Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abstract
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Forschungsfrage
2 Der Zusammenhang von Job Crafting, Partizipativer Sicherheit, Psychologischem Empowerment und Innovativem Arbeitsverhalten
2.1 Innovatives Arbeitsverhalten
2.2 Job Crafting
2.3 Partizipative Sicherheit
2.4 Psychologisches Empowerment
3 Methode
3.1 Stichprobe und Datenerhebung
3.2 Instrumente
4 Ergebnisse
4.1 Deskriptive Statistiken und Korrelationen
4.2 Hypothesenüberprüfung
5 Diskussion
5.1 Diskussion der Ergebnisse
5.2 Einschränkungen und zukünftige Forschung
5.3 Praktische Implikationen
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
8 Tabellenverzeichnis
9 Abbildungsverzeichnis
Zusammenfassung
Innovative Beschäftigte sind für den Erfolg eines Unternehmens unerlässlich. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie Innovatives Arbeitsverhalten gefördert werden kann. Basierend auf dem Job Demands-Resources Modell wird ein Forschungsmodell hergeleitet, das die Beziehungen zwischen Job Crafting, Partizipativer Sicherheit, Psychologischem Empowerment und Innovativem Arbeitsverhalten beschreibt. Die Hypothesen wurden mit den Daten von 140 Beschäftigten aus der Informationstechnologie-Branche untersucht. Mit Hilfe von linearen Regressionen wurde festgestellt, dass Job Crafting ein Prädiktor für Partizipative Sicherheit, Psychologisches Empowerment und Innovatives Arbeitsverhalten ist. Zudem gibt es indirekte Effekte von Job Crafting über Partizipative Sicherheit und Psychologischem Empowerment auf Innovatives Arbeitsverhalten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Job Crafting eine wichtige Grundlage für Innovatives Arbeitsverhalten sein kann.
Schlüsselwörter: Innovatives Arbeitsverhalten, Job Crafting, Partizipative Sicherheit, Psychologisches Empowerment, Job Demands-Resources Modell
Abstract
Innovative employees are essential for the company’s success. Therefore, it’s important to understand how innovative working behavior can be supported. Based on the Job Demands-Resources Modell, a research model is proposed that examines the relationships between job crafting, participative safety, psychological empowerment and innovative work behavior. The hypotheses are examined with data on a sample of 140 information technology professionals. Using linear regression methods, it was determined that job crafting predicted participative safety, psychological empowerment and innovative work behavior. Moreover, there are indirect effects of job crafting via participative safety and psychological empowerment on innovative work behavior. The results suggest that job crafting may be an important basis for innovative work behavior.
Key words: Innovative work behavior, job crafting, participative safety, psychological empowerment, job demands-resources model
1 Einleitung und Forschungsfrage
Innovation und Kreativität am Arbeitsplatz sind zu immer wichtigeren Faktoren für die Leistung, den Erfolg und das langfristige Überleben von Organisationen geworden. Laut Anderson, Potočnik und Zhou (2014) versuchen Organisationen, die Ideen und Vorschläge ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu nutzen. Daher ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Ideengenerierung und -implementierung ein klarer Wettbewerbsvorteil geworden ist. Daraus lässt sich ableiten, dass die Mitarbeitenden einer Organisation essentielle Partner in jedem Innovationsprozess sind. Sie haben die Ideen für Innovationen, sind für die Implementation ebendieser zuständig oder können Innovationsversuche behindern, wenn sie unzufrieden sind (De Spiegelaere, Van Gyes, De Witte & Van Hootegem, 2015). Das Handeln von Einzelpersonen ist demnach von entscheidender Bedeutung für eine kontinuierliche Innovationsentwicklung und Verbesserung (De Jong & Den Hartog, 2010). Die Beiträge der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an einer Innovation werden als Innovatives Arbeitsverhalten bezeichnet (Messmann, Stoffers, Van der Heijden & Mulder, 2017). Gerade in dem Bereich Informationstechnologie (IT) wird allgemein erwartet, dass dieser innovativ ist (Newton, Blanton & Will, 2008). Professionals in der IT-Branche gelten als Humankapital, welches zur Maximierung der organisatorischen Effektivität dient. Daher ist es besonders für Organisationen aus der IT-Branche wichtig zu verstehen, wie Innovatives Arbeitsverhalten gefördert werden kann.
