Industrie 4.0 in der Automobilindustrie. Herausforderung für die Betriebsratsarbeit in deutschen Automobilkonzernen durch Crowdworking und Crowdsourcing


Seminararbeit, 2017

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Einführung in die Begrifflichkeiten
2.1 Industrie 4.0 und Arbeit 4.0
2.2 Arbeiten in der Crowd: Crowdworking und Crowdsourcing
2.3 Betriebsräte und betriebliche Mitbestimmung

3 Arbeit in der Crowd und Betriebsräte in der Automobilindustrie
3.1 Crowdworking und Crowdsourcing in der Automobilindustrie
3.2 Analyse des Fallbeispiels
3.3 Lösungsansätze für die Betriebsratsarbeit

4 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im schlechtesten Fall sind sie tatsächlich nur „[…] atomisierte Freelancer ohne gemeinsame Interessenvertretung […]“ (Schröder/Schwemmle, 2014, S. 115). Sie, das sind die in der Crowd[1] Tätigen, die Crowdworker, deren Arbeit als neue Organisationsform der Erwerbsarbeit beschrieben werden kann, die als eine von vielen Konsequenzen der Digitalisierung entstanden ist (vgl. Leimeister et al., 2016, S. 16). Im besten Fall jedoch kann ihre Arbeit auch viele Vorteile mit sich bringen, wie etwa guten Verdienst, arbeiten von zu Hause aus, und/oder freie Zeiteinteilung. Darüber, von welchen der beiden Möglichkeiten Crowdworker wohl eher betroffen sind, herrscht aktuell noch große Unklarheit. Tatsächliche Erwerbsarbeit in der Crowd ist aufgrund ihrer Neuartigkeit noch sehr unerforscht und unreflektiert. Das Grundprinzip ist dabei allerdings keine Neuerung, so sei durch eine solche Organisationsform bereits u.a. das Online-Nachschlagewerk Wikipedia entstanden (vgl. Schön et al., 2011, S. 7).

Dass es sich bei Crowdworking, oder auch dem Crowdsourcing nicht um bloße Spielerei oder eine temporäre Modeerscheinung zu handeln scheint, wird dadurch deutlich, dass diese Form von Arbeitsorganisation bereits Einzug in Prozesse großindustrieller Produktion erhalten hat und sich daraufhin aktuell dort Arbeitsprozesse verändern. Aber was verändert sich genau, und wie verändert es sich? Das sind Fragen, die diese Arbeit in einem ersten Schritt versucht zu beantworten. Die Hauptfrage widmet sich allerdings spezifisch der Seite der Betriebsräte, genauer denen in deutschen Automobilunternehmen. Neben der Möglichkeit, die Seite der Arbeitnehmer zu betrachten, sowie der Möglichkeit vieler weiterer Fragen, die mit dem Aufkommen von Crowdworking und Crowdsourcing verbunden sein können, soll eben auch hier die Frage gestellt werden, was sich durch die Einführung von Crowdworking und Crowdsourcing[2] als neue Form von Arbeitsorganisation für die Arbeit von Betriebsräten ändert und welche Herausforderungen für diese dadurch anstehen.

Da Crowdworking und Crowdsourcing in der aktuellen Debatte als eines von vielen neuen Elementen innerhalb des gegenwärtig ebenso nicht eindeutig geklärten Begriffs Industrie 4.0 ihren Platz haben, soll die Bestimmung dieser Begrifflichkeit als erste erfolgen, um aufzuzeigen, innerhalb welchen größeren Kontexts Arbeit in der Crowd betrachtet werden muss (Kapitel 2.1). Danach müssen natürlich die Begrifflichkeiten Crowdworking und Crowdsourcing selber in den Blick geraten (2.2). Es erfolgt hier sowohl eine Wortherleitung, als auch eine überblickende Beschreibung dessen, was für Arbeit in der Crowd elementar ist. Da sich diese Seminararbeit, wie bereits angemerkt, der Perspektive der Betriebsräte widmet, muss ebenso das Organ Betriebsrat sowie seine Aufgaben kurz beschrieben werden (2.3).

