Der Neid in der Gesellschaft - Die Funktionen des Neides als soziales Gefühl und der Umgang mit ihm im Christentum


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

22 Seiten, Note: sehr gut (1,3)


Leseprobe

Inhalt

Einleitung

1. Der Neid und die Gesellschaft
1.1 Der Neid als soziales Gefühl
1.2 Der Neid in verschiedenen Formen sozialer Beziehungen
1.3 Auseinandersetzung über den Neid
1.4 Verschiedene Neidformen

2. Der Umgang mit Neid im Christentum
2.1 Der Neid in der christlichen Ethik
2.2 Der Missbrauch von Neid in der christlichen Religion
2.3 Die Tabuisierung von Neid in der christlichen Religion

3. Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

„ Zu den verschiedenen Zeiten der Geschichte, auf allen Entwicklungsstufen der Kultur, in den meisten Sprachen und als Mitglieder der verschiedensten Gesellschaften haben die Menschen ein Grundproblem ihrer Existenz erkannt und als etwas Besonderes herausgehoben: das Gefühl des Neides und des Beneidetwerdens.“ (Schoeck 1966, S. 7).

Durch diese Aussage von Helmut Schoeck wird klar, dass der Neid ein universales Gefühl ist, welches die Menschen in jeder Gesellschaft betrifft. Umso auffälliger ist es, dass der Neid in unserer Gesellschaft weitgehend tabuisiert wird, vor allem die Form des Neides die zerstörerisch wirken kann. Auf diese Tatsache weist auch hin, dass es zur Neidproblematik relativ wenig Literatur gibt, obwohl bei näherer Betrachtung des Themas eindeutig klar wird, dass der Neid nicht nur eine ungemein zerstörerische Kraft beinhaltet, wenn er unterdrückt wird und so unerkannt sein Unwesen treiben kann, sondern auch produktive Züge aufweist, die zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen kann, z.B. indem er auf ungleiche Machtverhältnisse hinweist. Hierbei wird aber vor allem durch Helmut Schoeck, dem oben zitierten Autors des Buches „Der Neid. Eine Theorie der Gesellschaft“ verdeutlicht, dass das Ziel eines produktiven Neides niemals eine „Gesellschaft der vollkommen Gleichen“ sein kann. Diese ist laut Schoeck eine Utopie und nicht fähig dazu, Neid zu unterdrücken.

Der Neid ist ein individuelles und ein soziales Gefühl: er betrifft mein Verhältnis zu mir sowie das zu den anderen (Dunde 1989, S. 11). In dieser Hausarbeit interessiert vor allem der Neid in seiner Ausprägung als soziales Gefühl.

Begrifflich lässt sich der Neid vom Begriff der Eifersucht abgrenzen. Diese beiden Gefühle werden oft zusammengebracht, doch obwohl eindeutige Ähnlichkeiten zwischen ihnen festzustellen sind, lassen sie sich voneinander abgrenzen. Dies hat schon Georg Simmel

erkannt, als er im 4. Kapitel seiner „Soziologie“, welches vom Streit handelt, das Phänomen des Neides untersucht hat, welcher für ihn von den Begriffen sozialer Hass, Eifersucht und Missgunst eingerahmt ist (Schoeck 1974, S. 64).

Schoeck sagt über den Unterschied zwischen Neid und Eifersucht:

„ Beide Affekte sind zweifellos für die Gestaltung menschlicher Verhältnisse von größter Bedeutung. Bei beiden handelt es sich um einen Wert, an dessen Erlangung oder dessen Bewahrung uns ein Dritter real oder symbolisch hindert. Wo es sich um Erlangen handelt, werden wir eher von Neid, wo um Bewahrung, von Eifersucht sprechen;“ (Simmel o.J. zit.n. Schoeck 1974, S. 64).

Man kann den Unterschied zwischen Neid und Eifersucht auch anhand der Legitimation des Begehrens erklären: Während der Neid sich um den Besitz des anderen dreht, auf den der

Neider eigentlich keinen Anspruch hat, gründet sich Eifersucht auf legitimen Anspruch auf Werte, die dem Eifersüchtigen zufallen, wenn er den Rivalen ausgeschaltet hat (Dunde 1981, S. 14).

