Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition Jugendwerkhof
3. Definition Sozialisation
4. Das Teufelswerk der Jugendwerkhöfe
4.1 Geschichte der Jugendwerkhöfe
4.2 Aufenthalt und Erziehungsmethoden in den Jugendwerkhöfen
4.3 Nachwirkungen der Erziehungsmethoden auf die Sozialisation
4.4 Aufarbeitung und aktuelle Gesetzeslage
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese wissenschaftliche Hausarbeit beschäftigt sich mit Grundlagen, Intentionen und Wirkungen jener Pädagogik, die in den Jugendwerkhöfen zur Zeiten der DDR vermittelt und durchgeführt wurde, ebenso wie mit dem Einfluss, den diese Pädagogik auf den Sozialisationsprozess der ehemaligen Insassen ausübte.
Diese Ausarbeitung soll dem Leser sowohl einen Einblick in geschichtliche Aspekte der DDR-Pädagogik geben, als auch einen gezielteren Einblick in Erziehungsmethoden und Erziehungskonzepte, die in den Jugendwerkhöfen der DDR vertreten wurden. Zusätzlich soll der Leser einen Zusammenhang zwischen den verübten Erziehungsmaßnahmen und den Nachwirkungen auf den Sozialisationsprozess der ehemaligen Insassen erkennen und verstehen. Außerdem soll mit dieser Arbeit ein Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit geleistet werden, da dieser Bereich der Pädagogik weitab von der öffentlichen Wahrnehmung stand und ein Zeichen des Unrechtes ist, dass vielen Menschen in der DDR wiederfahren ist.
Um diese Ziele zu erreichen, wird zunächst ein Überblick über die Begriffe „Jugendwerkhof“ und „Sozialisation“ gegeben, die den Rahmen dieser wissenschaftlichen Hausarbeit ausmachen. Danach folgt der geschichtliche Verlauf der Jugendwerkhöfe, die Beschreibung des Aufenthaltes in einem solchen Jugendwerkhof, wie auch das Aufzeigen der verübten Erziehungsmethoden. Letztlich wird gezeigt, wie sich die gelebte DDR-Pädagogik auf die Sozialisation der ehemaligen Insassen auswirkte und inwiefern heute eine Aufarbeitung der Geschehnisse, auch unter Berücksichtigung der aktuellen Gesetzeslage, geschieht.
Die Arbeit soll mit der Thematik zur Aufarbeitung der DDR-Pädagogik einen Beitrag zur empirischen und qualitativen Bildungsforschung leisten. Es ist kritisch zu betrachten und zu hinterfragen, welche Mittel und Methoden die DDR-Pädagogen bei der Umerziehung von Jugendlichen zu sozialistischen Persönlichkeiten anwandten und wie diese zu den proklamierten Bildungs-und Erziehungszielen der DDR passten.
Das damalige Verständnis für Begriffe wie Kollektiv, Ordnung und Pflicht muss dabei ebenso hinterfragt werden. Wichtig für das Verstehen ist allerdings nicht nur die Einsicht in die sozialistische Ideologie der DDR, sondern auch die subjektive Wahrnehmung und Bewertung der Betroffenen.
2. Definition Jugendwerkhof
Der Jugendwerkhof war eines der Spezialheime der Jugendhilfe, die zu Zeiten der DDR errichtet wurden. Sowohl Mädchen, als auch Jungen, die aus DDR-Pädagogischer Sicht als „schwererziehbar“ galten, wurden im Alter von 14 - 18 Jahren in den Jugendwerkhof eingewiesen. Wer sich der Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit nicht unterwarf und aus der Sicht der Staatsobrigkeiten nicht ins Gesellschaftsbild der DDR passte, wurde in einem der 700 Jugendwerkhöfe in der DDR umerzogen, „mit dem Ziel der Heranbildung vollwertiger Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft und bewusster Bürger der Deutschen Demokratischen Republik.“ (Wörterbuch Deutsch, o.J.) Spätestens mit Erreichen der Volljährigkeit erfolgte die Entlassung. (vgl. Bäcker/ Claas, o.J.)
Das Leitmotiv der DDR-Erziehung und damit das der Spezialheime, glich dem Motto „ Den Neuen Menschen muss man auf neue Weise schaffen“ (Puls, 2011: 233) des sowjetischen Pädagogen Makarenko, auf das sich alle therapeutischen Möglichkeiten und pädagogischen Konzepte fokussierten. Die Idee der Umerziehung fand ihre Ursprünge somit bereits nach Ende des zweiten Weltkrieges, indem nationalsozialistisches Gedankengut aus den Köpfen der Menschen verdrängt und in demokratisches Gedankengut verwandelt werden sollte. (vgl. Gatzemann, 2009: 20)
In den Spezialheimen ging es aber weniger darum, eine überzeugte sozialistische Persönlichkeit zu formen, als das Individuum zu brechen, und somit eine Persönlichkeit kreieren, die sich bedingungslos den gestellten Forderungen unterwirft.
