Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Globalisierung - definitorische Annäherung und inhalt-liche abgrenzung
3. Global agierende Unternehmen: Triebkräfte und Getrie-bene der Globalisierung
4. Positionen in der Globalisierungsdebatte
4.1 Die Hyperglobalisierer
4.2 Die Globalisierungsskeptiker
4.3 Kritische Würdigung der Positionen der Hyperglobalisierer und der Globalisierungsskeptiker
4.4 Die Transformationalisten
5. Beeinflussung der Staatstätigkeit im modernen Staat durch global agierende Unternehmen
5.1 Zur Staatstätigkeit im modernen Staat
5.1.1 Elementare staatliche Ordnungsprinzipien
5.1.2 Grundlegende Aufgaben des Staates
5.1.3 Steuerungs- und Regulierungsinstrumente des Staates
5.2 Handlungsweisen global agierender Unternehmen und deren Aus-wirkungen auf die Staatstätigkeit
5.2.1 Ausnutzen globaler Standortvorteile
5.2.2 Ausnutzen des politischen Macht- und Drohpotentials
5.3 Konsequenzen für die Staatstätigkeit
5.4 Anmerkungen zur empirischen Überprüfbarkeit
6. SCHLUssBEMERKUNG
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ganz gleich, ob mit Globalisierung ein neues Phänomen oder nur die Neuauflage eines bereits vor dem Ersten Weltkrieg erreichten weltwirtschaftlichen Integrationsgrades bezeichnet wird, der Begriff an sich taucht verstärkt im akademischen Sprachgebrauch und in der breiten Öffentlichkeit erst seit Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre auf.[1] Globalisierung bezeichnet einen Prozess, der nahezu alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt, so dass es nicht verwundert, wenn sich verschiedene Wissenschaftsdisziplinen seiner Analyse annehmen. Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass ökonomische Entwicklungen den Prozess bestimmen, wohingegen die Auswirkungen der Globalisierung äußerst kontrovers diskutiert werden und sich nicht selten gegenläufige Auffassungen in der Literatur wiederfinden. Der Globalisierungsprozess tangiert neben anderen Gesellschaftsbereichen vor allem den Wirtschaftssektor selbst als auch die politische Sphäre. Offensichtlich ist, dass die Politik mit neuen globalen Herausforderungen konfrontiert wird, für deren Entstehung sie selbst mit verantwortlich ist. Hinsichtlich der Fragestellung, ob ihr Handlungsspielraum dadurch eingeengt, erweitert oder verändert wird, existieren konträre und differenzierte Auffassungen. Die vorliegende Arbeit greift einen Teilaspekt der Diskussion heraus und geht der Frage nach, in welcher Weise global agierende Unternehmen die Staatstätigkeit im modernen Staat beeinflussen.
Dabei soll zunächst Klarheit über die Begriffe der Globalisierung und der global agierenden Unternehmen geschaffen werden. Es folgt eine Darstellung der verschiedenen Positionen in der Globalisierungsdebatte. Diese vermittelt vor allem einen Überblick über die Auffassungen, die hinsichtlich des Globalisierungsausmaßes und der Auswirkungen des Globalisierungsprozesses auf den Staat existieren. Dabei wird argumentiert, dass die Extremszenarien der Hyperglobalisierer und der Globalisierungsskeptiker an der Wirklichkeit vorbeigehen und diese die Beeinflussung der Staatstätigkeit durch global agierende Unternehmen entweder über- oder unterschätzen. Ausgehend von dem Leitbild der Transformationalisten, die trotz eines tendenziellen Wandels der Staatstätigkeit auf den Fortbestand der staatlichen Handlungsfähigkeit vertrauen, wird in Kapitel fünf auf das eigentliche Hauptthema eingegangen: Die Beeinflussung der Staatstätigkeit durch global agierende Unternehmen.
Im Rahmen dieses Kapitels werden zuerst grundlegende Elemente des Staates bzw. der Staatstätigkeit beschrieben, um auf dieser Grundlage die konkreten Handlungsweisen global agierender Unternehmen und deren Auswirkungen auf die Staatstätigkeit zu erläutern. Anschließend werden die sich ergebenden Konsequenzen für die Staatstätigkeit diskutiert. Hierbei steht wiederum die Position der Transformationalisten im Mittelpunkt. Der Staat ist weder ohnmächtig, noch kann er blind und ohne Berücksichtigung der globalen Dimensionen auf die bisherigen Strategien und Instrumente setzen. Den Abschluss des fünften Kapitels bilden einige Anmerkungen zur empirischen Überprüfbarkeit des erläuterten Macht- und Beeinflussungspotentials global agierender Unternehmen und dessen Auswirkungen.
