Lug und Trug in der Wissenschaft - Prävention wider der Unredlichkeit


Seminararbeit, 2001

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt:

1. Einleitung

2. Lug und Trug in der Wissenschaft
2.1. Formen von Lug und Trug
2.2. Probleme im Wissenschaftssystem

3. DFG Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“
3.1. Empfehlungen
3.2. Erfahrung aus dem Ausland

4. Max-Planck-Gesellschaft
4.1. Form der Untersuchung
4.2. Sanktionsmöglichkeiten

5. Fazit:

1. Einleitung

Wissenschaft ist eine der Grundlagen einer modernen, offenen Gesellschaft. Sie ist nicht nur Basis von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Innovationskraft einer Gesellschaft, sondern sichert auch den technisch- zivilisatorischen Fortschritt.

Doch wie in jedem Lebensbereich gibt es auch in der Wissenschaft „schwarze Schafe“. Erst jüngst, Ende der neunziger Jahre sorgte Wissenschaftsfälschung in der Krebsforschung erneut für allgemeines Aufsehen. Die langfristige und systematische Fälschung von wissenschaftlichen Erkenntnissen durch Hermann und Brach gilt als der bisher spektakulärste Fall von Forschungsfälschung in der Nachkriegszeit[1]. Nicht nur die Planmäßigkeit der Vorgehensweise und die Aufklärungsdauer, sondern auch das Ansehen, das durch die Betrügerei erlangt werden konnte, gibt Anlaß zur Sorge.

Bei einem Blick auf die Geschichte der Wissenschaften muß aber eingeräumt werden, daß sich die „Täter“ in Gesellschaft durchaus bekannter und auch heute noch angesehener Wissenschaftler wiederfinden. Wer hätte gedacht, daß Namen wie Galilei, Mendel oder Einstein mit Unregelmäßigkeiten in der Forschung in Verbindung gebracht werden können. Aber hieraus läßt sich nicht schließen, daß Betrug in der Forschung so etwas wie ein Kavaliersdelikt sein könnte. Vielmehr ist es als glücklicher Zufall zu betrachten, daß trotz Bereitschaft zum Betrug und trotz Verwendung unredlicher Mittel eben genannte Forscher zu brauchbaren Ergebnissen gekommen sind. Dies ist selten der Fall, und so wirken sich unseriöse Praktiken meist kontraproduktiv aus. So hat unter anderem der eingangs erwähnte Fall die gesamte deutsche Wissenschaft bei ausländischen Forschern und bei der breiten Öffentlichkeit in Mißkredit gebracht.

Um diesen Schaden zu beheben und zukünftigen Entgleisungen vorzubeugen, haben verschieden Forschungseinrichtungen Maßnahmenkataloge und Richtlinien zur Selbstkontrolle und Sicherung von Qualität in der Wissenschaft veröffentlicht. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegebenen Vorschläge zur „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ und der Leitfaden „Verfahren bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten“ der Max-Planck-Gesellschaft sollen im weiteren näher betrachtet werden.

2. Lug und Trug in der Wissenschaft

Wie präsent Lug und Trug in der Wissenschaft schon immer ist, zeigen die eingangs erwähnten Namen. Allerdings ist hier auch anzumerken, daß Galilei und Mendel zu einer Zeit gelebt haben, in der vorkritische Forschung betrieben wurde, also die Wissenschaft von offensichtlich falschen Dogmen durchdrungen war und somit unseriöses Verhalten in einem anderen Licht erscheint. Die beiden anderen Fälle fallen aber in die Zeit der kritischen Forschung, in der generell alle Erkenntnisse, auch die eigenen, kritisch hinterfragt werden sollten.

Dies zeigt aber, daß Betrug ein großes Problem auch in der heutigen Wissenschaft ist. Primär natürlich, da dieser die eigentliche Aufgabe, das Erlangen fundierter Erkenntnisse, behindert. Überdies besteht die Gefahr, daß mit falschen Vorergebnissen weitergearbeitet wird und so Folgeschäden entstehen. Außerdem werden betrügerische Machenschaften häufig mit Mitteln finanziert, die in der seriösen Forschung dringend gebraucht würden.