Innovatives Arbeitsverhalten ist die Erkundung von Innovationsmöglichkeiten sowie die bewusste Schaffung, Einführung und Anwendung neuer Ideen zur Verbesserung der Leistung in der Unternehmenspraxis (Janssen, 2000; Messmann & Mulder, 2012). Innovatives Arbeitsverhalten ist meistens eine proaktive, zusätzliche Rolle, die Teil der informellen Arbeitserwartung an den Arbeitenden sein kann, aber nicht Teil der formalen Stellenbeschreibung ist. Professionals können auch persönlich von Innovativem Arbeitsverhalten profitieren und sich weiterentwickeln, da es sich um das Verlassen etablierter Routinen zur Generierung neuer Ideen und Lösungen handelt (Messmann & Mulder, 2017). Verschiedene Faktoren - beispielsweise die Führungskraft (Scott & Bruce, 1994) oder verschiedene Aufgabenmerkmale (Hammond, Neff, Farr, Scheall & Zhao, 2011) - können Innovatives Arbeitsverhalten beeinflussen.
In dieser Studie liegt der Fokus auf der Gestaltung des Arbeitsplatzes zur Förderung von Innovativem Arbeitsverhalten. Dafür werden Job Crafting, die interpersonelle Arbeitsressource Partizipative Sicherheit und die intrapersonelle Arbeitsressource Psychologisches Empowerment als Prädiktoren für Innovatives Arbeitsverhalten betrachtet. Die Auswahl fiel auf diese beiden Ressourcen, da sich diese laut Messmann et al. (2017) bereits als wichtige Prädiktoren für Innovatives Arbeitsverhalten erwiesen haben und sich ergänzen, weil sie zentrale Arbeitsressourcen auf der Ebene des sozialen Arbeitsumfelds und auf individueller Ebene abdecken. Job Crafting ist eine Möglichkeit von Arbeitenden, ihren Arbeitsplatz so zu verändern, dass dieser besser ihren Bedürfnissen und Präferenzen entspricht (Tims & Bakker, 2010). Job Crafter können laut Berg, Dutton und Wrzesniewski (2008) einerseits die Grenzen ihrer Aufgaben ändern, indem sie ihren Aufgabenbereich erweitern oder verringern. Andererseits können Job Crafter ihre Beziehungen in der Arbeit verändern, indem sie den Umfang ihrer Interaktionen mit den Kollegen und Kolleginnen verändern. Als dritte Möglichkeit können Job Crafter ihre Arbeit kognitiv ändern, indem sie die Wahrnehmung ihrer Aufgaben modifizieren. Job Crafting kann zu vorteilhaften Folgen für das Individuum und die Organisation führen (Wang, Demerouti & Bakker, 2017). Innovatives Arbeitsverhalten vereinigt beide Folgen, da es zu einer persönlichen Entwicklung der Arbeitenden führen kann sowie die Leistung einer Organisation verbessern kann (Janssen, 2000; Messmann & Mulder, 2017). Des Weiteren wird untersucht, ob vorhandene Arbeitsressourcen durch Job Crafting erhöht werden können und, ob diese wiederum zu einer höheren Ausprägung von Innovativem Arbeitsverhalten führen.
Bisher wurden die Auswirkungen von Job Crafting auf Innovatives Arbeitsverhalten nicht untersucht. Auch gibt es keine Untersuchungen dazu, inwieweit Partizipative Sicherheit und Psychologisches Empowerment Prädiktoren für Innovatives Arbeitsverhalten in der IT-Branche sind. Diese Studie soll einen Beitrag dazu leisten, diese Forschungslücken zu schließen. Daraus ergibt sich folgende Forschungsfrage:
Welche Auswirkungen hat Job Crafting auf Innovatives Arbeitsverhalten und in wie weit werden diese Auswirkungen von den Arbeitsressourcen Partizipative Sicherheit und Psychologischem Empowerment mediiert?
