Die Grundschule ist dazu angehalten ein Betreuungsprogram zu gewährleisten, welches im Zuge der „verlässlichen Grundschule“ festgelegt ist. Im Falle von Ganztags-beschäftigung der Elternteile, entsteht an dieser Stelle eine Betreuungslücke, die aufgefangen werden muss. Lösungsmöglichkeiten können informelle Arrangements mit Nachbarn oder eine schulische Nachmittagsbetreuung darstellen.
3. Im Zusammenhang mit den oben genannten Punkten ist eine andere Entwicklung bedeutsam. Die Anzahl der Scheidungen und der Anteil der Einelternteilfamilien haben sich erheblich erhöht. So wird heute etwa jede dritte Ehe geschieden und circa der Hälfte geschiedenen Familien sind die Kinder unter 18 Jahren alt. Hierbei ist die Scheidung an sich für die Kinder nicht so gravierend wie die Szenen, die in der Regel der Trennung vorausgehen. (vgl. Fölling-Albers, 1993, S.3)
Als Folge davon ist der Begriff der Familie für die meisten Kinder heute höchst uneinheitlich geworden. Aufgrund der unterschiedlichen Erfahrungswelten der Kinder assoziiert jedes Kind verschiedene Strukturen und Gefühle mit dem Wort „Familie“. Viele Mütter und Väter leben nicht mehr in der traditionellen „Mutter-Vater-Kind-Familie“, sondern leben in „Patchwork-Familien“. Der Trend geht immer mehr zu einem Zweitvater oder einer Zweitmutter. Des Eine weitere Folge ist dieses Verlaufs ist der wöchentliche „Kindertransfer“ zwischen den geschiedenen oder getrennten Elternteilen. Pointiert kann gesagt werden, dass es immer weniger kinderreiche Eltern gibt und mehr elternreiche Kinder. (vgl. Morawietz, 1995, S.163) Des Weiteren ist auch der Anteil an „Einkindfamilien“ gestiegen. In diesen Familien wird das Kind im großen Maße umsorgt und im klassischen Sinn „verhätschelt“. In diesem Zusammenhang wird häufig von dem „Prinzen- und Prinzessinnen-syndrom“ gesprochen.
4. Ein weiteres Anzeichen ist das veränderte, soziale Spielverhalten bei Kindern. In der Vergangenheit gehörte es zum normalen Tagesablauf, dass sich die Kinder am Nachmittag unverbindlich nach den Hausaufgaben mit Kindern aller Altersgruppen zum Spielen draußen getroffen haben und Freizeitaktivitäten an der frischen Luft nachgegangen sind. Diese Tendenz hat abgenommen. Heutzutage wird überwiegend mit einem bestimmten Freund oder einer ausgewählten Gruppe gespielt. Immer häufiger ist an dieser Stelle von Kleinstgruppenbeziehungen[2]. Hierbei ist das Bindungsverhalten zu den einzelnen Personen nicht so stark ausgeprägt ist, da diese ersetzt werden können. Eine Jugendkultur der „Wegwerffreundschaften“ ist somit entstanden. Gleichaltrige Spielpartner oder die Gruppe der Peers bekommen eine größere Aufmerksamkeit für freizeitliche Aktivitäten. Die Verabredungen für Treffen werden bereits in der Schule oder telefonisch getroffen. Die Nachmittagsgestaltung bezieht sich in den meisten Fällen auf das Kinderzimmer und nicht mehr so stark auf Garten oder Spielplatz.
5. Die Einteilung von Zeit hat sich wie folgt verändert, sodass sie den rationalen Umgang mit Zeit schon relativ früh erlernen. Die Orientierung an Erwachsenen, vor allen in den Einelternteilfamilien spielt dabei eine große Rolle. Das durchorganisierte Zeitmanagement der Kinder im Alltag ist drastisch angestiegen. Charakteristisch sind das hohe Ausmaß an institutionalisierten Lernangeboten, das seit Ende der 60er Jahre, im Zuge der Bildungsreform zugenommen hat. Immer mehr Kindergärten und in zunehmenden Maß Kinderkrippen, sorgen für eine vorschulische Betreuung. Allerdings beschränken sich Lernangebote nicht ausschließlich auf diese Institutionen, sondern komplementär hierzu hat sich ein Boom an Lern- und Freizeitangeboten in der Gesellschaft etabliert. Schon im Säuglingsalter finden Säuglingsturnen, Miniclubs und später Mutter-Vater-Kind-Turnen starkes Interesse. Diese Aktivitäten werden im fortschreitenden Alter durch musisch-kreative Kursangebote, wie tuschen, malen, flöten oder basteln abgelöst und gehen weiter über zu Sport- oder Musikvereinen. Das heißt, dass viele Kinder schon im Grundschulalter über einen „Terminkalender“ verfügen, der von den Eltern „verwaltet“ wird. Somit lernen die Kinder schon im frühen Alter ihre Zeit einzuteilen und die Prinzipien der modernen Wirtschaft. Hierbei werden spontane und flexible Bedürfnisse zurückgestellt (vgl. Fölling-Albers. 1993. S.5). Um die Freizeitangebote wahrzunehmen, müssen oft lange Anfahrtswege und Wartezeiten in Kauf genommen werden. Die Rede ist meist von den so genannten „Muttertaxis“.
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[1] Bourne, L. E./ Ekstrand, B. R. (2001): Einführung in die Psychologie. Dietmar Klotz: Eschborn. S. 283.
[2] Krappmann, L. /Oswald, H. (1989): Freunde gleichaltrigen Gruppen, Geflechte. Die soziale Welt der
Kinder im Grundschulalter, in: Fölling-Albers, M. (Hrsg.): Veränderte Kindheit – veränderte Grundschule,
AK Grundschule, Beiträge zur Reform der Grundschule. Frankfurt. S.4.
- Arbeit zitieren
- Simone Hummert (Autor:in), 2005, Veränderte Kindheit. Wie Erwachsene mit Veränderungen in der Lebenswelt der Kinder umgehen können, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44482
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