Interkulturelle Pädagogik in der Bildungseinrichtung Hort


Diplomarbeit, 2018

61 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Überblick der Migrationsgeschichte in Österreich

3. Komplementäre Dimensionen interkultureller Pädagogik
3.1 Terminologien
3.1.1 Kultur
3.1.2 Interkulturalität
3.1.3 „Interkulturelle Pädagogik“
3.1.4 „Interkulturelle Kompetenz“
3.2 Ziele und Leitmotive
3.3 Konzepte interkultureller Bildung
3.3.1 Soziales Lernen
3.3.2 Multiperspektive Bildung
3.3.3 Bi-kulturelle und bilinguale Bildung
3.4 Kritische Gesichtspunkte der interkulturellen Pädagogik

4. Die Tageseinrichtung Hort
4.1 Aufgaben des Hortes
4.2 Pädagogische Orientierung
4.3 Prinzipien für Bildungsprozesse in elementaren Bildungseinrichtungen
4.4 Bildungsbereiche
4.4.1 Emotionen und soziale Beziehungen
4.4.2 Ethik und Gesellschaft
4.4.3 Sprache und Kommunikation
4.4.4 Bewegung und Gesundheit
4.4.5 Ästhetik und Gestaltung
4.5 Prozessqualität
4.6 Strukturqualität und Qualitätsmanagement
4.7 Transitionen
4.8 Interkulturalität im Hortalltag
4.9 Möglichkeiten für interkulturelles Arbeiten im Hort

5. Praxisteil
5.1 Methodik
5.1.1 Der „Informierende Unterrichtseinstieg“
5.1.2 Lernen an Stationen
5.1.3 Portfolioarbeit
5.1.4 Arbeiten mit Ritualen
5.2. Voraussetzungen
5.2.1 Anthropogene Voraussetzungen
5.2.2 Soziokulturelle Voraussetzungen
5.3 Ziele
5.4 Planungen und Reflexionen
5.4.1 Stundenbild
5.4.2 Stundenbild
5.4.3 Stundenbild
5.4.4 Stundenbild
5.4.5 Stundenbild

6. Resümee

7. Conclusio

8. Quellenverzeichnis
8.1 Literaturquellen
8.2 Zeitschriften
8.3 Internetquellen

9. Anhang (aus urheberrechtlichen Gründen nicht enthalten)

Danksagung

An dieser Stelle danke ich all jenen, die durch ihre fachliche und persönliche Unterstützung zum Gelingen meiner Diplomarbeit beigetragen haben.

Ich bedanke mich bei für die Betreuung und Begutachtung meiner Diplomarbeit. Ihre hilfreichen Anregungen, konstruktive Kritik und Diskussionsbereitschaft waren eine große Unterstützung bei der Fertigung dieser Arbeit.

Meinem Freund danke ich besonders für den starken emotionalen Rückhalt über die Dauer meines gesamten Studiums.

danke ich herzlich für das Korrekturlesen meiner Arbeit.

Abschließend möchte ich mich bei meinen Eltern und bedanken, die stets ein offenes Ohr für meine Sorgen hatten.

1. Einleitung

Da sich Österreich kontinuierlich in eine heterogene, pluralistische und multikulturelle Gesellschaft transformiert, setzen sich unsere heutigen Volkschulklassen vermehrt aus Kindern mit unterschiedlichen Nationalitäten zusammen, vor allem im urbanen Sektor. In unserer globalisierten Gesellschaft treten Individuen aus verschiedenen Kulturen permanent in Interaktion. In der Schule wie auch in außerschulischen Bildungseinrichtungen begegnen die Kinder anderen Lebensweisen, Traditionen, Kulturen und Religionen als im Elternhaus. Diversität wird in Form von ethnischer Zugehörigkeit, sozialer Herkunft, geistiger und körperlicher Fertigkeit, Geschlecht, etc . erlebt (vgl. Auernheimer 2012, S. 9f).

Individuen beurteilen andere Kulturen aus der Perspektive ihrer eigenen Kultur und den verbundenen Werten. Um effektiv und zielorientiert arbeiten zu können, ist es unverzichtbar sich mit interkultureller Pädagogik auseinanderzusetzen. Um das „Fremde“ begreifen zu können, müssen wir verstehen, wie uns die Sicht darauf über die Jahre des Heranwachsens beeinflusst hat. Meist begegnen Kleinkinder anderen Kulturen ohne Vorurteile. Mit fortschreitender Sozialisation kann sich diese Unvoreingenommenheit verändern, indem beispielsweise Erwachsene ihre Ideologie dem Kind während seiner Entwicklung näherbringen. Dadurch können Vorurteile produziert werden (vgl. Griese 2002, S. 109).

Die interkulturelle Pädagogik bietet präventive Konzepte an, um einer Vorurteilsbildung entgegenzuwirken. In diversen Fachwissenschaften bestehen unterschiedliche Definitionen, die das Phänomen „Fremdheit“ charakterisieren. Im pädagogischen Kontext ist es unerlässlich zwischenmenschliche Beziehungen wertzuschätzen und zu akzeptieren. Besonders in Horten, in denen ein hoher Migrationsanteil besteht, sollten Pädagoginnen und Pädagogen geplante interkulturelle Aktivitäten setzen, damit die Kinder ihren Alltag besser bewerkstelligen können und, um Konflikten entgegenzuwirken. Interkulturelle Pädagogik setzt auf Chancengleichheit und Wertschätzung. Gegenseitiges Verständnis der unterschiedlichen Kulturkreise ist unverzichtbar für einen interkulturellen Dialog und einer Demontage von Vorurteilen. Heterogenität muss als Potential für Gesellschaften, nicht als Bedrohung begriffen werden. Demzufolge ist ein respekt- und verantwortungsvoller Umgang essentiell und zeigt Entwicklungschancen für jedes Individuum auf. Diese Kompetenzen sollen auf der individuellen und gesellschaftlichen Ebene möglichst gezielt gefördert werden (vgl. Auernheimer 2012, 137ff).

