Die Theorie der Schweigespirale

Ein Beitrag zur Frage nach der Wirkung von Massenmedien und der Möglichkeit individueller Meinungsbildung


Hausarbeit, 2004

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung
1.1 Relevanz des Forschungsgegenstandes
1.2 Ziel und Struktur der Untersuchung

2. Theoretische und empirische Aspekte der Theorie der Schweigespirale
2.1 Das Meinungsklima als kommunikationswissenschaftliches Phänomen
2.2 Theoretische Grundlagen und Hypothesen
2.3 Demoskopische Untersuchungsmethoden

3. Kritische Auseinandersetzung
3.1 Theoretische Kritik
3.2 Empirischer Bestätigungsgrad

4. Schlussbetrachtung
4.1 Bewertung des Verdienstes um die in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellten Fragen
4.2 Ausblick auf die zukünftige Bedeutung in der Kommunikationswissenschaft

5. Quellennachweis

Anhang: Tabellen 1 bis

1. Einleitung

1.1 Relevanz des Forschungsgegenstandes

Die von Elisabeth Noelle-Neumann seit Beginn der 1970er Jahre entwickelte Theorie der Schweigespirale stellt eine Konzeption der sog. öffentlichen Meinung[1] dar, die „gleichzeitig einer empirischen Überprüfung zugänglich zu machen“ (Donsbach 1987: 324) ist. Angesichts des hohen wissenschaftlichen Anspruchs, den der Versuch einer empirischen Untermauerung einer Konzeption des - für sich betrachtet eher vage anmutenden (vgl. Noetzel 1978: 217) - Begriffes der öffentlichen Meinung verkörpert, überrascht es kaum, dass die Theorie in den Folgejahren ausgesprochen kontrovers diskutiert wurde. Insbesondere für Medienwirkungsforscher stellte die Losung „Return to the Concept of Powerful Mass Media“[2] eine Herausforderung dar, sich intensiv mit den Annahmen und Folgerungen der Theorie auseinander zu setzen.

Für die allgemeine Popularität der Theorie jenseits der kommunikations- und politikwissenschaftlichen Fachkreise sorgte in erster Linie ihre Anwendung zur Erklärung des Ausganges der Bundestagswahl 1976. Die (medien)politische Brisanz der Behauptung Noelle-Neumanns, die Niederlage der christdemokratischen Union[3] sei auf die Fernsehberichterstattung zurückzuführen, da diese durch die übereinstimmenden politischen Orientierungen der Journalisten bzw. deren Erfolgserwartungen für die Parteien zugunsten der Linkskoalition verzerrt worden sei (vgl. Noelle-Neumann 2001: 232 ff.), lässt sich exemplarisch an einer Stellungnahme Kurt Biedenkopfs vor der Medienkommission ARD/ZDF am 21. April 1977 aufzeigen:

„Wenn wir also davon ausgehen [...], daß das Handeln von Rundfunk- und Fernsehjournalisten kausal ist für das politische Meinungsklima [...] muß die Frage gestellt werden, ob wir diesen Einfluß als eine unvermeidbare Konsequenz der Kommunikationsgesellschaft zu akzeptieren haben.“ (Biedenkopf 1977: 80)[4]

Tatsächlich schlug sich die politische Diskussion um die Schlussfolgerungen der Theorie „in der verstärkten parteipolitischen Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“ (Bonfadelli 1999: 149) nieder.

Um die politische Relevanz der betrachteten Theorie zu veranschaulichen, lässt sich ebenso die Tatsache hinzuziehen, dass sie bereits für die Konzeption des Bundestagswahlkampfes der CDU 1976 „eine erhebliche Rolle“ (Donsbach 1987: 329; vgl. auch Noelle-Neumann 2001: 241[5] ) spielte.

Des weiteren steht eine Theorie, die von starken Medienwirkungen ausgeht, in Konflikt mit den Journalisten, deren Selbstverständnis und Ehrenkodex vom Maßstab der objektiven Berichterstattung konstituiert wird (vgl. Noelle-Neumann 1982a: 119). Somit berührt die Konzeption die Frage nach der Legitimität des Journalismus; schließlich betrifft die Frage nach der Möglichkeit individueller Meinungsbildung, die durch die Theorie der Schweigespirale aufgeworfen wird, die Grundfesten eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens. Der mündige Bürger als Idealbild von Aufklärung und Emanzipation erwiese sich als Utopie, hätte man tatsächlich davon auszugehen, dass massenmediale Kommunikationsangebote nicht nur der Information dienen, sondern vielmehr auch direkt Einstellungsänderungen hervorrufen können (vgl. Eisenstein 1994: 14). „Das Ideal des mündigen und vernünftigen Individuums steht der unbefangenen Beschäftigung mit der sozialen Natur des Menschen und der Funktion von öffentlicher Meinung entgegen.“ (Noelle-Neumann 1983: 139) Die Beschäftigung mit der Theorie der Schweigespirale vermag den Blick - nicht nur des Kommunikationswissenschaftlers - gerade auf die Bedeutung der menschlichen Sozialität zu lenken.

1.2 Ziel und Struktur der Untersuchung

Im folgenden soll daher die Frage nach dem Prozess der Meinungsbildung in der Mediengesellschaft in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gestellt werden. Im Rahmen der Untersuchung soll dabei von den Prämissen und Methoden der Theorie der Schweigespirale, wie sie von Noelle-Neumann aufgestellt bzw. wie sie zur empirischen Überprüfung der Theorie konzipiert wurden, ausgegangen werden.

