Der Geleitsfall des Johannes Hus


Hausarbeit, 2004

16 Seiten, Note: 1,25


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeines zum Geleit

3. Die Vorgeschichte des „Geleitfalls“

4. Der „Geleitfall“ des Johannes Hus
4.1. Die Versprechungen Sigmunds
4.2. Inhalt des Geleitbriefs
4.3 Versprechen gehalten?
4.4. Geleitbruch?

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Rahmen dieser Hausarbeit werde ich der bereits von vielen (Rechts)­historikern diskutierten Frage nachgehen, ob bei der Verhaftung, der anschließenden Verurteilung und der Vollstreckung der Strafe an Johannes Hus im Rahmen des Konstanzer Konzil[1] ein Geleitbruch vorlag. Ausdrücklich beto­nen will ich an dieser Stelle, dass die Frage, ob der Prozess begründet war, ob er fair ablief und ob die Verurteilung zum Tod durch Verbrennen rechtens war, außer Acht gelassen wird. Kurz die Frage, ob Hus ein Häretiker war oder nicht soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein.

Im Folgenden werde ich die Vorgehensweise innerhalb dieser Arbeit vorstellen:

Der erste Abschnitt der Arbeit besteht aus einer allgemeinen Einführung in die Geleitsthematik. Im Anschluss daran wird im zweiten Kapitel, zum besseren Verständnis, kurz das Leben und das Wirken des Johannes Hus skizziert.

Im folgenden Kapitel, der den Hauptteil dieser Arbeit darstellt, wende ich mich dem eigentlichen Thema dieser Arbeit dem „Geleitfall“ des Johannes Hus zu. Dabei werde ich zuerst die mündlichen Versprechungen darstellen, die Sig­mund[2] Hus vor der eigentlichen Ausstellung des Geleitbriefs gegeben hat. Im Anschluss daran wird dann der Inhalt des Geleitbriefes vorgestellt.

Darauf folgend werde ich zuerst beurteilen, ob Sigmund seine Versprechungen gegenüber Hus gehalten hat. Dies kann allerdings nicht formaljuristisch über­prüft werden, da diese Versprechungen nicht schriftlich fixiert wurden und nur rekonstruierbar sind. Nachkommend werde ich auf Grundlage des Geleitbriefs, der die einzige Rechtsgrundalge darstellt, abwägen, ob rechtlich gesehen ein Geleitbruch vorlag oder ein solcher Bruch nicht gegeben war.

Zum Abschluss der Arbeit werde ich ein Fazit ziehen und einen Ausblick auf die weitere Entwicklung geben.

2. Allgemeines zum Geleit

Der allgemeine Wortsinn von Geleit ist, das was wir heute unter „begleiten“ ver­stehen. Diese Bedeutung hat sich jedoch immer mehr ausgeweitet und sich teilweise bis zur Unkenntlichkeit verändert.[3] Die verschieden Formen des Ge­leits entstanden im Mittelalter. Das Geleitsrecht (ius conductus, ius condu­cendi), also das Recht Geleit zu gewähren, gehörte zu den Regalien.[4]

Der Charakter des Geleits wurde dabei vor allem durch den Zweck, dem es dienen sollte, festgelegt. Daneben bestimmten aber auch unter anderem die Stellung des Geleitgebers und des Geleitempfängers, Verschiedenheit des Zeit und Raumes, auf die sich die Wirksamkeit erstreckte und die Gestalt der Mittel durch die es bewirkt wird, die Form des Geleits.[5] Demgemäß wird das Geleit rechtlich bedeutsam durch die Zuordnung des Zwecks zu dem es dienen soll und der für die Rechtsgemeinschaft von Belang ist. Der Hauptzweck des Ge­leits besteht im Schutz von Personen und ihres Besitzes vor Angriffen verschie­denster Art. Daneben kann Geleit auch der Ehrung und der Versorgung des Geleitempfängers dienen.[6]

Die häufigste Form des Geleits im Mittelalter bestand im Recht, vor allem rei­senden Kaufleuten, sicheres Geleit gegen Gewalttätigkeiten, Beraubung oder Behinderung zu gewähren und dafür Geleitsgelder zu empfangen. Diese Form des Geleits bezeichnet man als Schutzgeleit.

Des Weiteren gab es noch die Form des Heeresgeleits, das dem Zweck diente, einem Heer sicheren Durchmarsch durch fremdes Gebiet zu sichern.

Beim Beförderungs- oder Passgeleit wurden hoch stehenden Persönlichkeiten für Staatsreisen Geleitsleute, Unterhalt und Unterkunft zur Verfügung gestellt. Außerdem gab es dem Empfänger Schutz und Ehrung.

Das Zollgeleit diente im Besonderen der Sicherung des Handelverkehrs und zudem der Sicherung von Reisenden überhaupt.