Aber über diese Probleme hinaus ist gerade in den letzten Jahren ein Faktor hinzugekommen, der früher nicht so stark ins Gewicht fiel: Durch globale Massenkommunikation ziehen Fälle von Betrug immer größere Kreise. Gemeint ist hiermit nicht nur die Auswirkung auf den internationalen Ruf der Wissenschaften in Expertenkreisen, sondern auch die Effekte auf das Bild der Wissenschaft in der öffentlichen Meinung, von deren Akzeptanz sie zumindest teilweise abhängig ist. Denn in einer demokratischen Grundordnung können staatliche Forschungsgelder nur gerechtfertigt werden, wenn ausreichende Akzeptanz in der Bevölkerung vorhanden ist.

Somit muß erklärtes Ziel sein, nicht nur die Qualität der Erkenntnisgewinnung, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft aufrecht zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Staatliche oder internationale Kontrolle ist in bezug auf Sinn und Nutzen stark umstritten, sie könnte zu Zensur, Behinderung und Beeinflussung führen. Außerdem ist die Durchführbarkeit fraglich. Wenn die Wissenschaft frei bleiben soll, sind also die Forschungseinrichtungen selber gefragt, um Richtlinien und Leitfäden zur Gewährleistung wissenschaftlicher Qualität zu erstellen. Diese sollten möglichst transparent, leicht umsetzbar und überprüfbar sein. Erster Schritt ist die Definition von Handeln, das als unredlich bezeichnet werden kann.

2.1. Formen von Lug und Trug

In der Verfahrensordnung der Max-Planck-Gesellschaft ist ein „Katalog von Verhaltensweisen, die als Fehlverhalten anzusehen sind“[2] enthalten: Hier werden Unredlichkeiten wie folgt definiert:

„Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang bewußt oder grob fahrlässig Falschangaben gemacht werden, geistiges Eigentum anderer verletzt oder sonstwie deren Forschungstätigkeit beeinträchtigt wird.“[3]

Hieraus lassen sich einige spezielle Verstöße ableiten. Ein deutliches Vergehen sind Falschangaben, von denen grundsätzlich drei Formen unterschieden werden können. Bei der Fälschung von Daten findet Forschung statt, aber die erhaltenen Daten werden auf das erwünschte Ergebnis ausgerichtet, um dieses zu beweisen oder eine Theorie zu stützen. Dies ist nicht nur bei der Manipulation von Daten der Fall, sondern auch bereits, wenn ungünstige Ergebnisse nicht veröffentlicht werden und die Daten nicht zugänglich gemacht werden. Natürlich ist Freies Erfinden von Daten ebenso verwerflich. Hierbei ist zu erwähnen, daß das Fälschen oder Erfinden von Daten zum Stützen wahrer Theorien ebenfalls falsches Verhalten ist und geahndet wird.

Auch falsche Angaben bei Bewerbungsschreiben oder Förderanträgen gelten als wissenschaftliche Unredlichkeit. Also generell alle Fälschungsversuche im Wettbewerb um Stellen oder Fördergelder.

Ein weiterer Oberbegriff von Fehlverhalten in der Wissenschaft ist die Verletzung geistigen Eigentums. Hierbei meint Plagiat das Kopieren von Inhalten fremder Arbeiten ohne dies zu kennzeichnen. Von Ideendiebstahl ist die Rede, wenn Forschungsansätze übernommen und als eigene „verkauft“ werden. Dies betrifft hauptsächlich Gutachter, die vertraulich Arbeiten vor der Veröffentlichung bewerten sollen und deshalb auch in der Position sind, deren Inhalte sich zu Eigen zu machen. Die Mitautorschaft ist sowohl ohne das Einverständnis des Nennenden als auch ohne das Einverständnis des Genannten ein Verstoß gegen wissenschaftliche Redlichkeit. Dies betrifft die Tatsache, daß z. B. einige, im Lehrbetrieb tätige Wissenschaftler automatisch eine Mitautorschaft bei Arbeiten ihrer Schüler verlangen, ohne an den Arbeiten direkt beteiligt gewesen zu sein. Allerdings ist auch die Nennung von Co-Autoren ohne deren Einverständnis ein Verstoß gegen die Regeln. Hierdurch könnte versucht werden, die Bekanntheit des genannten Namen auf ein Werk zu übertragen. Letztere Variante der Mitautorschaft könnte für unwissentlich genannte Co-Autoren auch problematisch werden, da sie als genannte Autoren auch einen Teil der Verantwortung für die Arbeit tragen.