Die Betrachtung der Betriebsräte wird eingegrenzt auf diejenigen im produzierenden Automobilgewerbe. Es soll in Kapitel 3 hieran exemplarisch dargestellt werden, wie Crowdworking und Crowdsourcing hier bereits umgesetzt werden (3.1) und welche Folgen, beziehungsweise Herausforderungen dies für die Betriebsratsarbeit darstellt (3.2). Lösungsvorschläge, für diese Herausforderungen und etwaige aus ihnen resultierende Probleme, sollen dann in 3.3 skizziert werden. Kapitel 4 soll im Anschluss die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit noch einmal zusammenfassen und einen Ausblick auf weitere wichtige Punkte für die sozialwissenschaftliche Forschung geben.

2 Einführung in die Begrifflichkeiten

2.1 Industrie 4.0 und Arbeit 4.0

Die beobachtbare Digitalisierung der Arbeitswelt vollzieht sich in Deutschland unter den Termini Industrie 4.0 und Arbeit 4.0.

Vor Klärung aller relevanten Begrifflichkeiten, Zuschreibung von Merkmalen und Ausdifferenzierung lässt sich zunächst anmerken, dass diese Begriffe sehr diffus verwendet und bei Gebrauch durch diverse Autoren verschiedenartig ausgeführt werden.

Ittermann/Niehaus schreiben dem „[…] Schlagwort Industrie 4.0 […]“ beispielsweise zu, dass es gar keine feste Definition hierfür gebe (vgl. Ittermann/Niehaus, 2015, S. 34). Sie selber bedienen sich einer allgemeinen Arbeitsdefinition, die als Grundlage für Industrie 4.0 „[…] die Vereinbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen [hier: sowohl Menschen, Objekte, Systeme] sowie die Fähigkeit, aus den Daten den zu jedem Zeitpunkt optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten“ sieht (‚Plattform Industrie 4.0‛, zit. n. Ittermann/Niehaus, 2015, S. 35). Da hierdurch eine neue Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette erreicht werde, beschreibe der Begriff die vierte industrielle Revolution (ebd.). Kennzeichen und Leitbegriffe dieser vierten industriellen Revolution seien nach Pfeiffer das „‚Internet der Dinge‛ und ‚Cyber-Physical Systems‛“ (Pfeiffer, 2015, S. 7), durch die und in denen die oben bereits genannte digitale Vernetzung der Komponenten eines Produktionsprozesses vonstattengehe (vgl. ebd.).

Die konkrete Maßnahme dieser Vernetzung wird allerdings mit dem Begriff Industrie 4.0 nicht direkt beschrieben. „Industrie 4.0 ist kein betrieblicher Begriff, sondern der Name eines von der Bundesregierung geförderten Forschungsprogramms […]“ (Kleinhempel et al., 2015, S. 3) und sei damit ein zentrales strategisches Ziel von Wirtschafts- und Industriepolitik (vgl. Pfeiffer, 2015, S. 6).

Daran anschließend könne Industrie 4.0 nach Kleinhempel et al. auch nicht als Vorgehen betrachtet werden, dass einen festen Anfangs- und Endzeitpunkt habe, sondern als Prozess, der von vielen Faktoren abhänge, der sich über viele Phasen erstrecke, und der nicht durch eine festgelegte Anzahl sowie bestimmte inhaltliche Ausrichtung von und an Handlungsweisen, sondern durch verschieden mögliche Bausteine erkennbar sei (vgl. Kleinhempel et al., 2015, S. 6f.) Diese Bausteine beinhalten vor allem Veränderungen auf technischer Seite, wie der Nutzung digitaler und internetbasierter Technik innerhalb des Produktionsprozesses, als auch auf der Seite der in diesem Produktionsprozess beteiligten Menschen, deren Arbeitsablauf, Qualifikation, Ausbildung, et cetera, die von der technischen Veränderung beeinflusst, beziehungsweise an diese angepasst werden (vgl. ebd., S. 7f.).

