Wieviel Boden hat das Land?


Hausarbeit, 2002

13 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsangabe

I. Einleitung

II. Hauptteil
II.1.Flächenverbrauch durch Wohnungswachstum
II.1.1. Flächenverbrauch durch Suburbanisierung
II.1.2. Wirtschaftswachstum = Flächenverbrauch
II.1.3. Weitere Gründe und Ursachen für die Suburbanisierung
II.2. Flächenverbrauch und Ethik
II.2.1. Flächenverbrauch als Tribut an die Gesellschaftsform?
II.2.2. Folgen und Bewertung der Suburbanisierung
II.3. Folgen für die Ressource Boden: Bodenversiegelung
II.3.1. Folgen durch Bodenversiegelung
II.3.2. Vermeidung und Reduktion von Versiegelung
II.3.2.1. Mit Ethik und Moral gegen Bodenverbrauch?

III. Fazit

IV. Literatur

I. Einleitung

„Es liegt in der Natur des Menschen, ein Haus zu bauen“, heißt es allabendlich in der Fernsehwerbung der Sparkasse. Im nächsten Spot fährt Michael Schumacher mit einem roten Cabriolet von seinem idyllischen Landhaus zum Bäcker, um frische Brötchen und Zentis für seine glückliche Familie zu kaufen. Und noch einen Clip drauf schäumt sich Verona Feldbusch mit einem Schwarzkopf-Produkt ihre Haare ein – natürlich in einem großen Bad mit freistehender Dusche und freistehendem Waschbecken.

Die Welt im Fernsehen scheint glücklich und erstrebenswert. Doch der reale Weg zu einem eigenem großen Heim im Grünen kostet. Während der Mensch scheinbar nur Geld dafür zahlen muss, bezahlt die Natur mit ihrer Ressource Boden. „Innerhalb der letzten Jahrzehnte hat die Siedlungsfläche einschließlich der Verkehrsflächen um durchschnittlich 120 ha pro Tag zugenommen.“[1]

Ein Blick auf die Funktionen des Bodens wiederum zeigt, dass er kein beliebig reproduzierbares Konsumgut ist, das es in einem Selbstbedienungsladen zu kaufen gibt. Laut Haberland[2] leistet der Boden eine Handvoll Aufgaben. Der Boden ist nicht nur ein Lieferant für Baugrund. Auf Boden wächst Nahrung für die Menschen (Produktion). Boden nimmt Stoffe und Energie auf. Er regelt damit einen Teil des lebensnotwendigen Wasserhaushaltes und bestimmt in gewissem Maße das Klima mit. Der Boden ist Lebensraum für Flora und Fauna. Ebenso ist der Boden ein Archiv für die Geschichte, indem er durch seine unterschiedliche Ausbildung von Nutzungsschichten Informationen preis gibt.

Diese Hausarbeit will das Spannungsfeld zwischen Wachstum, Umwelt und Ethik am Beispiel des Landschaftsverbrauches in Deutschland beleuchten. Die Arbeit erhebt explizit den Anspruch, nur erklärend und aufzeigend zu sein. Das Spannungsfeld soll nicht streng wissenschaftlich allumfassend unter einem Gesichtspunkt erörtert werden.

Vielmehr soll an ausgewählten Beispielen und Fragestellungen gezeigt werden: Inwieweit nimmt der Mensch beim Landschaftsverbrauch eine anthropozentrische Rolle ein? Welchen Einfluss haben Gesellschaft, Mode und Medien auf den Anthropozentrismus und auf die Ethik der Menschen und damit auf den Landschaftsverbrauch? Wie hat sich der Flächenverbrauch in Deutschland in Zahlen und Fakten in verschiedenen Zeiten entwickelt? Welche Folgen zieht die Entwicklung nach sich? Wie kann Flächenverbrauch eingedämmt werden?