Um noch eine letzte Verdeutlichung des Unterschieds anzubringen, dessen Erläuterung vor allem dazu beitragen soll, den Neid als Begriff zu verdeutlichen sei noch einmal Schoeck zitiert.

„ für die Eifersucht muss eine echte Konkurrenz bestehen, sobald eine parallele Erlangung des begehrten Wesens real möglich ist oder gewesen wäre kann es sich nur um Neid handeln.“ (Schoeck 1966, S. 102).

In dieser Hausarbeit verfolge ich zwei Ziele:

Zunächst möchte ich darstellen, welche Funktionen und Wirkungen der Neid in der Gesellschaft hat. Dazu möchte ich im Punkt 1.1 auf den Neid als soziales Gefühl eingehen. Der 2. Unterpunkt beschäftigt sich mit dem Neid in verschiedenen Formen sozialer Beziehungen wie z.B. Partnerschaft, Ehe oder Familie.

Im Punkt 1.3 komme ich schließlich zur Auseinandersetzung über den Neid, welche die Ansichten über dieses Gefühl in zwei Lager spaltet: Jenes mit einer traditionalistischen Neidauffassung und jenes, das dieser Neidauffassung widerspricht.

Im Punkt 1.4 werde ich mich dann mit zwei unterschiedlichen Neidformen auseinandersetzen: Dem Destruktivneid und dem Symptomneid, welche jeweils unterschiedliche Gründe und auch Auswirkungen haben.

Zusätzlich soll der Umgang mit dem Neid durch das Christentum betrachtet werden.

Um dasselbe darzustellen, werde ich, im ersten Unterpunkt des zweiten Punktes, zunächst den Neidbegriff in der christlichen Ethik aufzeigen. Der Punkt 2.2 mit dem Titel „Der Missbrauch von Neid in der christlichen Religion“ beschäftigt sich mit Fehlinterpretation oder bewusster Umdeutung des Neides, welche dazu führt, Destruktivneid unter den Anhängern des Christentums zu verbreiten.

In Punkt 2.3 geht es schließlich um die Tabuisierung von Neid in der christlichen Religionen, die anhand des Beispiels der Gemeinde und am Unterlassen des Themas im Religionsunterricht festgestellt werden kann.

Der Schlusspunkt (3.) soll dazu dienen, die Ergebnisse zusammenzufassen und zu reflektieren.

1. Der Neid in der Gesellschaft

1.1 Der Neid als soziales Gefühl

Der Neid ist vor allem ein soziales Gefühl: Er kann nur entstehen, sobald zwei Menschen die Möglichkeit haben, sich zu vergleichen. So wird der Neid zwangsläufig durch Andere hervorgerufen.

„ Wie sehr das Beneiden ein soziales, das heißt notwendigerweise auf einen anderen gerichtetes Verhalten ist, geht auch daraus hervor, dass der Neider ohne den anderen niemals ein Neider sein könnte, aber doch mit eben diesem in der Regel keine soziale Beziehung aufnehmen möchte.“ (Schoeck 1966, S. 11).

Wie oben genannt, entsteht der Neid durch den Vergleich mit anderen: So schreibt Francis Bacon in seinen Essays über den Neid:

„Der Neid folgt nämlich immer dem Vergleichen mit sich selbst: wo also kein Vergleich stattfindet, gibt es auch keinen Neid ...“ (Bacon 1657, zit.n. Lippke 1996, S. 16).

Daraus folgt nicht, dass aus jedem zwischenmenschlichen Vergleich Neid entsteht. Vielmehr stellt der Vergleich eine Voraussetzung für den Neid dar, er ist „(...) ein offensichtlich konstitutives Moment für den Neid.“ (Lippke 1996, S. 16).

Obwohl der Neid beinahe jeden Menschen in beinahe jeder Gesellschaft betrifft, ist er „(...) eines der tabuisiertesten Gefühle in unserer Kultur, sicher tabuisierter als Gefühle der sexuellen Erregung.“ (Dunde 1989, S. 11).

