Analyse und Vergleich des Früh- und Spätwerkes Michelangelos am Beispiel der römischen und florentinischen Pietà


Seminararbeit, 2003

18 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhalt

I.Einleitung

II.Die künstlerische Entwicklung im Werk Michelangelos am Beispiel seiner Marienskulpturen
1. Allgemeiner Überblick zur plastischen Marienklage in der Renaissance und deren Ursprung
2. Michelangelos römische Pietà als Werk seiner frühen Schaffensperiode
2.1 Entstehungsgeschichte, Auftraggeber, Standorte
2.2 Beschreibung der römischen Pietà: Oberflächenbehandlung, Komposition, Besonderheiten, Interpretation
3. Das Spätwerk Michelangelos am Beispiel der florentinischen Pietà
3.1 Entstehungsgeschichte
3.2. Die Besonderheiten der florentinischen Pietà in: Oberflächenbehandlung, Komposition und Interpretation
4. Vergleichende Gegenüberstellung von Michelangelos Spät- und Frühwerk anhand der beiden genannten Skulpturen
4.1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellungsweise
4.2 Besonderheiten in der Entwicklung der Arbeitstechnik, Oberflächenbehandlung, Charakteristika
4.3 Wesentliche Merkmale der künstlerischen Entwicklung Michelangelos im Überblick
5. Unterschiede zwischen Michelangelos Pietàdarstellungen und den plastischen Marienbildern seiner Zeit

III.Zusammenfassung (in englischer Sprache)

Bibliographie

Abbildungsnachweis

Bildanhang

I. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Früh- und Spätwerk der plastischen Arbeit Michelangelos und dessen künstlerischer Entwicklung, die gerade durch seine lange Lebenszeit von 89 Jahren viele Veränderungen und neue Dimensionen erfuhr.

Da der Bestand an Werken immens ist, beschränkt sich diese Seminararbeit auf zwei bedeutende Skulpturen, die römische und die florentinische Pietà, die sich thematisch gleichen und Merkmale der jeweiligen Schaffensperiode des Bildhauers in sich tragen.

Nicht nur die ähnliche Thematik der beiden Skulpturen scheint interessant, sondern auch das verstärkte Interesse Michelangelos an dem religiösen Motiv der Kreuzabnahme Christi verbunden mit der Beweinung durch die Jungfrau Maria. Diese Thematik sollte ihn sein ganzes Leben begleiten.

Beginnend mit einem Überblick zur Marienskulptur in der Renaissance, soll kurz deren Vorgeschichte, sowie deren typischen Eigenschaften aufgezeigt werden; diese Einführung begrenzt sich aus Literaturmangel zu dem spezifischen Themengebiet nicht nur auf Italien, sondern erstreckt sich vielmehr auch auf die Länder, in denen die sogenannten Vesperbilder in jener Zeit üblicher und weiter verbreitet waren. Um die Pietàdarstellungen Michelangelos den gängigen Madonnenbildern seiner Zeitgenossen gegenüberzustellen, wird die eingangs verwendete Übersicht am Ende wieder aufgegriffen. Auf diese Weise werden nicht nur die Entwicklung des Künstlers selbst, sondern auch die Merkmale und Besonderheiten seines Stils in jener Epoche betont.

Im weiteren Verlauf wird der Schwerpunkt auf die Entstehungsgeschichte und die Beschreibung der beiden Werke gesetzt. Das Frühwerk, dass in dieser Arbeit durch die römische Pietà verkörpert werden soll, verhalf dem damals noch jungen Künstler zum Durchbruch und entstand in den Jahren 1498 bis 1500.[1] Die florentinische Pietà als Vertreterin der Spätwerke, zählt zu den letzten Skulpturen, die Michelangelo noch vor seinem Tode schuf. Neben der Entstehungsgeschichte und der Beschreibung umfasst die Analyse der Plastiken zusätzlich die wichtigsten und grundlegendsten Elemente, wie unter anderem Oberflächengestaltung, Komposition und Interpretationsansätze.

