Der Idealismus im Drama des 19. Jahrhunderts und "Die Jungfrau von Orleans" Friedrich Schiller


Hausarbeit, 2013

22 Seiten, Note: 1,7

Jana Mussik (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Werkeinstieg
2.1 Stoffgeschichte
2.2 Entstehung und Wirkung

3. Schillers Jungfrau von Orleans
3.1 Prolog
3.2 Erster Aufzug
3.3 Zweiter Aufzug
3.4 Dritter Aufzug
3.5 Vierter Aufzug
3.6. Fünfter Aufzug

4. Fazit

Anhang: Szenar Friedrich von Schiller: Die Jungfrau von Orléans

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die romantische Tragödie Die Jungfrau von Orleans von Friedrich Schiller aus dem Jahre 1801 kann exemplarisch für den Idealismus in der Dramenliteratur des 19. Jahrhunderts gelesen werden. Im Rahmen dieser Hausarbeit möchte ich dabei vor allem auf die Entwicklung der Dramenheldin Johanna von ihrer Naivität über den Fall durch die Liebe bis hin zur Erhebung durch den freien Willen eingehen. Dabei möchte ich insbesondere den Umgang mit Konflikten im Ich in Bezug auf den Idealismus näher betrachten. Die Grundlagen aus dem Seminar Drama des 19. Jahrhunderts und eine sehr enge Arbeit am Text sollen dazu beitragen, die ideellen Aspekte des Werkes nachzuweisen.

Zudem möchte ich auch auf die Besonderheiten des Textes eingehen. Zu nennen wären hierbei der für das klassische Drama untypische Gebrauch eines Prologs oder die eigenwilligen Kompositionen von erregenden und retardierenden Momenten. Auch die Sprache und die ganz gezielt eingesetzten Formen der Metrik sollen bei meinen Betrachtungen eine Rolle spielen.

Um das Bild abzurunden, werde ich im Vorfeld noch auf die Stoffgeschichte und die Entstehung des Werkes näher eingehen.

2. Werkeinstieg

Bevor ich direkt in das Werk einsteige, möchte ich zunächst im kurzen Rahmen auf die Grundlage des Dramas – das Bauernmädchen Jeanne d´Arc – und die sich daraus entwickelnde Geschichte des Stoffes eingehen. Auch der Umgang anderer Autoren mit dem Stoff soll dabei näher betrachtet werden, bevor ich mich der Entstehung des Werkes von Schiller widme.

2.1 Stoffgeschichte

Wie im Werk Maria Stuart geht auch dieses Drama Schillers zurück auf eine real existierende Frauengestalt. Das junge Mädchen Jeanne d´Arc wurde im Januar 1412 in Domrémy geboren und starb im Alter von nur 19 Jahren durch Verbrennung auf dem Scheiterhaufen in Rouen, nachdem sie als Hexe verurteilt worden war. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen dieses schmachvollen Todes ging Jeanne d´Arc als von Gott gesandte Kämpferin Frankreichs im Krieg gegen England in die Geschichte ein. Schon kurz nach ihrem Tod erhielt Jeanne d´Arc in Frankreich den Status einer Nationalheldin.[1] 1456 erkannte auch die Kirche die Bedeutung ihrer Person an. Die Verurteilung zur Hexe wurde durch Papst Kalixt III. wiederrufen und 1920 erfolgte letztendlich die Heiligsprechung des Mädchens durch die Kirche.

Vor Schiller nutzten bereits andere Schriftsteller und Autoren die Motivik aus der Lebensgeschichte der Jeanne d´Arc und transportierten sie in ihre Werke. So entstand bereits zwischen 1589 und 1592 das Drama Heinrich VI von William Shakespeare. 1762 fand der Stoff ebenfalls literarische Verbreitung durch Voltaires La pucelle d´Orléans. In diesem Werk erfährt die Rolle der Jeanne d´Arc jedoch lediglich Spott und Ablehnung.

Erst im 20. Jahrhundert – sicherlich auch aufgrund der Heiligsprechung durch die Kirche 1920 – geriet die Figur Jeanne d´Arc wieder ins Blickfeld der Autoren und wurde sehr häufig als Motiv in den unterschiedlichsten Kontexten genutzt. Zu nennen wären dabei in erster Linie George Bernard Shaws Saint Joan von 1923, Die heilige Johanna der Schlachthöfe von Berthold Brecht aus der Zeit um 1929/30 und das 1953 entstandene Werk L´Alouette von Jean Anouilh.