2. Globalisierung - definitorische Annäherung und inhalt liche abgrenzung
Für das Phänomen der Globalisierung existiert keine allgemein gültige und über verschiedene Wissenschaftsdisziplinen hinweg gleich lautende Begriffsdefinition. Vielmehr wird der Begriff in Abhängigkeit von der jeweiligen Zielsetzung der Analyse und dem jeweiligen Untersuchungsgegenstand definiert. Insbesondere die Betrachtung der mannigfaltigen Implikationen von Globalisierung erfolgt auf unterschiedlichen Analyseebenen[2] und für verschiedene gesellschaftliche Dimensionen. Damit handelt es sich bei Globalisierung um ein eindeutig mehrdimensionales Phänomen, das sich in allen gesellschaftlichen Bereichen mehr oder weniger stark manifestiert. Globalisierung zeigt sich vor allem in Wirtschaft und Politik, aber auch in Form von kulturellen, sozialen und ökologischen Konsequenzen.[3] Der (kleinste) gemeinsame Nenner soziologischer, politikwissenschaftlicher und ökonomischer Definitionen ist die Beschreibung des Phänomens Globalisierung als eine zunehmende Intensivierung globaler bzw. weltumspannender Verflechtungen von gesellschaftlichen Beziehungen und deren wachsende räumliche Ausdehnung über nationale Grenzen hinweg. Hierbei wird Globalisierung zumeist als dynamischer Prozess und nicht als ein statischer Zustand verstanden.[4]
Ein immanentes Merkmal von Globalisierung ist die Überwindung räumlicher Distanzen. Beck spricht überspitzt vom „Töten der Entfernung“ und folgert daraus, dass zumindest „virtuell die Gleichzeitigkeit von ungleichzeitigen Ereignissen hergestellt werden kann“.[5] Damit werden nicht nur räumliche Entfernungen zunehmend bedeutungslos, sondern auch verschiedene Zeithorizonte erscheinen irrelevant. Gesellschaftliche Aktivitäten und Interaktionen überschreiten in manchen Bereichen problemlos die traditionellen und infolge der Globalisierung durchlässig gewordenen territorialen Grenzen.[6] Als Konsequenz konstatiert Giddens treffend: „...we all increasingly live in one world“[7] und beschreibt damit die zunehmende Interdependenz gesellschaftlicher Akteure.
Für die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit sind primär ökonomische und politische Implikationen der Globalisierung relevant. In ökonomischer Perspektive bedeutet Globalisierung die wachsende weltweite Vernetzung von Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- und Finanzmärkten, aus der sich Konsequenzen für alle Markteilnehmer ergeben – so auch für den Staat. Im Rahmen dieser Arbeit werden Auswirkungen der (ökonomischen) Globalisierung auf die Staatstätigkeit bzw. auf die Möglichkeiten des Staates zur Steuerung der Wirtschaft diskutiert. Es geht folglich um die Frage: „Wie beeinflusst die globalisierte Ökonomie die staatlichen Steuerungs- und Regulierungsinstrumente zur Lenkung und Kontrolle der heimischen Wirtschaft“?