Interkulturelle Erziehung wird in wissenschaftlichen Abhandlungen breit thematisiert. Die Diskussion impliziert theoretische Konzepte und konkretisiert methodisch-didaktische Angebote für Bildungseinrichtungen. Dem ungeachtet informieren nur wenige Publikationen darüber, wie interkulturelle Erziehung in Bildungsstätten evident realisiert werden kann. Es mangelt ergo an Orientierungshilfen für Pädagoginnen und Pädagogen, wie diese Konzepte adäquat und langfristig umgesetzt werden können. Der vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung konzipierte „bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen“ (vgl. https://bildung.bmbwf.gv.at/ministerium/vp/2009/bildungsrahmenplan_18698.pdf?6ar4ba) thematisiert lediglich das Prinzip der Vielfalt. Dieser gibt jedoch keinen Aufschluss darüber, wie das Prinzip in die Praxis transferiert werden soll und kann.

Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen ein interkulturelles Projekt zu konzipieren, welches ich im Hort durchführe. Diesbezüglich beschäftige ich mich mit der Fragestellung, wie es gelingen kann interkulturelle Pädagogik in der Bildungseinrichtung Hort den Kindern zu vermitteln, wie Diversität als Ressource begriffen und deren Potenziale genutzt werden können.

Gesellschaftliche Transformationen sind für pädagogische Institutionen von entscheidender Relevanz und werden bereits im vorschulischen Sektor und der Volkschule sichtbar. In den Linzer Horten ist ein ansteigender Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund zu verzeichnen.

Projekte dienen, innerhalb bestehender sozialpädagogischer Arbeitsfelder, zur Erprobung eines spezifischen Angebotes und dessen Wirksamkeit. Sie werden aber auch durchgeführt, um die Notwendigkeit eines neuen Angebotes sichtbar zu machen und dieses langfristig zu etablieren.

Im Rahmen des Projektes wird versucht, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch gezieltes interkulturelles Lernen zu sensibilisieren. Die Kinder zeigen sich wertschätzend und respektvoll gegenüber anderen Kulturen und können Vorurteile demontieren. Sie erkennen die Gleichwertigkeit aller Individuen als Grundhaltung und werden für eine heterogene Gesellschaft sensibilisiert. Darüber hinaus können sie selbstreflexiv mit eigenen Identitätsanteilen umgehen.

Im ersten Abschnitt der Diplomarbeit wird zunächst auf die Migrationsgeschichte in Österreich eingegangen. Des Weiteren werden Terminologien, die für die Fragestellung relevant sind, aufgezeigt. Darüber hinaus werden Ziele, Leitmotive, Konzepte und kritische Gesichtspunkte der interkulturellen Pädagogik aufgegriffen. Der zweite Abschnitt stellt die Institution Hort und seine Aufgaben vor. Die Arbeit schließt mit der Projektplanung, dessen Durchführung und Reflexion ab. Der didaktisch-methodische Ansatz zielt auf eine möglichst detaillierte Beantwortung der Forschungsfragen ab und zeigt Möglichkeiten auf, wie interkulturelle Pädagogik im Hort integriert werden kann.

2. Historischer Überblick der Migrationsgeschichte in Österreich

In Österreich ist eine lange Tradition der Migration zu bemerken. Bereits im 18. Jahrhundert war Wien ein erfolgversprechender Bestimmungsort für berufliche Zuwanderung. Das berufszünftige Wandersystem war im deutschsprachigen Raum weit verbreitet und führte dazu, dass bis ins frühe 19. Jahrhundert ein erheblicher Prozentsatz der in Wien werktätigen Handwerker aus dem süddeutschen Raum, aber auch aus der Schweiz und Norditalien, stammte. Währenddessen Deutschland lange durch Emigration geprägt war, etablierte sich Österreich aufgrund seiner günstigen geographischen Position (vornehmlich Wien) zu einem Immigrationsland. Wien war zu jenem Zeitpunkt eine der größten Städte mit der größten jüdischen Bevölkerung. Der Zerfall des Heiligen Römischen Reiches bedeutete eine Wende. Die Wanderströme veränderten sich und der Anteil der deutschen Zuwanderinnen und Zuwanderer nahm kontinuierlich ab. Wien blieb jedoch weiterhin ein begehrtes Ziel für Immigrantinnen und Immigranten. 1916 waren 2.239.000 Bewohnerinnen und Bewohner in Wien ansässig (vgl. www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/zuwanderung_nach_oesterreich_studie2008_oegpp.pdf).

