Dürfen wir Tiere töten, um sie zu essen? Zur ethischen Legitimation des Fleischkonsums


Facharbeit (Schule), 2017

15 Seiten, Note: 14,0


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einführung

2. Was ist Tierethik?
2.1 Speziesismus
2.2 Egalitarismus
2.3 Schopenhauers Mitleidsethik
2.4 Singers Präferenzutilitarismus

3. Brauchen Menschen Fleisch?
3.1 Dürfen wir Tiere töten um sie zu essen?
3.2 Legitimiert die Bibel den Konsum von Fleisch?

4. Fazit

1. Einführung

״Wo es um Tiere geht, wird jeder zum Nazi.“[1], lautet eine von Isaac Bashevis Singers Aussagen. Was auf den ersten Blick wie polemische Provokation erscheinen könnte, wirkt beim genaueren Untersuchen der bestehenden Verhältnisse in der industriellen Massentierhaltung beinahe berechtigt. Durch die Medien herrscht bereits eine allgemeine ״Aufgeklärtheit“ über die Zustände in sogenannten Zuchtbetrieben. Doch das ändert nichts an den Konsumgewohnheiten vieler Verbraucher. Sollte es denn etwas ändern? Oder sind Tiere dazu da um als Nahrungsmittel zu dienen? Durch zahlreiche kontroverse Debatten wurde ich dazu angeregt mich intensiver mit dieser Thematik zu beschäftigen. Die Frage danach, ob man Fleischkonsum ethisch vertreten kann, ist von eminenter Bedeutung, da jeder Mensch täglich damit konfrontiert wird. Bei der Frage nach der ethischen Vertretbarkeit von Fleischkonsum möchte ich mich nur auf die Verhältnisse in privilegierten Ländern beziehen. Für eine möglichst differenzierte und gründliche Beantwortung der Frage: ״Dürfen wir Tiere töten, um sie zu essen?“, habe ich mich eingehend mit Fachliteratur zur Tierethik und dazugehörigen Theorien beschäftigt. Anfangs möchte ich etablierte und relevante Positionen der Tierethik vorstellen und erläutern. Anschließend untersuche ich die Notwendigkeit von Fleischkonsum anhand von Studien zur Gesundheit. Danach werde ich näher auf die Leitfrage nach ethischer Legitimation des Tötens von Tieren eingehen und dabei den Unterschied zwischen Mensch und Tier beleuchten. Abschließend möchte ich auch die christliche Perspektive, also die biblische Sicht auf die Thematik darstellen. Hierbei werde ich Aspekte aus dem Alten, sowie aus dem neuen Testament mit einbeziehen. Ziel meiner Arbeit ist es die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit von Fleischkonsum elaboriert zu beantworten.

2. Was ist Tierethik?

Tierethik ist eine Untergruppe von Naturethik, welche als Teildisziplin der Bioethik gilt.[2] Die Tierethik befasst sich hauptsächlich mit Tierrechten und Tiermoral. Also mit den Fragen, ob Tieren Moral, Rechte oder sogar Würde zugeschrieben werden können. Außerdem wird die Tötung, Nutzung und das Zusammenleben mit Tieren thematisiert. ״Tierethik widmet sich den Tieren, die bewusste Objekte ihres Lebens sind“, schreibt Hilal Sezgin in ״Artgerecht ist nur die Freiheit“. Des Weiteren erläutert sie, dass nach der heutigen zoologischen Perspektive nur Tiere mit zentralisiertem Nervensystem in der Tierethik berücksichtigt werden. Dazu zählen Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien, Reptilien und Cephalopoden.[3] Die ersten tierethischen Überlegungen reichen bis zu 2000 Jahre in die Vergangenheit zurück und gehen auf den chinesischen Philosophen Hsiang Hsiu zurück. Hsiang Hsiu beschäftigte sich damit, ob Tiere Objekte sind oder autonome Lebewesen mit einem Innenleben. Die Tierethik blieb dann lange Zeit unpopulär bis René Descartes Tiere als seelenlose Objekte und Maschinen deklarierte.[4] Diese Auffassung wird heute weitgehend abgelehnt. Tiere sind heute sogar in unserem Grundgesetz verankert.

