Psychologische Erklärungen von Preference Reversals


Seminararbeit, 2005

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Das Phänomen des Preference Reversals

3. Psychologische Erklärungsansätze für Preference Reversals
3.1 Mangelnde Motivation bzw. Mängel im Versuchsaufbau
3.2 Deskriptiv geprägte Erklärungsansätze
3.2.1 Anchoring und Adjustment
3.2.2 Contingent Weighting Theory
3.2.2.1 Prominence-Effekt
3.2.2.2 Skalenkompatibilitätseffekt
3.2.2.3 Modellierung des Contingent Weighting Ansatzes
3.2.2.4 Erklärungsgehalt deskriptiver Erklärungsansätze
3.2.3 Kontextbezug als Einflussfaktor auf die Präferenzenbildung
3.3 Formell geprägte Erklärungsansätze
3.3.1 Expression Theory
3.3.1.1 Grundannahmen der Expression Theory
3.3.1.2 Preference Reversals im Rahmen der Expression Theory
3.3.2 Change-of-Process Theory

4. Preference Reversals – Laboreffekt oder Marktrealität?

5. Würdigung psychologischer Erklärungsansätze

6. Thesenförmige Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kombinationen von Abfragemodus und Wertskala

Abbildung 2 : Schema zur Urteilsanalyse

Abbildung 3: Subjektiver Interpolationsprozess

Abbildung 4: Schema zur Urteilsanalyse

1. Problemstellung

Als Grundannahme des Entscheidens und Handelns gilt, dass Menschen entsprechend der Situation, in der sie sich befinden, handeln. Das heißt, dass bei gegebenen konsistenten Präferenzen eines Subjektes dessen Entscheidung rational abläuft. Sie ist somit eine logische Folge der Wahrnehmung der Situation, der Berücksichtigung einer bestimmten Zahl von Handlungsalternativen und der Bewertung dieser Handlungsalternativen vor dem Hintergrund der als wahrscheinlich angenommenen Handlungskonsequenzen. Diese Formulierung des Rationalitätsprinzips findet seine Präzisierung in der Erwartungsnutzentheorie.[1] Diese wurde durch von Neumann und Morgenstern (1947) entwickelt und durch Savage (1954) um Ereignisse erweitert, die keine vorgegebenen Eintrittswahrscheinlichkeiten haben (Subjective Expected Utility Theory). Im Rahmen der Erwartungsnutzentheorie wird davon ausgegangen, dass das Entscheidungssubjekt seinen Erwartungsnutzen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten maximiert.

Diese Theorie der rationalen Wahl (Rational Choice) basiert auf strengen Annahmen über das menschliche Entscheidungsverhalten. Hierzu gehören insbesondere das Axiom der Vollständigkeit und Transitivität, das Stetigkeits-, Unabhängigkeits- und das Reduktionsaxiom . Diese Axiome sind durch theoretische Stringenz, Klarheit und reduktionistische Einfachheit gekennzeichnet. Wenig überraschend ist daher, dass zu den eindeutigen Vorhersagen der Erwartungsnutzentheorie in Entscheidungsexperimenten konstante empirische Gegenevidenzen auftreten, die die oben genannten Axiome verletzen. Diese Gegenevidenzen werden auch als Inkonsistenzen bzw. Anomalien des Entscheidungsverhaltens bezeichnet, die darauf hindeuten, dass das Erwartungsnutzenmodell nicht immer mit dem realen Entscheidungsverhalten übereinstimmt.[2]

Eine der verblüffendsten Inkonsistenzen ist neben zahlreichen anderen beobachteten Anomalien[3] des Entscheidungsverhaltens das Phänomen der Preference Reversals (Präferenzumkehrungen).[4] Es wurde erstmals von Lindman (1965) und später von Slovic und Lichtenstein (1968) entdeckt. Letztere haben in Laborexperimenten festgestellt, dass Versuchspersonen inkonsistente Präferenzen aufwiesen. Das Phänomen der Preference Reversals beschäftigte seitdem zunächst die Psychologie und wegen der weitreichender Bedeutung konsistenter Präferenzen für die Entscheidungstheorie später auch die Wirtschaftswissenschaften.[5] Die psychologischen Erklärungsansätze für Preference Reversals, die die wirtschaftswissenschaftliche Forschung am stärksten beeinflusst haben, bilden den Gegenstand der vorliegenden Arbeit.[6]