Überdies ist die Verfälschung von Inhalten einer Arbeit, also das bewußt falsche Zitieren oder Reproduzieren und das Vorgreifen bei der Veröffentlichung als Vergehen zu werten.

Unter der Beeinträchtigung der Forschung anderer werden alle Handlungen verstanden, die bewußt die Forschung Anderer behindern sollen. Dies kann von der Manipulation von Unterlagen bis zur Sabotage durch Gewalt reichen.

Als eigener Punkt wird auch die Mitverantwortung genau definiert. Dabei kann zwischen Beteiligung oder Mitwissen an Fehlverhalten unterschieden werden. Auch durch die Mitautorschaft kann - wie bereits erwähnt - ein Teil der Verantwortung bei möglichen Vergehen auf die genannte Person fallen. Aber auch bei Vernachlässigung der Aufsichtspflicht können Betroffene zur Rechenschaft gezogen werden.

Ein Phänomen, das in den Verfahrensregeln der Max-Planck-Gesellschaft nicht erwähnt wird, wohl aber vom Vorsitzenden der „Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“, Prof. Dr. W. Frühwald in seinem Artikel in der Bild der Wissenschaft als wissenschaftliche Unredlichkeit genannt wird, sind Zitierkartelle. Diese bestehen aus einem Netzwerk von Wissenschaftlern die sich in ihren Werken gegenseitig zitieren, um so in Zitations-Indizes höher eingestuft zu werden[4].

Natürlich kann wissenschaftliche Unredlichkeit noch eine Vielzahl von anderen Formen annehmen. Außerdem gibt es eine Reihe von Vorgehensweisen, die eine Grauzone zwischen Wissenschaftlichem Vorgehen und Unredlichkeit bilden, wie z.B. die Teilung einer Arbeit in mehrere Werke um, eine höhere Anzahl von Veröffentlichungen zu erzielen. Aber wer möchte schon Wissenschaftlern vorschreiben, wie sie ihre Arbeiten veröffentlichen sollen oder welchen Umfang diese haben müssen. Viel wichtiger ist im weiteren die Frage, wo das Wissenschaftssystem seine Schwächen hat, die zu Fehlverhalten führen oder es zumindest nicht verhindern.

2.2. Probleme im Wissenschaftssystem

Die Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ hat in ihren Vorschlägen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis aus eben genannten Gründen auch die Probleme im Wissenschaftssystem herausgearbeitet. Sie sind Grundlage für die Empfehlungen der Kommission und sollen im folgenden zusammenfassend dargestellt werden.

Unter dem Punkt „Normen der Wissenschaft“[5] wird auf die besondere Anfälligkeit der Wissenschaft hinsichtlich Fehlverhaltens eingegangen. Durch die Verbindung von Systematik und Eingebung in wissenschaftlicher Arbeit, die nötig ist, um die Innovationsfähigkeit zu erhalten, besteht eine weitreichende Grauzone zwischen Ideenreichtum und Phantasterei. Allerdings steht Wissenschaft in ihrem Selbstverständnis als wahrheitsfindende Disziplin im unumstrittenen Widerspruch zu Unredlichkeit. Denn Wahrheit kann schließlich nicht durch Lug und Trug erlangt werden. Außerdem kann Wissenschaft als ein soziales System gesehen werden, in dem Forscher sich aufeinander verlassen können müssen, um optimale Ergebnisse zu erreichen.

Aber gerade in der modernen Wissenschaft treten Phänomene auf, die Unredlichkeiten als eine gewinnbringende Alternative erscheinen lassen. Das Berufsfeld Wissenschaft erlebte seit dem Zweiten Weltkrieg einen enormen Boom. So ist die Anzahl der beim Staat beschäftigten Wissenschaftler von 1950 bis 1995 von 5.000 auf 34.100 gestiegen. Diese Entwicklung bringt eine enorme Wissensproduktion mit sich. Dies ist in erster Linie natürlich positiv, allerdings ist die Kehrseite der Medaille eine unüberschaubare Flut an Daten, die die Überprüfung von Ergebnissen erschwerten. Aber auch die Tatsache, daß Wissenschaft als Beruf ausgeübt wird, wirft Probleme auf. So entscheidet bei nichtstaatlichen Stellen häufig die Anzahl der Arbeiten über Bezahlung. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Qualität der Veröffentlichungen. Wissenschaft gerät so in eine Doppelrolle, ihre Produkte werden mehr gezählt als gelesen.