״Der Staat schützt auch die Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und Rechtssprechung. “[5]

So lautet Artikel 20a, welcher am 26. Juli 2002 zugunsten des Tierschutzes geändert wurde. Mit verantwortlich für das veränderte moralische Verhältnis zu Tieren in unserer Gesellschaft ist die deutsche Philosophin Ursula Wolf. Mit den Büchern ״Das Tier in der Moral“ und ״Ethik der Mensch-Tier-Beziehung“, hat sie im deutschsprachigem Raum wichtige Grundsteine für die Aktualität der Tierethik gelegt. Auch der australische Philosoph Peter Singer spielt eine große Rolle in der modernen Tierrechtsbewegung. In seinem Werk ״Animal Liberation“ thematisiert er den Speziesismus.

2.1 Speziesismus

Die Tierethik wird von vielen bedeutenden Begriffen geprägt. Speziesismus ist einer davon. Tierrechtler/-innen verwenden den Begriff analog zu Rassismus und Sexismus. Während bei Rassismus Angehörige einer anderen ethnischen Gruppierung und bei Sexismus Menschen mit einem anderen Geschlecht diskriminiert werden, wirft der Speziesismus die Diskriminierung von anderen Spezies vor.

,,Der Rassist sagt: ״ Weil du schwarze Haut hast, darf ich dich als Sklave halten. “ Der Sexist sagt: ״ Weil du eine Frau bist, darfst du nicht zu den Wahlen gehen. “ Und der Speziesist sagt: ״ Weil du ein Tier bist, kann ich dich lebenslang in Zoos einsperren, mit dir grausame Experimente durchführen und dich umbringen und aufessen. “[6]

Dieses Zitat von Helmut F. Kaplan veranschaulicht das Prinzip des Speziesismus. Doch auch bei Speziesisten untereinander muss man unterscheiden. Laut Johannes s. Ach gibt es den absoluten, radikalen und milden Speziesismus. Für den absoluten Speziesist scheint generell keine Tierethik zu existieren. Der radikale Speziesist würde seine eigenen Interessen immer der der Tiere präferieren. Der milde Speziesist gibt seiner Spezies nur in Sonderfällen den Vorzug.[7] Milder Speziesismus würde beispielweise so aussehen, dass eine Person auf den Verzehr tierischer Produkte verzichtet, aber trotzdem Medikamente zu sich nimmt, die zuvor an Tieren getestet wurden. In diesem Fall würde die Person ihre vitalen Interessen, denen der Tiere überordnen.

2.2 Egalitarismus

Laut dem Duden ist Egalitarismus eine ״Sozialtheorie von der [möglichst] vollkommenen Gleichheit in der menschlichen Gesellschaft bzw. von ihrer Verwirklichung.“[8] In der Tierethik geht es beim Egalitarismus um die prinzipielle Gleichheit zwischen Mensch und Tier. Dieses Resultat zieht die egalitari sti sehe Position daraus, dass beide Spezies moralische Wesen sind.

Natürlich behauptet der Egalitarismus nicht, dass Menschen und Tiere faktisch gleich sind. Jedem ist bewusst, dass Tiere zum Beispiel nicht dieselben Rechte wie Menschen brauchen. Da Tiere weder lesen, noch schreiben können, würden sie nicht von der Pressefreiheit profitieren. Genauso wenig benötigen sie die Religionsfreiheit, weil sie eben keine Religion haben. Was sie aber benötigen, ist das Recht auf ihre Interessen, welche wie beim Menschen angemessene und ausreichende Nahrung und Unterkunft sind. Das moralische Gleichheitsprinzip setzt voraus, dass die Interessen von Menschen und Tieren gleichermaßen berücksichtigt werden.[9] Das Problem des Egalitarismus ist, dass ihm häufig der Vorwurf des Anthropomorphismus begegnet. Hierbei geht es darum, menschliche Eigenschaften auf Tiere zu projizieren und davon auszugehen, dass Tiere ähnliche Wünsche und Bedürfnisse wie Menschen hätten. Diese Annahme ist in vielen Fällen nicht berechtigt, da wir kein Zugang zum Bewusstsein von Tieren haben und ihnen deswegen auch keine kognitiven Fähigkeiten zu sprechen können.[10] Wir können lediglich Verhaltensmuster interpretieren.