2.2 Entstehung und Wirkung

Friedrich Schiller verfasste seine romantische Tragödie in den letzten Jahren seines Lebens in Weimar. Schon kurz nachdem Maria Stuart aufgeführt wurde, begann er mit der Bearbeitung des Textes für die Jungfrau von Orleans. Ähnlich wie im Vorwerk verbindet Schiller wahre historische Ereignisse und Personen, wie z.B. den Hundertjährigen Krieg, die christliche Welt des Mittelalters und die Personen Jeanne d´Arc, König Karl VII. oder Herzog Philipp von Burgund mit freien poetischen Erfindungen. Dabei wären vor allem der Heerführer Lionel, die Versöhnung Frankreichs mit den Burgundern und auch der Einsatz wunderbarer Ereignisse zu benennen. Doch wichtiger als der Anspruch an historische Realien, bleibt eindeutig die poetische Atmosphäre. Die Hauptarbeit für dieses Werk fiel in die Jahre 1800 und 1801. Nach nur neun Monaten Bearbeitungszeit wurde das Drama 1801 in Leipzig uraufgeführt und als großer Erfolg gefeiert. In dieser Zeit galt die Französische Revolution gerade als beendet und Napoleon I. hatte sich selbst zum Ersten Konsul Frankreichs ernannt. Deutschland besaß währenddessen noch immer den Charakter eines Flickenteppichs verschiedenster Kleinstaaten und war zudem noch von Napoleons Truppen besetzt. Die Lage zwischen Deutschland und Frankreich war also äußerst angespannt. Obwohl sich Schiller selbst nicht sehr für die Art der Inszenierung seines Werkes begeistern konnte, gab es bis 1855 kein anderes Drama in Berlin, das so häufig gespielt wurde. Es ist ganz erstaunlich, dass das Werk mit der französischen Nationalheldin gerade in diesen Zeiten solch großen Zuspruch beim deutschen Publikum gewinnen konnte.

3. Schillers Jungfrau von Orleans

Auf den ersten Blick erscheint es dem Leser, als würde es sich beim Drama um die Jungfrau um ein klassisches Drama in fünf Akten handelt. Er hält sich an das klassische Formmodell, liefert dem Publikum eine Exposition, lässt die Handlung Ansteigen bis zu einem Höhepunkt, verweilt einen Moment in der Peripetie und lässt seinem Publikum wenigstens für einen kurzen Augenblick die Hoffnung, Johanna würde doch ein glücklicheres Ende zu teil werden, bis das Stück schließlich doch, in der Katastrophe endet und Johanna stirbt.

Bei etwas genauerer Betrachtung jedoch wird deutlich, dass dieses Werk nicht in allen Punkten so streng vorgeht und sich nicht in Reinform an die Dramentheorie hält, wie es z.B. noch im Werk Maria Stuart der Fall gewesen ist. In diesem Werk spielt Schiller geradezu mit dem Regelwerk des alten Formmodells und schafft so „seine romantische Version der Tragödie“[2]. Ausgehend von der Werkaufteilung möchte ich nun zum einen auf die einzelnen Besonderheiten des Werkes, zum anderen auch auf die Bedeutung hinsichtlich des Werkes als Folie für den Idealismus im Drama näher eingehen.

3.1 Prolog

Bevor Schiller mit dem ersten Akt und so in die Exposition einsteigt, stellt er dem noch einen – für das klassische Drama ungewöhnlichen[3] – Prolog voran. Er zeichnet das Bild von Johannas Welt in einem sehr realitätsfernen Kontext. So werden Bauern, Mägde und Schäfer zu Protagonisten in einer ländlichen Gegend, in der magische Elemente, wie Druidenbäume, zukunftsweisende Träume, der Bezug zur Heidenzeit und mystischer Aberglauben zum Alltagsgeschehen gehören. Das Spiel mit den romantischen Motiven bleibt so kaum verborgen, ganz im Gegenteil. Dieser romantische Bezug legitimiert den Einsatz der Stilmittel in der idealistischen Tragödie.

