Das Verhältnis der Neuen Christlichen Rechten zum Rechtsextremismus in den USA: Zur politischen Opportunitätsstruktur radikal-rechter Ideologien


Zwischenprüfungsarbeit, 2003

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung und Begriffsklärung
1.1. Was ist rechtsextrem?
1.2. Die Neue Christliche Rechte

2. Die Neue Christliche Rechte: Fundamentalistische Einstellungen
2.1. Fundamentalisten und Evangelikale
2.2. „Reclaim America!“
2.3. Organisationen und Akteure

3. Die radikale Rechte: Ideologien und rechtsextreme Gruppierungen
3.1. Religiöse Ideologie: Christian Identity
3.2. Aryan Nations/Church of Jesus Christ Christian
3.3. WAR – anti-christlicher Rechtsextremismus

4. Grenzen, Überschneidungen und politische Opportunitätsstrukturen
4.1. Ist die Neue Christliche Rechte rechtsextrem?
4.2. Ein Vergleich der Ideologien
4.3. Die Neue Christliche Rechte der 80er und 90er Jahre
4.3.1. Der Aufstieg der Neuen Christlichen Rechten in der Republikanischen Partei
4.4. Der Einfluss der Neuen Christlichen Rechten bis heute

5. Fazit

6. Literaturangabe

1. Einleitung und Begriffsklärung

Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, das Verhältnis der Neuen Christlichen Rechten (NCR) zum Rechtsextremismus in den Vereinigten Staaten von Amerika herauszukristallisieren. Dabei soll es vor allem um die politischen Opportunitätsstrukturen gehen. Im ersten Hauptteil wird die theologische Grundlage der NCR – der protestantische Fundamentalismus – und ihre moderne Ausprägung in Form der Reclaim America -Bewegung beschrieben. Weiterhin werden einzelne Organisationen und Akteure und ihre Ziele aufgezeigt. Der zweite Teil befasst sich mit den rechtsextremen Organisationen und ihren Ideologien. Dabei wird zwischen christlichen und nicht religiösen Ideologien und Gruppierungen unterschieden. Im dritten Teil schließlich sollen die Grenzen und Interaktionen zwischen Rechtsextremismus und Neuer Christlicher Rechten und ihre politische Einflussnahme im Regierungssystem der Vereinigten Staaten austariert werden. Doch zunächst werden in diesem einleitenden Teil die grundlegenden Begriffe wie Rechtsextremismus und Neue Christliche Rechte definiert und abgegrenzt.

1.1. Was ist rechtsextrem?

Um Rechtsextremismus in ein Verhältnis mit der NCR zu setzen, muss geklärt werden, was als rechtsextrem oder rechtsradikal angesehen wird. Die Schwierigkeit hierbei liegt darin, dass es nicht die eine, allgemein gültige Definition von Rechtsextremismus oder Rechtsradikalismus gibt. In der Forschung werden diese beiden Begriffe und noch weitere wie z.B. Rechtspopulismus und Rassismus oft synonym gebraucht bzw. nicht genauer von einander abgegrenzt. Für diese Arbeit gilt es, einen Rechtsextremismusbegriff zu finden, der es erlaubt Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu den Vertretern und der Ideologie der NCR fest zu stellen. Ein guter Ansatz ist hier die Definition von Minkenberg.

„Als rechtsextrem werden diejenigen politischen Bestrebungen, Kräfte, Parteien bezeichnet, die gezielt auf die völlige oder weitgehende Abschaffung der in der Verfassung niedergelegten demokratischen Spielregeln hinarbeiten und dabei auch bereit sind, verfassungswidrige Mittel einzusetzen (Gewaltakzeptanz)“[1].

Grumke bezeichnet solche Strömungen auch als system outgroup[2], weil sie das gesamte politische System nach ihren Vorstellungen von außen abschaffen und nach ihren Überzeugungen neu aufbauen wollen. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um einen autoritären Führerstaat, der ohne demokratische Elemente wie Volkssouveränität oder Mehrheitsprinzip auskommt. Bewegungen, die nicht das gesamte System abschaffen wollen, sondern die bestehenden Bedingungen nach ihren Vorstellungen und Vorteilen von innen heraus ausnutzen und anpassen wollen, werden von Grumke als system ingroup[3] betitelt. Zur Unterstreichung kann hier Minkenbergs Definition von Rechtsradikalismus eingesetzt werden:

„Rechtsradikalismus schließt demgegenüber auch Kräfte oder Bestrebungen ein, die die geltenden demokratische Ordnung als solche nicht in Frage stellen, jedoch durch Rückgriff auf den ultranationalistischen Mythos eine Radikalisierung nach rechts und damit eine Revision der Verfassungswirklichkeit bzw. einzelner Normen anstreben“[4].