Der Faktor Mensch wird bis hierhin innerhalb des Begriffs Industrie 4.0 wohl nur insoweit betrachtet, als das eine Verbindung zur sich verändernden Technologie hergestellt werden kann. Soll rein der Mensch und seine Arbeitskraft in diesem Kontext betrachtet werden, bietet sich eher die Begrifflichkeit Arbeit 4.0 an, die in der Fachliteratur vergleichsweise selten zu finden ist. Der Begriff ist nicht synonym zu Industrie 4.0 zu verstehen, würden hierunter (unter Arbeit 4.0) doch die „[…] ‚Querschnittsthemen‛ […]“ (Kleinhempel et al., 2015, S. 3) diskutiert, die gleichzeitig mit der digitalen Vernetzung aller Komponenten im Produktionsprozess aufzukommen scheinen. Zu diesen Themen zählen Kleinhempel et al. als Unterpunkt der Arbeitsorganisation und –gestaltung auch Crowdworking und Crowdsourcing.

Arbeit 4.0 zielt weiter auf „[…] die Frage, welche Auswirkungen Industrie 4.0 auf die Arbeitsorganisation, die Weiterbildung und die Berufsbilder, […] den demografischen Wandel, aber auch auf die strategische Ausrichtung der Betriebsratsarbeit und die Mitbestimmung haben wird“ (ebd.). Darauf, dass Arbeit 4.0 damit ein Begriff ist, der im Gegensatz zu Industrie 4.0 den menschlichen Faktor und dessen Belange fokussiert, verweisen Kleinhempel et al. an anderer Stelle nochmals explizit:

„Damit aus Industrie 4.0, dem technisch geprägten System, ein System Arbeit 4.0 wird, in dem der Mensch die entscheidende Rolle einnimmt, bedarf es handelnder Betriebsräte, die das Thema für sich beanspruchen, eigene Positionen entwickeln und diese in die Debatten einbringen und einfordern.“

(Kleinhempel et al., 2015, S. 6)

Dieses Unterkapitel hat zu Beginn verschiedene, wenn auch längst nicht alle, Definitionswege des Begriffes Industrie 4.0 aufgezeigt. Die Verschiedenheit dieser Ansätze lässt den Schluss zu, dass Industrie 4.0 als Vorgang beschrieben werden kann, dessen Vielzahl einzelner Abläufe und Elemente sich zurzeit gerade erst entwickeln.

Mit der technischen Veränderung der Arbeit geht gleichzeitig unter anderem eine Veränderung der Arbeitsorganisation und -gestaltung einher. Da dies vor allem die Menschen im Produktionsprozess betrifft, fällt diese Entwicklung unter den Begriff der Arbeit 4.0. Damit, und aufgrund weiterer Veränderungen, die mit Arbeit 4.0 in Zusammenhang stehen, also durch Industrie 4.0 ausgelöste Vorgänge, welche die Menschen im Produktionsprozess betreffen, muss sich auch der Betriebsrat eines Unternehmens, in dem Industrie 4.0 umgesetzt werden soll, mit dieser Thematik auseinandersetzen. Wie und an welchen Stellen Industrie 4.0 in einem Unternehmen sichtbar wird, ist allerdings nicht pauschal zu sagen, „[…] Es gibt nicht die Industrie 4.0“ (Pfeiffer, 2015, S. 8) und somit wohl auch nicht die Umsetzung dessen. So muss auch ein Betriebsrat zunächst versuchen auszuloten, an welcher Stelle Industrie 4.0 zum Tragen kommt, und wie eine dortige, dadurch ausgelöste Veränderung die Mitbestimmung im Betrieb betreffen könnte (vgl. Kleinhempel et al., 2015, S. 8). Eine solche Veränderung könnte beispielsweise Arbeiten in der Crowd sein, was eine Veränderung der Arbeitsorganisation und -gestaltung darstellt.