Dies erscheint unlogisch, wenn man betrachtet, dass der Neid sich in den verschiedensten Formen sozialer Beziehungen wiederfindet: In Partnerschaften, in der Familie zwischen Nachbarn und zwischen Kollegen.

1.2 Der Neid in verschiedenen Formen sozialer Beziehungen:

Der Neid begegnet dem Menschen während seines Lebens in beinahe jeder Situation: In der Herkunftsfamilie gibt es Neid zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Geschwistern. In der Partnerschaft und Ehe ist man wieder mit ihm konfrontiert. Schließlich beginnt der Kreislauf des Neides dann wieder in der Eigenfamilie.

Und auch in außerfamiliären Beziehungen kann Neid auftauchen: Hier ist vor allem der Neid zwischen Nachbarn und der Neid am Arbeitsplatz zu nennen.

Ein Erklärungsansatz für die Tatsache, dass der Neid im Menschen stärker ausgeprägt ist als bei anderen Lebewesen sieht z.B. Schoeck in der „ (...) Länge der menschlichen Kindheit, die den einzelnen viel länger als irgendein Tier dem Erlebnis der Geschwistereifersucht innerhalb der Familie aussetzt.“ (Schoeck 1966, S. 15).

Doch nicht nur die Eifersucht, die ja, wie in der Einleitung geschehen, vom Neid abgrenzbar ist, ist in Geschwisterbeziehungen ein Thema, auch der Neid nimmt in ihnen eine Rolle ein:

„Bei dem „Geschwisterneid (...) kann es um all das gehen, was auch zwischen anderen

Menschen (...) Neid (...) auslöst; es geht um Leistungen, Fähigkeiten, Anerkennung und Zuwendung, gesellschaftliches Ansehen. Eine im Vergleich zu (...) Neidereien (...) zwischen anderen Personen besondere Bedeutung erhalten diese Geschehnisse hier durch die Enge ihrer Beziehung zueinander.“ (Rost /Schulz1994, S.118).

Der Geschwisterneid hat unter anderem die Funktion, innerhalb der Geschwisterschaft eine Rangordnung zu etablieren. Diese kann wiederum helfen, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden, wenn man dem unmittelbaren Geschwisterumfeld schon längst entwachsen ist:

„Wir können sagen, dass unsere Kinder durch die Hierarchiebildung unter Geschwistern bestens auf all die Rangordnungen des Lebens vorbereitet werden, wenn sie lernen, um bessere Rangpositionen zu erkämpfen, erreichte Positionen zu akzeptieren sowie sich an damit verbundene Pflichten anzupassen, aber auch damit verbundene Rechte in Anspruch zu nehmen.“ ( Rost / Schulz 1994, S. 119).

Es ist deswegen nicht immer empfehlenswert, Neid zwischen Geschwistern vermeiden zu wollen, indem man sich bemüht, die Anerkennung zwischen den eigenen Kindern immer gleich zu verteilen.

„Anerkennen sollten wir das, was anerkennenswert ist, und nicht auf absolute Gleichbehandlung beharren. Günstig ist es, wenn mal das eine, mal das andere Kind die meiste Anerkennung erhält, wobei es jedoch wissen sollte, wofür es anerkannt wird.“ (ebenda). Durch solch eine Erziehung kann der Neid produktiv werden (vgl. Punkt 1.4) und zu einer gelungenen Sozialisation beitragen.

Das Eltern-Kind-Verhältnis bleibt nicht vom Neid verschont: So können einzelne Elternteile auf die eigenen Kinder neidisch sein, „(...) weil ihre eigenen Eltern als Großeltern der eigenen Kinder letzeren mehr bieten können als ihnen selbst während sie klein waren.“ (Rost /Schulz 1994, S. 114). Im Zusammenhang mit dem sogenannten Generationsproblem ergeben sich u.a. vielfältige Auslöser für Neid. Dieses entsteht dadurch, dass der christliche Grundsatz, Kinder haben ihre Eltern bis ans Lebensende zu achten, zu ehren und zu lieben immer mehr an Bedeutung verliert. Stattdessen greifen verhaltensforscherische Auffassungen wie diese um sich:

„ (...) nach dem Wegfall des Kindchenschemas in der Pubertät [läßt] die Achtung der Eltern

vor ihren Kindern noch mehr zu wünschen übrig (...), als dies in unserer kinderfeindlichen Gesellschaft ohnehin schon der Fall ist und kaum noch gesteigert werden kann.“ (Rost /Schulz 1994, S. 115).