Dies soll später für die Abgrenzung zum Rechtsextremismus wichtig werden.

1.2. Die Neue Christliche Rechte

Die Neue Christliche Rechte (NCR) bezeichnet Organisationen und Gruppierungen einer konservativen Strömung, die „von den religiösen Führern [...] zu politischen Zwecken mobilisiert wird“[5]. Diese Zwecke und politischen Ziele bestehen hauptsächlich „in der Redefinition des Verhältnisses von Religion und Politik in den USA, dessen traditionelle Verflechtung [...] durch die sozialen und kulturellen Modernisierungsprozesse [...] mehr und mehr aufgelöst wurden“[6]. Die Bewegung begann bereits in den 1960er Jahren und fand in den 80er Jahren einen ersten Höhepunkt. „The resurgence and intertwined growth of religious fundamentalism and political conservatism in the United States in the 1980s stands as the dominant theme in American religious history of this decade”[7]. Seitdem ist die NCR ein ständiger Teil der politischen Landschaft Amerikas. Ihre Ausmaße und politische Einflussnahme sind vor allem durch eine starke Medienpräsenz erhöht worden. Prominente Gruppen und Aktivisten sind die Moral Majority unter Jerry Falwell und die Christian Coalition mit Pat Robertson. Der Grundstein der theologischen Einstellung der NCR ist der protestantische Fundamentalismus, auf den im ersten Hauptteil dieser Arbeit detailliert eingegangen wird.

2. Die Neue Christliche Rechte: Fundamentalistische Einstellungen

Wie bereits oben erwähnt, spielt der protestantische Fundamentalismus die größte Rolle in der NCR. Diese religiöse Überzeugung lässt sich in verschiedene Unter- und Nebenströmungen einteilen. In Bezug auf die NCR sind die wichtigsten die Fundamentalisten und Evangelikalen, die Separatisten und Pfingstler. Die letzten beiden genannten können in dieser Arbeit jedoch nicht in ihrer gesamten religiösen Herkunft und Bedeutung beschrieben werden, da dies den Rahmen sprengen würde. Was die politischen Zielsetzungen der Neuen Christlichen Rechten betrifft, lässt sich mit den Worten Sara Diamonds treffend wiedergeben.

“They want laws to outlaw abortion, which they consider a form of infanticide. They want to change the tax code to encourage married mothers to stay home and raise good kids. They want queers to get back in the closet and pretend not to exist. They want high quality schools; they think the public schools are failing not for lack of resources but because kids can't pray or read Genesis in biology class”[8].

2.1. Fundamentalisten und Evangelikale

Will man die Ideologie der konservativen Christen in der NCR darstellen, so sind die Begriffe „Fundamentalismus“ und „Evangelikalismus“ - einer ähnlichen Strömung von konservativem Protestantismus - von großer Bedeutung. Der wichtigste Grundpfeiler dieser Glaubensrichtung ist die absolute Unfehlbarkeit der Bibel. Daraus folgen weitere Grundsätze: Die Fundamentalisten sind anti-evolutionistisch, denn die Welt ist nach der Bibel durch göttliche Schöpfung entstanden. Außerdem sind sie gegen Abtreibung und sexuelle Aufklärung sowie Homosexualität und für die Wiedereinführung des Schulgebets. Für die Evangelikalen steht zudem nicht nur ihr eigenes Schicksal nach dem Tod im Mittelpunkt, sondern auch das ihrer Mitmenschen. „They seek to ‘win souls for Christ’ by their words and deeds, testifying to the necessity of a life-changing decision to become a Christian. They often speak of that experience as being ‘born again’”[9].