Wie dieses Arbeiten in der Crowd konkret aussieht, und was die Begriffe Crowdworking und Crowdsourcing explizit meinen, wird im nächsten Unterkapitel dargestellt.

2.2 Arbeiten in der Crowd: Crowdworking und Crowdsourcing

Arbeiten in einer Crowd heißt, zunächst schlicht wörtlich übersetzt, arbeiten in oder auch mit einer Menge an Menschen an einem bestimmten Projekt oder Prozess. Das könnte zunächst auch für jede größere Fertigungshalle in der Industrie gelten. Der Unterschied und der Bezug zur Arbeit in der Crowd als eine Form digitaler Arbeit liegt nun darin, dass die in der jeweiligen Crowd tätigen Menschen „[…] sich untereinander nicht kennen und auch nicht notwendigerweise austauschen müssen“ (Schön et al., 2011, S. 6).

Damit die Arbeit in einer Crowd überhaupt zustande kommen kann, bedarf es Unternehmen, die bestimmte ihrer Aufgaben über IT-gestützte Systeme und Plattformen gewissermaßen auslagern, in dem sie dort die Bearbeitung dieser Aufgabe offen ausrufen (vgl. u.a. Schröder/Schwemmle, 2014, S. 112). Das jeweilige Unternehmen betreibt damit Crowdsourcing. Wer und wie viele Menschen nun diesen Auftrag als Crowd bearbeiten, kann undefiniert bleiben (vgl. Peters/Leimeister, 2016, S. 14). Die Arbeit der Crowd an dieser Aufgabe kann allerdings erst dann als Crowdwork[3] bezeichnet und somit als neue Form digitaler Arbeit bezeichnet werden, wenn die Crowd für die Bearbeitung entlohnt wird (vgl. ebd., S. 16). Dies wird für die weiteren Betrachtungen als Regelfall angenommen, unentgeltliche Arbeit in einer Crowd wird daher nicht weiter betrachtet.

Das Unternehmen hat als Crowdsourcer nun zwei Möglichkeiten, Aufgaben auszulagern: Zum einen über internes Crowdsourcing an die eigene Belegschaft, beispielsweise über Intranet oder soziale Netzwerke, oder zum anderen über externes Crowdsourcing, bei dem jeder Mensch mit internetfähigem Endgerät an der Aufgabenbearbeitung partizipieren kann (vgl. Leimeister et al., 2015, S. 107f.; vgl. Öhrler/Spies, 2015, S. 45-51). Letztere Variante kann dann über eigens für Crowdsourcing und Crowdworking angelegte Internetseiten funktionieren, die als Mittler für Anbieter (Crowdsourcer) und Nachfrager (Crowdworker) fungieren. Leimeister et al. machen mit ihrer Einteilung dieser Dritten in Microtask-Plattformen, Marktplatz-Plattformen, Design-Plattformen, Testing-Plattformen und Innovationsplattformen verschiedene Anbieter in verschiedenen Bereichen aus (vgl. Leimeister et al., 2016, S. 3). Von sehr anspruchslosen Tätigkeiten, wie einfachen Klick-Aufträgen, bis hin zu komplexen Design- oder Testaufgaben ist hier alles denkbar und wird auch entsprechend angeboten.

Die Crowdsourcer haben dadurch die Möglichkeit, bestimmte Aufgaben, die jeden Schritt in der Wertschöpfungskette betreffen können (vgl. Leimeister et al., 2015, S. 110) unter Hinzunahme eines breiteren, weil nicht nur auf die Belegschaft im Unternehmen begrenzten, Angebots an Expertise und Arbeitskraft schneller und günstiger bearbeiten lassen zu können (vgl. Peters/Leimeister, 2016, S. 19). Der Negativaspekt dieses externen Ansatzes von Crowdsourcing wird allerdings ganz klar darin gesehen, internes Wissen mit Dritten, eigentlich am Unternehmen unbeteiligten Personen zu teilen (vgl. ebd.).

