Ist Konsumkapital ein Erfolgsfaktor für den Medienerfolg von Sportunterhaltung?

Die NFL-Berichterstattung in Deutschland von 2012-2018


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Konsumkapitaltheorie
2.1 Das Konsumkapital
2.2 Konsumkapital im Sport
2.3 Konsummotive der Sportrezipienten
2.4 Die Operationalisierung von Konsumkapital

3. Die NFL-Berichterstattung in Deutschland
3.1 Die Quantität der NFL-Berichterstattung in Deutschland
3.2 Die Qualität der NFL-Berichterstattung in Deutschland
3.3 Mitgliederzahlen des American Football Verbandes Deutschland

4. Der Konsumkapitalaufbau bei der NFL-Berichterstattung (2012-2018)

5. Diskussion und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 06.02.2018 konnte bei ProSieben in Unterföhring gejubelt werden: mit einem Marktanteil von über 50 % im entscheidenden Viertel und mit 1,62 Millionen Zuschauern in der Spitze setzt der amerikanische National Football League Super Bowl 2018 seine Erfolgsgeschichte aus Einschaltquotensicht in Deutschland weiter fort. Durchschnittlich konnte insgesamt ein Marktanteil von 34,9 % erzielt werden (vgl. Krei, 2018; Niemeier, 2018). Die Zuschauerzahlen des Streaminganbieters DAZN und die deutschen Besitzer des NFL Game Passes sind in diese Werte nicht miteinbezogen. Als das Finale der NFL 2010 noch lediglich von der ARD übertragen wurde, lag der Durchschnittszuschauerwert in der jungen Zielgruppe bei nur 10,2 % (vgl. Sanchez, 2017). Wurde damals allein der Super Bowl als weltweites Event gezeigt, überträgt ProSiebenSat.1 mittlerweile die ganze NFL-Saison ab dem Season-Kick-Off. Was ist also in den letzten Jahren mit der amerikanischen Sportart passiert, die für Viele als zu langwierig gilt und über die ZEIT Online noch 2015 fragte: „Zu kompliziert für die Deutschen?“ (Hilbrecht, 2015).

Hieran anknüpfend ergibt sich aus dem Medienerfolg der NFL die Frage, warum ein so schwer zu verstehender und kulturfremder Sport in weniger als acht Jahren medial so erfolgreich werden konnte, während deutsche Randsportarten trotz ihrer langjährigen Tradition weiterhin ein Schattendasein in den Massenmedien fristen. Eine Antwort auf diese Fragestellung vermag die Konsumkapitaltheorie nach Stigler und Becker (vgl. 1977) zu geben. Diese besagt, dass je mehr Vorwissen über ein Unterhaltungsobjekt existiert, desto größer ist der Genuss seines Konsums. Das Konsumkapital ist als das Wissen über ein Produkt oder eine Dienstleistung definiert. Kann dieses aufgebaute Konsumkapital also den Erfolg der NFL in Deutschland erklären und wenn ja, wie wurde dieses durch die beteiligten Institutionen aufgebaut? Wenn der Aufbau von Konsumkapital sich als ein Erfolgsfaktor herauskristallisieren würde, kann dies ein bedeutendes Signal für medial erfolglosere Sportarten sein, sich mehr mit der Thematik zu befassen, um in den Massenmedien eine höhere Präsenz zu erreichen.

In der Forschung fand die Konsumkapitaltheorie bisher bereits mehrfach im Bereich Sportunterhaltung Anwendung. Besonders interessant für diese Arbeit sind dabei die Publikationen, die sich mit Konsumkapital als Basis für die Sportnachfrage (z.B. Zhang et al., 1996; Flatau & Emrich, 2016) und im Hinblick auf Randsportarten (z.B. Hafkemeyer, 2003) beschäftigen. Es gilt die gewonnenen Erkenntnisse zum Aufbau von Konsumkapital auf die NFL-Berichterstattung für die Jahre 2012 bis 2018 zu übertragen. Seit 2012 sind die Senderechte im Free-TV in der Hand der ProsiebenSat.1-Gruppe, der ein großer Anteil am Aufschwung zugerechnet wird. So kann anhand dieses Fallbeispiels gezeigt werden, wie durch die erfolgreiche Bildung von Vorwissen, Möglichkeiten für andere Randsportarten entstehen und welche weiteren Faktoren eine Rolle zum Etablieren eines Sports in den Medien spielen.