Das Marktgeleit, das kein Geleit im eigentlichen Wortsinn darstellt, schützte alle Personen außer Übeltäter, die sich an einem bestimmten Ort, beispielsweise an einem Markt, aufhielten oder sich auf dem Weg dort hin befanden.[7]

Schließlich gab es noch das so genannte freie Geleit, das im Fall von Johannes Hus von Belang ist. Diese Form des Geleits entwickelte sich aus dem obrig­keitsstaatlichen Schutz des Angeschuldigten gegen die Privatrache durch den direkt Geschädigten. Die Form des freien Geleits, war seit dem 12. Jahrhundert in den nordischen und den niederländischen Rechten üblich und ging spätes­tens im 14. Jahrhundert in das deutsche Strafverfahren über. Bis in das 16. Jahrhundert sicherte das freie Geleit nicht nur den Beschuldigten, sondern auch den Verurteilten. Wer freies Geleit besaß, hatte vom Richter die Garantie, dass er ungefährdet zu seinem Asyl oder seinem Wohnsitz zurückkehren durfte, auch wenn er seine Unschuld nicht beweisen konnte und daher der Urteils­spruch negativ für ihn ausfiel.[8] Auf Grund dessen und weil es vor Privatrache schützte, förderte das freie Geleit die Bereitschaft des Beschuldigten sich vor Gericht zu begeben. Dieses persönliche Erscheinen des Beklagten vor Gericht macht dann auch die Wichtigkeit des sicheren Geleits aus.[9]

Erste Versuche, die verschiedenen Geleitfälle zu ordnen, sind allerdings erst im 16. Jahrhundert, vor allem von den Amtschreibern, unternommen worden. Diese Schreieber legten. um ihre Arbeit fehlerlos bewerkstelligen zu können. Formularbücher an, in denen die verschiedenen Geleitarten zur besseren Un­terscheidung nebeneinander gestellt wurden.[10]

Bis dahin führte die hier dargestellte Ausdehnung des Geleitbegriffs auf die ver­schiedensten Anwendungsgebiete dazu, dass durch die Tatsache, dass diese verschiedenen Schutzarten alle gleich benannt wurden, sie oft als einheitliches Rechtsgebilde aufgefasst und angewandt wurden. So kam es zu einer Vermi­schung der eigentlich klar voneinander zu trennenden Schutzbereiche. Daher herrschte lange Zeit Unklarheit über den Inhalt des Geleitbegriffes. Auf Grund dieser Rechtsunklarheit entstanden Kontroversen, wie bei dem im Folgenden zu behandelnden Geleitfall des Johannes Hus.[11]

3. Die Vorgeschichte des „Geleitfalls“

Hus wurde um 1371 im südböhmischen Husinec bei Prachatitz geboren und studierte an der Prager Universität. 1396 erhielt er den akademischen Grad des Magister Artium. 1400 wurde er zum Priester geweiht. Hus hielt Theologievorle­sungen an der Prager Universität und wurde 1401 Fakultätsdekan. Nach dem Kuttenberger Dekret[12] wurde Hus 1409/10 zum Rektor der Universität gewählt. Er predigte auch ab 1402 in der Bethlehem-Kapelle, wo die Gottesdienste in tschechischer Sprache anstatt (wie allgemein üblich) in Latein abgehalten wurden.

Die tschechisch-nationalen Reformbestrebungen des böhmischen Volkspredi­gers Jan Milíc sowie die Ideen des englischen Reformators John Wyclif waren seit 1390 an der Universität sowie in der Bethlehem-Kapelle weit verbreitet: Sie beeinflussten Hus stark. So kritisierte auch er den weltlichen Besitz der Kirche und trat für die Autonomie des Gewissens ein. Wie Wyclif glaubte auch Hus an die Prädestination und sah in der Bibel die einzige Autorität in Glaubensfragen. Deshalb erkannte er auch den Papst als Oberhaupt der Kirche mit seinem Un­fehlbarkeitspostulat nicht an.

1410 erließ Papst Alexander V., einer der damaligen drei Gegenpäpste, eine Bulle, in der Wyclifs Ansichten verurteilt wurden. Es kam zu heftigen Auseinan­dersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern Wyclifs, dessen Schriften in Folge des Streits verbrannt wurden.[13]

