"Taxi nach Leipzig". Eine vergleichende Gegenüberstellung der ersten und der 1000. Tatort- Folge


Hausarbeit, 2016

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur Geschichte der „Tatort“- Reihe

3. Inhaltsangaben der zu untersuchenden Folgen „Taxi nach Leipzig“ (1970 und 2016)

4. Vergleichende Gegenüberstellung
4. 1 Aufbau und Erzählweise
4. 2 Gesellschaftspolitische Themen
4. 3 Täter, Opfer und Ermittler
4. 4 Frauen- und Männerbild

5. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der „Tatort” ist eines der bekanntesten und beliebtesten deutschen Fernsehformate, und das seit nunmehr fast fünf Jahrzehnten. In vielen Familien ist es mittlerweile Tradition, gemeinsam am Sonntagabend die neueste „Tatort“- Folge zu schauen. Im November 2016 wurde nun die 1000. „Tatort“- Folge ausgestrahlt, die den gleichen Titel trägt wie der erste „Tatort“, und zwar „Taxi nach Leipzig“. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die beiden Folgen miteinander zu vergleichen. Wie hat sich die Reihe über die Jahre verändert, und was ist vielleicht auch gleich geblieben? Inwiefern lassen sich die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der letzten 46 Jahre im „Tatort“ wiederfinden? Um diesen Fragen nachzugehen, werde ich zunächst auf die Entstehung und Entwicklung der Serie eingehen. Daraufhin werde ich für die beiden gewählten Folgen „Taxi nach Leipzig“ (1970 und 2016) einen kurzen Handlungsüberblick geben, um sie dann im nächsten Schritt miteinander vergleichen zu können. Der Fokus wird dabei auf den im „Tatort“ enthaltenen gesellschaftspolitischen Themen sowie auf der Darstellung von weiblichen und männlichen Charakteren liegen.

2. Zur Geschichte der „Tatort“- Reihe

Der eigentliche Grund für die Entstehung der „Tatort“- Reihe war die ZDF-Serie „Der Kommissar“, die zu diesem Zeitpunkt (Ende der 1960er Jahre) sehr gute Einschaltquoten erbrachte, und zu der es nach Absetzen der Serie „Stahlnetz“ im ARD kein Equivalent mehr gab. Dies sollte mit der Einführung einer neuen Kriminalserie geändert werden.1 Für deren Entwicklung wurde Gunther Witte beauftragt, der als Dramaturg beim WDR arbeitete.2 In einem Interview mit Eike Wenzel im Jahr 2000 berichtet er wie er zu der Serie kam:

Es war die Zeit, als Günther Rohrbach Chef des WDR-Fernsehspiels war. Er hat immer sehr strategisch gedacht. Er hat nicht nur die Konkurrenz zum ZDF im Auge gehabt, sondern auch zum NDR-Fernsehspiel unter Egon Monk, das danach unser Vorbild war. Wir wussten damals schon, dass man nicht nur die elitären Dinge machen kann, sondern dass man sich auch mit populären Spielformen auseinandersetzen muss. So forderte Rohrbach meinen Kollegen Peter Märthesheimer zu einem Spaziergang hier im Kölner Stadtpark auf und verteilte dabei die Aufgaben. Märthesheimer sollte eine Familienserie entwickeln, und ich musste mich um Krimis kümmern.3

Wittes Idee war es, inspiriert von der Radio-Sendung „Es geschah in Berlin“ (einer KrimiDoku) die sich mit in Berlin begangenen Straftaten befasste, ein ähnliches Format für das Fernsehen zu entwickeln:4 Möglichst realistisch und möglichst regional. Dieses Konzept wurde von der ARD bei der ersten Begutachtung zunächst abgelehnt. Nach kleineren Abänderungen stieß es jedoch auf Zustimmung und sollte möglichst bald ausgestrahlt werden.5 Dies kommentierte Witte ebenfalls im Interview mit Eike Wenzel:

Dann ergab sich ein ganz zentrales Problem, nämlich wie kommt man so schnell zu Filmen, die muss man ja erst produzieren. Da haben dann alle sehr pragmatisch reagiert und haben gesagt, wir gucken mal, was wir im Schrank haben, das geben wir alles in die Reihe Tatort rein.6

