"Zeit" und "time". Eine kontrastive linguistische Analyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Das Konstrukt der Zeit

2. Der Vergleich von time und Zeit
2.1 Etymologie
2.2 Polysemie

3. Die Zeitmessung
3.1 Der Vergleich von second und Sekunde + minute und Minute
3.2 Der Vergleich von hour und Stunde
3.3 Der Vergleich von day und Tag
3.4 Der Vergleich von week und Woche
3.5 Der Vergleich von year und Jahr
3.6 Decade - century - millenium
3.7 Jahrzehnt - Jahrhundert - Jahrtausend

4. Fazit

5. Bibliographie

1. Das Konstrukt der Zeit

Seit Anbeginn der Zeit - ein oft verwendeter Ausspruch, der aufgrund seines epischen Charakter vor allem in der Welt der Literatur weit verbreitet scheint. Betrachtet man diese Worte doch nun etwas genauer, werfen sie unweigerlich einige Fragen auf. Was zum Beispiel meint man, wenn man vom Anbeginn spricht und wann war dieser ge- nau? Zu finden ist diese Aussage nicht zuletzt auch in der Bibel. In der lateinischen Bibelübersetzung des Hieronymus, der Vulgata, ist in den Sprichwörtern des Alten Testaments der Ausdruck ab aeterno (bibel-verse.de 2014) zu finden. In diesem 23. Vers des achten Kapitels der Sprichwörter Salomons wird beschrieben, wie lange Gott schon existiert, nämlich ab aeterno also seit ewig, oder etwas freier übersetzt: seit Beginn der Zeit. Jedoch stellt die Ewigkeit ein für den Menschen unvorstellbaren Be- griff dar, da sie etwas Metaphysisches ist, etwas, was außerhalb der menschlichen Erkenntnis und damit auch außerhalb seiner Vorstellungskraft liegt. Mit der Idee der Zeit verhält es sich jedoch anders. Es gibt Zeichen, die die Vergänglichkeit der Welt in der Empirie sichtbar machen. Und da diese Zeichen, wie die des Alterns oder Wach- sens eindeutig erkennbar sind, versucht der Mensch sein aposteriorisches Wissen dar- über für seinen Vorteil zu nutzen. Er entwickelt eine eigene Ordnung der Welt, die sein Leben erleichtern soll. Die Messung der Zeit ist eine dieser Ordnungen. Es ist anzu- nehmen, dass der Mensch durch seine Abhängigkeit vom Tageslicht seit Beginn seiner Existenz auch ein Gefühl für Zeit entwickelte. Da Sonne und Licht für das Leben der Menschen schon immer essentiell waren, und diese immer aufs Neue wiederkehrten, stellt wohl die Dauer eines Tages auch die erste Ordnung von Zeit dar. Im Gegensatz zu heute war die Idee eines Tages früher jedoch nur auf die Zeit beschränkt in der es hell war. So bedeutete das germanische Wort daga, aus welchem sich sowohl das deutsche Wort Tag als auch das englische Wort day entwickelte, in etwa die Älichte Zeit“(Kluge 2002: 766), also der Abschnitt von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Im Laufe der Zeit, hier speziell im Verlauf der Weiterentwicklung des Begriffs Zeit, nah- men die Menschen immer differenziertere Einteilungen vor. Durch die Jahreszeiten konnte man das Ende des Winters und den damit verbundenen Neubeginn des Wach- sens erkennen, und da auch dieser sich wiederholte, konnte man bald darauf Jahre einteilen. Hatte man erst diese Einteilung konnte man die vergangen Jahre auch zäh- len und aus Jahren Jahrzehnte werden lassen oder aus Tagen Wochen oder gar Mo- nate. Des Weiteren wurde der einzelne Tag in Stunden, Minuten oder Sekunden un- terteilt. Diese Einteilungen wurden jedoch erst durch ihre Messbarkeit relevant. So wurden Minuten erst mit der Erfindung der Uhr sinnvoll anwendbar. Darauf wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit nochmals ausführlicher Bezug genommen. In heutiger Zeit ist es sogar möglich Zehntel-, Tausendstel- oder sogar Nanosekunden zu messen. Jedoch haben diese Messeinheiten nur in speziellen Lebensbereichen wie dem Leis- tungssport oder der Naturwissenschaft Relevanz. Und mit eben dieser Naturwissen- schaft scheint sich auch der Kreis der angeführten Metapher vom Anbeginn der Zeit zu schließen. Denn die Entdeckung von Edwin Hubble im Jahre 1929, welcher er- kannte dass sich alle fernen Galaxien von der Unseren fortbewegen, und sich somit das Universum zwangsläufig von einem bestimmten Punkt ausdehnen müsse, bilde- ten die Grundlage für die heute wissenschaftlich anerkannte Urknalltheorie (vgl. Hawking 2007: 19f). Hier scheint es treffend Stephen Hawkings Gedanken zum Urknall und dem dazugehörigen Beginn der Zeit zu zitieren:

