Die Beschäftigung mit der Erforschung des Spracherwerbs erfordert auch eine Betrachtung seiner Störung. Die Störung des Spracherwerbs kann in vielfacher Hinsicht erfolgen. So kann man schon den normalen Verlauf des Spracherwerbs von Zwillingen in gewisser Hinsicht als gestört bezeichnen, da neben der geteilten Aufmerksamkeit der Mutter für ihre Kinder auch die Tatsache hinzu kommt, dass Zwillinge eine gemeinsame Sprache untereinander entwickeln, die Außenstehenden vollkommen unzugänglich bleibt. Des weiteren spielen natürlich körperliche Behinderungen, wie zum Beispiel Taubheit oder einer so genannten spezifischen Spracherwerbsstörung, die sich durch einen verlangsamten und auch qualitativ abweichenden Spracherwerbsprozess bei weitgehend regelrecht ablaufenden kognitiven Entwicklungsprozessen auszeichnet, eine Rolle. Darüber hinaus gibt es einige gut dokumentierte Fälle von Kindern, die ohne eine Bezugsperson aufgewachsen sind (vgl. Die Wolfskinder von Midnapore, Indien) oder bewusst von ihrer Bezugsperson in Isolation gehalten worden sind (vgl. Kaspar Hauser). Diese Fälle sind insofern interessant, da man an ihnen besonders gut Vergleiche zu dem normalen Verlauf des Spracherwerbs anstellen kann. Ein Bereich, über den bis heute nur sehr wenig bekannt ist, sind Kinder, die während der Phase ihres Spracherwerbs in einem Konzentrationslager unter der Nazi- Herrschaft gelebt haben. So gibt es zwar Dokumentationen über die Verhaltensweisen dieser Kinder (vgl. Kola Klimczyk), allerdings wurden diese nicht unter sprachlichen Gesichtspunkten untersucht. Ziel dieser Arbeit ist es nun diese Untersuchung, soweit die möglich ist, nachzuholen. Dazu wird zunächst der Verlauf eines normalen Spracherwerbs kurz charakterisiert, danach die oben erwähnten Fälle von Kindern in Isolation betrachtet und schließlich versucht ein Bezug zu den Informationen über Kinder in Konzentrationslagern herzustellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Verlauf des Spracherwerbs
- Störungen des Spracherwerbs am Beispiel von Kindern in Konzentrationslagern
- Störungen des Spracherwerbs
- Kinder ohne Bezugsperson („Wilde Kinder“)
- Kinder in Isolation
- Kinder in Konzentrationslagern
- Kola Klimczyk
- Lidia Rydzikowska-Maksymowicz
- Anmerkungen
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, den Spracherwerb von Kindern, die während der Nazi-Herrschaft in Konzentrationslagern aufwuchsen, zu untersuchen. Die Arbeit wird den Verlauf eines normalen Spracherwerbs betrachten, Fälle von Kindern in Isolation analysieren und versuchen, einen Bezug zu den Informationen über Kinder in Konzentrationslagern herzustellen.
- Normaler Verlauf des Spracherwerbs
- Störungen des Spracherwerbs durch Isolation
- Sprachentwicklung von Kindern in Konzentrationslagern
- Einfluss von Umweltfaktoren auf den Spracherwerb
- Mögliche Auswirkungen von Traumata auf die Sprachentwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung befasst sich mit der Notwendigkeit, Störungen des Spracherwerbs zu betrachten, wobei verschiedene Formen von Störungen vorgestellt werden, darunter der Spracherwerb von Zwillingen, körperliche Behinderungen und Fälle von Kindern, die in Isolation aufwuchsen. Die Arbeit konzentriert sich auf Kinder in Konzentrationslagern und die Lücke in der Forschung, die diese Fälle betrifft.
Kapitel II beschreibt den normalen Verlauf des Spracherwerbs, beginnend mit den ersten Phasen der phonologischen Entwicklung bis hin zur Entwicklung von Semantik, Syntax und Lexikon. Es werden die wichtigsten Stadien des Spracherwerbs, wie das Lallen, die Ein- und Zweiwortphase und die Mehrwortphase, erläutert. Außerdem werden wichtige Theorien von W. und J. Butzkamm zur Bedeutung des sozialen Umfelds für den Spracherwerb vorgestellt.
Schlüsselwörter
Spracherwerb, Störung, Isolation, Konzentrationslager, Kinder, Nazi-Herrschaft, Trauma, Soziales Umfeld, Entwicklung, Sprache, Phonologie, Semantik, Syntax, Lexikon.
- Arbeit zitieren
- M.A. Sebastian Schäffer (Autor:in), 2005, Störungen des Spracherwerbs am Beispiel von Kindern in Konzentrationslagern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44873