Was dabei herauskam, waren einige sehr unterschiedliche Produktionen. Witte machte jedoch aus dem vermeintlichen Problem fehlender Einheitlichkeit eine Tugend: Nicht ein Kommissar sollte ermitteln, sondern viele verschiedene, und das in unterschiedlichen Regionen, genauer gesagt überall dort, wo die Sender des ARD ihre Standorte hatten.7 Witte begründete dies 2010 in einem Interview mit Katja Iken wie folgt: „[...] Erstens hätte unser Etat beim WDR niemals für eine eigene Serie gereicht, und zweitens konnten wir so die Schönheit jeder einzelnen Region zeigen“.8 So besaß das Format „Tatort“ von Anfang an das Konzept der Regionalität, der realistischen Handlungen und der gesellschaftsbezogenen Themen.

Den Auftakt machte die NDR-Produktion „Taxi nach Leipzig“, die im November 1970 als erster Tatort in der ARD ausgestrahlt wurde.9

3. Inhaltsangaben der zu untersuchenden Folgen „Taxi nach Leipzig“ (1970 und 2016)

Der erste Tatort mit dem Titel „Taxi nach Leipzig“ wurde von Friedhelm Werremeier und Peter Schulze-Rohr geschrieben, letzterer fungierte auch als Regisseur der Folge.

Ausgestrahlt wurde sie am 29. November 1970 im ARD und erreichte eine Einschaltquote von über 60%.10

Zu Beginn des „Tatorts“ geht der Hamburger Kommissar Paul Trimmel (Walter Richter) dem Tod eines Jungen in Ostdeutschland nach: Auf einem Rastplatz in der Nähe Leipzigs wurde die Leiche eines Jungen gefunden, der jedoch Schuhe aus Westdeutschland trug. Dieser ungewöhnliche Fakt geht Trimmel nicht aus dem Kopf, sodass er mit seinen Ermittlungen beginnt. Nachdem er zunächst erfolglos Erich Landsberger (Paul Albert Krumm), den Vater des gefundenen Jungen, befragt, macht er sich auf den Weg von Frankfurt am Main über die Grenze zunächst nach Berlin. Trimmel täuscht kurz vor Leipzig eine Panne vor, um die Transitautobahn mit einem Taxi verlassen und so Eva Billsing (Renate Schroeter), die Mutter des Jungen, befragen zu können, die in Leipzig wohnt. Da er sie nicht antrifft, hinterlässt er nur eine Nachricht und fährt zurück nach Berlin. Nachdem Billsing nach ihrer Rückkehr Trimmels Botschaft gelesen hat, bekommt sie es mit der Angst zu tun und benachrichtigt ihren Geliebten Peter Klaus (Peter Hallwachs), der als Oberleutnant bei der Volkspolizei arbeitet. Dieser wiederum stellt Nachforschungen über Trimmel an, macht ihn in Berlin ausfindig und passt ihn am nächsten Tag auf der Autobahn ab. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden, wobei Trimmel die Oberhand gewinnt. Gemeinsam fahren sie zu Billsing nach Leipzig. Im Gespräch mit den beiden legt Trimmel seine Sicht zum Tathergang dar: Erich Landsbergers Sohn Bertram, wie seine Mutter an Leukämie erkrankt, habe kurz vor seinem Tod gestandenen. Landsberger habe die Idee gehabt, seinen anderen Sohn in Ostdeutschland, Christian Billsing, zu sich zu holen, indem er ihn mit dem kranken Sohn austauscht, um später auch Eva Billsing in den Westen holen zu können. Dieser sei Landsbergers Vorschlag gelegen gekommen, da ihr Freund Peter Klaus Kinder nicht möge, insbesondere solche, die nicht seine eigenen seien. Billsing habe ihn jedoch heiraten wollen, wobei ihr Sohn ihr im Weg gestanden habe. Im Laufe des Gesprächs gibt Billsing dies zu. Trimmel sucht später nochmals Landsberger in Frankfurt auf und berichtetet ihm von Evas Geständnis, dass sie nie zu ihm in den Westen habe kommen wollen, sondern die Tat aus eigenen Motiven begangen habe. Landsberger möchte sich selbst davon überzeugen, und so vereinbaren sie ein Treffen zu viert an einem Rastplatz. Billsing gibt zu, ihn angelogen zu haben und möchte ihren Sohn Christian zurück haben. Dies lehnt Landsberger ab, schenkt ihr stattdessen aber ein Armband als Erinnerung an ihn und ihren Sohn. Nach dem Abschied fahren Trimmel und Landsberger zusammen zurück, wobei Trimmel noch herausfindet, dass Bertram zunächst noch lebte, aber auf dem Rastplatz von Landsberger erstickt wurde. Der Tatort endet mit einer Pattsituation, da Trimmel den Fall nicht aufdecken kann, ohne zu verraten, dass er verbotenerweise in Ostdeutschland ermittelt hat.11