In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde Wien zu einem Schmelztiegel für Emigrantinnen und Emigranten aus Böhmen, Mähren, Galizien und der Bukowina. Sie repräsentierten die neuen Migrantinnen und Migranten. Der von 1897 bis 1910 amtierende Wiener Bürgermeister Karl Lueger verfolgte eine inhumane Assimilierungspolitik. Diese betraf die größte Gruppe der Zuwanderinnen und Zuwanderer (Tschechinnen und Tschechen, Slowakinnen und Slowaken). Sie mussten unter prekären Bedingungen arbeiten und leben. Lueger strebte neben einer Assimilation im Kontext der Anpassung an die dominierende deutschsprachige Kultur, auch die gänzliche Dissimilation, ergo die Verleugnung und Verdrängung ihrer eigenen Kultur, an. Als „Ziegelböhmen“ gingen sie in die Geschichte der Wiener Gründerzeit ein (vgl. John und Lichtblau, S. 29).

Dass das Immigrationsland Österreich bis dato einen Nährboden für Xenophobie bietet, ist eine der Folgen dieser Dissimilationspolitik (vgl. Volf und Bauböck 2001, S. 16). Nach der Demontage der Monarchie 1918 besiegelten die Alliierten in den Friedensverträgen von Saint-Germain die Dissolution der österreichischen Reichshälfte Österreich-Ungarns und die Bedingungen für die neue Republik Deutschösterreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem Österreich sich als erstes Opfer der nationalsozialistischen Aggressionspolitik postulierte, obzwar überproportional viele Österreicherinnen und Österreicher in die Verbrechen der Diktatur involviert waren, wurde das Land zwischen 1945 und 1990 zu einem der bedeutendsten Transitländer für osteuropäische Flüchtlinge. Rund 650.000 Menschen erreichten in dieser Zeit das Land (vgl. Volf 1995, S. 415ff).

Die 1950er Jahre waren von einem akuten Arbeitskräftemangel geprägt, welcher sich durch die Emigration österreichischer Arbeitskräfte noch weiter verschärfte. Zur Elimination dieses Mangels wurden bereits 1961 Fremdarbeiterinnen und Fremdarbeiter aus Italien angeworben, die in der Bauwirtschaft benötigt wurden. Durch das „Raab-Olah-Abkommen“ wurde der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte legimitiert. 1963 wurde ein Assoziationsvertrag zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Türkei geschlossen. 1966 folgte das Anwerbeabkommen mit Jugoslawien. 1973 erreichte die Beschäftigung von Migrantinnen und Migranten durch die Gastarbeiterbewegung ihren Zenit, fiel nach dem Anwerbestopp um rund 40 Prozent zurück und sank bis zum Jahr 1987 auf den historischen Tiefststand. Der Anwerbestopp und die misslichen Perspektiven bei einer Reimmigration ins Heimatland bewogen viele Immigrantinnen und Immigranten dazu, ungeachtet stagnierender Beschäftigungsmöglichkeiten, Familienangehörige (Ehegatten, Kinder) nachkommen zu lassen. Österreich wurde wiederholt zum Immigrationsland und begann sich seiner nationalen Identität immer mehr bewusstzuwerden (vgl. www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/pdf/migrationsbericht_kurz.pdf).

Das Ende des Kalten Krieges (1989) bedeutete für die österreichische Asyl- und Flüchtlingspolitik eine erneute Wende. Die Revolte in Rumänien beendete die Diktatur, woraufhin eine steigende Anzahl rumänischer Flüchtlinge nach Österreich gelangte. Durch diese Entwicklungen entflammte ein innenpolitscher Diskurs, der in weiterer Folge das bis dato geltende Asylrecht demontierte. Beschleunigte Asylverfahren gegen putativen Asylmissbrauch wurden verabschiedet und Abschiebungen erleichtert. Die Bürgerkriege in Ex-Jugoslawien (1991-1999) markierten die größten Flüchtlingsströme nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1992 gelangten an die 50.000 Kriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina nach Österreich. Der kriegerische Konflikt im Kosovo, der sich von 1998 bis 1999 ereignete, evozierte die letzte Flüchtlingswelle aus dem Balkangebiet. Der österreichische Staat nahm rund 13.000 Flüchtlinge mit jugoslawischer Staatsbürgerschaft auf, zum überwiegenden Teil Kosovarinnen und Kosovaren (vgl. Volf und Bauböck 2001, S. 95f).

1998 formulierte die Regierung ein „Integrationspaket“, welches das Fremdengesetz neu regelte. Die Säulen des Pakets setzten den Fokus auf Integration anstelle von Neuzuwanderung. Des Weiteren wurden die Quoten für Familienzusammenführung und der Zuzug von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten festgesetzt. Gesetzlich verankert wurde zudem die Differenzierung zwischen befristetem Aufenthalt und dauerhafter Niederlassung (vgl. medienservicestelle.at/migration_bewegt/2011/05/25/neue-osterreichische-migrationsgeschichte/).

Seit Ende der 1990er Jahre ist eine Modifikation in der Struktur der Flüchtlingspopulation fassbar. Der Prozentanteil der nichteuropäischen Asylwerberinnen und Asylwerber war bis zu diesem Zeitpunkt marginal, wohingegen bereits im Jahr 2000 die meisten Asylanträge aus Afghanistan zu verzeichnen waren. Die neue Koalition zwischen der „Österreichischen Volkspartei“ (ÖVP) und der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ), die sich im Jahr 2000 formierte, formulierte als wesentliches Ziel die Zuwanderung nach Österreich drastisch zu reduzieren. Dessen ungeachtet stieg die Zahl von Individuen mit Migrationshintergrund weiter an. Diese Entwicklung gründet darauf, dass einerseits die Saisonbeschäftigung von Migrantinnen und Migranten vereinfacht wurde, andererseits ein Anstieg der Beschäftigung von Individuen aus den EU-Mitgliedsstaaten gegeben war (vgl. Bauer 2008, S. 9ff).