Die Fundamentalisten teilen sich in Prä- und Postmillenaristen ein, wobei der Prämillenarismus den größeren Teil ausmacht. Der Millenarismus ist eine eschatologische Weltansicht, also der Glaube daran, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht, dem dann das himmlische Reich Gottes auf Erden folgt. Prämillenaristen glauben nun, dass jenes Weltreich erst nach der Rückkehr Christi auf die Erde für seine tausendjährige Herrschaft beginnen werde. „Vor dem Millennium sei jedoch der vollständige Verfall der Welt und der Sieg des Antichrist zu erwarten“[10]. Die prämillenaristischen Fundamentalisten sehen die Welt also in einem vorapokalyptischen Zustand, während die Postmillenaristen den optimistischeren Ansatz haben, die Erde dem Reich Gottes durch menschliches Bemühen wie soziale oder politische Reformen näher zu bringen. Weiterhin glauben die Prämillenaristen an die „ rapture “, den Aufstieg aller wahren Gläubigen in den Himmel: „True believers will one day soon simply hear the heavenly trumpet and disappear into the sky, leaving those around them bewildered“[11].

Ein weiterer Flügel der Fundamentalisten sind die Separatisten. Sie sind davon überzeugt, dass ihr Glaube geprüft und kontrolliert werden kann und kapseln sich daher von Menschen ab, deren Glaube oder Lebensweise suspekt erscheint. „Sie versuchen, jeden längeren Kontakt mit Menschen zu vermeiden, die Jesus Christus nicht als Herrn und Retter angenommen haben – Menschen, die nicht im Heiligen Geist ‚wiedergeboren’ sind“[12].

Die theologische Herkunft der Pfingstler ist eine etwas andere als die der Fundamentalisten. Sie gehören auch zur Familie der Evangelikalen, sind aber eine eigenständige Gruppe innerhalb davon. „Einfach ausgedrückt, verleihen Pfingstler der Prophetie, dem Zungenreden, der Heilung durch Glauben und anderen ‚spirituellen Gaben’ ein weitaus größeres Gewicht, als dies die Fundamentalisten tun“[13].

[...]


[1] Minkenberg, Michael, Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland, Köln 1998, S. 34.

[2] vgl. Grumke, Thomas, Rechtsextremismus in den USA, Opladen 2001, S. 20.

[3] Ebenda.

[4] Minkenberg, Michael, Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland, Köln 1998, S. 34.

[5] Minkenberg, Michael, Neokonservatismus und Neue Rechte in den USA, Baden-Baden 1990, S. 118.

[6] Ebenda.

[7] Jorstad, Erling, The New Christian Right, 1981-1988, Lewiston/Queenston 1987, S. 1.

[8] Diamond, Sara, The Christian Right Seeks Dominion, 1995, in: http://www.publiceye.org/eyes/sd_theo.html (Zugriff am 12.03.03).

[9] Ammerman, Nancy T, “North American Protestant Fundamentalism” . in: Marty, Martin/Appleby, Scott (Hg.), Fundamentalismus Observed. The Fundamentalism Project, Vol. 1, London/Chicago 1991, S. 3.

[10] Payer, Margarete, Internationale Kommunikationskulturen. 13. Kulturelle Faktoren: "Aberglauben" und Religion. 3. Zum Beispiel: Religion in den USA. 2. Teil 2: Religion als Kommunikationshindernis, Fassung vom 2002-03-15. in: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur1332.htm (Zugriff am 05.03.03).

[11] Ammerman, Nancy T, “North American Protestant Fundamentalism” . in: Marty, Martin/Appleby, Scott (Hg.), Fundamentalismus Observed. The Fundamentalism Project, Vol. 1, London/Chicago 1991, S. 6.

[12] Marty, Martin/Appleby, Scott, Herausforderung Fundamentalismus, Radikale Christen, Moslems und Juden im Kampf gegen die Moderne, Frankfurt/New York 1996, S. 49.

[13] Ebenda. S. 54.

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Details

Titel
Das Verhältnis der Neuen Christlichen Rechten zum Rechtsextremismus in den USA: Zur politischen Opportunitätsstruktur radikal-rechter Ideologien
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V44782
ISBN (eBook)
9783638423120
ISBN (Buch)
9783640328024
Dateigröße
620 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhältnis, Neuen, Christlichen, Rechten, Rechtsextremismus, Opportunitätsstruktur, Ideologien
Arbeit zitieren
Astrid Gleisberg (Autor:in), 2003, Das Verhältnis der Neuen Christlichen Rechten zum Rechtsextremismus in den USA: Zur politischen Opportunitätsstruktur radikal-rechter Ideologien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44782

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