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird zuerst der Zusammenhang von Job Crafting, Partizipativer Sicherheit, Psychologischem Empowerment und Innovativem Arbeitsverhalten erläutert und anschließend werden Hypothesen aufgestellt. Im Methodenteil werden das Untersuchungsdesign, die Wahl und Größe der Stichprobe sowie die verwendeten Instrumente zur Beantwortung der Forschungsfrage beschrieben. Anschließend werden die Hypothesen überprüft und die Ergebnisse zur abschließenden Beantwortung der Forschungsfrage diskutiert. Sowohl aus der Vorgehensweise als auch aus den Ergebnissen lassen sich Grenzen der Studie, zukünftige Forschungsmöglichkeiten und praktische Implikationen ableiten.
2 Der Zusammenhang von Job Crafting, Partizipativer Sicherheit, Psychologischem Empowerment und Innovativem Arbeitsverhalten
2.1 Innovatives Arbeitsverhalten
Innovation ist der Prozess, eine neue Idee zur Lösung eines Problems anzuwenden. Das können zum Beispiel neue Ideen zur Organisation von Abläufen, zur Verbesserung der Kommunikation oder zur Montage von Produkten sein. Innovation ist also der Prozess von der Generierung, Akzeptierung und Implementierung neuer Ideen, Prozesse, Produkte und Services (Kanter, 1983, zitiert nach West & Farr, 1990). Diese Perspektive impliziert, dass eine Innovation etwas Großes sein muss, es lässt sich aber auch auf den individuellen Arbeitskontext beziehen. Janssen (2000) definiert Innovatives Arbeitsverhalten als eine bewusste Schaffung, Einführung und Anwendung einer neuen Idee innerhalb einer Arbeitsrolle, Gruppe oder einer Organisation, um die Leistung in der Arbeitsrolle, der Gruppe oder der Organisation zu verbessern. Anforderungen an eine Idee sind, dass die Idee zur Lösung eines Problems für den relevanten Kontext neu sein muss und die Betroffenen signifikant davon profitieren müssen (West & Farr, 1990). Neben einem wirtschaftlichen Nutzen kann die Umsetzung einer neuen Idee auch Vorteile wie eine verbesserte Zusammenarbeit, eine erhöhte Zufriedenheit, eine bessere Passung zwischen den wahrgenommenen Anforderungen und verfügbaren Ressourcen sowie eine bessere zwischenmenschliche Kommunikation bringen (Janssen, 2000; West & Farr, 1990).
Innovatives Arbeitsverhalten wird als die Teilnahme an verschiedenen Aufgaben, die unterschiedliche Aktivitäten und ein unterschiedliches individuelles Verhalten erfordert, verstanden (De Jong & Den Hartog, 2010; Messmann & Mulder, 2015; Scott & Bruce, 1994). In dieser Arbeit werden für die Konzeptualisierung von Innovativem Arbeitsverhalten die Aufgaben nach Messmann und Mulder (2012) herangezogen:
Opportunity generation (Generieren von Möglichkeiten) ist die Untersuchung von Möglichkeiten, die sich auf das Erkennen und Verstehen der Probleme und Bedürfnisse beziehen, die eine Chance für Veränderung und Verbesserung schaffen. Diese Aufgabe erfordert, dass sich der Initiierende aufmerksam mit seiner Arbeitsumgebung auseinandersetzt und sich bezüglich neusteter Entwicklungen, beispielsweise über Veränderungen von Organisationsstrukturen, bei Veranstaltungen in anderen Organisationen oder durch Einblicke in andere Arbeitsplätze auf dem aktuellen Stand hält. Idea generation (Ideengenerierung) beinhaltet den Start einer Innovationsentwicklung durch die Schaffung von Ideen für Produkte oder Prozesse, die