3. Definition Sozialisation
Sozialisation ist ein wichtiger Begriff der Sozialwissenschaft, „(mit der die) soziokulturelle Geburt« des Menschen (beschrieben wird). Er „bezeichnet meist die Gesamtheit all jener durch die Gesellschaft vermittelten Lernprozesse (u.a. das Benehmen), in denen das Individuum in einer bestimmten Gesellschaft (Übertragung von Bräuchen etc.) und ihrer Kultur sozial handlungsfähig wird.“ (Pädagogik-News: Sozialisation, o.J.) Es geht somit um die soziale Teilhabe und die „Konstituierung (des Individuums als soziale, gesellschaftlich handlungsfähige Persönlichkeit“ (Brockhaus, 2006: 606)
4. Das Teufelswerk der Jugendwerkhöfe
4.1 Geschichte der Jugendwerkhöfe
Der Jugendwerkhof war eine Disziplinareinrichtung in der DDR. Er galt nicht als Gefängnis, sondern war seit 1965 dem Ministerium für Volksbildung der DDR unterstellt und damit ein Teil des Bildungssystems. (vgl. Puls, 2011: 230) Die ersten Jugendwerkhöfe wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Sowjetischen Besatzungszone eingerichtet. Das Bildungswesen der DDR war unabhängig von der Altersstufe, ob Kindergarten oder Hochschule, als einheitlich sozialistisch definiert. Das konkrete Ziel des Bildungswesens war es, Chancengleichheit zu ermöglichen, in dem die Kinder und Jugendlichen unabhängig vom Geschlecht ihrer sozialen Herkunft oder ihrer Abstammung die Bildungsmöglichkeiten der DDR wahrnehmen sollten. Gleichwertige und gleichartige Allgemeinbildung sollte zur Herausbildung eines begabten sozialistischen Charakters führen. (vgl. Klein, 2011) Grundlegende Ziele in der Bildungspolitik waren: „Einheitlichkeit, Staatlichkeit, Unentgeltlichkeit, Wissenschaftlichkeit, Parteilichkeit und Lebensverbundenheit.“ (Bäcker/ Claas, o.J.)
Bis zum Anfang der 50er Jahre wurde in den Jugendwerkhöfen ein Kategoriensystem geführt, in denen zwischen den verschiedenen Graden der Erziehungsschwierigkeiten unterschieden wurde. In den 60er Jahren folgte eine veränderte Einteilung in verschiedene Kategorien A oder B, je nach Wissensstand und Ausbildungsmöglichkeiten. Ziel in allen Heimen sollte allerdings der Abschluss der 8. Klasse sein. In den frühen 60iger Jahren wurde aufgrund eines Selbstmordversuchs in einem Jugendwerkhof massive Kritik an den Jugendwerkhöfen geübt, die sich auf „gravierende Mängel in den Einrichtungen selbst (bezog), […] aber auch in der konzeptionellen und pädagogischen Grundlegung und der Anleitung und Kontrolle (begründet wurde) […]“ (Puls, 2011: 231). Aufgrund dieser Kritik kam es zur Neustrukturierung, um politische Unruhen zu vermeiden.
Nach Abschaffung der Unterteilung in schulische Leistungen, wurden die Kinder und Jugendlichen ab 1964 in Typ I oder Typ II eingeteilt. Typ I stand für einen kurzen Aufenthalt zwischen drei und neun Monaten, gedacht für Jugendliche ohne berufliche Qualifizierung. Typ II waren Jugendliche „mit einem hohen Grad der Fehlentwicklung“, d.h. aus DDR-pädagogischer Sicht jene, die sich nur schwer zu „begabten sozialistischen Charakteren“ formen ließen. (vgl. Bäcker/ Claas, o.J.)
Innerhalb dieser beiden Typen wurde dann nach schulischer Leistung eingeteilt, Kategorie A, Schüler ohne schulische Probleme und Kategorie B, Schüler mit schulischen Problemen. Mit der Zeit wurde Typ I allerdings abgeschafft, da die Aufenthaltsdauer von drei bis neun Monaten für die Umerziehung der Jugendlichen nicht ausreiche. (vgl. Bäcker/ Claas, o.J.)
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