Im darauf folgenden Abschnitt stehen sich Früh- und Spätwerk zum Vergleich gegenüber, anhand dessen die Entwicklung Michelangelos nachzuvollziehen ist. Es werden Unterschiede und Ähnlichkeiten in der Darstellungsweise der Motive, der Arbeitstechniken und Oberflächenbehandlungen herausgearbeitet, die einen groben Überblick über die Schaffensperiode und den Fortschritt des Künstlers geben sollen.

Die in englischer Sprache verfasste Zusammenfassung schließt mit den in der Arbeit gewonnenen Ergebnissen und Eindrücken ab.

Anzumerken ist, dass die im Anhang sehr sorgfältig ausgewählten Abbildungen zur Veranschaulichung der beschriebenen Werken und zum besseren Verständnis dienen sollen. Jedoch war die Vervielfältigung der Bilder in den meisten Fällen schwierig oder nicht möglich, weshalb dem Anhang ein Verweis auf sehr gute Abbildungen hinzugefügt wurde, die für die Betrachtung der Seminararbeit von Bedeutung gewesen wären.

II. Die künstlerische Entwicklung im Werk Michelangelos am Beispiel seiner Marienskulpturen

1. Allgemeiner Überblick zur plastischen Marienklage in der Renaissance und deren Ursprung

Die Darstellung der Pietà als isolierte Jungfrau in der Renaissance war eher untypisch für

Italien. Im 14. Jahrhundert galt das Motiv als noch nicht geläufig. Erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts breitete sich die einsame Marienklage weitgehend vor allem in Malerkreisen aus.[2] Die Pietà an sich war als Teil eines Ganzen zuvor schon in Italien Gegenstand vieler Bilder und Skulpturen, jedoch ist der Ursprung der isolierten Madonnenskulptur verbunden mit dem Thema der Kreuzabnahme nordischen Ursprungs.[3]

Deutsche Wandermeister hinterließen auf ihren Reisen durch Friaul und Venedig bis hin zur Adriaküste zahlreiche plastische Werke. Sie waren meist aus Holz, Ton oder Alabaster angefertigt und entwickelten nur eingeschränkt Tiefendimension.[4] Diese Werke wurden von den italienischen Meistern zwar zur Kenntnis genommen, jedoch wurde die plastischen Arbeit anfänglich überwiegend den deutschen Künstlern überlassen.

Im Gegensatz zu Italien war in Deutschland, wie auch im gesamten nördlichen Europa, die Madonnenskulptur seit dem vierzehnten Jahrhundert ein beliebtes Motiv. Den in Deutschland sogenannten Vesperbildern, wie auch den übrigen nördlichen Darstellungen, kam eine liturgische Funktion zu, die verbunden mit dem Leiden Christi und dem einfühlenden Schmerz Marias einherging und am Karfreitag zur Vesperzeit stattfand. Die Gestaltung der sitzenden Maria, die den gerade vom Kreuz genommenen Sohn auf ihrem Schoß hielt, war in den verschiedensten Ausführungen anzutreffen, wobei sie sich doch in grundlegenden Merkmalen ähnelten. In der Gotik dominierte ein fast senkrecht liegender, starrer Leichnam Jesu, der mit gekreuzten Händen auf dem Schoß Marias ruhte.[5] Auffällig an diesen Darstellungen waren die harten Winkel zwischen dem horizontal liegenden Sohn und der streng aufrechtsitzenden Mutter, die das Empfinden der italienischen Meister zu jener Zeit eher abstieß (Abb. 1). Später dann wurde der leblose Körper meist kindhaft verkleinert dargestellt (Abb. 2). Anfang des 15. Jahrhunderts erreichte der „Schöne Stil“ die Pietàdarstellung und es entstanden plastische Werke voll weicher, jugendlicher Schönheit, die daraufhin nicht nur in die Welt der Ikonen Italiens, sondern ebenfalls von großen Meistern jener Epoche, zum in sich vollendeten Kunstwerk übersteigert, übernommen und ausgeführt wurden.[6] Der „Schöne Stil“ verlieh auch „[...] Maria im Leid [...] Züge von jugendlicher Anmut, wohl ernst und gesammelt, aber durchaus nicht hoffnungslos oder verzweifelt.“[7]