Bevor im Folgenden die genannte Frage weiter spezifiziert wird, sind an dieser Stelle einige Vorbemerkungen zur Abgrenzung des Begriffs der Globalisierung von ähnlichen Ausdrücken bzw. Phänomenen angebracht. Teilweise wird der Ausdruck der Internationalisierung synonym oder anstatt von, d.h. als Ersatz für Globalisierung verwendet. Letzteres geschieht erstens mit der Begründung, dass Globalisierung ein „schillernder“, missverständlicher Begriff sei und deshalb der Begriff der Internationalisierung besser geeignet wäre.[8] Zweitens sei dieser Begriff auch deshalb zu bevorzugen, weil die heutige wirtschaftliche Verflechtung den Kriterien einer globalisierten Ökonomie nicht entspräche und der Begriff der internationalen Ökonomie zutreffender wäre. Grenzüberschreitende Wirtschaftsbeziehungen seien nicht wirklich global, sondern würden sich überwiegend auf die internationale Ebene beschränken.[9]
Internationalisierung kann bezeichnet werden als die zunehmende grenzüberschreitende Verflechtung von gesellschaftlichen Beziehungen zwischen zwei oder mehreren kollektiven Akteuren, wie z.B. Regierungen, staatliche Behörden, Parteien oder Unternehmen. Im Rahmen des Internationalisierungsprozesses wird dem Staat – im Gegensatz zum Globalisierungsprozess - die uneingeschränkte Fähigkeit zuerkannt, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Austauschströme zu lenken und zu kontrollieren. Er ist somit der „tonangebende“ Akteur im Prozess der Internationalisierung.[10] Internationalisierung und Globalisierung schließen sich gegenseitig jedoch nicht aus, vielmehr können beide Prozesse nebeneinander existieren, wobei globalisierte Beziehungen auch immer Merkmalsausprägungen internationaler Beziehungsmuster aufweisen.[11]
Neben dem Begriff der Internationalisierung taucht in der Globalisierungsdebatte der Ausdruck der Regionalisierung auf. Dieser bezieht sich ebenfalls auf die wachsende grenzüberschreitende Verflechtung von gesellschaftlichen Beziehungen zwischen zwei oder mehreren kollektiven Akteuren. Er beschränkt sich dabei jedoch auf Staaten und dessen Akteure, die eine geografische Nähe zueinander aufweisen.[12]
Zur Abgrenzung des Globalisierungsprozesses von den genannten Begriffen dient dessen kennzeichnendes Merkmal der globalen und weltumspannenden Ausprägung. Die grenzüberschreitenden gesellschaftlichen Austauschbeziehungen nehmen Dimensionen ein, die über die Konzepte der Regionalisierung und Internationalisierung hinausgehen.
3. Global agierende Unternehmen: Triebkräfte und Getriebene der Globalisierung
Träger des Globalisierungsprozesses sind verschiedene gesellschaftliche Akteure im Staat.[13] Insbesondere weltweit operierende Unternehmen spielen in diesem Prozess eine gewichtige Rolle. Sie werden als die „eigentlichen Triebkräfte und Träger der Globalisierung“[14] bezeichnet und sogar als „politische Schlüsselakteure“,[15] wenn es um die Beeinflussung der staatlichen und weltweiten Wirtschaftsordnung geht. Einerseits wird global agierenden Unternehmen eine bedeutende Gestaltungsoption im Globalisierungsprozess zugesprochen; andererseits sind sie, wie alle anderen Akteure, den Kräften der Globalisierung[16] ausgesetzt und damit zu reaktiven Anpassungen gezwungen. Globale Märkte setzen Unternehmen durch ein globales Angebot und eine globale Nachfrage unter verschärften Wettbewerbsdruck, so dass Unternehmen aus dieser Perspektive sogar zu einem globalen Agieren gedrängt werden und damit auch Ergebnis der Globalisierung sind.
Im Rahmen der Globalisierungsdebatte reicht die Spanne der Bezeichnungen von Unternehmen, die als Triebkräfte der Globalisierung angesehen werden, von internationaler bis hin zu multi- und transnationaler Unternehmung.[17] Darüber hinaus wird der Ausdruck der „globalisierenden“ Unternehmung verwendet.[18] Die Bezeichnungen umschreiben ähnliche und teilweise identische Erscheinungsformen von Unternehmen, so dass eine (genaue) Differenzierung zwischen den Begriffen und der womöglich existierenden unterschiedlichen Intensität der grenzüberschreitenden Verflechtung der Unternehmensbeziehungen nicht möglich ist.
Um Unklarheiten zu vermeiden, soll im Folgenden der Begriff der global agierenden Unternehmung bzw. Unternehmen verwendet werden. Diese Bezeichnung schließt all jene Unternehmen ein, welche grenzüberschreitende und weltweite Aktivitäten durchführen, wobei die Unternehmensaktivitäten sich nicht nur auf das direkte Exportgeschäft konzentrieren, sondern zumindest Kooperationen oder Kapitalbeteiligungen mit bzw. an der ausländischen Partnerunternehmung umfassen sollen.[19] Idealtypischerweise betrachtet die global agierende Unternehmung die Welt als den zu bearbeitenden bzw. zu bedienenden Markt und teilt infolgedessen die Kette der Wertschöpfungsaktivitäten auf unterschiedliche Länder auf. Eine wortwörtliche terminologische Auslegung des Adjektivs „global“ würde bedeuten, dass es für eine global agierende Unternehmung nicht ausreicht, lediglich auf unterschiedlichen Märkten oder Ländern präsent zu sein. Um ihrer Bezeichnung gerecht zu werden, müsste sie weltweit, nach strenger Auslegung sogar in allen Ländern der Welt agieren. Selbstverständlich operiert keine Unternehmung in allen Ländern der Erde; vielmehr steht weltweit bzw. global agierend für eine hinreichend große Anzahl an Verflechtungen und Beziehungen mit ausländischen Partnern, verbunden mit einer entsprechenden breiten und möglichst gleichmäßigen geografischen Streuung über verschiedene Länder. Dabei muss auch die Anzahl und das quantitative Ausmaß der mit dem Ausland verflochtenen Elemente der Wertschöpfungskette einer bestimmten Größenordnung genügen.[20]
In der Globalisierungsdebatte existieren verschiedene Haltungen gegenüber dem Ausmaß des Beeinflussungs- bzw. Machtpotentials von global agierenden Unternehmen. Überwiegend werden sie als Hauptverantwortliche für die Erodierung von staatlicher Souveränität angesehen;[21] zum anderen wird argumentiert, dass auch global agierende Unternehmen keine „staaten- bzw. heimatlosen“ Gebilde seien, sondern von einem fest etablierten Standort aus operieren würden und damit primär den staatlichen Regulierungs- und Steuerungsmechanismen unterworfen blieben.[22] Diese entgegengesetzten Positionen finden sich in der übergeordneten Diskussion zwischen sog. Hyperglobalisierern und Globalisierungsskeptiker[23] wieder, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.
4. Positionen in der Globalisierungsdebatte
Sowohl die Haltung der Hyperglobalisierer als auch die der Globalisierungsskeptiker sind Extrempositionen und stellen insofern idealtypische Kategorien dar, die als Strukturierungs- und Erkenntnishilfen bei der Einordnung von Autoren und deren Standpunkte dienen. Sie vermitteln einen Überblick über die möglichen Einstellungen hinsichtlich der Implikationen von Globalisierung. Im Folgenden wird eine Übersicht über die verschiedenen Denkschulen gegeben, wobei die Auswirkungen der (ökonomischen) Globalisierung - vor allem durch global agierende Unternehmen - auf den Staat als zentrale Aspekte im Mittelpunkt stehen.
4.1 Die Hyperglobalisierer
Aus der Sicht der Vertreter der Hyperglobalisierungsthese ist das Globalisierungsphänomen in seinen qualitativen und quantitativen Dimensionen eine völlig neue Erscheinungsform der grenzüberschreitenden Vernetzung und mit früheren weltwirtschaftlichen Integrationsstadien nicht zu vergleichen. Im globalen Zeitalter gehöre der Begriff der nationalen Wirtschaft der Vergangenheit an, da vor allem angesichts technologischer Entwicklungen und politischer Liberalisierungsmaßnahmen die Welt zu einem grenzenlosen Raum werde, in dem die Kräfte des Marktes den zunehmend machtlos werdenden Staaten eine „unternehmensfreundliche“ Politik diktiere. Global agierende Unternehmen verfügen in diesem Szenario über zahlreiche Optionen, die nationalstaatliche Politik zu umgehen. Der Staat verliere aufgrund seiner national bzw. territorial begrenzten Steuerungs- und Regulierungsmöglichkeiten folglich die Fähigkeit, die heimische Wirtschaft zu lenken und zu kontrollieren.[24]
Neben der wachsenden Ortsungebundenheit der globalisierten Ökonomie und dem damit verbundenen Verlust der Fähigkeit, die eigenen ökonomischen Ressourcen zu steuern, führt Baumann den Beitritt von Staaten zu internationalen Organisationen (z.B. EU, NATO, UN) als weitere Ursache für den Souveränitätsverlust an. Als klassischer Vertreter der Hyperglobalisierungsschule vertritt er die Auffassung, dass die staatliche Handlungsfähigkeit und Autonomie durch Auswirkungen des Globalisierungsprozesses untergraben und völlig erodiert wird.[25]