Somit ist Wissenschaft wie die meisten Lebensbereiche moderner Gesellschaften durch Wettbewerb geprägt. Dieser bringt aber eben immer auch Unredlichkeit mit sich, die nur durch Regelgebung und Kontrolle eingeschränkt werden kann. Aber auch die Ziele des Wettbewerbs sind fraglich; so geht es häufig nicht mehr um Forschungsergebnisse, sondern um Forschungsgelder. So erlangt auch nur derjenige Ruhm und Anerkennung, der international als Erster einen Durchbruch erzielt. Dadurch reduzieren sich Arbeiten, die zwar ein bekanntes Gebiet behandeln, aber durchaus brauchbare Ergebnisse oder zufällige Nebenprodukte hervorbringen.

Im Zusammenhang der genannten Gegebenheiten erreichen auch Veröffentlichungen einen ganz neuen Stellenwert. Diese sind wichtig, um Ergebnisse überprüfen zu können, aber auch hier wird Masse stärker bewertet als Klasse, was zu einer unüberschaubaren Anzahl von Werken bzw. Artikeln führt. Wie bereits erwähnt, werden Studien aufgeteilt, um die Anzahl der Veröffentlichungen zu erhöhen, Auch ist eine steigende Anzahl der Autoren pro Werk bemerkbar.

Dieses eben genannte Problem ist eine Folge der quantitativen Leistungsmessung, die aber auch in anderem Zusammenhang zu Qualitätsminderung führt. So ist beispielsweise der Impact - Factor, der die Anzahl der Zitate aus dem bewerteten Druckwerk mißt, bei sehr speziellen Fachzeitschriften niedrig, da diese nur von wenigen Spezialisten gelesen, also auch zitiert werden. Die meisten quantitativen Bewertungsmethoden haben negative Auswirkungen. So verleiten sie zu Zitierkartellen, wenn sie sich auf die Anzahl der Zitate beziehen, und fördern das „publish or perish“- Prinzip. „Publish or perish“ (veröffentliche oder stirb) beinhaltet salopp formuliert, daß jedes Werk, unabhängig von seiner Qualität, veröffenlicht wird, um eine hohe Anzahl von eigenen Werken zu erreichen.

Aber auch die Organisation des Wissenschaftssystems weist Mängel auf, die zu Fehlverhalten führen können. Das Berufsziel Wissenschaftler kann z. B. zu immensem Konkurrenzdruck beim Nachwuchs führen. Außerdem mangelt es häufig an Betreuung. Universitäten sind überlaufen und Arbeiten von Studenten können nicht alle im einzelnen auf korrekte Arbeitsweise überprüft werden.

Eine weitere Quelle von Problemen birgt das Aufeinanderprallen von Rechtsnormen und wissenschaftlichen Normen. Zunächst ist es sehr wichtig, die Wissenschaft von staatlichen Regeln möglichst frei zu halten. Auch hier gilt wie in der Wirtschaft - soviel Einmischung wie nötig, aber so wenig wie möglich. Auf dieser Grundlage besteht in der Bundesrepublik ein relativ freies Wissenschaftssystem. Aber wie schon erwähnt, bringt dies auch Probleme mit sich: So muß die Kontrolle der Redlichkeit auch durch das System selbst durchgeführt werden, um weiterhin staatliche Kontrollinstanzen auf ein Minimum zu beschränken. Das führt allerdings auch dazu, daß Kapazitäten zur Kontrolle eingesetzt werden müssen.

[...]


[1] Nano online; http://www.3sat.de/nano/cstuecke/07813/index.html; 12.02.02 23:00

[2] Max-Planck-Gesellschaft (1997): Anlage I

[3] ebenda.

[4] Frühwald, W. (1999)

[5] DFG (1998): Absatz II/2.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Lug und Trug in der Wissenschaft - Prävention wider der Unredlichkeit
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Wirtschaft und Sozialwissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Methodologie der Sozialwissenschaften
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
18
Katalognummer
V4520
ISBN (eBook)
9783638127875
ISBN (Buch)
9783638777193
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Methodologie der Sozialwissenschaften, Methodologie, Max-Planck-Gesellschaft, Unredlichkeit, Lug und Trug
Arbeit zitieren
Dr. Michael Krupp (Autor:in), 2001, Lug und Trug in der Wissenschaft - Prävention wider der Unredlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4520

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