2. Das Phänomen des Preference Reversals

Die Präferenz eines Entscheidungssubjektes hinsichtlich (zweier effizienter) Lotterien kann im Rahmen von Experimenten mittels unterschiedlicher Verfahren ermittelt werden.[7] Als typisches Beispiel seien die folgenden zwei Lotterien angeführt:

1. eine verhältnismäßig sichere Lotterie LP mit der Wahrscheinlichkeit q P = 90% den Betrag x A = $10 und mit der Wahrscheinlichkeit (1-q P ) = 10% den Betrag x B = 0 zu gewinnen und

2. eine relativ riskante Lotterie L$ mit der Wahrscheinlichkeit q $ = 90% den Betrag x B = 0 und mit der Wahrscheinlichkeit (1-q $ ) = 10% den Betrag x A = $90 zu gewinnen.[8]

Daneben werden häufig Lotterien mit negativen Auszahlungsbeträgen und unterschiedlichen Erwartungswerten verwendet, beispielsweise:[9]

1. LP: Gewinn x A = $4 mit q P = 97%; Verlust x B = $1 mit (1-q P ) = 3%

2. L$: Gewinn x A = $16 mit q $ = 31%; Verlust x B = $1,5 mit (1-q $ ) = 69%

Um die Präferenzen der Versuchsteilnehmer bezüglich zweier Lotterien zu ermitteln, kann man grundsätzlich folgende Abfragemodi unterscheiden:

Im Wahlmodus (Choice) bringt das Entscheidungssubjekt seine Präferenz durch das Vorziehen einer Alternative gegenüber der anderen zum Ausdruck (z.B. LP Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten L$).

Im Bewertungsmodus spezifiziert der Proband einen Indikatorwert für die Lotterien.[10] Der Indikator kann ein Ratingwert RW (Rating) oder ein Vorbehaltspreis (Bidding) sein. Im zweiten Fall gibt ein maximaler Kaufpreis (minimaler Verkaufspreis) an, welchen Geldbetrag G der Entscheider höchstens bietet (mindestens fordert), um die Lotterie zu kaufen (verkaufen). Diese Bewertungsangaben erlauben das Ableiten von simulierten Wahlentscheidungen: Ist z.B. der Ratingwert bzw. Vorbehaltspreis von LP größer als der von L$, so wird LP gegenüber L$ vorgezogen:

RW P > RW $ Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten LP Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten L$ bzw. G P > G $ Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten LP Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten L$ .[11]

Die Präferenz lässt sich auch mit Hilfe von Indifferenzurteilen (Matching) ermitteln: Dabei weisen die beiden Alternativen LP und L$ jeweils die Eigenschaften x (z. B. Auszahlungshöhe) und q (Gewinnwahrscheinlichkeit) in unterschiedlichen Ausprägungen auf (x P , q P , x $ , q $ ). Unter Kenntnis von drei Eigenschaftsausprägungen (z.B. x P , q P , q $) soll der Proband dann entscheiden, bei welchem Wert x $ * er zwischen beiden Alternativen indifferent ist, so dass LP = (x P , q P ) ~ L$ = (x $ * , q $ ). Vergleicht man anschließend diesen Indifferenzwert x $ * mit einem bestimmten Wert x $,, so lässt sich bei x $ * > x $ die Präferenz LP = (x P , q P ) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten L$ = (x $ * , q $ ) ableiten. Größere Werte für x $ * signalisieren dabei eine höhere Vorziehenswürdigkeit von LP. Als Vergleichswert zieht man denjenigen der Alternative L$ = (x $ , q $ ) heran, die die Versuchperson im Wahlmodus mit der Alternative LP verglichen hat.[12]

Entsprechend den rationalen Überlegungen der normativen Entscheidungstheorie müsste die Versuchsperson in allen oben dargestellten Verfahren zur Ermittlung der Präferenz den gleichen Vorzug bezüglich LP und L$ äußern, insbesondere wenn die Präferenzen innerhalb einer Experimentssitzung und somit nahezu zeitgleich ermittelt werden. Dann läge Verfahrensinvarianz vor. Empirische Studien zeigen jedoch, dass die Probanden dazu tendieren, im Choice und im Rating-Modus LP und im Bidding und Matching-Modus L$ zu bevorzugen. Diese Verletzung der Verfahrensinvarianz wird als Preference Reversal bezeichnet:[13]

LP Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten L$ und LP Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten L$ mit i = Choice, Rating und j = bidding, matching

In der Folge hat die Wissenschaft mittels unterschiedlicher Ansätze versucht, das Auftreten von Preference Reversals zu erklären. Besondere Aufmerksamkeit haben jene Erklärungsansätze erweckt, die von einer Verletzung des Transitivitätsaxioms,[14] des Unabhängigkeitsaxioms,[15] des Reduktionsaxioms[16] oder einer Verletzung der Verfahrensinvarianz[17] ausgingen.