Der Aufbau der Arbeit gliedert sich daher wie folgt: Zunächst soll ein Überblick über die Konsumkapitaltheorie sowie den aktuellen Forschungsstand gegeben werden. Als Nächstes wird die Entwicklung der NFL-Berichterstattung der vergangenen Jahre beleuchtet, um anschließend festzustellen, welche Elemente der Konsumkapitaltheorie wiederzufinden sind. Zum Schluss soll dann eine mögliche Übertragbarkeit auf Randsportarten in Deutschland diskutiert werden.

2. Die Konsumkapitaltheorie

2.1 Das Konsumkapital

Die Konsumkapitaltheorie nach Stigler und Becker (vgl. 1977) ist ein Ansatz aus der Ökonomie, der menschliches Konsumverhalten erklärt. Basis dafür ist die Rational-Choice-Theorie, die den Menschen als rationalen Nutzenmaximierer beschreibt, der strikt nach seinen Präferenzen handelt (vgl. z.B. Becker, 1993). Im Kern besagt die Konsumkapitaltheorie, dass ein Konsument einen höheren Nutzen hat, wenn er mehr über eine Dienstleistung oder ein Produkt weiß.

Laut Schafmeister ist die Konsumkapitaltheorie „damit für jegliche Erklärung des Nutzens von Unterhaltungsdienstleistungen im besonderen Maße geeignet“ (2007, S. 33). Diese Annahme stützt der Autor mit zwei zentralen Thesen: Erstens ergeben sich bei wiederholter Auseinandersetzung mit einem bestimmten Unterhaltungsformat geringere Opportunitätskosten für den Konsumenten bzw. Rezipienten. Dies bedeutet, dass durch die gesammelten Erfahrungen die Rezeption einfacher wird, da der Aufwand für Verständnisleistungen sinkt und weniger Zeit in diese kognitiven Anstrengungen investiert werden muss. Zweitens erhöht sich der Grenznutzen des Rezipienten, wenn das Konsumkapital ansteigt. Der Grenznutzen in der Mikroökonomie „bezeichnet den Nutzenzuwachs, der einem Haushalt durch den Konsum einer zusätzlichen Einheit eines Gutes erwächst“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 2018). Vereinfacht gesagt fühlt sich der Zuschauer also mit einem hohen Wissensstand besser unterhalten, da er das Gesehene verstehen und nachvollziehen kann (vgl. Schafmeister, 2007, S. 33).

Um die Wichtigkeit des Konsumkapitals für den Alltag hervorzuheben, setzt sich Hafkemeyer (vgl. 2003) zudem mit den Beziehungen zwischen dem Konsumkapital und der Freizeitbeschäftigung der Konsumenten auseinander. Er stellt fest, dass alle möglichen Aktivitäten untereinander um die begrenzte Zeitkapazität des Individuums konkurrieren, da für jegliche Handlung neben den Marktgütern auch der Faktor Zeit eine Rolle spielt. Um die notwendigen Marktgüter, wie z.B. einen Fernseher, zu erwerben muss zudem Einkommen generiert werden. Somit stehen sich schlussendlich Erwerbstätigkeit und Konsumaktivität in Konkurrenz um Zeit gegenüber. Hieraus resultiert, dass der Mensch die Zeit für die Konsumaktivität optimal nutzen und sich möglichst wenig Kosten aussetzen will. Eine Tätigkeit, bei dem der Konsument bereits Wissen aufgebaut hat, besitzt dementsprechend ein höheres Konsumkapital, als eine Alternativtätigkeit, mit der er sich noch nicht beschäftigt hat. Die Kosten für diese sind folglich hoch und die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Konsument mit der bereits bekannten Tätigkeit beschäftigt, steigt, da sie am meisten Nutzen verspricht (vgl. Hafkemeyer, 2003, S. 6–11). Lohnend ist die Zuwendung zu einer Alternativtätigkeit laut Hafkemeyer dann, wenn „die zukünftigen Erträge die heutigen Aufwendungen übersteigen“ (2003, S. 8).