ÄWenn es Ereignisse gegeben hat, die vor diesem Zeitpunkt lagen, so können sie doch nicht beeinflussen, was gegenwärtig geschieht. Man kann sie außer Acht lassen, weil sie sich nicht auf unsere Beobach- tungen auswirken. Man kann sagen, die Zeit beginnt mit dem Urknall.“ (Hawking 2007: 20)

Nach dieser kurzen Einführung in das allgemeine Konstrukt der Zeit, werden nun die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von time im Englischen und Zeit im Deutschen untersucht. Des Weiteren wird eine Analyse der Zeitmessungseinheiten vorgenommen, welche unter anderem etymologische und semantische Entwicklungsunterschiede der beiden Sprachen berücksichtigt. Hierbei wird mit der kleinsten sinnvollen Messeinheit, der Sekunde begonnen und dem Jahrtausend, nennenswert auf Grund der Tatsache dass viele der lebenden Generationen den Wechsel des Jahrtausends selbst miterlebt haben, abgeschlossen.

2. Der Vergleich von time und Zeit

Mit dem Aufkeimen der kontrastiven Linguistik, durch die Ideen des klassischen Strukturalismus initiiert, begann die Sprachwissenschaft eine vergleichende Forschung von verschiedenen Sprachsystemen auf phonologischer, morphologischer und Syntaxebene einzuführen. Man wählte diese Ebenen zu Analyse, da sie eine relative Ge schlossenheit im Sprachsystem besaßen und somit möglichst detailliert und präzise auf Unterschiede hin untersucht werden konnten (vgl. Kurt 1983: 1f). Um eine Sprache jedoch im Ganzen analysieren zu können, müssen auch offenere Sprachsysteme ei- nen Platz in der kontrastiven Linguistik finden. Aus diesem Grund spielt die lexikalische Ebene einer Sprache in der gegenwärtigen Forschung eine zentrale Rolle. Aufgrund der Öffnung dieses Gebietes stellte Kurt jedoch fest, es sei Äim Gegensatz zu den genannten entsprechend schwieriger zu analysieren und zu systematisieren“(Kurt: 62). Versucht man nun die Begriffe der Zeit und time auf dieser offenen und somit auch komplexeren Ebene zu untersuchen, kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu. Oft gründen sich Kontraste im Wortschatz auch auf Kontraste im Weltbild. Gerade bei abstrakten Ideen, wie die von Zeit und Raum besitzt eine Sprache oft ganz eigene Äuniversalistische und philosophische Aspekte“(Kurt: 64). Diese Aspekte stellen nicht selten eine Grenze für die Vergleichbarkeit von Sprachen dar. Im der folgenden Gegenüberstellung von Zeit und time wird nun versucht, sich möglichst nah an diese Grenze heranzutasten.

2.1 Etymologie

Auch wenn auf den ersten Blick nicht ersichtlich, gründen sowohl der Begriff time als auch der der Zeit auf einem gemeinsamen Stamm des Germanischen. Das deutsche Wort Zeit entstammt dem germanischen *tīdi, was so viel wie Zeit, Gezeit oder Flut bedeutete. Das englische time hingegen entsprang der Bezeichnung *tīmon, welches schon im Germanischen den Term *tīdi im strikt temporalen Sinne ersetzte (Onions: 1995: 924). Beiden Entlehnungen diente also der *tī- Stamm als Grundlage. Warum das Althochdeutsche sich nicht dem etwas mehr bedeutungsverengten *tīmon be- diente, ist bis heute nicht eindeutig erklärbar. Sicher hingegen ist jedoch, dass sowohl *tīmon als auch *tīdi ihren Weg in die englische Sprache fanden. *Tīdi bildet die Grund- lage für das heutige tide und hat damit bis heute die germanischen Konnotationen der Gezeiten und Flut unverändert beibehalten, gleichzeitig aber auch die der temporalen Zeit verloren. Die Zeitbedeutung trägt heute das Wort time in sich. Dieses entstammt dem altenglischen tīma, welches wie schon erwähnt aus dem germanischen *tīmon bildete. Tīma beschrieb im Altenglischen ab dem 14. Jahrhundert, in welchem es erst- mals nachweislich erwähnt wurde, eine unbestimmten andauernden zeitlichen Umfang (Onions: 924). Im Verlauf der Weiterentwicklung zum heutigen time erlangte der Begriff eine große Bedeutungsvielfalt, welche im nächsten Kapitel noch genauerer Erklärung bedarf.