Voraussetzung dafür, dass global agierende Unternehmen, wie von Hyperglobalisierern propagiert, sich in jedem Land der Erde „heimisch fühlen“, also tatsächlich zu „heimat- bzw. staatenlosen“ Gebilden werden, ist die Annahme einer weitgehenden Angleichung bzw. Konvergenz von politischen, kulturellen und ökonomischen Standortfaktoren. Denn nur wenn diese unerheblich für die Standortentscheidung wären, wäre es für Unternehmen problemlos möglich, eine kostenneutrale Verlagerung der Produktionskapazitäten vorzunehmen und die besten Chancen auf einem weltweiten Markt wahrzunehmen.[26]
4.2 Die Globalisierungsskeptiker
Eine entgegengesetzte Denkrichtung verfolgen die Globalisierungsskeptiker. Sie wenden ein, dass das Konzept der Globalisierung die tatsächlichen Auswirkungen bei weitem überschätzt und bringen folgende Argumente hervor. Erstens sei die heutige Integration der Weltwirtschaft nicht beispiellos, denn zu Zeiten des Goldstandards, vor dem Ersten Weltkrieg, hätte sich die weltwirtschaftliche Verflechtung auf einem ähnlichen Niveau wie heute bewegt. Somit sei der heutige Zustand größtenteils eine Rückkehr zum Status Quo der damaligen Zeit.[27] Gemäßigte Skeptiker gestehen im Allgemeinen zwar zu, dass sich die Intensität der Vernetzung in der globalen Ära von früheren Zeiten durchaus unterscheidet. Sie kritisieren jedoch, dass sich die räumliche Ausdehnung des Globalisierungsprozesses hauptsächlich auf die Triade Europa, Nordamerika und Japan erstrecke, sie also keinesfalls als global bezeichnet werden könne und es sich demnach vielmehr um Internationalisierung oder Regionalisierung als um Globalisierung handele.[28] Diese Einschätzung untermauern sie weiter mit dem Argument, dass trotz des Anwachsens von grenzüberschreitenden Handelsströmen in den letzten Jahrzehnten nur ein kleiner Teil des gesamten Bruttoinlandproduktes der führenden Wirtschaftsnationen für den Export bestimmt sei.[29]
In Bezug auf das Macht- und Beeinflussungspotential global agierender Unternehmen teilen die Globalisierungsskeptiker ebenfalls nicht die Ansicht der Hyperglobalisierer, dass durch global ausgerichtete Unternehmensstrategien die territorial begrenzte Wirtschaftspolitik unterlaufen wird. Jene vertreten die Position, dass es erstens wenig wirklich global agierende Unternehmen gäbe, d.h. Unternehmensaktivitäten würden sich meist auf eine geringe Anzahl von (Industrie-)Ländern konzentrieren. Zweitens seien global agierende Unternehmen, wie andere Unternehmen auch, stark in nationalen Märkten verankert und würden damit einen Großteil des Leistungserstellungsprozesses im Inland abwickeln.[30] Außerdem seien Umgehungsstrategien gewiss nicht kostenneutral, sondern häufig mit erheblichen Investitionen (im Ausland)[31] und damit mit einem erhöhten Risiko für Unternehmen verbunden.
Aus der dargelegten Problematik wird ersichtlich, dass die Globalisierungsskeptiker Unternehmen im Rahmen der Globalisierung ein geringeres Macht- und Beeinflussungspotential zusprechen als dies im Szenario der Hyperglobalisierer der Fall ist. Hinzu kommt, dass die Globalisierungsskeptiker den Staat selbst als den Globalisierung vorantreibenden Akteur ansehen[32] und daraus eine gewisse Steuerbarkeit des Globalisierungsprozesses ableiten.[33] Die Schule der Skeptiker vertraut deshalb auf den Fortbestand der wirksamen Steuerungskompetenz des Staates innerhalb seines Territoriums. Sie schreibt dem Staat auch zukünftig eine weitgehende Unabhängigkeit von der Funktionslogik globaler Märkte und eine Resistenz gegenüber den Taktiken global agierender Unternehmen zu.
[...]
[1] Siehe hierzu eine Übersicht über die Anzahl an Publikationen, die zum Thema Globalisierung erschienen sind von BUSCH (1999), S.15.
[2] So wird in ökonomischer Perspektive bspw. von globalen Wirtschaftssubjekten, globalen Märkten und sogar von globalisierten bzw. „globalisierenden“ Ländern gesprochen.
[3] Vgl. PERRATON/GOLDBLATT/HELD/McGREW (1998), S. 137.
[4] Für Germann, Raab und Setzer stellt Globalisierung hingegen sowohl einen Prozess als auch einen Zustand dar. GERMANN/RAAB/SETZER (1999), S. 3. Für die Beschreibung des durch Globalisierung erzeugten Status quo eignet sich jedoch vielmehr der Begriff der Globalität. Dieser umschreibt nach Beck ausschließlich einen empirischen Zustand, für den die Auflösung territorialer Grenzen kennzeichnend ist.. Beck spricht in diesem Zusammenhang davon, dass „die Vorstellung geschlossener Räume fiktiv wird“. BECK (1998), S. 27-28.