2.3 Schopenhauers Mitleidsethik

Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts, stellte die Hypothese auf, dass Mitleid, das Fundament der Moral sei.[11] Mitleid sei eine moralische Instanz im Menschen. Schopenhauer behauptet allerdings nicht, dass Mitleid zu moralischem Handeln führen würde, sondern geht davon aus, dass Mitleid mit Bosheit und Egoismus im Menschen konkurriert. Eine moralische Handlung könne nur dann stattfinden, wenn sie aus purem Mitleid vollzogen wird.[12] Nur wenn man mit anderen Wesen leidet, kann man die Grenze zwischen ״Du“ und ״Ich“ überwinden. Schopenhauer bezeichnet das ״Mitleid als unleugbare Tatsache des menschlichen Bewusstseins [...]“ und als ״uneigennützige Tugend“[13] Schopenhauer dehnt als einer der wenigen seiner Zeit seine Ethik auch auf Tiere aus und impliziert sie in seinen moralischen und ethischen Überlegungen. ״Mitleid mit den Tieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, dass man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Tiere grausam ist, könne kein guter Mensch sein.“[14] Arthur Schopenhauer deklariert somit Tiere als leidensfähige Wesen und kritisiert Menschen, die Tiere quälen. Er geht sogar so weit zu sagen, dass diesen Menschen jegliche Fähigkeit für moralisch korrektes Handeln fehlt, da diese Menschen dazu scheinbar nicht in der Lage sind.

2.4 Singers Präferenzutilitarismus

Der australische Philosoph Peter Singer gilt als Gründer des Präferenzutilitarismus. Hierbei handelt es sich um die Überlegung, ob eine Handlung den Interessen der Beteiligten nützt. Prinzipiell geht man bei ethischen Überlegungen danach vor, dass man die Präferenzen, also die Wünsche und Interessen der unterschiedlichen Personen miteinander verrechnet, die Auswirkungen bedenkt und sich dann richtig entscheidet.[15] Die Problematik hierbei liegt da, dass die Handlungen, die dem Interesse der Mehrheit entspricht, als richtig bewertet und damit moralisch gerechtfertigt werden. Für die Tierethik spielt der Präferenzutilitarismus eine so große Rolle, weil Singer die Schranken zwischen den verschiedenen Spezies überwindet. Er trifft keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier, sondern benutz nur sein Muster des Personenbegriffs. Für ihn ist eine Person ein selbstbewusstes Wesen, welches empfmdungsfähig und autonom ist und Identitätsbewusstsein vorweisen kann. Nach diesem Schema wäre ein Menschenaffe eher eine Person, als ein neugeborenes Baby, weil der Affe mehr Kriterien für den Personenbegriff erfüllen würde. Konkret bedeutet das für Singer, dass er eher einem Affen als einem Neugeborenen das Leben retten würde. Mit Zitaten wie: ״Die Tötung eines behinderten Säuglings ist nicht moralisch gleichbedeutend mit der Tötung einer Person. Sehr oft ist sie überhaupt kein Unrecht.“[16] Ist der australische Philosoph äußerst umstritten geworden.

[...]


[1] Kaplan, Helmut: Der Verrat des Menschen an den Tieren (2007)

[2] Artikel: Bioethik, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg

[3] Artgerecht ist nur die Freiheit, Hilal Sezgin s.21 (2014)

[4] Bundeszentrale für politische Bildung (2013)

[5] Grundgesetze für die Bundesrepublik Deutschland (1946)

[6] Helmut F. Kaplan, Der Verrat des Menschen an den Tieren (2007)

[7] Hilal Sezgin, Artgerecht ist nur die Freiheit S.58 (2007)

[8] Duden (2017)

[9] Helmut F. Kaplan, der Verrat des Menschen an den Tieren S.72 (2007)

[10] Bremer, Tierisches Bewusstsein, Anthropomorphismus und Heterophänomenologie

[11] Dietmar T., Mitleidsethik- Arthur Schopenhauer

[12] Vgl. Schmidt, Jana, Grundzüge Schopenhauers Mitleidsethik und ihre metaphysischen Einflüsse. Beurteilung der Kritik an Kant

[13] Kirchgessner, Walter, Schopenhauers Mitleidsethik

[14] Kirchgessner, Walter, Schopenhauers Mitleidsethik

[15] Vgl. Dr. Werner Moskopp, Der (Präferenz-)utilitarismus Peter Singers Darstellung und kritische Würdigung (2015)

[16] Zitiert nach Hans Schuh, Läßt sich Euthanasie ethisch begründen? (2012)

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Details

Titel
Dürfen wir Tiere töten, um sie zu essen? Zur ethischen Legitimation des Fleischkonsums
Hochschule
August-Hermann-Francke-Schule Gießen
Note
14,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
15
Katalognummer
V445215
ISBN (eBook)
9783668820418
ISBN (Buch)
9783668820425
Sprache
Deutsch
Schlagworte
dürfen, tiere, legitimation, fleischkonsums
Arbeit zitieren
Janina Gerhardt (Autor:in), 2017, Dürfen wir Tiere töten, um sie zu essen? Zur ethischen Legitimation des Fleischkonsums, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/445215

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