Die Crowdworker dagegen können, da die Bearbeitung nicht an einen bestimmten Arbeitsort, und eventuell auch nicht an eine bestimmte Arbeitszeit (mit der Ausnahme von Bearbeitungszeiten für bestimmte Aufgaben) gebunden ist, ihrer Arbeit völlig flexibel und autonom nachgehen. Je nach Anforderung kann diese Arbeit allerdings sehr stupide wirken und wird auch entsprechend gering vergütet, oder im Gegenteil für einige Crowdworker aufgrund sehr spezieller Anforderungen nicht machbar sein, dafür aber höher vergütet werden (vgl. Peters/Leimeister, 2016, S. 18f.).

Dieser sehr knappe Überblick über das Arbeiten in der Crowd, stellte die wichtigen, damit verbundenen Begrifflichkeiten heraus und erklärte diese. Ebenso wurden die zwei Wege beschrieben, wie Unternehmen Crowdsourcing betreiben können. Es wird in Kapitel 3 noch darauf zurückzukommen sein, denn dort gilt es zu analysieren, welche Form von Crowdsourcing in der Automobilproduktion genutzt wird und welche Herausforderungen und mögliche Probleme, aber eventuell auch positive Auswirkungen dies auf die Arbeit von dortigen Betriebsräten haben wird.

Es wurde hier nun ebenfalls herausgestellt, das Crowdworking beziehungsweise Crowdsourcing sowohl Vorteile, als auch Nachteile sowohl für die Crowdworker, als auch die Crowdsourcer haben kann.

Nicht dargestellt wurde letztlich die Vergütungsmethode, bei der Crowdworking nur bei Annahme der durchgeführten Arbeit durch den Auftraggeber vergütet wird (vgl. hierzu u.a. Schröder/Schwemmle, 2014, S. 116-118). Diese Methode enthält selbstverständlich ein hohes Diskussionspotenzial, ist aber für die Kernfrage dieser Seminararbeit nicht von Relevanz.

Zum Abschluss des Kapitels 2 sollen nun noch kurz Struktur und Aufgaben des Betriebsrats erläutert werden.

2.3 Betriebsräte und betriebliche Mitbestimmung

Betriebsräte decken im dualen System deutscher industrieller Beziehungen die betriebliche Ebene ab. Während Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände auf überbetrieblicher Ebene ihre jeweiligen Interessen vertreten, setzt sich der Betriebsrat eben auf der betrieblichen Ebene mit dem Management des jeweiligen Unternehmens auseinander. Bedingung dafür, dass diese Auseinandersetzung stattfinden kann, respektive dass ein Betriebsrat überhaupt in einem Unternehmen entstehen kann, ist eine Betriebsgröße von „[…] mehr als fünf Beschäftigten“ (Trinczek, 2013, S. 145).

Die Größe des Betriebsrats richtet sich dann ebenfalls nach der Anzahl der Beschäftigten, die genaue vorgesehene Staffelung findet sich im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), §9. Die Zusammensetzung dieses Gremiums wird per Wahl entschieden und findet alle vier Jahre statt. Wer wählbar ist, unterliegt bestimmten Richtlinien, auf die hier nicht eingegangen werden muss, Auskunft darüber liefert ebenfalls das BetrVG.

