Die Einführung der Schulpflicht als Folge der Institutionalisierung von Schule


Referat (Ausarbeitung), 2005

18 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhalt

Die Schulpflicht als Form der Institutionalisierung

Erste Versuche der Einführung von Schulpflicht im Mittelalter

Die Einführung der Schulpflicht als Folge der Industrialisierung

Die Durchsetzung von Schulpflicht seit dem 20. Jahrhundert

Institutionalisierung in der Deutschen Demokratischen Republik

Institutionalisierung in der BRD

Anhang:
Hand-out zum Referat vom 03.12.2004
Das Schulpflichtgesetz NRW vom 02.02.1980
Das Reichsschulpflichtgesetz vom 06.07.1938
Schulstatistik von 1816 über den Schulbesuch schulpflichtiger Kinder in den einzelnen Preußischen Provinzen
Historische Übersicht zur Schulpflicht

Literaturverzeichnis

Die Schulpflicht als Form der Institutionalisierung

Eine wichtige Form der Institutionalisierung von Schule ist die Schulpflicht. Sie wurde 1619[1] erstmals in der „Weimarischen Schulordnung“ schriftlich festgehalten, um einen geordneten Schulbesuch der fürstlichen Untertanen zu gewährleisten. Der Schulbesuch diente ausschließlich der Sicherheit des Staates. Die Landesfürsten[2] hatten erkannt, dass die politische und militärische Leistungsfähigkeit ihrer Untertanen von deren Bildung abhängig war. Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte bauten immer mehr Schulpflichtverordnungen und Gesetze auf der „Weimarischen Schulordnung“ und den Schulordnungen, die mit ihr parallel entstanden sind auf. Durchgesetzt hatte die Schulpflicht sich aber erst am 11.12.1845 mit der Einführung der „Schulordnung für die Elementarschulen der Provinz Preußen“[3], die endgültig festlegte, dass jedes Kind, dass nicht zu Hause unterrichtet werden konnte, spätestens nach dem sechsten Lebensjahr die Schule besuchen musste. Zuvor war es immer so, dass es inoffiziell geduldet wurde, wenn Kinder aus diversen Dingen von der Schule fern blieben. Nach wie vor gibt es für die BRD immer noch kein einheitliches Schulgesetz. Die Schulpflicht unterliegt heute immer noch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Schulpflichtgesetzen. Für das Bundesland Nordrheinwestfahlen gilt das Schulpflichtgesetzt NRW[4] vom 02.02.1980.

Erste Versuche der Einführung von Schulpflicht im Mittelalter

Bereits Karl der Große versuchte 813[5] durch den Mainzer Beschluss eine „Verordnung für eine umfassende Volksbildung und eine elementare Schulbesuchspflicht“ durchzusetzen. Er hatte die Traditionen der Antike wiederentdeckt und es sich zum Ziel gemacht, die gesamte germanische Welt zu Christianisieren. Dies sah er als seine heilige Pflicht an. Bei dessen Durchsetzung schreckte er auch vor Gewalteinwirkungen nicht zurück. Deshalb forderte er einen Elementarunterricht für alle Untertanen. Männer, Frauen, Edle und Gemeine sollten alle gleichermaßen in ihrer Muttersprache oder Latein unterrichtet werden. Er verpflichtete Eltern dazu, ihre Söhne entweder in Klosterschulen oder zu den Pfarrern zu schicken, damit sie den Katholischen Glauben erlernten. Sein streng kontrollierter katechemischer Volksunterricht sollte als Grundlage der Volksbildung dienen und eine christliche Erziehung der Bevölkerung gewährleisten.

Zu Beginn des 13. Jh. Veränderte sich das Bildungsbedürfnis, der Gesellschaft durch den allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung[6]. Die Städte wurden zu Handwerks- und Handelszentren mit politischer Selbständigkeit. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen kirchlichen Bildungseinrichtungen, entstanden nun weitere parallele Bildungseinrichtungen, deren Besuch allerdings freiwillig und auf die einzelnen Städte begrenzt war. Die so genannten kaufmännischen Schulen, bildeten Jungen kaufmännische aus. Dabei vermittelten sie grundlegende Kenntnisse in Lesen, Schreiben, Rechnen und Latein, und unterschieden sich in ihrer Unterrichtsgestaltung wenig zu den kirchlichen Schulen. In den „Schreib- und Rechenschulen“, die auch „nicht konzessionierte Winkel- und Klippschulen“ genannt wurden, lehrten private Schulmeister „brauchbare Kenntnisse für das Handwerk und den Regionalhandel“. Des weiteren entstanden noch staatliche Schulen für die Söhne und Töchter der Bürger und Stiftsschulen für die Armen, denen beschränkte Lese- und Rechenkenntnisse in deutscher Sprache vermittelt wurden.