Im Jahr 2004 wurden zehn neue Mitgliedstaaten in die Europäische Union (EU) integriert, infolgedessen Österreich zum EU-Binnenland transformierte und seinen Arbeitsmarkt sieben Jahre lang für die neuen Mitgliedsstaaten geschlossen hielt. 2006 wurde das reformierte „Fremdenrechtspaket“, welches Asylgesetz, Fremdenpolizeigesetz und Aufenthaltsgesetz subsumierte, rechtsgültig. Dieses implizierte beispielsweise einen verpflichtenden Deutschkurs von bisher 100 auf 300 Stunden. Des Weiteren mussten Asylwerberinnen und Asylwerber belegen, traumatisiert zu sein und kriminelle Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund konnten in ihr Heimatland ausgewiesen werden. 2011 substituierte die Rot-Weiß Card das bis dato geltende Quotensystem der Zuwanderung nach Österreich. Die Karte basierte auf einem Punktesystem, welches diverse Komponenten evaluierte (spezielle Berufsausbildung, Alter, Deutschkenntnisse) (vgl. medienservicestelle.at/migration_bewegt/2011/05/25/neue-osterreichische-migrationsgeschichte/).

Die Flüchtlingsbewegungen und die damit verbundene Grenzöffnung im September 2015 spaltete und veränderte die österreichische Bevölkerung. Die anfängliche Hilfsbereitschaft transformierte sich in einen Rechtsruck, der in vielen europäischen Staaten beobachtbar war bzw. ist. Bereits 2014 kam es zu einem Anstieg der Asylanträge von 60 Prozent im Vergleich zum vorherigen Jahr. 2015 verdreifachten sich die Asylanträge. Den antragsstärksten Staat stellte Syrien mit 20.000 Asylanträgen (Jänner bis Ende Oktober 2015), gefolgt von Afghanistan (16.549) und dem Irak (11.190) (vgl. https://www.integrationsfonds.at/publikationen/zahlen-fakten/migration-integration-schwerpunkt-flucht-asyl-2017/). Die gegenwärtige Koalitionsregierung der ÖVP und FPÖ verfolgt eine verschärfte Migrationspolitik. Besonders die „Freiheitliche Partei“ katapultiert sich kontinuierlich durch rassistische und antisemitische Kommentare in den Fokus der Öffentlichkeit (vgl. www.mkoe.at/sites/default/files/files/aktuelles/MKOE-A5-Broschuere-Die-FPOE-und-der-Rechtsextremismus.pdf).

3. Komplementäre Dimensionen interkultureller Pädagogik

3.1 Terminologien

3.1.1 Kultur

Der Terminus Kultur entstammt dem Lateinischen und leitet sich von „colere“ (pflegen, urbar machen) bzw. „cultura“ (Landbau, Anbau, Bebauung, Pflege und Veredlung von Ackerboden) ab. Der Begriff impliziert demzufolge das von Individuen Erschaffene bzw. gestaltend Hervorgebrachte (vgl. Nünning und Nünning 2008, S. 19).

Obwohl der Terminus Kultur besonders in der Geistes- und Sozialwissenschaft wie auch in der Gesellschaft usuell ist, bleibt dieser im allgemeinen Sprachgebrauch oft ohne feste Definition. Zwar ist durch die Fortentwicklung der Kultur- und Geisteswissenschaften eine Dynamik des Kulturbegriffes zu erkennen, die diversen Definitionen dieses Terminus in den unterschiedlichen Disziplinen führten jedoch dazu, dass die Verwendung des Kulturbegriffes ungeordnet geworden ist (vgl. Daniel 1993, S. 70).

Die Bezeichnung „Kultur“ wurde in derart verschiedenen Kontexten gebraucht, dass es einerseits zu einer Bedeutungserweiterung, andererseits zu einer Sinnentleerung kam. Der Kulturbegriff entfaltete sich zu einem idiomatischen Ausdruck (Alltagskultur, Populärkultur, Subkultur, etc.). Bezogen darauf erscheint es sinnhaltig den Kulturbegriff im Plural zu verwenden, da diverse Disziplinen wie beispielsweise die Geschichtswissenschaft, die Soziologie, die Ethnologie, die Psychologie etc. den Terminus Kultur anders interpretieren. Auch innerhalb der diversen Disziplinen, unterschiedlichen Gesellschaften und sozialen Gemeinschaften unterscheidet sich das Kulturverständnis. Demzufolge groß ist die Bedeutungsvielfalt des Kulturbegriffes (vgl. Nünning und Nünning 2008, S. 19).

Diverse Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler lehnen diesen gänzlich ab, da der Terminus eine Instrumentalisierung von gesellschaftlichen Problemlagen impliziert. Demzufolge favorisieren die Expertinnen und Experten die Bezeichnung Lebenswelt, da dieser Begriff weniger strittig ist, als der Kulturbegriff. Damit wird auf den fraglosen Horizont unserer Welt- und Selbstauslegung hingewiesen (vgl. Auernheimer 2012, S. 76 ff).