neu, anwendbar und potenziell nützlich sind und die die vorher identifizierten Möglichkeiten lösen können. Diese Aufgabe umfasst das öffentliche Adressieren von arbeitsbedingten Problemen, das kritische Untersuchen von vorherrschenden Überzeugungen sowie das Äußern und die Diskussion dieser Ideen für die notwendige Änderung in Bezug auf die Problemstellung. Idea promotion (Ideenförderung) umfasst die Verteidigung der eigenen Ideen, indem das Umfeld der geplanten Innovation von dieser überzeugt wird und eine Koalition mit Verbündeten aufgebaut wird, die Verantwortung übernehmen und notwendige Informationen, Ressourcen und Unterstützung bieten. Diese Aufgabe beinhaltet, dass der Initiierende einer innovativen Idee die Unterstützung von Kollegen, Kolleginnen und Vorgesetzen gewinnt, diese über den laufenden Prozess informiert, mit den wichtigsten Akteuren über Genehmigung und Ressourcen verhandelt und die Idee innerhalb und über die Grenzen des eigenen Arbeitskontextes hinaus verbreitet. Idea realisation (Ideenrealisierung) beinhaltet das Experimentieren mit eigenen Ideen, das Schaffen eines physischen oder eines geistigen Prototyps der Innovation, das Prüfen und Verbessern seiner Eignung und das Planen einer Strategie, diesen in die organisatorische Praxis zu integrieren. Die Entwicklung eines Prototyps dient auch dazu, dass die Anderen mit den Details vertraut werden und die Ergebnisse auf unerwünschte Effekte von ihnen untersucht werden.
Neben den innovationsspezifischen Aufgaben lassen sich Messmann und Mulder (2017) zufolge vier Kontextkriterien ableiten, die bei der Innovationsentwicklung eine Rolle spielen. Erstens hängt die Innovationsentwicklung davon ab, ob die betroffenen Personen die Idee als innovativ ansehen (meaningfulness). Zweitens hängt die Innovationsentwicklung davon ab, ob die betroffenen Personen wahrnehmen, dass es notwendig ist, in einem bestimmten Arbeitsumfeld etwas zu verändern oder zu verbessern (necessity). Drittens hängt die Durchführbarkeit der Innovationsentwicklung stark von der praktischen und sozialpolitischen Unterstützung ab, die im relevanten Arbeitskontext zur Verfügung steht (feasibility). Viertens hängt die Innovation davon ab, ob die Innovation einer kritischen Prüfung besteht und der Nutzen der Innovation erlebt und antizipiert werden kann (usefulness).
Aus den Aufgaben und Kontextkriterien lässt sich ableiten, dass Innovatives Arbeitsverhalten dynamisch und kontextgebunden ist (Messmann & Mulder, 2012). Dynamisch ist es, da es zu unterschiedlichen Zeitpunkten viele miteinander verbundene Aktivitäten verschiedener Personen gibt. Aufgrund dieser Dynamik folgen die Aufgaben von Innovativem Arbeitsverhalten und die entsprechenden Aktivitäten der Arbeitenden während der Innovationsentwicklung nicht immer einer Reihenfolge (Messmann & Mulder, 2017). Kontextgebunden ist es, da Arbeitsaktivitäten und Ergebnisse durch kontextuelle Faktoren beeinflusst werden und nur in Bezug auf den Arbeitskontext aussagekräftig sind, in dem sie durchgeführt werden (Messmann & Mulder, 2012). Aufgrund dieser Annahmen definieren Messmann und Mulder (2012) Innovatives Arbeitsverhalten als die Summe der psychischen und kognitiven Arbeitsaktivitäten, die von Arbeitenden in ihrem Arbeitskontext entweder allein oder in einem sozialen Umfeld durchgeführt werden.