In einer Urkunde[7] aus der westfälischen Pfarrei Bigge über die „Sattungen des kusteren vnt schulmesteren“ erfahren wir wie der Unterricht in den mittelalterlichen Pfarr- und Dorfschulen ausgesehen haben könnte. Demnach wurden die Jungen von Küster oder Pfarrern in lesen und schreiben unterrichtet. Der Unterricht fand im Sommer von 7-10 Uhr und von 13-16 Uhr, im Winter von 8-10 Uhr und von 13-15 Uhr statt, und sollte dazu dienen das Heidentum auszulöschen. Eltern, die ihre Kinder von der Schule fern hielten, mussten 12,- DM Strafe zahlen. Der Schulmeister hatte dem Pastor jedem Monat einen schriftlichen Bericht über das Verhalten der Schüler in ihren Christlichen Sitten, Lesen und Schreiben abzuliefern. Die Quelle dieser Urkunde ist umstritten. Einige Forscher glauben die Urkunde sei 1270 vom Erzbischof Engelbert II von Köln erstellt worden. Andere wiederum datieren sie in die Amtszeit von Erzbischof Joh. Gebhard Truchseß von Köln, also um 1577-1583.

Im 15. Jh. kam mit der Entdeckung der Individualität des Menschen eine humanistische Bewegung[8] auf, die besagte, dass der Mensch sich erst durch die Bildung seiner Individualität bewusst werden kann. Die Entdeckung des Kindes und die entwicklungsbegrenzte Ausschließung von Kindern und Jugendlichen aus der Lebenswelt der Erwachsenen führte zur Einrichtung von vorstrukturierten schulischen Institutionen. Hierbei handelte es sich jedoch eher um eine kleinere geistige Elite, als um eine Volksbewegung, dessen komplette Intention der Schulischen Bildung „für das Gute und Edle“, sich hierbei auf die Individualität des Menschen bezog.

Während der Reformation und Gegenreformation[9] Mitte des 15. Jh. diente die Schulentwicklung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Die Schule sollte die „Nachwuchssorgen im Hinblick auf die kirchlichen und weltlichen Ämter“ beseitigen. Dafür forderte M. Luther einen Schulzwang, der heute noch als „ideengeschichtlicher Ausgangspunkt“ für die Schaffung einer allgemeinen Schulpflicht angesehen wird. Neben dem Lesen, Schreiben und Rechnen sollte die Schule Gottesfurcht, Tugend und Zucht vermitteln und auf berufliche Tätigkeiten vorbereiten.

Die Einführung der Schulpflicht als Folge der Industrialisierung

Im 17. und 18. Jh. entstanden Industrieschulen [10], welche die Kinder und Jugendlichen, auf ihre zukünftige Arbeit in der Industrie vorbereiten sollten. Die Kinder sollten eine Erziehung vermittelt bekommen, die sie lehrte Arbeit und Lernen bestmöglich miteinander zu verbinden, die Tugenden des Fleißes, der Arbeitsamkeit und der Sparsamkeit zu erlernen und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Diese Verbindung von Lernen und Arbeit in angestrebter „Verzahnung von Allgemeinbildung, Berufsausbildung, Naturwissenschaften und Humanismus“, werden bei W. Aden-Grossmann[11] als „kindgemäße Formen des Unterrichts“ beschrieben. Ein anderer Grund als die Vorbereitung auf zukünftige Arbeit, war zudem, dass der Besuch der Schule, die Kinder und Jugendlichen davor bewahrte, zu früh von der Arbeit in der Industrie verwertet und somit für den Kriegsdienst untauglich zu werden. Zusätzlich hatten die Industrieschulen auch noch eine Gesellschaftliche Funktion, nämlich „soziale Krisenherde befrieden, die Gesellschaft vor der Verwahrlosung der Kinder zu schützen und eine soziale Randgruppe, nämlich Armenkinder und deren Eltern zu disziplinieren“[12]

Hieraus ergibt sich bei K. Puhr, dass die Einführung der allgemeinen Schulpflicht vorrangig aus einem Staatsinteresse zur Durchsetzung der staatlichen Grundbildung erfolgte. Der Staat entwickelte mit dem Schulwesen eine eigene erzieherische Tätigkeit, da er erkannte, dass die Sicherung der politischen und militärischen Macht auf der Leistungsfähigkeit seiner Bürger beruhte, die wiederum abhängig von deren Bildung war. Der Schulunterricht wurde als ein „politisches Instrument zur Befriedung und Disziplinierung der Bevölkerung“ angesehen und beschränkte sich auf Lesen, Rechnen und der Christenlehre. Bei der Durchsetzung dieser allgemeinen Schulpflicht gab es jedoch einige Probleme. Zum einen verhinderte die Kinderarbeit auf dem Land und in den Städten den regelmäßigen Schulbesuch der Kinder. Zum anderen wurde der Schulbesuch von der Arbeitssituation bzw. der Existenz und Armut der Eltern bestimmt[13].