Hinzu kommt, dass zwischen Eltern- und Kindergeneration keine gegenseitige ökonomische Abhängigkeit mehr besteht, „(...) bzw. diese Abhängigkeit dank unseres Renten- und Pensionssystem allenfalls zu Ungunsten der Kindergeneration besteht.“ (ebenda). Wenn man

es sehr pointiert ausdrückt, kann man sagen, dass die Kindergeneration sich im „(...) Berufs-,

Haushalts-, Kindererziehungs-, Umwelt- und Ansehensstreß (...) [abrackert], um den Abtrag für den Anbau am elterlichen Haus herbeizuschaffen und die Kinder durch die Gefahren dieses Lebens an die Anforderungen desselben heranzuführen, während erstere nur auf ihre Rente zu warten zu brauchen.“ (Rost / Schulz 1994, S. 115 /116).

Und so sieht es die Kindergeneration auch irgendwann nicht mehr ein, sich von der Elterngeneration in Bezug auf ihr eigenes Leben und der Erziehung der eigenen Kinder beraten zu lassen, um damit wiederum in den Kinderstatus degradiert zu werden.

Das geschilderte Generationsproblem birgt ein hohes Potential für Rivalitäten, Eifersüchteleien und für Neidereien.

Noch komplizierter ist die Situation zwischen Stiefeltern und Stiefkindern: So können Stiefelternteile den neuen Partner z.B. um das beneiden, was er ihnen voraushat, z.B. in Bezug auf die Kinder desselben oder auf den Umgang mit ihren eigenen Kindern.

Hier zeigt sich, dass auch die Partnerschaft bzw. die Ehe soziale Beziehungen sind, in denen Neid eine Rolle spielt.

Im Partnerneid kommt es zu verschiedensten Ausformungen des „Geschlechtsneids“, dies gilt zumindest bei heterosexuellen Paaren. Unabhängig von geschlechtsneidspezifischen Phänomenen wie Gebärneid kann der Partner /die Partnerin aber auch aufgrund von höherem beruflichen Erfolg oder größerer Beliebtheit beneidet werden. Solche Formen des Partnerneides werden zu Zeiten, in denen Frauen üblicherweise nicht berufstätig waren, nicht aufgetaucht sein. Auch die heutige Funktion von Partnerneid, die darin besteht Führungs-positionen innerhalb der Partnerschaft auszufechten, wird in diesen Zeiten unnötig gewesen sein, schließlich war es eindeutig, dass der Mann in der Rangordnung oben stand.

Auch die Funktion der Nachbarschaft hat in der heutigen Zeit wesentlich an Bedeutung verloren:

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Neid in der Gesellschaft - Die Funktionen des Neides als soziales Gefühl und der Umgang mit ihm im Christentum
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Soziologie der Gefühle
Note
sehr gut (1,3)
Autor
Jahr
2001
Seiten
22
Katalognummer
V44985
ISBN (eBook)
9783638424745
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Neid gilt als ein negatives Gefühl. Dabei hat er durchaus auch produktive Seiten für die Gesellschaft. Die Arbeit befaßt sich mit dem sozialen Gefühl des Neides in 2 Schwerpunkten: In "Der Neid und die Gesellschaft" geht es u.a.um den Neid in verschiedenen Formen sozialer Beziehungen und verschiedene Neidformen werden vorgestellt. In "Der Umgang mit Neid im Christentum" geht es um die Wertung von Neid in der christlichen Religion und die Instrumentalisierung dieses Gefühls durch dieselbe.
Schlagworte
Neid, Gesellschaft, Funktionen, Neides, Gefühl, Umgang, Christentum, Soziologie, Gefühle
Arbeit zitieren
M.A. Nele F.C. Schüller (Autor:in), 2001, Der Neid in der Gesellschaft - Die Funktionen des Neides als soziales Gefühl und der Umgang mit ihm im Christentum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44985

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