Arbeitende, die an einer Innovationsentwicklung beteiligt sind, müssen sich laut Messmann und Mulder (2017) der dynamischen kontextgebundenen Umgebung von Innovativem Arbeitsverhalten bewusstwerden. Zudem müssen Arbeitende die komplexen Interaktionen zwischen den Beteiligten, ihren Aktivitäten, den entsprechenden Ergebnissen und der Umgebung während der Innovationsentwicklung verstehen. Bei diesem Prozess kann innovationsspezifische Reflexion unterstützen. Diese schafft ein Bewusstsein für die verschiedenen Aufgaben im Rahmen der Innovationsentwicklung und für das Verständnis der Zusammenhänge und Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Aspekten von Innovativem Arbeitsverhalten. Das führt dazu, dass Arbeitende die Entwicklung der aktuellen Innovation erleichtern können und ein besseres Verständnis für die Entwicklung von Innovationen in der Zukunft gewinnen können. Darüber hinaus können die Arbeitenden durch die Durchführung von innovationsspezifischen Überlegungen ihre Arbeitserfahrungen besser reflektieren, was für die Bewältigung zukünftiger Arbeitssituationen hilfreich sein kann. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch regelmäßiges (innovationsspezifisches) Reflektieren in der Arbeit Arbeitende ihre Flexibilität bei der Anwendung von Reflexion zur Bewältigung schwieriger Situationen und Aufgaben sowie bei der Entwicklung von Innovationen verbessern können.
Im folgenden Kapitel wird die Wichtigkeit von Job Crafting als Prädiktor für Innovatives Arbeitsverhalten beschrieben.
2.2 Job Crafting
Job Crafting wird als die Art und Weise beschrieben, wie Arbeitende eine aktive Rolle bei der Initiierung von physischen oder kognitiven Veränderungen bei der Herangehensweise an ihre Aufgaben einnehmen, zukunftsorientiere Aktionen anregen und für sich günstigere Bedingungen schaffen (Niessen, Weseler & Kostova, 2016; Slemp & Vella-Brodrick, 2014; Wrzesniewski & Dutton, 2001). Anstatt strukturelle Merkmale des Arbeitsplatzes zu ändern, ist Job Crafting nach Slemp und Vella-Brodrick (2014) ein informeller Prozess, der sich auf die positiven Veränderungen fokussiert, die ein Arbeitender in Bezug auf seine Aufgaben, Beziehungen und kognitive Aspekte seines Arbeitsplatzes tätigt. Sie initiieren diese informellen Veränderungen, um ihren Arbeitsplatz so zu gestalten, dass dieser mit den eigenen Interessen und Werten in Einklang gebracht wird. So können sie schließlich die Bedeutung und die Zufriedenheit, die sie durch ihre Arbeit empfinden, verbessern (Slemp & Vella-Brodrick, 2014). Für diese Gestaltung können sie ihre kreativen und motivierenden Eigenschaften nutzen (Wrzesniewski, LoBuglio, Dutton & Berg, 2013).
In der bisherigen Forschung zeichnen sich zwei Perspektiven auf Job Crafting ab. Zum einen das Konzept von Wrzesniewski und Dutton (2001), die unter Job Crafting die physischen und kognitiven Veränderungen von Individuen bezüglich ihrer Aufgaben und Beziehungen in ihrer Arbeit verstehen und zum anderen die Perspektive von Tims und Bakker (2010), die als Job Crafting die Herstellung einer Balance zwischen den vorhandenen Arbeitsanforderungen und Arbeitsressourcen ansehen.
Bei der Perspektive von Wrzesniewski und Dutton (2001) gestaltet ein Arbeitender seine Arbeit selbst, um mehr Kontrolle über seine Tätigkeiten auszuüben, ein positives Selbst-Konzept zu erhalten und mit anderen Kontakt aufzunehmen. Durch Job Crafting werden die vorhandenen Aufgaben- und Beziehungsgrenzen sowie die kognitiven Grenzen verändert. Demnach sind Job Crafter Personen, die ihre Arbeit erstens proaktiv physisch ändern, indem sie die Aufgabenabgrenzungen ihrer Arbeit ändern (task crafting). Zweitens sind es Personen, die die Interaktionen in der Arbeit modifizieren, indem die Beziehungen in der Arbeit verändern (relational crafting). Drittens sind es Personen, die ihre Arbeit kognitiv ändern, indem sie die Art und Weise ändern, wie sie über die Beziehungen zwischen Arbeitsaufgaben nachdenken (cognitive crafting). Dadurch verändern sie zum einen die Struktur ihres Arbeitsplatzes und zum anderen ihr soziales Umfeld. Insgesamt führt das zu einer Veränderung der Bedeutung ihrer Arbeit sowie ihrer ganzheitlichen Vorstellung von sich selbst in der Arbeit (Arbeitsidentität) (Wrzesniewski & Dutton, 2001).