Die Weimarische Schulordnung von 1619[14] besagte, dass Kinder zwischen 6 und 12 Jahre schulpflichtig wären und den Katechismus, christliche Gesänge und Gebete, lesen und etwas schreiben erlernen sollten. Zudem sollten die Pfarrherren und Schulmeister ein Register zur Anwesenheitskontrolle führen. Schulfrei gab es für die Kinder ausschließlich zu Erntearbeiten.

1642 wurde durch Herzog Ernst die Gothaische Schulordnung[15] eingeführt. Diese besagte, dass alle Kinder bereits ab dem fünften Lebensjahr zur Schule gehen und lernen sollten, und beinhaltete zudem auch Geldstrafen für Eltern, die ihre Kinder von der Schule fernhielten.

Die Braunschweigische Schulordnung von 1651[16] unterteilt die Schulen in drei Arten: die untere, mittlere & höhere Schule. Die Unterste und zugleich niedrigste Art sollte in allen Dörfer vorhanden und allen schulpflichtigen Kindern zuggängig sein. Die Schulordnung besagte, dass sowohl vormittags wie nachmittags Schule stattfinden sollte und regelte eine Bestrafung bei Schulversäumung.

Die Epoche der Aufklärung zur Mitte des 18. Jh.[17] gilt als Beginn und Grundlage der modernen pädagogischen Theorie und Praxis in ihrer Widersprüchlichkeit. „Aus den Ideen der Aufklärung folgte die Forderung des Rechts auf allgemeine Bildung für alle.“ Die Erziehung machte es sich zur Aufgabe, dem Menschen eine individuelle Bildung, die ihm zu Vernunft, Moral und Sittlichkeit verhelfen sollte, zu vermitteln. Es entstanden pädagogisch kontrollierte Organisationen, die zum einem Hoffnung auf „die Beförderung des Fortschritts“ und „die Höherbildung der Menschheit“ machten, und zum anderen sich durch die „pädagogischen Phantasien von der Beherrschung und Kontrolle des Kindes“[18] kennzeichneten.

Am 28.09.1717 erschien das Generaldelikt König Friedrich Wilhelms I in Berlin, welches eine Schulbesuchspflicht veranlasste, „für alle Kinder an den Orten, wo Schulen sind“[19]. Die Kinder sollten im Winter täglich und im Sommer wenigstens 1-2 mal in der Woche zur Schule gehen, um lesen, schreiben, rechnen und den Katechismus für Heil und Seeligkeit zu erlernen. Als Schulgeld wurden zwei Dreier pro Woche veranschlag. Für die Zahlungsunfähigen Eltern sollte das Schulgeld aus den Almosen bezahlt werden.

[...]


[1] siehe P. Kraft

[2] siehe K. Puhr, Seite 54

[3] siehe P. Kraft

[4] siehe Zusammenfassung im Anhang

[5] siehe P. Kraft & K. Puhr, Seite 52

[6] siehe K. Puhr, Seite 52-53

[7] siehe P. Kraft

[8] siehe K. Puhr, Seite 53

[9] siehe K. Puhr, Seite 53

[10] siehe K. Puhr, Seite 54-55

[11] zitiert in K.. Puhr, Seite 55

[12] siehe K. Puhr, Seite 55

[13] siehe K. Puhr, Seite 55

[14] siehe P. Kraft

[15] siehe P. Kraft

[16] siehe P. Kraft

[17] siehe K. Puhr, Seite 53-54

[18] siehe Tenorth 1992, zitiert in K. Puhr, Seite 54

[19] siehe P. Kraft

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Einführung der Schulpflicht als Folge der Institutionalisierung von Schule
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltung
Vergesellschaftung von Erziehung, Schule als Institution
Note
gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V45215
ISBN (eBook)
9783638426534
ISBN (Buch)
9783638929899
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Referat und Ausarbeitung über die geschichtliche Entwicklung von Schule und Schulpflicht in den deutschen Ländern
Schlagworte
Einführung, Schulpflicht, Folge, Institutionalisierung, Schule, Vergesellschaftung, Erziehung, Schule, Institution, Schulpflichtgesetz
Arbeit zitieren
Bettina Kuß (Autor:in), 2005, Die Einführung der Schulpflicht als Folge der Institutionalisierung von Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45215

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