Es wird deutlich, dass das Konsumkapital bei Freizeitaktivitäten, wie der Medienrezeption eine wichtige Rolle einnimmt und erklären kann, warum sich der Rezipient bestimmten Unterhaltungsformaten zuwendet. Sport unterscheidet sich in seinem Unterhaltungswert nicht von anderen Fernsehprogrammen. Demzufolge sollte auch bei der Auswahl von Sportprogrammen durch den Rezipienten das Konsumkapital eine wichtige Rolle spielen. Der nächste Abschnitt verbindet daher die Konsumkapitaltheorie mit dem Unterhaltungsprodukt Sport.

2.2 Konsumkapital im Sport

Wie bereits oben festgestellt, hängt der Konsum von Unterhaltungsprodukten nach der Konsumkapitaltheorie vom Nutzen für den Rezipienten ab. Dies lässt sich auf den potenziellen Sportrezipienten übertragen, sodass „die Konsumkapitaltheorie erklärt, warum Sportarten es so schwer haben, sich bei den Zuschauern durchzusetzen“ (Schellhaaß & Hafkemeyer, 2002, S. 23). In der deutschen Bevölkerung herrscht gerade für Mediensportarten ein hohes Konsumkapital vor. Je höher dieses Kapital ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Rezipient seine Zeit weiterhin für die gleiche Sportart aufwendet. Bei medial unterrepräsentierten Sportarten haben die Rezipienten nur wenig Konsumkapital aufgebaut und somit ist es wahrscheinlich, dass sie sich keine Wettkämpfe dieser Sportarten anschauen (vgl. Schellhaaß & Hafkemeyer, 2002, S. 23).

Horky gibt drei verschiedene Definitionen für Sportarten in den Medien. Er unterscheidet zwischen Mediensportarten, Randsportarten und Nationalsportarten. Mediensportarten kommen eine hohe Aufmerksamkeit und Popularität in den Massenmedien zu. Merkmale sind zum Beispiel das ausgeprägte Konsumkapital in der Gesellschaft, erfolgreiche heimische Athleten und eine gute Präsentationsmöglichkeit im TV. In Deutschland steht der Fußball wie kein zweiter Sport für die Gattung Mediensport. Randsportarten hingegen weisen keine große Popularität in den Medien auf und generieren Aufmerksamkeit meist nur im Zuge von Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen. Trotzdem werden Randsportarten häufig in der Freizeit ausgeübt. Nationalsportarten definieren sich über ihre Verwurzlung und Tradition in der Gesellschaft. Sie können je nach Land Mediensportarten oder Randsportarten sein (vgl. Horky, 2009, S. 299–300).

Wann kann eine Sportart also eine Mediensportart sein? Für das Konsumkapital beim Sport stellt das Wissen um die Regeln und Akteure eine der wichtigsten Bausteine da. Erst wenn man die Sportart versteht, kann man sich von ihr unterhalten lassen. Fachwissen kann auch über die eigene Ausübung der Sportart generiert werden, da man aktiv über das Regelwerk lernt. Dies sind auf der einen Seite zwei Faktoren, die Fußball zur Mediensportart Nummer eins in Deutschland machen. Schon im Kindesalter beginnt man damit Konsumkapital durch Vereinsmitgliedschaft, Schulsport oder Freizeitaktivitäten aufzubauen. Zudem kommt man in den Massenmedien nicht an dem Phänomen Fußball vorbei (vgl. Schafmeister, 2007, S. 34). Auf der anderen Seite verdeutlicht es aber auch, wie schwierig es für die Randsportarten ist, zur Mediensportart zu werden. Eine Auseinandersetzung mit den unbekannten Regeln sowie Akteuren verursacht gemäß der Konsumkapitaltheorie hohe Kosten, die für diese Alternativunterhaltung anfallen.