II. Hauptteil

II.1.Flächenverbrauch durch Wohnungswachstum

Ein Gros des jüngsten Flächenverbrauchs in Deutschland geht einher mit zunehmender Industrialisierung und steigendem Wohnstand. Die Literatur nennt den Anstieg von Wohnfläche pro Einwohner als einen Indikator für Wohlstand. Schließlich sei ein individuelles Leben kaum möglich, wenn in einem kleinen Raum teilweise mehr als sechs Personen leben – sprich: kochen, spielen, arbeiten oder lieben. Besonders in den Städten war Wohnraum jahrzehntelang sehr knapp und ist es auch heute noch. Auch wenn sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Situation auf dem Wohnungsmarkt leicht verbessert hat. Die Wohndichte war dennoch sehr hoch. 1875 lebten in Berlin statistisch betrachtet 1,9 Personen pro Wohnraum. 1910 waren es noch immer 1,83 Personen.[3] Trotz einer sehr raschen Verstädterung wurde also vergleichsweise noch relativ wenig Boden pro Mensch geopfert. „Eine Rechnung für die Zeit der Jahrhundertwende ergab eine durchschnittliche Wohnfläche pro Person von 10-15 Quadratmetern in den Städten Hamburg und München.“[4]

Heute, rund 100 Jahre später, steht den Menschen in Deutschland rund die doppelte Anzahl an Wohnfläche zur Verfügung. Die Pro-Kopf-Wohnfläche ist in den alten Bundesländern allein in der Jahren von 1989 bis 1998 von 36 Quadratmeter auf 41 Quadratmeter angestiegen. In den neuen Bundesländern hat sie sich in diesem Zeitraum von 27 Quadratmeter auf 34 Quadratmeter vergrößert.[5] Auf die Änderung der Wohnform wird gleich eingegangen.

II.1.1. Flächenverbrauch durch Suburbanisierung

Die tatsächliche Wohnfläche lässt jedoch außer Acht, wieviel Fläche dafür geopfert wurde. Schließlich macht es einen Unterschied, ob eine Familie eine 100-Quadratmeter-Wohnung in einem städtischen Hochhaus bewohnt oder in einem Einfamilienhaus-Flachbau. In den 60iger Jahren kam es (in den alten Bundesländern) zu einer starken Motorisierung der Bevölkerung. Dadurch ermöglicht, wanderten viele Menschen aus den Städten (Ballungsräumen) in das angrenzende Umland.[6] Dort entstanden großflächige, uniforme Eigenheimsiedlungen. Dieser Prozess wird als Suburbanisierung bezeichnet und setzte in den neuen Bundesländern sehr stark nach der Wiedervereinigung ein.

II.1.2. Wirtschaftswachstum = Flächenverbrauch

Wie beschrieben gab es in Deutschland eine Suburbanisierung. Die Menschen begannen aber damit nicht nur, auf der „Grünen Wiese“ zu wohnen. Die Menschen kauften auch mehr und mehr in riesigen Supermärkten, Großhandelsfachmärkten und Factory-Outlet-Centern auf der Grünen Wiese ein. Einfach betrachtet lässt sich das Leben um die Jahrhundertwende so beschreiben: Die Menschen haben in kleinen Wohnungen in der Stadt gelebt. Ihre Verpflegung haben sie frisch gekauft – um die Ecke auf dem Markt oder im städtischen Tante-Emma-Laden („primäres Einzelhandelsnetz“).

Der Fortschritt der vergangenen Jahre ging einher mit zunehmender Motorisierung und viel neuer Technik. Die Zahl der PKW in Deutschland hat sich von 1966 von 202 bis 1996 auf 508 PKW je 1000 Einwohner erhöht.[7] Auch die Technik in den Haushalten nahm zu und ermöglichte es, anders zu leben. Kühlschränke beispielsweise erlaubten es plötzlich, Verpflegung zu bevorraten. Es entstand ein „sekundäres Netz“[8]. Die Leute fuhren also mit ihren Autos von dem Wohnort (Flächenverbrauch) über Straßen (Infrastruktur/Flächenverbrauch) in den Supermarkt (Flächenverbrauch), um einzukaufen.