Bei der Auslegung von Job Crafting nach Tims und Bakker (2010) gestaltet ein Arbeitender seine Arbeit selbst, um die Passform zwischen Arbeitenden und Aufgaben zu verbessern, das Engagement in der Arbeit zu fördern und gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Sie legen ihrer Konzeptualisierung von Job Crafting das Job Demands-Resources (JD-R) Modell von Demerouti, Bakker, Nachreiner und Schaufeli (2001) zugrunde. Im JD-R Modell werden die vorhandenen Arbeitsbedingungen in zwei sehr breite Kategorien eingeteilt und zwar die Arbeitsanforderungen (job demands) und die Arbeitsressourcen (job resources) (Demerouti et al. 2001). Es ist ein theoretisches Modell, welches das Zusammenspiel zwischen Arbeitsanforderungen und Arbeitsressourcen beschreibt, mit denen Arbeitende in ihrer täglichen Arbeit konfrontiert sind (Bakker & Demerouti, 2007). Arbeitsanforderungen sind physische, psychologische, soziale oder organisatorische Aspekte der Arbeit, die anhaltende physische und/ oder psychologische (kognitive und emotionale) Anstrengungen oder Fähigkeiten erfordern. Beispiele für hohe Aufgabenanforderungen können geistig komplexe Aufgaben, Arbeiten unter hoher Belastung beziehungsweise Zeitdruck oder die physische Arbeitsumwelt sein (Demerouti et al., 2001; Karasek, 1979). Die Anforderungen müssen nicht zwingend negativ sein, sie werden dann zu Stressfaktoren, wenn der Arbeitende nicht in der Lage ist, adäquat auf diese zu reagieren (Bakker & Demerouti, 2007). Arbeitsressourcen sind nach Bakker, Hakanen, Demerouti und Xanthopoulou (2007) die physischen, psychologischen, sozialen oder organisatorischen Aspekte der Arbeit, die (1) die Arbeitsanforderungen und die damit verbundenen physiologischen und psychologischen Kosten reduzieren, (2) bei der Erreichung von Arbeitszielen unterstützen oder (3) persönliches Wachstum, Lernen und Entwicklung fördern. Beispiele dafür können Feedback, Autonomie oder Arbeitsplatzsicherheit sein (Demerouti et al. 2001).
Aufgrund dieser Annahmen verstehen Tims, Bakker und Derks (2012) Job Crafting als Möglichkeit, die vorhandenen Arbeitsanforderungen und Arbeitsressourcen in der Arbeit zu verändern. Die Möglichkeiten, wie dies geschehen kann, sind nach Tims und Bakker (2010): Erstens können Arbeitende das Maß der verfügbaren Arbeitsressourcen erh ö hen, indem sie zum Beispiel die soziale Unterstützung in der Arbeit durch die Knüpfung neuer Kontakte oder die Intensivierung bestehender Kontakte erhöhen. Zweitens können sie das Maß der Aufgabenanforderungen erh ö hen, wenn sie der Meinung sind, dass die Aufgaben ihre Fähigkeiten nicht genügend ausschöpfen. Eine Möglichkeit die Aufgabenanforderungen zu erhöhen, wäre aktiv neue Aufgaben zu den bisherigen hinzunehmen. Drittens können Arbeitende das Maß der Aufgabenanforderungen verringern, wenn diese ihre Fähigkeiten übersteigen. Ein Beispiel dafür wäre, dass Arbeitende im Kollegium fragen, ob sie bei ihren Aufgaben unterstützt werden können.