Die 1000. „Tatort“- Folge mit dem gleichnamigen Titel „Taxi nach Leipzig“ wurde am 13. November 2016 ausgestrahlt, wobei Alexander Adolph sowohl als Autor des Drehbuchs als auch als Regisseur fungierte. Diese Folge ist ein Crossover der Hannoveraner Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) mit dem Kieler Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg). Beide besuchen ein Seminar zum Thema Deeskalation in der Nähe Braunschweigs. Nachdem dieses beendet ist, steigen sie zusammen mit Sören Affeld (Hans- Uwe Bauer), der Borowski um einen Platz in dessen Team bitten möchte, in ein Taxi. Der Fahrer dieses Taxis ist Rainer Klapproth (Florian Bartholomäi), ein ehemaliger Elite-Soldat, der gerade erfahren hat, dass seine Exfreundin Nicki Lowkow (Luise Heyer) am nächsten Tag seinen ehemaligen Vorgesetzten Erik Tillmann (Trystan Pütter) heiraten wird, den Klapproth für die Zerstörung seines Lebens verantwortlich macht. Tillmann hatte Klapproth bei einem Afghanistan-Einsatz den Befehl gegeben, Menschen zu töten, ohne die ihm zugetragenen Informationen geprüft zu haben. Wie sich später herausstellte, waren diese Menschen unschuldig, und anstatt sich seiner Schuld zu bekennen, schob Tillmann diese auf Klapproth. Wegen seines anhaltenden Traumas und seiner Weigerung, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, war die Beziehung zu Nicki zerbrochen.

Im Taxi eskaliert die Situation, als Klapproth seinen Beifahrer Affeld, der ihn wiederholt darauf hinweist, den Sicherheitsgurt anzulegen, im Affekt das Genick bricht. Dann erreicht Klapproth durch den Einsatz seiner Schusswaffe die Fesselung von Lindholm und Borowski. Er beschließt, mit Affelds Leiche im Kofferraum und den gefesselten Kommissaren auf der Rückbank zu Nicki nach Leipzig zu fahren, um ihr die Wahrheit über Tillmanns Schuld zu erzählen. Lindholm und Borowksi finden im Gespräch mit Klapproth schließlich heraus, was er früher von Beruf war und was er vorhat, können sich jedoch weder gegen seine Waffe noch gegen seine psychologischen Tricks wehren. In Sachsen- Anhalt gelingt ihnen zunächst die Flucht, doch nur kurze Zeit später findet Klapproth sie wieder. Lindholm und Borowski müssen ihn weiterhin im Auto begleiten, damit sie ihn nicht durch eine durch sie ausgelöste Verhaftung an seinem Gespräch mit Nicki hindern können. Bei Nicki angekommen treffen Lindholm und Borowski noch im Auto eine Abmachung: Dieser darf mit Nicki im Beisein der beiden sprechen, muss sich aber danach stellen. Lindholm holt Nicki aus der Wohnung, vorbei an einem eingeschlafenen Mitarbeiter von Tillmanns Sicherheitsfirma, den dieser zu Nickis Schutz postiert hatte. Klapproth gesteht Nicki im Gespräch seine Liebe und ergibt sich daraufhin den beiden Kommissaren. Nicki kehrt auf dem Rückweg zum Haus noch einmal um. Der mittlerweile aufgewachte Sicherheitsmann sieht dies und zielt auf Klapproth, trifft jedoch Nicki. Diese stirbt in Klapproths Armen.12