Parallel dazu entwickelte sich das deutsche Wort Zeit in eine andere Richtung. Aus dem germanischen *tīdi entstand sich schon im achten Jahrhundert der althochdeut- sche Begriff der zīt. Da das Althochdeutsche schon im sechsten und siebten Jahrhun- dert eine komplette Umstrukturierung der germanischen Konsonanten vornahm, wel- che heute als die zweite Lautverschiebung bezeichnet wird (Schmid 2009: 80), wurde auch der germanische Konsonant t- zu z- abgewandelt. Diese Abwandlung *t > tƷ, in diesem Beispiel *tīdi zu zīt ist eine der besonderen Charakteristika der deutschen Spra- che und bildet damit einen starken Kontrast zum Englischen (Schmid: 83). Im Mittel- hochdeutschen blieb der Terminus zīt unverändert erhalten, erfährt jedoch eine Be- deutungseingrenzung. Die Bezeichnung verwendet sich nun nur noch auf die der Zeit, auch im temporalen Sinne, jedoch nicht mehr auf Gezeiten oder Flut. Dies erhielt sich auch bei dem heutigen Begriff der Zeit. Somit ist ein zweiter Kontrast zum Englischen ersichtlich, welches eine enorme Bedeutungsvielfalt für time entwickelte, wohingegen der deutsche Begriff der Zeit eine Bedeutungsverengung durchlief.

2.2 Polysemie

Um nun diese Bedeutungsveränderungen im Detail zu verstehen, bedarf es einer Ana- lyse der Anwendungsfelder des time- und Zeit-Begriffs. Welche verschiedenen Sinn- haftigkeiten ein Begriff in sich trägt, lässt sich über seine Polyseme feststellen. Und zwar wird ein sprachliches Zeichen dann Äals Polysem (Polysemous) bezeichnet, wenn man ihm mehr als eine Bedeutung zuschreiben kann“ (Herbst,Stoll, Westermayr: 1991: 167). Im Fall des deutschen Zeitbegriffs lassen sich nach Angabe des Dudens min- destens fünf Polyseme erkennen. Im englischen time hingegen sind es laut Oxford English Dictionary sogar mindestens elf. Dieser beträchtliche Unterschied in Umfang und Verteilung des Wortschatzes könnte mit der im vorigen Abschnitt beschriebenen Begriffserweiterung beziehungsweise Verengung zusammenhängen. Jedoch fügt Kurt bei dieser Art der Wortschatzuntersuchung kritisch an, man sollte im sich darüber im Klaren sein, dass Ämethodisch-definitorische Schwierigkeiten - wie der Unterschei- dung von individueller/okkasioneller Verwendung und kollektivem/usuellem Ge- brauch“, als auch die Äständige Fluktuation von Neuwörtern und veraltetem bzw. aus- gestorbenem Wortgut so stark“ ist, dass eine Äeindeutige zahlenmäßige Festlegung des Wortbestandes zu einem festen Datum faktisch unmöglich sei“ (Kurt: 63).

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
"Zeit" und "time". Eine kontrastive linguistische Analyse
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
17
Katalognummer
V450715
ISBN (eBook)
9783668841963
ISBN (Buch)
9783668841970
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hausarbeit im Examensmodul Sprachwissenschaft, mit sehr gut bewertet, sehr detaillierte etymologische Analysen
Schlagworte
Kontrastiv, Linguistik, Zeit, time, Vergleich, Sprachwissenschaft
Arbeit zitieren
Marcus Wenzel (Autor:in), 2014, "Zeit" und "time". Eine kontrastive linguistische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/450715

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