Viel wichtiger ist in diesem Kontext nämlich, welche Aufgaben der Betriebsrat hat und wie er damit die Mitbestimmung im Unternehmen gestalten kann. Als „[…] gesetzliche legitimierte kollektive Interessenvertretung […]“ (Trinczek, 2013, S. 145) kommt dem Betriebsrat sowohl das Recht auf Information, Anhörung und Beratung ebenso zu, wie das des Widerspruchs und der erzwingbaren Mitbestimmung (vgl. ebd. S. 146). Widerspruchs- und Mitbestimmungsrechte beinhalten unter anderem Themen betrieblicher „[…] Arbeitszeit- und Lohngestaltung (§ 87), ,menschengerechter Gestaltung der Arbeit‛ (§91), […], sowie […] die Beteiligung des Betriebsrats bei der Ausarbeitung von Sozialplänen (§ 112)“ (Trinczek, 2013, S. 146). Bei dieser Beschreibung ist auf die Feinheiten zu achten. So kann der Betriebsrat beispielsweise nicht die Höhe, Geltungsdauer und den Geltungsbereich eines Entgeltes mitverhandeln, dies wird im Tarifvertrag festgehalten, der von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden auf der überbetrieblichen Ebene verabschiedet wird. Er kann aber sehr wohl die Gestaltung äußerer Rahmenbedingungen und Zusätze eines Lohns mitbestimmen, dies betrifft unter anderem die Gewährung von Zulagen, Einführung von Zwischenlohngruppen, Definition von Vergütungsgruppen, et cetera. Diese Regelungen werden dann jeweils in einer Betriebsvereinbarung festgeschrieben und sind dann für das Unternehmen bindend. Mitbestimmungsrechten sind allerdings Grenzen gesetzt, nämlich zum einen in den Fragen, die üblicherweise durch einen Tarifvertrag geregelt werden würden, und zum anderen bei denjenigen nicht-tarifgebundenen Arbeitgebern, auf die bei Tarifbindung ein Tarifvertrag anwendbar wäre[4].

Besonders die Rechte auf Information und Mitbestimmung erscheinen im Kontext von Digitalisierung der Arbeit allgemein, aber auch konkret mit Blick auf Crowdsourcing als besonders wichtig. Zunächst muss dadurch der Betriebsrat darüber informiert werden, wie und in welchen Teilen und Prozessen eine Veränderung durch Industrie 4.0 innerhalb des Unternehmens stattfinden soll, und ob diese Veränderungen möglicherweise die Gestaltung der Arbeit oder ähnliches berühren würden. Des Weiteren kann mit dem konkreteren Blick auf Crowdworking unter anderem gefragt werden, wie Mitbestimmung generell geregelt werden soll, wenn ein Unternehmen bestimmte Aufgaben extern crowdsourct, und damit faktisch Arbeitskräfte auf der ganzen Welt am Unternehmen partizipieren können. Daran schließen sich weitere Fragen an, wie zum Beispiel die Zugehörigkeit zum jeweiligen Tarifvertrag und ähnliches, die nun hier nicht diskutiert werden können.

[...]


[1] Vereinfacht: in der Menge vieler digital und nicht spezifisch vor Ort arbeitender Menschen. Weitere Erläuterungen dazu noch in Kapitel 2.2.

[2] Crowdworking und Crowdsourcing sind zwei unterschiedliche Vorgänge gemeint, was an späterer Stelle noch aufgezeigt wird. Warum ihnen doch im Text der Singular folgt, hat hier zunächst den Grund der einfacheren Lesbarkeit, aber auch einen praktischen Grund. Auch das wird später noch gezeigt werden.

[3] Alternative Schreibweise: Crowd Work.

[4] Es seien an dieser Stelle nur die Ausnahmen angeführt, eine tiefere Auseinandersetzung damit ist hier nicht nötig.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Industrie 4.0 in der Automobilindustrie. Herausforderung für die Betriebsratsarbeit in deutschen Automobilkonzernen durch Crowdworking und Crowdsourcing
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Lehrstuhl für Soziologie / Organisation, Migration, Mitbestimmung)
Veranstaltung
Mitbestimmung und Gewerkschaften in der Arbeit 4.0
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
22
Katalognummer
V448879
ISBN (eBook)
9783668835450
ISBN (Buch)
9783668835467
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betriebsrat Betriebsräte Crowdworking Crowdsourcing Automobilkonzern
Arbeit zitieren
Dominik Koch (Autor:in), 2017, Industrie 4.0 in der Automobilindustrie. Herausforderung für die Betriebsratsarbeit in deutschen Automobilkonzernen durch Crowdworking und Crowdsourcing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/448879

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