Integriert man diese Ansichten, kann die Anpassung des Aufgabenumfangs als Veränderung der Arbeitsanforderungen gesehen werden und das Anpassen der Beziehungen als Erhöhen der Arbeitsressourcen (Wang et al., 2017). Die von Wrzesniewski und Dutton (2001) konzeptualisierte kognitive Komponente wird von Tims und Bakker (2010) hingegen vernachlässigt, da sie sich auf die aktive Verhaltensbeeinflussung der Arbeit fokussieren (Wang et al., 2017). Andere Autoren legen ebenfalls Wert auf die kognitive Komponente von Job Crafting, weil sich Arbeitende durch die Veränderung der Arbeitsidentität ein höheres Maß an Sinn und Zweck der Arbeit ableiten können und das Anpassen der Bedeutung der Arbeit ein proaktives Verhalten ist (Niessen et al., 2016; Slemp & Vella-Brodrick, 2013). Daher beinhaltet Job Crafting in dieser Arbeit die drei Dimensionen Gestalten des Aufgabenumfangs (task crafting), Gestalten der zwischenmenschlichen Interaktionen (relational crafting) und Gestalten der Sicht auf die eigene Arbeit (cognitive crafting).
Es zeigt sich, dass Job Crafting zu vorteilhaften Folgen führen kann. Diese Folgen lassen sich nach verschiedenen Kriterien einteilen. Ghitulescu (2006) teilt die Auswirkungen in affektive und effektive Folgen ein. Für affektive Folgen stehen beispielsweise eine Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und des organisatorischen Engagements und für effektive Folgen zum Beispiel die Steigerung der Leistung und der Teamproduktivität. Eine höhere Effektivität entsteht dadurch, dass die Aufgabengestaltung und der Wissenstransfer durch die Gestaltung der Beziehungen zu individuellem und kollektivem Lernen führen können (Ghitulescu, 2006). Eine andere Einteilung nehmen Wang et al. (2017) anhand eines Reviews der Job Crafting Forschung des letztens Jahrzehnts vor. Laut den Autoren kann Job Crafting sowohl für das Individuum als auch für die Organisation zu vorteilhaften Folgen führen. Diese unterteilen sie noch einmal in unmittelbare und langfristige Folgen. Daraus ergeben sich vier Kategorien: unmittelbare individuelle Folgen (z.B. Erhöhung des Engagements und Zufriedenheit), langfristige individuelle Folgen (z.B. Veränderung der Arbeitsidentität), unmittelbare organisatorische Folgen (z.B. Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung) und langfristige organisatorische Folgen (z.B. Erhöhung des Commitments). Innovatives Arbeitsverhalten kann einerseits als effektive individuelle Folge von Job Crafting gesehen werden, da dieses wiederum zu einer persönlichen Entwicklung von Professionals führen kann (Messmann & Mulder, 2017). Andererseits kann Innovatives Arbeitsverhalten als affektive organisationale Folge gesehen werden, da es zu einer erhöhten Leistung der Organisation führen kann (Janssen, 2000).
Bisher wurden die Auswirkungen von Job Crafting auf Innovatives Arbeitsverhalten kaum untersucht. Für das Aufzeigen des aktuellen Forschungsstandes wurden Studien ausgewählt, die die Folgen von Job Crafting untersucht haben, welche sich entweder affektiven individuellen oder affektiven organisationalen Folgen zuordnen lassen. Bakker, Tims und Derks (2012) zeigten bei einer Studie, die in verschiedenen Unternehmen durchgeführt wurde, dass Job Crafting ein Prädiktor für die Leistung im persönlichen Verantwortungsbereich (in- role performance) ist. Zudem wirkt sich Job Crafting von Sonderpädagogen und Arbeitenden in autonomen Fertigungsteams direkt auf die Leistung einer Organisation aus, da es die individuelle Effektivität und die Teamproduktivität erhöht (Ghitulescu, 2006). Petrou, Demerouti und Schaufeli (2015) fanden bei Polizisten heraus, dass das Erhöhen von Arbeitsressourcen positiv mit der Aufgabenausführung (task performance) zusammenhängt. Weseler und Niessen (2016) fanden bei Arbeitenden, die über ein Business-Netzwerk angeschrieben worden sind heraus, dass das Erweitern des Aufgabenumfangs und der zwischenmenschlichen Interaktionen positiv mit der Aufgabenausführung zusammenhängt.
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