Auernheimer (2012, S. 78) konstatiert, dass Kultur als „Deutung des gesellschaftlichen Lebens und damit der Orientierung des Handels dient.“

In seiner Veröffentlichung „Einführung in die interkulturelle Pädagogik“ bezieht er sich auf den US-amerikanischen Ethnologen Geertz, der Kultur als „Geflecht von Bedeutungen“ erkennt, in denen Individuen ihre Erkenntnisse erklären und demzufolge ihre Vorgehensweise danach realisieren (Geertz 1983; zit. nach Auernheimer 2012, S. 78).

Yousefi und Braun (2011, S. 10) konstatieren, dass Kultur „ein offenes und dynamisch veränderndes Sinn- und Orientierungssystem impliziert, wie Beziehungen innerhalb einer Gruppe sowie deren Außenbeziehungen strukturiert sind und wie diese erfahren, verstanden und interpretiert werden.“ Der Terminus stiftet soziale Ordnungsrahmen und umfasst unter anderem politische Organisationen, Wirtschaftsformen, moralische Traditionen und das Streben nach Wissen und Kunst. Jedes Individuum ist nicht nur von elterlicher Erziehung und seinen Mitmenschen geprägt, sondern auch durch die Gesellschaft und die repräsentierende Kultur (vgl. Yousefi und Braun 2011, S. 10).

Die „Fremdgruppe“ definiert eine Gemeinschaft, zu der ein Individuum nicht zugehörig ist oder glaubt dazugehörig zu sein. Die „Eigengruppe“ hingegen impliziert einen Zusammenschluss, dem ein Individuum angehört oder glaubt anzugehören (vgl. Yousefi und Braun 2011 S. 46).

Yousefi und Braun (2011, S. 46) definieren das „Andere“ und „Fremde“ wie folgt:

Als Anderes wird in der Regel das bezeichnet, was wir nicht oder noch nicht kennen und deshalb nicht adäquat einordnen können, wofür wir noch keinen Begriff gefunden haben und was noch keinem der alltäglich verfügbaren Begriffe zugeordnet werden kann, mit dem wir nicht bekannt oder vertraut sind … Das Eigene ist das Vertraute und uns Bekannte, das das Umgekehrte des Anderen darstellt.

„Fremd sein“ ist signifikant für eine Beziehung zwischen Individuen und darf nicht als Persönlichkeitsmerkmal verstanden werden. Die geografische „Fremde“ bzw. die „Fremde“ und der „Fremde“ wird bzw. werden oftmals als „unbekannt, unvertraut, bedrohlich und nicht einfühlbar“ eingeordnet. In diesem Kontext wird vermehrt auch der Terminus Xenophobie (ablehnende Haltung gegenüber fremden Menschen und/oder Kulturen; Angst vor dem Fremden) angeführt. Je nach Erfahrungswert und Einstellung gelten verschiedene Bereiche als „fremd“ und erzeugen unterschiedliche Reaktionen. Dieses Spektrum beinhaltet Vorsicht, Zurückhaltung, Ablehnung oder Feindseligkeit. Erkennt man jedoch, dass das „Fremde“ zum „Eigenen“ werden kann, entsteht eine dynamisierende Kraft für die eigene Entwicklung. „Fremdheit“ wird fortan nicht mehr als Bedrohung gesehen, sondern als Bereicherung (vgl. Eickhorst 2007, S. 33f).

3.1.2 Interkulturalität

Interkulturalität impliziert, dass Individuen verschiedener Kulturen in vielfältiger Weise miteinander interagieren und sich aufeinander beziehen. In unserer gegenwärtigen Lebenswirklichkeit ist diese nicht zu ignorieren. Der Terminus spiegelt eine interdisziplinäre Theorie und Praxis wider, die sich mit dem Verhältnis aller Kulturen und Individuen auf dem Fundament ihrer gänzlichen Gleichheit auseinandersetzt. Die tragende Komponente der Interkulturalität liegt in der Würde des Menschen begründet, seiner Unantastbarkeit (vgl. Yousefi und Braun 2011, S. 29ff).

Interkulturalität stellt Konzepte und Bildungsaktivitäten, die sich an Indigene und Migrantinnen bzw. Migranten gleicherweise richten, bereit. Das Konzept der Interkulturalität zielt auf eine beidseitige Assimilation ab und legt den Fokus auf einen interkulturellen Dialog zwischen den Kulturen. Die Zuwanderungsgesellschaft soll in den Bildungs- und Sozialisationsprozess miteinbezogen werden (vgl. Griese 2002, S. 87ff).

Yousefi und Braun (2011, S. 29f) thematisieren in ihrem Werk „Interkulturalität. Eine interdisziplinäre Einführung“ drei methodische Dimensionen: die historische, die systematische und die vergleichende Interkulturalität.

Die historische Interkulturalität untersucht die interkulturellen Begegnungen im Kontext sozial-, geistes- und kulturwissenschaftlicher Geschichtsschreibungen und analysiert derer Kontinuität und Diskontinuität. Die systematische Interkulturalität umfasst Begriffsapparate, die für eine gelungene interkulturelle Kommunikation notwendig sind. Die vergleichende Interkulturalität beschäftigt sich zum einen mit den Divergenzen und Konvergenzen in den sozial-, geistes- und kulturwissenschaftlichen Geschichtsschreibungen und zum anderen mit möglichen Beziehungen verschiedener Theorien und Überlegungen zum Thema Interkulturalität.