Wie Tversky et al. (1990) in Versuchen gezeigt haben, sind die drei erstgenannten Erklärungsansätze offensichtlich nur geeignet, einen kleinen Bruchteil von Preference Reversals zu erklären. Daher wird derzeit die Verletzung der Verfahrensinvarianz weitgehend als Begründung akzeptiert.[18] Diese Erklärungsansätze sind stark psychologisch orientiert und gehen davon aus, dass die Abfragemodi als nicht äquivalent anzusehen sind, da die Versuchsperson zur Ermittlung ihrer Präferenz je nach Abfragemodus unterschiedliche Strategien (Algorithmen) der Informationsverarbeitung verwendet.[19] Diesem Thema widmen sich ausführlich die folgenden Kapitel.

3. Psychologische Erklärungsansätze für Preference Reversals

3.1 Mangelnde Motivation bzw. Mängel im Versuchsaufbau

Die Entdeckung von Preference Reversals durch Slovic und Lichtenstein (1968) stießen bei Wirtschaftswissenschaftlern zunächst auf ausgeprägte Skepsis: Bevor eine Verletzung der Verfahrensinvarianz als Ursache in Betracht gezogen wurde, vermutete man mangelnde Motivation der Versuchspersonen als Grund für Preference Reversals. Unterstellt wurde dabei, dass der Entscheider seine Präferenzordnung im Rahmen der verschiedenen Verfahren nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül trifft: Ist der Nutzen der Abgabe einer konsistenten Entscheidung innerhalb des Experiments zu gering, so verfolgt die Versuchsperson nur "vereinfachte" Strategien, um seine Präferenzen bezüglich der Alternativen festzulegen, was zu Preference Reversals führen kann.[20]

[...]


[1] Vgl. Hirshleifer, J./Glazer, A. (1992).

[2] Vgl. Haug, S. (1998), S. 128f.

[3] Zu einer Übersicht vgl. Druwe, U./Kunz, V. (Hrsg.) (1998).

[4] Vgl. Li, S. (1994), S. 675.

[5] Vgl. Seidl, Ch. (2002), S. 623; Schmidt, U./Hey J. D. (2004), S. 207; Li, S. (1994), S. 675.

[6] Nicht betrachtet werden daher die Task Goal Hypothese, vgl. Fischer et al. (1999), sowie nach Schoemaker und Herschey (1992) die Random Noise Theory, die Anchoring Interpretation sowie die Reframing Hypothese.

[7] Vgl. Seidl, Ch. (2002). S. 621; Pechtl, H. (2000), S. 319.

[8] Vgl. Schmidt, U./Hey J. D. (2004), S. 207.

[9] Vgl. Goldstein/Einhorn (1987), S. 236.

[10] Wobei höhere Indikatorwerte i.d.R. größere Attraktivität signalisieren.

[11] Vgl. Pechtl, H. (2000), S. 319.

[12] Vgl. Pechtl, H. (2000), S. 319.

[13] Vgl. Pechtl, H. (2000), S. 319.

[14] Vgl. Loomes, G./Sudgen, R. (1983).

[15] Vgl. Holt, C. A. (1986), Karni, E./Safra, Z. (1987).

[16] Vgl. Segal, U. (1988).

[17] Vgl. Goldstein/Einhorn (1987); Tversky, A./Slovic, P./Kahnemann, D. (1990).

[18] Vgl. Schmidt, U./Hey J. D. (2004), S. 208.

[19] Vgl. Pechtl, H. (2000), S. 321.

[20] Vgl. z.B. Bohm, P./Lind, H. (1993), S.331.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Psychologische Erklärungen von Preference Reversals
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V44639
ISBN (eBook)
9783638421997
ISBN (Buch)
9783638657594
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psychologische, Erklärungen, Preference, Reversals
Arbeit zitieren
Andreas Wolf (Autor:in), 2005, Psychologische Erklärungen von Preference Reversals, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44639

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