II.1.3. Weitere Gründe und Ursachen für die Suburbanisierung

Wie bereits erwähnt, wäre eine derart starke Suburbanisierung ohne das Vorhandensein des Individualverkehrs nicht möglich gewesen. Doch es gab weitere Gründe für diesen Trend. So beinhaltet Wohneigentum „die Möglichkeit, finanzielle Vorteile zu realisieren, die ein Mieter nicht haben kann.“[9] Lange Zeit war die Nachfrage nach Wohneigentum höher als das Angebot. Das führt marktwirtschaftlich gesehen zu einer Wertsteigerung. Außerdem können Häuslebauer Steuervorteile oder Inflationsgewinne realisieren.[10]

II.2. Flächenverbrauch und Ethik

Aber nicht nur finanzielle Vorteile scheinen ausschlaggebend. Der Professor und Buchautor Wolf Wagner beschreibt in einem Interview ein Bedürfnis vieler Menschen darin, zu protzen. „Mit dem eigenen Haus können sie sichtbar machen, wie wohlhabend und kultiviert sie sind. Es geht um Dinge, die sie auch mit einem Auto ausdrücken. Wer einen Mercedes 300 SEL fährt, signalisiert aller Welt, daß er viel Geld hat. Vergleichsweise ist ein eigenes Haus viel offensichtlicher als ein Apartment im 13. Stockwerk in der Ecke links.“[11] Das Eigenheim sei nicht nur eine Wertanlage, sondern ein Prestigeobjekt, mit dem sich die Leute abheben wollen.

Das Streben nach Prestige ist dabei gar nicht so neu. „Für die wohlhabenden Bürger beinhalten diese Regeln Beschränkungen ihrer Selbstdarstellung: Sie durften nicht bauen, was sie sich finanziell leisten konnten, sondern was ihrem Stand angemessen war, und das hieß auf jedem Fall bescheidener als das nur dem Adel zustehende Hotel. Der Adel wiederum mußte – unabhängig davon, ob er es sich leisten konnte oder nicht, ein Mindestmaß an Größe und Ausschmückung vor allem der Gesellschaftsräume einhalten, durfte sich aber andererseits kein Palais anmaßen, das nur Prinzen oder Kardinälen und obersten Richtern zustand (...)“[12]

In jüngster Zeit kam das Wohnen im eigenen Heim wie gesagt aus mehreren Gründen in Mode und führte zu folgendem Ergebnis: Die Eigentumsquote in Deutschland lag im Frühjahr 1999 nach einer Studie der Commerzbank in den alten Bundesländern bei 42 Prozent und in den neuen Ländern bei 26 Prozent.

II.2.1. Flächenverbrauch als Tribut an die Gesellschaftsform?

Wer radikal herunterbricht und vereinfacht, stellt schon jetzt folgendes fest: Der Drang nach Wohlstand und Prestige bringt die Maschinerie des Boden- und Naturverbrauchs in Gang. Das Gedeihen der westlichen Gesellschaft basiert wesentlich auf einer florierenden Wirtschaft. Dafür muss produziert und gekauft werden. Um eine Nachfrage zu schaffen, muss zweifelsohne eine Bedürfnis nach einem Konsumgut vorhanden sein. Ist das Bedürfnis nicht vorhanden, so wird es geweckt – entweder durch Werbung, oder durch andere Eigenschaften vieler Menschen. Wer heute fragt, wie ein Gros der Menschen Erfolg definiert, wird schnell fündig. In dem hiesigen Wertesystem definiert sich Erfolg größtenteils durch Geld. Und Geld zieht Konsum nach sich. Und Konsum benötigt Industrie und Handel. Industrie und Handel wiederum benötigen Platz und damit Boden. Der Mensch steht also im Mittelpunkt. Er nutzt und verbraucht die Natur für sein augenblickliches Idealbild der Gesellschaft.

