Policy-Transfer im Bildungssytem. Inwiefern kann Deutschland von Finnland lernen?

Ein Diskussionspapier im Feld der Arbeitsmarktpolitik


Diskussionsbeitrag / Streitschrift, 2016

12 Seiten, Note: 1,7

Karin Meyer (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Policy-Transfer
2.1.1 Begriffsdefinitionen: Policy-Lernen oder Policy-Transfer?
2.1.2 Das Kontinuum des Policy-Tranfers
2.1.3 Beteiligte Akteure, Gegenstände und Grade des Transfers
2.1.4 Versagen des Policy-Transfers
2.2 Das Finnische und Deutsche Bildungssystem im Vergleich

3. Diskussion: Inwiefern kann Deutschland von Finnland lernen?

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Policy-Lernen oder auch Policy-Transfer gewinnt heutzutage zunehmend an Bedeutung für politische Entscheidungsprozesse. Gründe hierfür seien unter anderem die Globalisierung und das rapide Wachstum der Kommunikationssysteme auf der Welt, welches den schnellen Austausch von Ideen und Wissen stark vereinfacht. Policy-Akteure orientieren sich mit steigender Tendenz an anderen politischen Systemen, um Informationen über Institutionen, Programme und Policies zu erhalten (vgl. Dolowitz & Marsh 2000: 5).

Lernen solle hierbei angemessene und schnelle Reaktionen auf neue gesellschaftliche, technische und wirtschaftliche Herausforderungen ermöglichen. Durch politisches Lernen solle Politik verbessert werden, indem Entscheidungen rationaler begründet, Konflikte vermieden und Probleme gelöst werden können (vgl. Bandelow 2014: 341).

Der Ansatz des Policy-Lernens beziehungsweise Policy-Transfers soll in diesem Diskussionspapier auf das Bildungssystem bezogen werden. Konkret steht im Mittelpunkt der Betrachtung inwiefern Deutschland von Finnland durch Policy-Transfer im Bildungssystem lernen kann.

Insgesamt wurde sich auf einen unidirektionalen Policy-Transfer fokussiert, da die Vorbildfunktion Finnlands im internationalen Bildungsvergleich zum Ausgangspunkt der Untersuchung genommen wurde. Dies soll die Möglichkeit eines Transfers in die andere Richtung nicht ausschließen, jedoch ist dies nicht der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit.

Zunächst werden die für das weitere Verständnis notwendigen theoretischen Grundlagen gelegt, indem Begriffsdefinitionen von Policy-Lernen und Policy-Transfer aufgezeigt werden und ein für diese Arbeit gültiges Begriffsverständnis festgelegt wird. Im weiteren Verlauf wird das Kontinuum des Policy-Transfers von Dolowitz und Marsh dargestellt und die an dem Transfer beteiligten Akteure, sowie Gegenstände und Grade des Transfers thematisiert. Es folgt ein Kapitel über das Versagen des Policy-Transfers, bevor ein kurzer Vergleich des finnischen und deutschen Bildungssystems vorgenommen wird. Anschließend wird anhand der theoretischen Grundlagen diskutiert, inwiefern ein Policy-Transfer vom finnischen zum deutschen Bildungssystem möglich ist. Im Fazit folgt zunächst eine Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse, um im Anschluss daran einen Ausblick geben zu können.

Ziel ist es, durch dieses Diskussionspapier einen ersten Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen eines Policy-Transfers im Bildungssystem zu geben, es handelt sich hierbei aber nicht um eine tiefer gehende repräsentative Studie.

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Policy-Transfer

2.1.1 Begriffsdefinitionen: Policy-Lernen oder Policy-Transfer?

Es existieren viele verschiedene Ansätze zum Policy-Lernen. „Die gemeinsame Schnittmenge der wichtigsten Definitionen besteht darin, dass Policy-Lernen die Veränderung von Überzeugungen, Wahrnehmungen und/oder Einstellungen bezeichnet“ (Bandelow 2014: 342). Problematisch gestaltet sich an diesem Lernbegriff, dass er auf einer Veränderung der Überzeugungen der Akteure basiert, was ein unfreiwilliges Lernen ausschließt.

Dolowitz und Marsh verwenden den weiter gefassten Transfer-Begriff, der von dem lateinischen Verbum transferre, übertragen, abstammt.

Sie definieren Policy-Transfer, wie auch Lesson-Drawing, wie folgt:

„a process in which knowledge about policies, administrative arrangements, institutions etc. in one time and/or place is used in the development of policies, administrative arrangements and institutions in another time and/or place“ (Fleckenstein, zitiert nach Dolowitz & Marsh 1996, 2004: 651).

Die beiden Konzepte können insofern voneinander abgegrenzt werden, als dass es sich beim Lesson-Drawing um einen freiwilligen Transfer handelt, während das Dolowitz und Marsh Modell freiwillige (voluntary), sowie erzwungene (coercive) Transfers erfasst (vgl. ebd.).

Die Transfer-Definition von Dolowitz und Marsh ist weiter gefasst und schließt auch unfreiwilliges Lernen ein, was für die Verfasserin dieser Arbeit im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung relevant erscheint. Aus diesem Grund soll sich im weiteren Verlauf an diesem Ansatz orientiert werden.

2.1.2 Das Kontinuum des Policy-Tranfers

Dolowitz und Marsh haben, basierend auf ihrem Verständnis des Policy-Transfers, mit den beiden Idealtypen des voluntary und coercive transfer ein Kontinuum erstellt (vgl. ebd.).