3.1.3 „Interkulturelle Pädagogik“

Um zu definieren, was „Interkulturelle Pädagogik“ impliziert, muss zunächst erklärt werden, woher dieser Terminus eigentlich entspringt. Seit den späten 1960er Jahren ist in der Pädagogik eine intensive Kontroverse über das Phänomen der „neuen“ Immigration erkennbar. Primär im Fokus schulpädagogischer Bestrebungen standen die Nachkommen der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter. In den folgenden zwei Jahrzehnten wurden die einstigen als „Ausländerpädagogik“ beschriebenen Konzepte als defizitorientiert kritisiert. Fortan wurde eine Wertschätzung von Diversität eingefordert, demzufolge die Verantwortung der Mehrheitsgesellschaft verstärkt in den Fokus rückte. Diese Gegebenheiten formulierten sich zu einer modifizierten Terminologie hin zur „Interkulturellen Bildung“ aus. Interkulturelle Pädagogik etablierte sich als souveräne Disziplin in der Erziehungswissenschaft bzw. Bildungsforschung und beinhaltet eine Reihe an Konzepten, deren zentrale Komponenten tendenziell auf schulischen Herausforderungen ausgerichtet sind (vgl. Eickhorst 2007, S. 13f).

Primärer Fokus an deutschen und österreichischen Schulen lag in den 1970er Jahren vor allem im Erwerb der deutschen Sprache, um die Kinder zügig schulisch zu integrieren, deren Defizite an Bildung und Sprachkenntnissen zu kompensieren und ihnen eine Reimmigration offen zu halten. Die interkulturelle Pädagogik wurde insbesondere durch die Kontroverse von Migration und deren Folgen stimuliert, deren Fokus zunächst die Orientierungs- und Verhaltensmuster in Zuwanderungsfamilien skizzierte und lange im bildungspolitischen Diskurs von Relevanz war (vgl. Gogolin und Krüger-Potratz 2006, S. 134).

Inzwischen gelten diese in Wissenschaftskreisen als reaktionär, denn im Zentrum stehen nicht mehr die Migrantinnen und Migranten als Individuum, sondern die gesellschaftlichen Konstellationen und Institutionen, in denen Immigranteninnen und Immigranten und Nichtimmigranteninnen und Nichtimmigranten interagieren (vgl. Griese 2002, S. 79f).

Mit Wortbildungen wie „die Fremden“ bzw. die „Ausländerinnen und Ausländer“ schreiben wir Identitäten zu und verleihen ihnen Etiketten, die häufig sehr folgenreich für die Betreffenden sind. In dieser Arbeit wird der Terminus „Migrantinnen und Migranten“, den eben genannten bevorzugt verwendet (vgl. Eickhorst 2007, S. 12f).

Die Programmatik interkultureller Erziehung nimmt immer Bezug auf die sogenannte Idee der multikulturellen Gesellschaft. Der Terminus multikulturelle Gesellschaft beschreibt unter anderem das Zusammenleben von Indigenen und Migrantinnen bzw. Migranten. Letztere existieren in unserer Bevölkerung als diverse ethnische Minderheiten (vgl. Auernheimer 2012, S. 62).

Interkulturelle Pädagogik impliziert Anerkennung und das Prinzip der Gleichheit. Die Leitmotive beinhalten das Eintreten für die Gleichheit aller Individuen, ungeachtet deren Herkunft und die Haltung des Respekts für Andersheit (vgl. Auernheimer 2012, S. 21f).

3.1.4 „Interkulturelle Kompetenz“

Der Terminus interkulturelle Kompetenz ist ein komplexes theoretisches Konstrukt und bezeichnend für lebenslanges Lernen. Wissen und Techniken sind unverzichtbar und eine gute Basis für Erfahrungen, die Individuen ein Leben lang beim Kontakt mit Angehörigen anderer Kulturen oder in fernen Ländern machen.

Boitllehner und Jabornegg-Altenfels (2012, S. 16) definieren interkulturelle Kompetenz wie folgt:

Interkulturelle Kompetenz ist das Wissen, wie man erfolgreich mit Menschen aus anderen Kulturen interagiert, und die Fähigkeit dieses Wissen anzuwenden. Im Innenverhältnis ist dies bei multikulturellen Gruppen, im Außenverhältnis ist das mit ausländischen Partnern vor Ort.

Interkulturelle Kompetenz als gegenwärtiger, besonders fokussierter Lehrgegenstand setzt Sprachbegabung, Reflexions- und Handlungsfähigkeit des Individuums voraus. Sie gründet im Vermögen des Menschen auf Distanz zu sich selbst und zum Eigenen zu gehen. Sie bedarf eines Bewusstseins, das sich seiner selbst bewusst sein kann. Interkulturelle Kompetenz ist eine mögliche Errungenschaft soziokultureller Praxis (vgl. Boitllehner und Jabornegg-Altenfels 2012, S. 16f).

3.2 Ziele und Leitmotive

In Wissenschaftskreisen ist ein Konsens bezüglich interkultureller Konzepte erkennbar, demzufolge Migrantinnen und Migranten benachteiligt werden. Dieser strukturellen Disparität gilt es entgegenzuwirken, um Gleichheit zu evozieren (vgl. Auernheimer 2012, S. 20).

Auernheimer (2012, S. 20) konstatiert, dass diese strukturelle Disparität mit rassistischen Diskursen und Dominanzverhältnissen verflochten ist. Unverzichtbare Komponenten des pädagogischen Handelns und der erzieherischen Haltung erklären sich in der Achtung der allgemeinen Menschenwürde und der Anerkennung der kulturellen Besonderheit.

Eine Festschreibung der pädagogischen Interaktionspartnerinnen und Interaktionspartner auf ethnische Zugehörigkeiten wird abgelehnt. Für die pädagogische Praxis, die erzieherische Haltung und das pädagogische Handeln lassen sich zwei grundsätzliche Formen der Achtung unterscheiden. Zum einen die Achtung vor der allgemeinen Menschenwürde der Klientinnen und Klienten, zum anderen die Anerkennung ihrer kulturellen Eigenheit (vgl. Auernheimer 2012, S. 20).

Die zentralen Leitmotive in der interkulturellen Pädagogik gründen auf den Prinzipien der Gleichheit und Anerkennung. Im Diskurs bezieht sich Auernheimer (2010, S. 21) auf „das Eintreten für die Gleichheit aller ungeachtet der Herkunft, die Haltung des Respekts für Andersheit, die Befähigung zum interkulturellen Verstehen und Dialog.“

Die angeführten Leitmotive zeigen Kriterien für die Auswahl von Inhalten, Zielen und Methoden auf und beinhalten Handlungsprinzipien für Pädagoginnen und Pädagogen. Grundlage für antirassistische Erziehung ist der Grundsatz der Gleichheit. Demzufolge impliziert Respekt eine wesentliche Komponente gegenüber Andersheit. Das Motiv der Befähigung zum interkulturellen Dialog setzt auf interdisziplinäre Forschung bezüglich interkultureller Kommunikation und beinhaltet Konzepte von Fremdheit. Der interkulturelle Dialog beschäftigt sich mit interkultureller Kontextualität von Menschenbildern, Normen und Werten (vgl. Auernheimer 2012, S. 21f).

3.3 Konzepte interkultureller Bildung

In der Fachliteratur werden diverse Konzepte verschiedener Expertinnen und Experten aufgegriffen. Der Erziehungswissenschaftler Nohl (2014, S. 18) beschreibt vier Konzepte interkultureller Pädagogik:

Das Konzept der „Assimilationspädagogik“ impliziert defizitorientierte Komponenten, in der Migrantinnen und Migranten zentrale Werte der Aufnahmegesellschaft annehmen. Beispielsweise wurde nach der Gründung der Republik Frankreich keine andere Sprache außer dem Französischen in der Schule oder dem gesellschaftlichen Leben akzeptiert.

Das Konzept der „klassischen interkulturelle Pädagogik“ zeigt Differenzen zwischen Individuen auf, hebt deren Gleichwertigkeit hervor und fördert die Einbeziehung der Mehrheitsgesellschaft in pädagogische Prozesse (vgl. Nohl 2014, S. 47ff).

Das Konzept der „Antidiskriminierungspädagogik“ wirkt präventiv gegen Ausgrenzung und setzt sich für einen respektvollen Umgang mit Differenz und gegen Diskriminierung ein. Zentrale Komponenten im Bildungsbereich sind Exklusions- und Inklusionsprozesse (vgl. Nohl 2014, S. 89ff).

Das Konzept der „Pädagogik kollektiver Zugehörigkeit“ inkludiert Kultur, Sozialisation, Partizipation, Bildung und Lernen, kollektive Zugehörigkeit, pädagogische Professionalität, etc. (vgl. Nohl 2014, S. 137ff).

Griese (2002, S. 93ff) betrachtet interkulturelle Pädagogik als Konstrukt, das eine eindimensionale Dramatisierung bewirken kann und das „Fremde“ benötigt, um sich des „Eigenen“ sicher zu sein.

Diese Reflexionen, im Kontext der Bildungsarbeit, führen zu einer intersubjektiven Pädagogik. Zusammengefasst ist darunter eine Anerkennung der Gleichheit der Menschen, aber auch der Ungleichheit ihrer Konstrukte und Ideologien gemeint. Respekt und Toleranz gegenüber dem „Fremden“ können wir aufbauen, wenn alle Individuen ein Ausmaß an Bildung erreichen, welche die Voraussetzungen, Grenzen und Möglichkeiten von Intersubjektivität, ergo von Verständigung zwischen Individuen und innerhalb einer Gesellschaft beinhalten (vgl. Griese 2002, S. 113).

Im weiteren Verlauf der Arbeit gehe ich näher auf die interkulturellen Konzepte des deutschen Erziehungswissenschaftlers Georg Auernheimer ein.

3.3.1 Soziales Lernen

Interkulturelles Lernen im Sinne von sozialem Lernen erklärt sich im Kontext mit Kinder- und Jugendarbeit bedeutsam und wird demzufolge näher beleuchtet. Das Konzept charakterisiert, das Fremde als Bereicherung der eigenen Kultur und als selbstverständliche Komponente des Alltags zu begreifen und wendet sich an alle Individuen einer Gesellschaft, ergo an die Mehrheitsgesellschaft wie auch an die Migrantinnen und Migranten, dass diese explizit auf das Leben in einer multikulturellen und pluralistischen Gesellschaft vorbereiten will. Die interkulturelle Erziehung beinhaltet interkulturelles Lernen als Spezifikation sozialen Lernens. Toleranz, Konflikt- und Kooperationsfähigkeit, Solidarität und Empathie sind zentrale Komponenten. Diese stärken die sozialen Kompetenzen und den Abbau von Vorurteilen. Zu genannter Thematik gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, besonders im Bereich der Vorschulerziehung und des Volkschulunterrichts, wobei anzumerken ist, dass die Gefahr eines „moralisierenden Unterrichts“ besteht, indem anerzogenes und aufgesetztes Verhalten erreicht werden kann. Demzufolge erweist sich interkulturelles Lernen als kontraproduktiv, wenn nicht situationspädagogisch reagiert wird, sondern dieses problematisiert wird. Beispielswiese ist für einige Kinder mit Migrationshintergrund ihr „Anderssein“ nicht von Bedeutung und dieses als „Problem“ zu thematisieren, würde etwas konstruieren, das in Realität nicht vorhanden ist. Fragen zur kulturellen Differenz bzw. zu Rassismen wurden ferner ebenso wenig betrachtet. Konsens gibt es gegenwärtig dahingehend, dass soziale Kompetenz die Grundlage für interkulturelles Lernen bedeutet und, dass das soziale Klima in pädagogischen Einrichtungen über die Chancen interkulturellen Lernens entscheidend ist (vgl. Auernheimer 2012, S. 128ff).

3.3.2 Multiperspektive Bildung

Die multiperspektive Bildung stellt einen bedeutenden Ansatz für pädagogische Institutionen dar. Bildungsziele sind Offenheit, Emanzipation und Mündigkeit. Diese sollten gemeinsam mit der interkulturellen Erziehung einen großen Stellenwert in der pädagogischen Arbeit aufweisen. Multiperspektive Bildung stützt sich primär auf Bildungspläne und Curricula für Bildungseinrichtungen. Ihre Konzeption sollte so ausgerichtet sein, dass andere Komponenten, die in der multikulturellen Gesellschaft auftreten, in das eigene Weltbild inkludiert werden können. Es ist essentiell, Individuen aus anderen Staaten und Kulturen mitsamt ihrer Lebensumwelt-, art- und ihren Lebensverhältnissen sowie des geografischen Milieus darzustellen, damit Eurozentrismus durchbrochen werden kann. Pädagogische Arbeit sollte sich bezüglich kulturellen, gesellschaftlichen, historischen und religiösen Perspektiven öffnen, um Lösungsansätze für globale Aufgaben bereitzustellen. So kann auch das Ziel der interkulturellen Bildung erreicht werden. Da Kinder in Kindergärten und Horten viel Zeit verbringen und mit neuen Situationen und unterschiedlichen Individuen konfrontiert werden, soll dort zielgerichtet die Vielseitigkeit verschiedener Kulturen und die Interaktion mit diesen bewirkt werden. Die Kinder können sich mit diversen Kulturen und Differenzen auseinandersetzen und sich demzufolge weiterbilden und -entwickeln (vgl. Auernheimer 2012, S. 140ff).

3.3.3 Bi-kulturelle und bilinguale Bildung

Ein weiteres Konzept stellt die bi-kulturelle und bilinguale Bildung dar. Diese ist eng mit der Entwicklung der Identität verwoben. Primär geht es um die Zweisprachigkeit als bedeutende Komponente für Kinder mit Migrationshintergrund. Die Kinder sind von zwei Kulturen geprägt und es ist festzuhalten, dass deren Identitätsentwicklung auch von beiden Kulturen beeinflusst wird. Somit ist eine Kombination der zwei Sprachen und Kulturen, mit der die Kinder konfrontiert sind, wesentlich. Dieses Konzept postuliert, dass Zweisprachigkeit in das Bildungssystem integriert werden soll. Bedeutend ist diesbezüglich, dass die Identitätsentwicklung zu einem bi-kulturellen Bezugssystem bei Angehörigen von Minderheiten wird, speziell die Literarität in zwei Sprachen. Demzufolge wird ein teilweise bilingualer und bi-kultureller Unterricht befürwortet. Ziel ist die Auseinandersetzung mit bi-kulturellen Prozesse wie beispielsweise Sozialisationsbedingungen, soziokulturelle und psychosoziale Konfliktfelder, etc. Die positive Einstellung zu bi-kulturellen Prozessen soll gefördert werden. Die Kinder sollen Kulturen vergleichen können und andere Kulturen kennenlernen, deren Wertesystem erkennen und diese mit den Werten der eigenen Kultur vergleichen und auch kritisch betrachten. Somit entwickeln die Kinder eine eigene Identität und lernen, sich mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen und Kritik konstruktiv zu äußern. Diese Komponenten sind wichtig für die allgemeine Entwicklung der Kinder (vgl. Auernheimer 2012, S. 145f).

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Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Interkulturelle Pädagogik in der Bildungseinrichtung Hort
Note
1
Autor
Jahr
2018
Seiten
61
Katalognummer
V451680
ISBN (eBook)
9783668861190
ISBN (Buch)
9783668861206
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Arbeitsblätter (Anhang) sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Lieferumfang enthalten
Schlagworte
Interkultrelle Pädagogik, Hort, Bildungseinrichtung
Arbeit zitieren
Gabriele Resch (Autor:in), 2018, Interkulturelle Pädagogik in der Bildungseinrichtung Hort, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/451680

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