Die angesprochene Werbung verdeutlicht nicht nur, dass vielen Menschen permanent ein Bedürfnis nach einem Einfamilienhaus suggeriert wird. Von Werbung und Fernsehen (Medien) im allgemeinen geht noch eine andere Wirkung aus, die in der Kommunikationswissenschaft Kultivierungsthese genannt wird. „Die Wirkung des Fernsehens besteht weniger in der Vermittlung spezifischer Einstellungen und Meinungen zu bestimmten Themen, als vielmehr in der Kultivierung grundlegender Einstellungen über die soziale Realität.“[13] Diese These ist empirisch in etwa so oft belegt wie widerlegt. Zu Deutsch und auf das Beispiel „Flächenverbrauch“ bezogen, scheint sie dennoch sehr interessant. Übertragen würde sie immerhin besagen, das ein Gros der vielfernsehenden Bundesbürger deshalb ein eigenes und großes modernes Heim als Bild von der Realität im Kopf hat, weil es ständig dieses Bild in den Medien sieht.

„Hier wird von Leitbildern gesprochen, die von außen, generell gesagt von der >Umwelt< auf das Individuum zukommenden Vorstellungen, die Handeln und Entscheiden leiten oder zumindest leiten können, was sich bis hin zu Ideen, Leistungen, Habitus, Status, Lebensstil etc. und auch auf das Wohnen erstreckt.

[...]


[1] Vgl. KÜHNER Sabine; Bodenschutz als Planungsaufgabe; Wiesbaden; 1995; Seite 40

[2] vgl. BURGHARD Wolfgang, Boden und Böden in der Stadt, in: Urbaner Bodenschutz, Berlin, 1996. Seite 9

[3] HÄUßERMANN Hartmut, SIEBEL Walter, Soziologie des Wohnens, München, 1996, Seite 74

[4] HÄUßERMANN Hartmut, SIEBEL Walter, Soziologie des Wohnens, München, 1996, Seite 65

[5] METZMACHER, WALTERSBACHER, Wohnungsbestand und Wohnungsversorgung im Transformationsprozeß, In: Berichte des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, Bonn, 1998, Seite 49

[6] VOGELS Paul-Heinz, HOLL Stefan, BIRK Hans-Jörg, Auswirkungen grossflächiger Einzelhandelsbetriebe, Basel, 1998, Seite 3

[7] vgl. VOGELS Paul-Heinz, HOLL Stefan, BIRK Hans-Jörg, Auswirkungen grossflächiger Einzelhandelsbetriebe, Basel, 1998, Seite 3

[8] B. Tietz hat diese beiden Begriffe gebraucht. Näheres dazu auf Seite 4 des Buches: Auswirkungen grossflächiger Einzelhandelsbetriebe, Basel, 1998

[9] HÄUßERMANN Hartmut, SIEBEL Walter, Soziologie des Wohnens, München, 1996, Seite 243

[10] HÄUßERMANN Hartmut, SIEBEL Walter, Soziologie des Wohnens, München, 1996, Seite 243

[11] OPPEL Kai, Signalisierter Geschmack, in: Neue Thüringer Illustrierte, Weimar, 5/2000, Seite 12

[12] HÄUßERMANN Hartmut, SIEBEL Walter, Soziologie des Wohnens, München, 1996, Seite 50

[13] BURKART Roland, Kommunikationswissenschaft, Wien, 1998, Seite 324

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Wieviel Boden hat das Land?
Hochschule
Universität Erfurt  (Geografie)
Note
2,5
Autor
Jahr
2002
Seiten
13
Katalognummer
V4480
ISBN (eBook)
9783638127691
Dateigröße
537 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit soll einen Überblick geben, wie der Mensch mit der Ressource Boden umgeht, welche Ursachen und Folgen dieser Umgang hat und wie eine ethische Sichtweise den Umgang mit der Ressource Boden beeinflussen könnte.
Schlagworte
Geografie Bodenverbrauch Flächenversieglung Flächenversiegelung Boden
Arbeit zitieren
Kai Oppel (Autor:in), 2002, Wieviel Boden hat das Land?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4480

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Wieviel Boden hat das Land?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden