Als kritische Antwort hinterfragen Büntgen und Hellmann in ihrem Aufsatz „The Little Ice Age in Scientific Perspective: Cold Spells and Caveats“ die von Kelly und Ó Gráda aufgestellte Hypothese, dass es keine statistischen Indizien und paläoklimatischen Signale für eine Kleine Eiszeit gibt und belegen dies anhand statistischer Daten von Temperaturabfällen zwischen 1350-1900.
Bei der Analyse der Texte soll insbesondere auf die Kritikpunkte von Büntgen und Hellmann am Text von Kelly und Ó Gráda eingegangen werden. Die eigene Argumentation von Büntgen und Hellmann der klimatologischen Daten, die für eine Kleine Eiszeit stehen, werden dabei nur am Rande behandelt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Textanalyse - „The Waning of the Little Ice Age” von Kelly und Ó Gráda
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Phasen der Kleinen Eiszeit werden in wissenschaftlichen Artikeln meist zwischen 1350 und 1900 eingeordnet und bezeichnen eine Periode, in der insbesondere in der nördlichen Hemisphäre, kalte Temperaturen überwogen (vgl. Mauelshagen 2010: S. 1-2). Diese Temperaturunterschiede sind insbesondere durch den Vergleich mit der darauf folgenden ‚mittelalterlichen Wärmeperiode‘ festzustellen. Das Konzept der Kleinen Eiszeit (LIA = Little Ice Age) ist ein etabliertes Konzept der Gletscherkunde und Klimatologie, das vor ca. 80 Jahren von Matthes eingeführt wurde (vgl. Büntgen 2014: 353) und von AutorInnen unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen betrachtet wird. Darunter HistorikerInnen wie Tobias Huff und Wolfgang Behringer, DendrologInnen wie Ulf Büntgen und Lena Hellmann und auch von ÖkonomInnen wie Morgan Kelly und Cormac Ó Gráda.
Als 2014 Kelly und Ó Gráda ihren Aufsatz „The Waning of the Little Ice Age: Climate Change in Early Modern Europe“ herausgaben, wurde dieser in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen stark debattiert. Im publizierten Text kritisieren die Autoren, dass es keine gesicherten Beweise für das Auftreten einer Kleinen Eiszeit gibt und geben Alternativerklärungen für die oft zitierten Beispiele der historischen Ereignisse.
Als kritische Antwort hinterfragen Büntgen und Hellmann in ihrem Aufsatz „The Little Ice Age in Scientific Perspective: Cold Spells and Caveats“ die von Kelly und Ó Gráda aufgestellte Hypothese, dass es keine statistischen Indizien und paläoklimatischen Signale für eine Kleine Eiszeit gibt und belegen dies anhand statistischer Daten von Temperaturabfällen zwischen 1350-1900.
Bei der Analyse der Texte soll insbesondere auf die Kritikpunkte von Büntgen und Hellmann am Text von Kelly und Ó Gráda eingegangen werden. Die eigene Argumentation von Büntgen und Hellmann der klimatologischen Daten, die für eine Kleine Eiszeit stehen, werden dabei nur am Rande behandelt.
Textanalyse „The Waning of the Little Ice Age” von Kelly und Ó Gráda
Die Autoren Morgan Kelly und Cormac Ó Gráda kritisieren in ihrem Text „The Waning of the Little Ice Age: Climate Change in Early Modern Europe“, dass es aus statistischer Sicht keine gesicherten Beweise für eine LIA gibt. Laut ihrer Analysen gibt es keine statistischen Anhaltspunkte für Autokorrelation, Trends oder strukturelle Umbrüche in der Durchschnittstemperatur, die eine LIA rechtfertigen würden. Weiterhin führen sie aus, dass Temperaturrekonstruktionen in Europa und der nördlichen Hemisphäre keine Temperaturabfälle zeigen (vgl. Kelly 2014: 303).