2. Michelangelos römische Pietà als Werk seiner frühen Schaffensperiode

2.1 Entstehungsgeschichte, Auftraggeber, Standorte

Michelangelos erster fünfjähriger Aufenthalt in Rom von 1496 bis 1501 verschaffte ihm neue Auftraggeber. Zu den wichtigsten Förderern dieser Zeit zählte unter anderem Jacobo Galli, ein einflussreicher Bankier, der ihm den Auftrag für die römischen Pietà vermittelte, die sich heute in der Peterskirche in Rom befindet. Der Kardinal Jean Bilhères de Lagraulas, ein Gesandter des französischen Königs Karl VIII., gab die Skulptur ursprünglich für seine Grabstädte in Auftrag.[8] Er selbst jedoch verstarb ein Jahr bevor Michelangelo die Pietà fertig stellen konnte. Das Thema der Pietà an sich, als ein typisch nordisches Thema und besonders in Frankreich als Brauch zur Schmückung von Grabstädten genutzt, verdeutlichte noch zusätzlich die französische Präsenz auf italienischem Boden.[9]

Der Vertrag für die heilige Jungfrau wurde am 27. August 1498 unterschrieben und Jacobo Galli, der Bürge des Vertrages versicherte:

„Und ich, Jacobo Galli, verspreche dem ehrwürdigen Monsignore, daß genannter Michelangelo das Werk in einem Jahr vollendet, und daß es die schönste Marmorskulptur sein wird, die es heutigentags in Rom gibt, und daß kein Meister von heute sie würde besser machen können.“[10]

Bevor Michelangelo mit den Arbeiten zu seinem Werk begann, hatte er schon einige Monate in Carrara verbracht, um dort Marmor für die Skulptur zu brechen. Die Wahl des Marmorblocks war für ihn von so großer Bedeutung, dass er es sich nicht nehmen ließ, vor Ort die Leitung zu übernehmen. Man könnte sagen, dass für den Bildhauer Michelangelo die eigentliche Arbeit nicht erst im Atelier, sondern bereits im Steinbruch begann. „Was unter seinem Namen entstand, mußte gänzlich von seinen Händen geschaffen sein.“[11]

An der Pietà selbst arbeitete Michelangelo bis circa 1500. Die Skulptur wurde aufgrund des vorhergegangenen Todes des Auftraggebers direkt auf dessen Grab, in der an die alte Peterskirche anschließende Cappella di Santa Petronilla, die Kapelle des französischen Königs, aufgestellt. Hier vermutet man heute am ehesten den ursprünglichen Standort der Plastik, denn aufgrund des Neubaus der Peterskirche wurde der Anbau im Jahre 1517 völlig zerstört, was somit auch die Rekonstruktion des Aufstellungsortes erschwerte. Anschließend wurde die Pietà mehrfach innerhalb der Basilika versetzt bis sie letztendlich ihren heutigen Standort seit 1749 im Langhaus der ersten Kapelle der Nordseite von St. Peter zugewiesen bekam.[12]

2.2 Beschreibung der römischen Pietà: Oberflächenbehandlung, Komposition, Besonderheiten, Interpretation

Michelangelo arbeitete von circa 1498 bis wahrscheinlich Anfang 1500 an der Pietà in Rom.[13] Das Ergebnis war eine für seine Zeit vollkommen innovative und atemberaubende Skulptur. Die Pietà ebnete anschließend Michelangelos künstlerischen Weg, noch dazu brachte dieser Durchbruch zahlreiche Aufträge mit sich, von denen der Bildhauer sein Leben lang profitieren sollte.

Die Madonna (Carrara Marmor, Maße 1,74 x 1,66 x 1,03 m), „eine Hochrenaissanceskulptur, die Tiefe besitzt und nach allen Seiten frei ausgreift“[14] sitzt in einen schweren Mantel gehüllt auf einem Felsvorsprung und hält den gerade vom Kreuz genommenen Sohn in ihrem Schoß. Der leblose Körper, der durch Maria gehalten und an sie gedrückt wird, ruht friedlich auf ihren Knien. Der Kopf Jesu ist in die Armbeuge seiner Mutter gebettet (Abb. 3). Marias Haupt ist nach unten geneigt, ihre Augenlieder sind gesenkt. Sie gewährt dem Betrachter keinen direkten Blickkontakt. Ihre jugendlichen Gesichtszüge sind klar und zart, die Trauer um den Sohn ist ihr nicht direkt anzusehen. Sie scheint völlig in sich gekehrt zu sein, ganz allein mit dem Schmerz in den Stunden nach der Kreuzabnahme. Ihr Kopf ist mit einem Tuch bedeckt, das ihr bis zu den Schultern reicht (Abb. 4). Die Beine sind unter dem faltenreichen Mantel weit auseinandergestellt, um so dem Sohn sicheren Halt zu gewähren. Jesus Körper passt sich der Position ihres Schoßes an und sinkt in ihr weich fließendes Gewand. Im Kontrast zu Marias Erscheinungsbild, im Speziellen dem wallenden Mantel, steht der makellose, nackte Körper, der einzig und allein durch ein Tuch im Lendenbereich bedeckt ist.

In der Frontalansicht ist das Gesicht Jesu nicht deutlich zu erkennen, da er den Kopf nach hinten geneigt hält. Auffallend sind nur seine ruhigen Gesichtszüge, die nicht von Angst und Schmerz verzerrt scheinen (Abb. 5). Sein rechter Arm hängt gebeugt herab, wobei er sich mit zwei Fingern am Mantel Marias festhält. Die Skulptur präsentiert sich auf einem Felsvorsprung, der sich noch hinzu auf einem rundlichen, glatten Postament befindet.

Nicht nur die Darstellung einer einsamen Marienklage, sondern vielmehr auch die Art und Weise der Gestaltung der Pietà war neu. Michelangelo meißelte eine sehr jugendliche Mutter Gottes, die in ihrem Aussehen nicht älter als ihr Sohn selbst eingeschätzt werden konnte und somit großer Kritik ausgesetzt war. Als Grund für das jugendliche Erscheinungsbild der Pietà erklärte er seinem Freund Ascanio Condivi:

„Weißt du nicht, daß die keuschen Frauen sich viel frischer erhalten als die unkeuschen? [...] Ja, ich will dir sogar sagen, daß eine solche Frische und Jugendblüte, außer daß sie sich auf natürlichem Wege in ihr erhalten hat, auch dadurch glaublich wird, daß so, durch göttliche Wirkung und Hilfe, der Welt die Jungfräulichkeit und ewige Reinheit der Mutter bezeugt werden soll.“[15]

[...]


[1] Koch, Michelangelo. S.168

[2] Körte, Dt. Vesperbilder in Italien. Kunstgeschichtliches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana.

S. 14

[3] Pinder, Die Pietà. S. 9

[4] Keller, Michelangelo. Bildhauer- Maler- Architekt. S. 14

[5] Pinder, Die Pietà. S. 7

[6] Körte, Dt. Vesperbilder in Italien. Kunstgeschichtliches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana. S. 104

[7] Neuhardt, Die Pietà. S. 12

[8] Murray, Michelangelo. S. 19

[9] Rohlmann; Thielemann, Michelangelo/Neue Beiträge. S. 94

[10] Milanesi, Le lettere di Michelangelo Buonarotti. S. 316 f (Zitat aus Koch, Michelangelo. S. 50)

[11] Guazzoni, Michelangelo - der Bildhauer. S. 34

[12] Ebd., S.34

[13] Koch, Michelangelo. S.168

[14] Keller, Michelangelo. Bildhauer- Maler- Architekt. S. 14

[15] Condivi, Vita di Michelangelo Buonarroti. S. 29f (zitiert aus Murray, S.20)

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Analyse und Vergleich des Früh- und Spätwerkes Michelangelos am Beispiel der römischen und florentinischen Pietà
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Veranstaltung
Einführung in die Kunst der Renaissance
Note
1,3
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V45224
ISBN (eBook)
9783638426602
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Achtung! Abbildungen der besprochenen Werke liegen nicht bei! Diese können aber über den exakten Quellennachweis einfach nachvollzogen werden.
Schlagworte
Analyse, Vergleich, Früh-, Spätwerkes, Michelangelos, Beispiel, Pietà, Einführung, Kunst, Renaissance
Arbeit zitieren
Anonym, 2003, Analyse und Vergleich des Früh- und Spätwerkes Michelangelos am Beispiel der römischen und florentinischen Pietà, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45224

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