Es scheint also, dass Fußball dem Rezipienten einen hohen Nutzen bietet. Sprich: wegen des vorhandenen Konsumkapitals, unterhält die Berichterstattung die Zuschauer. Wie können aber Alternativsportarten bei den anfänglichen Kosten, einen höheren Nutzenertrag in der Zukunft versprechen? Nach Schellhaaß und Hafkemeyer lässt sich diese „Nutzenempfindung […] in einzelne Konsummotive einteilen“ (2002, S. 23), die sich zum Nutzen zusammensetzen. Diese sollen im folgenden Abschnitt erläutert werden.

2.3 Konsummotive der Sportrezipienten

Der Unterhaltungswert einer Sportart wird aus verschiedenen Konsummotiven gebildet. Laut Schellhaß und Hafkemeyer stehen speziell die Motive Entspannung, Identifikation und Spannung im Mittelpunkt. Zusätzlich sprechen die Autoren vom sozialen Motiv, welches zum Tragen kommt, wenn eine Sportart bereits Konsumkapital generieren konnte. Das Motiv Entspannung bilden vor allem ästhetische Sportarten, wie Eiskunstlauf oder Tanzen ab. Der Vorteil dieser Sportarten und des einhergehenden Konsummotivs ist, dass der Zuschauer keine große Regelkenntnis aufweisen muss, um unterhalten zu werden. Allerdings findet das Entspannungsmotiv in der Wiederholbarkeit seine Grenzen, da solche Wettkämpfe häufig nach demselben Muster ablaufen. So entsteht beim Rezipienten schnell Langeweile und eine langfriste Bindung an den Sport ist eher schwierig (vgl. Schellhaaß & Hafkemeyer, 2002, S. 23–24).

Der Erfolg von Sportarten wie Fußball oder Formel 1 sprechen dafür, dass andere Konsummotive Zuschauer binden können. Hier kommen vor allem Identifikation und Spannung zum Tragen. Die Identifikation mit einer Mannschaft oder einem Sportler sorgt dafür, dass der Rezipient sich bindet und sein Team Woche für Woche anfeuert. Wie intensiv das Verfolgen eines Wettbewerbs empfunden wird, drückt die Spannung aus, „die aus den geringen Unterschieden der Zwischenergebnisse resultiert“ (Schellhaaß & Hafkemeyer, 2002, S. 24). Weiterhin sind beide Motive eng miteinander verbunden, da ein Spannungserleben nur schwer ohne eine Identifikation vorstellbar ist. Sie erklären anschaulich, warum das geringe Konsumkapital bei Randsportarten dazu führt, dass sich nur wenige Zuschauer finden. Wenn das Publikum weder über das Regelwerk, noch über die Teilnehmer informiert ist, wird es nicht in der Lage sein zu verstehen, wie hoch die Gewinnchancen der Akteure sind. Dies führt dazu, dass weder Identifikation noch Spannung erlebt werden kann und folglich Langeweile entsteht. Ein Nutzen in Form von Unterhaltung kann also kaum generiert werden (vgl. Schellhaaß & Hafkemeyer, 2002, S. 24–25).

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Details

Titel
Ist Konsumkapital ein Erfolgsfaktor für den Medienerfolg von Sportunterhaltung?
Untertitel
Die NFL-Berichterstattung in Deutschland von 2012-2018
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln  (Institut für Kommunikations- und Medienforschung)
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
21
Katalognummer
V452173
ISBN (eBook)
9783668852921
ISBN (Buch)
9783668852938
Sprache
Deutsch
Schlagworte
American Football, NFL, Konsumkapital, Cohen
Arbeit zitieren
Benedikt Mensing (Autor:in), 2018, Ist Konsumkapital ein Erfolgsfaktor für den Medienerfolg von Sportunterhaltung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452173

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