4. Vergleichende Gegenüberstellung

Obwohl die beiden Folgen auf den ersten Blick nicht viel miteinander gemein haben außer dem Titel, macht gerade dies einen Vergleich im Hinblick auf die inzwischen vergangenen Jahre interessant. Christian Buß sagt dazu in seinem Artikel „Glückwunsch, ihr Luschen!“, dass der „’Tatort nach Leipzig’ [...] eine aufregende und doch unangestrengte Verbeugung vor dem ersten ’Tatort’ aus dem Jahr 1970“13 sei. Was also haben die beiden Folgen gemeinsam? Wo hat sich die Reihe „Tatort“ weiterentwickelt, und wo vielleicht auch Rückschritte gemacht? Dies soll anhand der folgenden Punkte analysiert werden.

4.1 Aufbau und Erzählweise

Beim Aufbau und der Erzählweise gibt es deutliche Unterschiede zwischen den beiden Folgen: Im Jahr 1970 spielt die Handlung nur tagsüber und erstreckt sich über mehrere Tage, während die Handlung der 1000. Folge innerhalb von 24 Stunden spielt und es dabei hauptsächlich Nacht ist. Der erste „Tatort“- Folge beginnt mit der Straftat, die Trimmel dann im Laufe der Folge aufdeckt. Diese Art des Einstiegs ist mit den Jahren zu einem Hauptmerkmal der „Tatort“- Reihe geworden, die so auch in den meisten Folgen genutzt wird, nicht so aber in der Folge von 2016.

[...]


1 Niggemeier, Stefan; Reufsteck, Michael (o. J.): „Fernsehlexikon » Tatort“. Fernsehlexikon.de.

2 Vgl. Iken, Katja (2010): „"Tatort"-Erfinder: "Mit Krimis hatte ich nie was am Hut!"SPIEGEL Online. http://www.spiegel.de/einestages/40-jahre-tatort-a-946805.html (Zugriff: 18.03.2017).

3 „Das scharfe Schwert der Realitätsbezogenheit. Interview mit Gunther Witte.“ In: Eike Wenzel (Hrsg.): Ermittlungen in Sachen Tatort: Recherchen und Verh ö re, Protokolle und Beweisfotos. Bertz, Berlin 2000.

4 Vgl. Iken, K: „ Tatort “ -Erfinder: „ Mit Krimis hatte ich nie was am Hut! “ .

5 Ebd.

6 Wenzel, E: Das scharfe Schwert der Realit ä tsbezogenheit. Interview mit Gunther Witte. S. 29.

7 Vgl. Iken, K: „ Tatort “ -Erfinder: „ Mit Krimi hatte ich nie was am Hut.

8 Ebd.

9 Ebd.

10 Vgl. Löchel, Ingo (2009): „Taxi nach Leipzig“. Zauberspiegel-online.de http://www.zauberspiegel-online.de/index.php/krimi-thriller-mainmenu-12/gesehenes-mainmenu-160/3469- 40-jahre-tatort-taxi-nach-leipzig (Zugriff: 20.03.2017).

11 vgl. Tatort: Taxi nach Leipzig, Deutschland (NDR) 1970, Regie: Peter Schulze-Rohr, 88 Min.

12 Vgl. Tatort: Taxi nach Leipzig, Deutschland (NDR) 2016, Regie: Alexander Adolph, 88 Min.

13 VglBuß, Christian (2016): „Böser 1000. "Tatort": Glückwunsch, ihr Luschen!“SPIEGEL Online. http://www.spiegel.de/kultur/tv/1000-tatort-taxi-nach-leipzig-glueckwunsch-ihr-luschen-a-1119577.html (Zugriff: 18.03.2017).

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
"Taxi nach Leipzig". Eine vergleichende Gegenüberstellung der ersten und der 1000. Tatort- Folge
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Veranstaltung
Medien und Medienwandel
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
16
Katalognummer
V451369
ISBN (eBook)
9783668845428
ISBN (Buch)
9783668845435
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tatort, Taxi nach Leipzig, Fernsehen, Fernsehformat, Krimi, TV, Deutsches Fernsehen, Serie, Medien, Medienwandel
Arbeit zitieren
Sophia Pistorius (Autor:in), 2016, "Taxi nach Leipzig". Eine vergleichende Gegenüberstellung der ersten und der 1000. Tatort- Folge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/451369

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