Lesson-Drawing wird als rein freiwillige Form des Policy-Transfers verstanden. Hier suchen die rational handelnden Entscheidungsträger aufgrund einer Problemlage nach neuen Ideen zur Problemlösung. Von einem Perceptual-Policy-Transfer wird gesprochen, wenn die politischen Akteure, angetrieben von der Wahrnehmung, dass sie im Vergleich zu ihren Hauptmitbewerbern ‚zurückfallen‘, in diesen Ländern nach best practices suchen, wobei oftmals die Lösungsansätze anderer nicht ausreichend in ihrem länderspezifischen Kontext verstanden werden. Die Handlung erfolge nicht mehr ausschließlich freiwillig, sondern aufgrund von spezifischen Befangenheiten (vgl. ebd.). Wenn Entscheidungsträger durch externe Akteure oder Ereignisse zur Aufnahme eines bestimmten Modells gedrängt werden, handelt es sich um einen eher erzwungenen Policy-Transfer. Der Grad des Zwanges erhöhe sich im Falle von Transfers, zu denen Regierungen durch transnationale Konzerne oder durch internationale Organisationen ‚genötigt‘ werden oder sich Regierungen aufgrund von Vertragsverpflichtungen Politik-Transfers nicht verwehren können. Werden bestimmte Politiklösungen oder Strukturen durch externe Akteure aufgezwungen, wird von der direktesten Form des erzwungenen Transfers ausgegangen (vgl. Fleckenstein 2004: 652).

2.1.3 Beteiligte Akteure, Gegenstände und Grade des Transfers

Nach Dolowitz und Marsh existieren neun Typen, die am Policy-Transfer beteiligt sind: gewählte Politiker, politische Parteien, Bürokraten, Interessengruppen, Policy-Entrepreneurs/Experten, supranationale Institutionen, Unternehmen, privatwirtschaftliche Berater und Think Tanks (vgl. Dolowitz & Marsh 2000: 10-12).

Gegenstände eines Policy-Transfers können in die Kategorien Politikziele, Politikinhalte, Politikinstrumente, Programme, Institutionen, Ideologien, Ideen/Einstellungen und negative Erfahrungen eingeteilt werden (vgl. ebd.).

Die Erfahrungen anderer können von der internationalen, nationalen und kommunalen Ebene bezogen werden, wobei anzumerken sei, dass sich die Akteure bei der Suche nach Lehren nicht auf ihr Governance-Level oder ihr politisches System beschränken müssen (vgl. ebd.).

Es werden nach dem Ansatz verschiedene Grade des Transfers unterschieden: „copying, which involves direct and complete transfer; emulation, which involves transfers of the ideas behind the policy or program; combinations, which involve mixtures of several different policies; and inspiration, where policy in another jurisdiction may inspire a policy change, but where the final outcome does not actually draw upon the original“ (Dolowitz & Marsh 2000: 13).

2.1.4 Versagen des Policy-Transfers

Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass Policies, die in einem Land erfolgreich waren, auch erfolgreich auf ein anderes Land übertragen werden können. Dolowitz und Marsh unterscheiden drei verschiedene Faktoren in Bezug auf das Versagen des Policy-Transfers.

Wenn das ausleihende Land ungenügend über die Policy des Verleihers und ihre Funktionen informiert ist, sprechen sie von einem uniformierten Transfer. Ist der Transfer zwar erfolgt, aber für den Erfolg in dem Herkunftsland entscheidende Elemente der Policy konnten nicht transferiert werden, bezeichnen sie dies als unvollständigen Transfer. Sind Unterschiede zwischen der ökonomischen, sozialen, politischen und ideologischen Situation der beiden Länder ungenügend berücksichtigt wurden, ist ein unangebrachter Transfer erfolgt (vgl. Dolowitz & Marsh 2000: 17).

2.2 Das Finnische und Deutsche Bildungssystem im Vergleich

Damit diskutiert werden kann, inwiefern ein Policy-Transfer vom finnischen zum deutschen Bildungssystem möglich ist, müssen zuerst die Charakteristika der beiden Bildungssysteme miteinander verglichen werden.

In der internationalen Bildungsdebatte werde das finnische Schulsystem und das hohe Ausbildungsniveau oft als Vorbild für andere europäische Länder angeführt. Dies resultiere vor allem aus herausragenden Ergebnissen der Finnen in den ersten Pisa-Schulleistungsvergleichsstudien der „Organisation for Economic Cooperation and Development“ (OECD) (vgl. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, unter: www.berlin-institut.org/newsletter/Newsletter_87_14_Januar_2010.html.html). Hier hatten deutsche Schülerinnen und Schüler unterdurchschnittliche Resultate erzielt (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, unter: www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/174546/pisa-studie).

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Policy-Transfer im Bildungssytem. Inwiefern kann Deutschland von Finnland lernen?
Untertitel
Ein Diskussionspapier im Feld der Arbeitsmarktpolitik
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
12
Katalognummer
V447353
ISBN (eBook)
9783668829718
ISBN (Buch)
9783668829725
Sprache
Deutsch
Schlagworte
policy-transfer, bildungssytem, inwiefern, deutschland, finnland, diskussionspapier, feld, arbeitsmarktpolitik
Arbeit zitieren
Karin Meyer (Autor:in), 2016, Policy-Transfer im Bildungssytem. Inwiefern kann Deutschland von Finnland lernen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/447353

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