Hus, der weiterhin reformatorische Ideen vertrat und gegen die Verbrennung der Werke Wyclifs protestierte, wurde 1410 vom Erzbischof mit dem Bann be­legt und vor die Kurie Papst Alexanders V. geladen. Dieser Vorladung kam er jedoch unter dem Vorwand, der Weg zur Kurie sei zu gefährlich, nicht nach. Tatsächlich fürchtete er jedoch wohl schon damals die Vernichtung durch seine Feinde. Wegen dieses Nichterscheinens bekräftigte Kardinal Odo Colonna 1411 den Bann über Hus. Dennoch konnte Hus aufgrund seiner großen Be­liebtheit bei der Prager Bevölkerung und durch die Unterstützung des Königs weiter predigen und wandte sich dabei vor allem gegen die Kreuzzugs- und Ablassbullen von Papst Johannes XXIII. Auf Grund der Kritik am Ablasshandel kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Hus und seinem Unterstützer König Wenzel. Außerdem machte sich Hus mit seiner Kritik die Magister Stephan Páleč und Stanislaus von Znaim zu Gegnern. 1412 wurde über Hus die ver­schärfte Exkommunikation ausgesprochen und eine päpstliche Bulle forderte die Festnahme Hus als Ketzer sowie die Zerstörung der Bethlehemkapelle.[14] Daraufhin floh Hus noch im selben Jahr aus Prag und lebte in den folgenden zwei Jahren unter dem Schutz des Adels an verschiedenen Orten. Zudem ver­anlasste König Wenzel die Einberufung einer Synode auf der über den Fall Hus beraten werden sollte. Nach dem dies aber keine Verbesserung für die Lage von Hus einbrachte, stellte König Wenzel seine Bemühungen ein.

Im Exil schrieb Hus 1413 mit De Ecclesia sein Hauptwerk, in dem er seine Po­sition erläuterte, dass die Kirche eine nicht hierarchisierte Vereinigung sei, die nur Christus als ihr Oberhaupt anerkennen dürfe.

[...]


[1] Auf dem Konstanzer Konzil von 1414 ging es zum ersten um die Lösung des seit 1378 bestehenden Kirchenschismas, zum zweiten um Kirchenreformen und drittens um die Ketzerfrage. Im dritten Teil wurde unter anderem auch der Fall des Johannes Hus verhandelt.

[2] Sigmund, auch Sigismund, (1368-1437), Römischer König (seit 1411) und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1433-1437), König von Ungarn (1387-1437) und Böhmen (1419/1436-1437).

[3] Wiederkehr, Georg Robert: Das freie Geleit und seine Erscheinungsformen in der Eidgenossenschaft des Spätmittelalters: ein Beitrag zu Theorie und Geschichte eines Rechtsbegriffs. Zürich 1976, S. 1f. ( im Folgenden: Wiederkehr (1976): Geleit)

[4] Regalien (von lateinisch regalis, „dem König zukommend”), Bezeichnung für die vom König stammenden Rechte im Mittelalter. Die seit den Frankenherrschern den Königen vorbehaltenen Hoheitsrechte umfassten die Verfügung über hohe Ämter und Würden (u. a. Herzogs-, Markgrafen- und Grafentitel), über das Reichsgut, die Gerichtsbarkeit und über finanziell nutzbare Rechte (u. a. Zölle, Steuern, Münzprägung, Marktrecht). Der König konnte diese Regalien zur Nutzung vergeben; die Inhaber der Regalien hatten dafür auch einige mit den Rechten verbundene Pflichten zu erfüllen.

[5] Koehler, B.: Geleit. In: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte (1971) Band 1. Berlin 1971. Sp. 1483f. (im Folgenden: Koehler (1971): Geleit)

[6] Wiederrkehr (1976): Geleit, S. 2

[7] Koehler (1971): Geleit, Sp. 1484ff.

[8] Mettgenberg, Dr. Wolfgang: Freies Geleit und Exterritorialität. In: Völkerrechtsfragen Heft 27. Berlin 1929

[9] Mittermaier, C. J. A., Das Deutsche Strafverfahren, Erster Teil. Heidelberg 18454, S. 491

[10] Wiederkehr (1976): Geleit, S. 13f.

[11] Wiederkehr (1976): Geleit, S. 8

[12] Das Kuttenberger Dekret regelte zum Vorteil der Tschechen die Vertretung der einzelnen Nationen an der Prager Universität und führte zum Auszug der deutschen Magister und Studenten.

[13] Macek, J.: Hus, Johannes. In: Lexikon des Mittelalters ( ) Band Sp. 230f.

[14] Hoke, Rudolf: Der Prozeß des Jan Hus und das Geleit König Sigmunds: ein Beitrag zur Frage nach der Kläger- und Angeklagtenrolle im Konstanzer Prozeß von 1414/1415. In: Annuarium historiae conciliorum (1983) Band 15, S.172f. (im Folgenden: Hoke (1983): Geleit)

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der Geleitsfall des Johannes Hus
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
1,25
Autor
Jahr
2004
Seiten
16
Katalognummer
V45134
ISBN (eBook)
9783638425896
Dateigröße
549 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geleitsfall, Johannes
Arbeit zitieren
Lars Reutter (Autor:in), 2004, Der Geleitsfall des Johannes Hus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45134

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