Wie passt nun die Bauerntochter Johanna in diese Welt? Zunächst wird das junge Mädchen stumm in die Handlung eingeführt. Sie ist Zuschauerin und äußert sich nicht zu den irdischen Problemfragen wie Eheschließung und Familie. Auch die Sorgen des eigenen Vaters: „Du, meine Jüngste, machst mir Gram und Schmerz“[4], oder die liebevolle Verteidigung ihres Verehrers Raimond: „Was fällt euch ein? Was scheltet Ihr die Tochter?“[5], verleiten Johanna nicht, sich in die Unterhaltung einzubringen. Schnell wird dem Leser klar, in dieser besonderen Welt voller Wunder, Spuk und Magie sticht Johanna selbst in besonderem Maße hervor. Sie ist anders, als z.B. ihre älteren Schwestern, sie fällt in ihrem Umfeld auf. So werden Johanna schon im Prolog zahlreiche Vorzüge zuteil. Johanna ist jung und schön, ihr Vater sieht sie in „Jugendfülle prangen“[6] und „entfaltet ist die Blume [ihres] Leibes“[7]. Sie ist bescheiden und genügsam, tugendhaft und fromm, sie „ist die hoch begabteste von allen“[8], übt sich „still [und] gehorsam“[9] und unter ihrer Hand „gedeihen […] die Herden und die Saaten.“[10] All diese Fähigkeiten sind nicht nur der Bauerstochter zum Vorteil, sondern vor allem einer Kriegerin – einer Kriegsführerin an der Spitze eines Heeres. Hinzukommt die Beobachtung Raimonds, der erstaunt zusieht, „wenn [Johanna] auf hoher Trift in Mitte ihrer Herde ragend steht.“[11] Auch er erkennt schnell „[Johanna scheint] mir was Höh´res zu bedeuten.“[12] Doch neben dem liebesverklärtem Blick Raimonds auf die Figur der Johanna, gibt es auch noch die Sichtweise des Vaters, der Johannas Eigenarten wesentlich kritischer und misstrauischer wahrnimmt. Er empfindet ihr Verhalten, z.B. Raimond gegenüber, als kalt und verschlossen. Er verurteilt ihr strenges Tun zu einer „schwere[n] Irrung der Natur“[13] und bringt seine eigene Tochter furchtsam mit den Dämonen eines Druidenbaumes, der grauen Heidenzeit und letztlich gar mit Hexerei und bösen Mächten in Zusammenhang. Der Vater warnt sein Kind, des Nachts keine Tränke mehr zu brauen und der Gesellschaft der Menschen zu fliehen. Er ahnt ein böses Ende für seine Tochter und nimmt so bereits Bezug auf den Ausgang der Geschichte.

Diese bereits im Prolog empfundene Andersartigkeit der Johanna verdeutlicht den Charakter ihrer Bestimmung. Sie besitzt von Beginn an besondere Fähigkeiten und Eigenarten, die sie benötigt, um ihrer Bestimmung folgen zu können. Als idealistische Figur erwirbt sie die Fähigkeiten nicht erst im Laufe der Handlung, Johanna besitzt sie von Anfang an. Sie muss sich nicht erst zum Ideal entwickeln, sondern hebt sich gleich am Anfang von der Masse ab. Johanna befasst sich nicht mit den irdischen Problemen ihres Umfelds, sie lebt bereits ihre Mission und wartet nur auf das eine Zeichen, den einen Augenblick, um ihrer Bestimmung endlich folgen zu können. Dies wird vor allem daran deutlich, dass Johanna sich erst dann in die Gespräche einbringt, als das besagte Zeichen endlich eintrifft – der Helm. Als wäre sie aus einem langen, in sich ruhenden Winterschlaf erwacht, greift das Bauernmädchen „rasch und begierig“[14] nach dem Kriegswerkzeug und bringt sich beinahe euphorisch und ganz zum Ärgernis des Vaters in die Gespräche ein. Aus dem passiven jungen Mädchen wird nun eine aufmerksame, gespannte und begeisterte Kriegsführerin.

Für Johanna endet nun ihr Dasein in dieser ländlichen Gegend. Mit dem Eintreffen des Zeichens verabschiedet sie sich von ihrem bisherigen Leben, um nun ihrer wahren Bestimmung folgen zu können. Im vierten Auftritt des Prologs – dem letzten – nimmt Johanna mit pathetischer Rede und feuereifernden Worten Abschied von ihrem Leben als Bauerntochter, von ihrer Zukunft im irdischen Dasein. Dieser Lebensabschnitt der Johanna ist nun beendet. Auffällig ist, dass der Monolog in seiner Metrik vom für das Werk genutzte Schema des Blankverses abweicht. Ab der zweiten Strophe des Monologs verfasste Schiller den Text in 8-Zeilern mit elf Jamben. Die Form der Stanze eignet sich sehr gut, um die Emotionalität des Augenblicks noch einmal zu verdeutlichen. Die Rede wirkt dadurch sehr pathetisch und der Situation des Abschiedsschmerzes angemessen feierlich.