Dagegen argumentieren Büntgen und Hellmann zunächst, dass die Kleine Eiszeit in der wissenschaftlichen Diskussion nie als Periode beschrieben wird, die von strukturellen Umbrüchen, Trends und Zyklen der Durchschnittstemperatur beschrieben wird (vgl. Büntgen 2014: 355). Weiterhin weisen sie darauf hin, dass Kelly und Ó Gráda eine große Quantität an Daten ignorieren, die bei der Interpretation der Kleinen Eiszeit berücksichtigt werden muss. Aus diesen Messwerten lassen sich ebenfalls Temperaturabfälle in Regionen der nördlichen Hemisphäre sowie in Europa ermitteln (vgl. ebd.: 356).
Sie stellen daher die Frage, wie es in der Vergangenheit dazu kommen konnte, dass KlimatologInnen das Auftreten einer Kleinen Eiszeit in Europa feststellten. Die Autoren beantworten die Frage damit, dass die Kleine Eiszeit ein Phänomen ist, welches durch einen statistischen Effekt hervorgerufen wird. Dieser sogenannte Slutsky Effekt entsteht dadurch, dass in der klimatologischen Praxis die Wetterdaten zunächst geglättet werden und ein gleitender Durchschnitt gebildet wird. Diese Glättung führt zur Entstehung von Oszillationen, die in den Ursprungsdaten eigentlich nicht vorhanden sind. Bei Auswertung der Klimadaten werden somit Schwankungen und Extremwerte analysiert, die in den Ursprungsdaten auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. In der von den Autoren beschriebenen Grafik werden sowohl niederländische Sommertemperaturen dargestellt, die mit einem 25 jährigen gleitenden Durchschnitt geglättet wurden, als auch eine Grafik ohne jegliche Glättung. Daran wollen Kelly und Ó Gráda zeigen, dass die Version ohne gleitende Durchschnitte keine Trends, Zyklen und Brüche erkennen lässt, wohingegen in der anderen Grafik die LIA zwischen dem 15.-19.Jhdt als Trend zu erkennen ist (vgl. Kelly 2014: 307).
Die von den Autoren beschriebene statistische Herangehensweise der gleitenden Durchschnitte ist in der Fachliteratur eine gängige Methode zur Analyse von Zeitreihen. Der Kritik der Autoren, die Ursprungsdaten zu verzerren, kann durch statistische Methoden entgegengewirkt werden (vgl. Kreiß 2006).
Ein Kritikpunkt, den Büntgen und Hellmann betrachten, ist die fehlende Unterscheidung von Wetter und Klima sowie die Bezeichnung von Europa als 'Geburtsstätte' der LIA. Kelly und Ó Gráda ignorieren dabei, dass die Anfänge der Kleinen Eiszeit auf Studien im Sierra Nevada Gebiet in Kalifornien zurückgehen und Europa erst später zum Gegenstand der Forschung wurde (vgl. Büntgen 2014: 354).
Zusammengefasst zeigen die Autoren, dass es große Zweifel sowohl bei der Chronologie, der Geografie als auch dem Einfluss der LIA gibt (vgl. Kelly 2014: 308).
Neben den statistischen Beweisen für die LIA betrachten die Autoren alternative Erklärungsmöglichkeiten, die in Essays verschiedener Wissenschaftsdisziplinen wiederholt als Erklärung für das Auftreten einer Kleinen Eiszeit angeführt werden. Sie konstatieren dabei, dass die historischen Beispiele weniger unterstützend für ein Auftreten einer LIA sind als bisher angenommen (vgl. ebd.: 304).