Zunächst ist auf den zeitgeschichtlichen Anlass einzugehen, der Noelle-Neumann dazu bewegte, sich eingehend mit dem Meinungsklima in der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu beschäftigen.

Weiterhin werden die Fundamente der Theorie vorgestellt und erläutert, nämlich die Hypothesen psychologischer, kommunikationstheoretischer und soziologischer Art (vgl. Donsbach 1987: 324), die den daran anschließenden empirischen Untersuchungsmethoden und –ergebnissen zugrunde liegen.

Im Anschluss an die Darstellung der Theorie wird diese einer kritischen Reflexion aus wissenschaftlicher Sicht zu unterziehen sein. Aufgrund der Prominenz des Anwendungsbeispiels der Bundestagswahl von 1976 wird die vorliegende Untersuchung an dieser Stelle ein besonderes Augenmerk auf dieses Ereignis und seine Deutung durch die Medienwirkungsforschung richten.

Abschließend erfolgt der Versuch einer Beantwortung der in den Mittelpunkt der Arbeit gestellten Forschungsfragen im Hinblick auf den Erkenntnisgewinn, den die Theorie bzw. ihre Kritik zur Verfügung stellt.

Auch sollen im Rahmen eines Ausblicks die Bedeutung des betrachteten Ansatzes und Perspektiven einer möglichen Weiterentwicklung in der Kommunikationswissenschaft aufgezeigt werden.

2. Theoretische und empirische Aspekte der Theorie der Schweigespirale

2.1 Das Meinungsklima als kommunikationswissenschaftliches Phänomen

Unter der Überschrift „Die Schweigehypothese wird aufgestellt“ (vgl. Noelle-Neumann 2001: 13 ff.) beschreibt Noelle-Neumann den historischen Anlass, der sie dazu bewegte, sich mit dem Meinungsklima als Phänomen – hier im Wahlkampf – auseinander zu setzen.

Als dessen Leiterin sah Noelle-Neumann sich mit dem Vorwurf konfrontiert, das Institut für Demoskopie Allensbach habe die deutsche Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Wahlprognose für die Bundestagswahl 1965 insofern getäuscht und in ihrer Wahlentscheidung zu beeinflussen versucht, als dass es ihr seit Monaten den Eindruck eines Kopf-an-Kopf-Rennens der beiden großen Volksparteien vermittelt hätte.
Tatsächlich wiesen nämlich im Gegensatz zu den zuvor von Allensbach veröffentlichten Prognosen und Stellungnahmen[6] sowohl die letzte – zwei Tage alte - Prognose vor der Abstimmung als auch das amtliche Endergebnis[7] einen klaren Vorsprung der Union aus. Noelle-Neumann kommentiert die Entwicklung einer Zahlenreihe, die sich „völlig unabhängig“ (a.a.O.: 15) von der Wahlabsicht der Bevölkerung entwickelte und sich auf die Erwartung des Wahlausganges[8] bezog, folgendermaßen:

[...]


[1] Den Charakter der Theorie als solche der öffentlichen Meinung hebt Noelle-Neumann wiederholt allein durch die Wahl entsprechender Titel ihrer Abhandlungen hervor: vgl. Noelle-Neumann 1974 sowie 1979 und 2001.

[2] Titel eines Aufsatzes, den Noelle-Neumann 1973 veröffentlichte: vgl. dies. 1973a

[3] Sie erlangte 48,6% der Stimmen, während SPD und FDP 42,6% bzw. 7,9% erhielten. Somit war mit 50,5% für die sozialliberale Koalition der Weg für eine erneute Auflage des Bündnisses frei. Vgl. Juring 1980: 102 bzw. www.bundeswahlleiter.de

[4] Der damalige CDU-Generalsekretär Biedenkopf hatte zuvor in einem Interview vom 8. Januar 1977 den in den Rundfunkanstalten beschäftigten Journalisten vorgeworfen, für die Wahlniederlage der Union verantwortlich zu sein; vgl. hierzu Kiefer (1977): 1.

[5] Zitiert nach David P. Conradt (1978): The 1976 Campaign and Election: An Overview. In: Karl H. Cerny (Ed.): Germany at the Polls. The Bundestag Election of 1976. Washington, D.C.

[6] Zwei Tage vor dem Wahltag erschien in der ZEIT ein Interview mit Noelle-Neumann unter der Schlagzeile: „Ich würde mich gar nicht wundern, wenn die SPD gewänne...“ Dieses war jedoch bereits zwei Wochen zuvor gegeben worden (vgl. a.a.O: 14).

[7] Bei der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag am 19.09.1965 entfielen 39,3% der Zweitstimmen auf die SPD, auf die CDU/CSU 47,6% und auf die FDP 9,5%. Vgl. www.bundeswahlleiter.de

[8] Die entsprechende Frage lautete: „Wissen kann das natürlich niemand, aber was glauben Sie, wer die Wahl gewinnt?“ (a.a.O.: 15)

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Theorie der Schweigespirale
Untertitel
Ein Beitrag zur Frage nach der Wirkung von Massenmedien und der Möglichkeit individueller Meinungsbildung
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Kommunikationswissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
16
Katalognummer
V44601
ISBN (eBook)
9783638421713
ISBN (Buch)
9783638779074
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theorie, Schweigespirale
Arbeit zitieren
Natalie Jurewitz (Autor:in), 2004, Die Theorie der Schweigespirale, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44601

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