In diesem Monolog wird zwar deutlich, dass Johanna um die Art ihrer Bestimmung weiß und sich auch der Notwendigkeit ihrer Bestimmung bewusst ist, doch es fällt schon jetzt auf, dass dieser Weg nicht aus dem Mädchen selbst heraus geboren ist, sondern von außen auf sie einwirkt. „Geh hin! Du sollst auf Erden für mich zeugen“[15], heißt es da und es ist ein Zeichen, das „der Himmel“[16] ihr verheißen wollte. Obwohl sich Johanna aller Folgen bewusst ist, also dem Verlust einer irdischen Zukunft, z.B. an Raimonds Seite im Schoße der Familie, und sie sogar den Tod für die Mission in Kauf nimmt, handelt Johanna aus einer Pflicht heraus. Es ist nicht ihr eigener Wille, der ihr ihre Fähigkeiten verleiht oder sie zum Handeln bringt, sondern eine von außen einwirkende übergeordnete Kraft. Der Leser trifft also zu Beginn auf eine zwar starke, aber dennoch naive Dramenheldin.

Durch die Voranstellung eines Prologs noch vor der Exposition verdeutlicht Schiller ganz bewusst die Abgrenzung der zwei Lebenswelten Johannas – einmal die der Bauerstochter und zum anderen die der jungfräulichen Kriegerin für Frankreich. Denn obwohl es sich um ein und dieselbe Person handelt, könnte der Unterschied zwischen der bäuerlichen und der höfischen Lebenswelt Johannas wohl kaum größer sein.

3.2 Erster Aufzug

Die daran anschließende Exposition knüpft unmittelbar an den Prolog an, folgt nun aber wieder ganz dem Modell des klassischen Dramas. Dennoch wird auch hier die Einheit von Ort, Zeit und Handlung nur im weitesten Sinne eingehalten. So werden auch an dieser Stelle noch nicht alle für die Handlung relevanten Figuren eingeführt. Die Exposition grenzt sich zudem sehr stark vom Handlungsort des Prologs ab. Betrachtete der Leser zunächst eine ländliche Bauerngegend, so befindet er sich nun im Heerlager des französischen Hochadels. Von der Lebenswelt der ersten Johanna ist nichts mehr zu erkennen. Johanna selbst erscheint nun folgendermaßen:

[...]


[1] Vgl. KRUMEICH, Gerd: Jeanne d´Arc/ Die Geschichte der Jungfrau von Orleans. München 2006.

[2] RITZER, Monika: Schillers dramatischer Stil. In: KOOPMANN, Helmut (Hg.): Schiller-Handbuch, 2. durchgesehene u. akt. Aufl., Stuttgart 2011.S. 275.

[3] Vgl. Dramentheorie nach Gustav Freytag. Unter dem Gesichtspunkt des klassischen Dramas beziehe ich mich im Rahmen dieser Arbeit immer auf die Dramentheorie nach Gustav Freytag.

[4] SCHILLER, Friedrich: Die Jungfrau von Orleans. Hamburger Leseheft 2006., S. 4.

[5] Ebd.

[6] SCHILLER: Die Jungfrau von Orleans, S. 4.

[7] Ebd.

[8] SCHILLER: Die Jungfrau von Orleans, S. 6.

[9] Ebd.

[10] Ebd.

[11] SCHILLER: Die Jungfrau von Orleans, S. 5.

[12] Ebd.

[13] Ebd.

[14] SCHILLER: Die Jungfrau von Orleans, S. 8.

[15] SCHILLER: Die Jungfrau von Orleans, S. 14.

[16] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Idealismus im Drama des 19. Jahrhunderts und "Die Jungfrau von Orleans" Friedrich Schiller
Hochschule
Universität Leipzig  (Geisteswissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Der Idealismus im Drama des 19. Jahrhunderts
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V444933
ISBN (eBook)
9783668819528
ISBN (Buch)
9783668819535
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Idealismus, Drama, Literatur 19. Jahrhundert, Literaturwissenschaft, Friedrich Schiller, Jungfrau von Orleans, Szenar Schiller
Arbeit zitieren
Jana Mussik (Autor:in), 2013, Der Idealismus im Drama des 19. Jahrhunderts und "Die Jungfrau von Orleans" Friedrich Schiller, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/444933

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