[5] BECK (1998), S. 45.
[6] Vgl. BECK (1998), S. 44-46.
[7] GIDDENS (2001), S. 52.
[8] Vgl. MEIER/ROEHR (2004), S. 11-12.
[9] Dieser Argumentation bedienen sich bspw. Hirst und Thompson. Vgl. HIRST/THOMPSON (1998), S. 86 ff. Verfechter dieser Position sind meist in die Kategorie der Globalisierungsskeptiker einzureihen, deren Auffassung unter Punkt 4.2 näher erläutert wird.
[10] Vgl. DIE GRUPPE VON LISSABON (1997), S. 44-45.
[11] Vgl. HIRST/THOMPSON (1998), S. 96.
[12] Vgl. GERMANN/RAAB/SETZER (1999), S. 4.
[13] Benz benennt neben den Akteuren auf Staatsebene auch Akteure auf „überstaatlicher“ Ebene, sog. transnationale Akteure (z.B. die Vereinten Nationen, die OECD, die Weltbank, die Europäische Zentralbank, internationale Dachverbände und weitere NGOs), die ebenfalls im Globalisierungsprozess mitwirken. Vgl. BENZ (2001), S. 250-251.
[14] PAUSENBERGER (1999), S. 81.
[15] SCHERER (2003), S. 95.
[16] Für eine ausführliche Darstellung der auf Unternehmen wirkenden Globalisierungskräfte siehe PAUSENBERGER (1999), S. 79.
[17] Siehe hierzu z.B. HIRST/THOMPSON (1998), PERRATON/GOLDBLATT/HELD/McGREW (1998), SCHERER (2003).
[18] Vgl. ENGELHARD/GERSTLAUER/STEIN (1999), S. 294.
[19] Für eine detaillierte Erläuterung der unterschiedlichen Formen und Intensitäten der Präsenz auf ausländischen Märkten siehe MEIER/ROEHR (2004), S. 18-20.
[20] Diese Anforderungen werden in Anlehnung an der Globalisierungsdefinition von Germann, Raab und Setzer formuliert. Sie definieren Globalisierung primär als die Verflechtung der Beziehungen von Wirtschaftssubjekten, welche in quantitativer und qualitativer Hinsicht bestimmten Kriterien genügen muss. Die Anforderungen werden – was für eine empirische Analyse jedoch notwendig wäre - nicht weiter operationalisiert und bleiben deshalb unbestimmt. Vgl. GERMANN/RAAB/SETZER (1999), S. 2-3. Für Anmerkungen zu empirischen Aspekten siehe Punkt 5.4.
[21] Siehe z.B. BECK (1998), S. 14 ff. und BECK (1996), S. 673 ff.
[22] Siehe z.B. HIRST/THOMPSON (1998), S. 89 ff.
[23] Die Einteilung in Hyperglobalisierer und Globalisierungsskeptiker wird von PERRATON/GOLDBLATT/ HELD/McGREW (1998) eingeführt und auch von GIDDENS (2001) verwendet .
[24] Vgl. GIDDENS (2001), S. 59; PERRATON/GOLDBLATT/HELD/McGREW (1998), S. 135.
[25] Vgl. BAUMANN (1998), S. 55ff.
[26] Siehe hierzu GRAY (1999), S. 90, vor allem S. 95 ff.
[27] Die Globalisierungsskeptiker Hirst und Thompson stellen die vage Behauptung auf, dass es kaum einen Unterschied gäbe zwischen einer Wirtschaft, die als Kommunikations- und Transportmittel Tiefseekabel und Segelschiffe benutzte, und einer Wirtschaft, in der Nachrichten elektronisch per Satelliten und Computer übermittelt werden. HIRST/THOMPSON (1998), S. 98.
[28] Vgl. GIDDENS (2001), S. 58-59; PERRATON/GOLDBLATT/HELD/McGREW (1998), S. 135-136.
[29] Vgl. HIRST/THOMPSON (1998), S. 99.
[30] Vgl. HIRST/THOMPSON (1998), S. 99-100.
[31] Vgl. PERRATON/GOLDBLATT/HELD/McGREW (1998), S. 164.
[32] Vgl. GIDDENS (2001), S. 59; BENZ (2001), S. 226.
[33] Hinter dem Abbau von Handelsbeschränkungen oder dem Beitritt zu internatonalen Organisationen stehen für die Globalisierungsskeptiker weitgehend eigenmächtige Entscheidungen des Staates.