Dabei unterteilen Kelly und Ó Gráda die sechs historischen Beispiele in unterschiedliche Kategorien. Als demografisches Beispiel nennen sie das Verschwinden der Wikinger aus Grönland. Den Rückgang des Weintraubenanbaus in Südengland im späten Mittelalter begründen sie ökonomisch. Weiterhin beschreiben sie die englischen „Frost Fairs“ auf der Themse als soziales bzw. gesellschaftliches Beispiel. Ihr viertes Beispiel stellt das Aufkommen holländischer Landschaftsmalereien im Winter dar, welches als künstlerisches Beispiel bezeichnet wird. Weiterhin wird der Rückgang des englischen Weizenanbaus als Agrarisches kategorisiert. Zuletzt gehen die Autoren auf die Gletscherentwicklungen der Alpen ein und kategorisieren dieses Beispiel als eines, welches mit Messintstrumenten feststellbar ist (vgl. ebd.: 304).
In der wissenschaftlichen Literatur zur Kleinen Eiszeit werden immer wieder historische Ereignisse in Europa mit dem Auftreten der LIA in Verbindung gebracht auf die nachfolgend eingegangen wird. Dabei berücksichtigen Büntgen und Hellmann in ihrem kritischen Essay die meisten Beispiele aus „The Waning of the little Ice Age“ nicht und gehen nur auf die Gletscherexpansion der Alpen im Detail ein.
Als ein Indiz für die Kleine Eiszeit gilt der Rückgang des Weinanbaus in England, da der Anbau von Weinreben sehr wettersensibel ist. Als Alternativerklärung führen Kelly und Ó Gráda das regelmäßige Auftreten von Übersetzungsfehlern aus dem Latein an. Denn der sogenannte „vinarium“ (vineyard) unterschied sich nur geringfügig vom „vivarium“ (fishpond). Außerdem gibt es viele Quellen, die die schlechte Qualität des englischen Weines beschreiben. Die Autoren schildern daher, dass die meteorologische Erklärung zu kurz greift und argumentieren ökonomisch. Der Handel zwischen England und Frankreich war zu dieser Zeit schon sehr ausgereift und der Rückgang des Weinanbaus kann durch das Prinzip des komparativen Kostenvorteils erklärt werden. Dieser Erklärungsansatz wird durch die historischen Aufzeichnungen von Wein- und Bierpreisen in England und Frankreich unterstützt. In England kostete der billigste Wein fünfmal mehr als das billigste Bier. In Frankreich hingegen kostete Bier doppelt so viel wie Wein. Daher argumentieren die Autoren, dass die Theorie des komparativen Kostenvorteils eine ebenso gute Erklärung für das Verschwinden des Weines liefert wie die meteorologische Erklärung der Kleinen Eiszeit.
Die Argumentation der Autoren scheint plausibel, jedoch könnten auch meteorologische Einflüsse für den komparativen Kostenvorteil verantwortlich sein. Beispielsweise könnte ein Temperaturabfall die Weinernte verringert haben und der Handel mit Frankreich dadurch intensiviert worden sein.
Im zweiten Beispiel gehen die Autoren auf die Landschaftsmalereien des holländischen Malers Pieter Bruegel der Ältere ein. Sein Gemälde „The Hunters in the Snow“ hat bei der Erklärung der LIA Ikonenstatus erreicht (vgl. ebd.: 312). Auf dem Gemälde sind Jäger zu erkennen, die während eines harten Winters ohne Beute von der Jagd zurückkehren. Bei der Erklärung für die LIA wird aber vernachlässigt, so die Autoren, dass das Gemälde nur ein Bild aus der Reihe von sechs Bildern ist, wobei das Bild „The Harvesters“ einen Sommer mit ertragreicher Ernte abbildet und somit für das Fehlen einer Kleinen Eiszeit steht. Zusammenfassend stellen die Autoren fest, dass es zwar meteorologische Einflüsse auf die Kunst gibt, Geschmackseinflüsse und Prägungen aus anderen Ländern jedoch überwiegen und sich keine starken Umbrüche, die auf eine LIA hinweisen, feststellen lassen (vgl. ebd.: 314-316).
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- Quote paper
- Nadine Bliedung (Author), 2015, The Little Ice Age. Illusion oder Wirklichkeit?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452952
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