Das Rechtsgut der Umweltdelikte


Hausarbeit, 2005

15 Seiten, Note: 11 Punkte


Leseprobe


Gliederung

A. Positionen zur Bestimmung der Rechtsgüter
I. Ökologisch – anthropozentrische Sichtweise
II. Ökologische Sichtweise
III. Anthropozentrische Sichtweise
IV. Administrative Sichtweise

B. Die Rechtsgutsbestimmung bei einzelnen Delikten
I. Gewässerverunreinigung, § 324 StGB
1. Konkretisierung des Schutzguts Gewässer
2. Auslegung des Schutzguts
3. Stellungnahme
II. Bodenverunreinigung, § 324a StGB
II. Luftverunreinigung, § 325 StGB
III. Verursachen von Lärm, Erschütterungen und Strahlen, § 325a StGB
IV. Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen, § 326 StGB
V. Unerlaubtes Betreiben von Anlagen, § 327 StGB
VI. § 328 und § 329 StGB
VI. Naturschutzstrafrecht

C. Fazit

Gutachten

A. Positionen zur Bestimmung der Rechtsgüter

Die Umweltdelikte bildeten ursprünglich reines Nebenstrafrecht, jedoch wurden mit dem 18. StÄG die wichtigsten Vorschriften in erweiterter Form ins StGB (29. Abschnitt) übernommen.[1] Es folgten, insbesondere in den Jahren 1994 und 1998, weitere Reformen und Verschärfungen, die zu den Vorschriften in ihrer jetzigen Gestalt führten. Häufig wird das Rechtsgut der wesentlichen Tatbestände des 29. Abschnitts folgendermaßen bestimmt. Geschützt ist die Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen, in ihren verschiedenen Medien (Boden, Wasser, Luft) und sonstigen Erscheinungsformen (Pflanzen, Tiere).[2] Diese Definition ist jedoch umstritten (s.u.). Ferner entzieht sich die nähere Konkretisierung des Umweltguts einer einheitlichen Definition, da die einzelnen Delikte des Umweltstrafrechts sehr heterogener Natur sind.[3] In der Diskussion um die Bestimmung der Rechtsgüter im Umweltstrafrecht finden sich allerdings wiederkehrende Grundmuster.

I. Ökologisch – anthropozentrische Sichtweise

Nach dieser Auffassung hat sich der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Umweltdelikte für die Anerkennung eigenständiger ökologischer Rechtsgüter ausgesprochen. Ausdrücklich sind in diesem Zusammenhang Gewässer, Böden, Tiere und Pflanzen zu nennen. Die schützenswerten Umweltgüter bilden allerdings keinen Selbstzweck, sondern sie sind vielmehr zwischengeschaltet, um dem zentralen Anliegen des Schutzes des menschlichen Lebens und Lebensraums zu dienen. Insoweit gilt die (s.o. unter Punkt A.) genannte Definition. Der finale Schutz, den das Umweltstrafrecht gewähren soll, umfasst demnach das menschliche Leben und dessen Gesundheit sowie die natürlichen

Lebensgrundlagen der menschlichen Gesellschaft.[4] In einigen Tatbeständen des Umweltstrafrechts wird der Mensch als Schutzobjekt auch direkt erwähnt, so zum Beispiel in § 325 I und § 325a StGB.[5]

Die alleinige Gefährdung von Biotopen oder einzelnen Tier- und Pflanzenarten soll nicht ausreichen, um strafwürdiges Unrecht anzunehmen. Das Absterben und Aussterben von Tieren und Pflanzen ist vielmehr ein Prozess, der natürlich ist und auch ohne menschliche Beiträge regelmäßig auftritt.[6] Zum Teil wird ergänzend gefordert, den ökologisch-anthropozentrischen Ansatz um administrative Elemente (s.u. unter III.) zu erweitern, um dem großen Einfluss des Verwaltungsrechts auf das Umweltstrafrecht Rechnung zu tragen.[7] Geschützt seien die Umweltgüter im Rahmen der Ausgestaltung und Konkretisierung durch das Umweltverwaltungsrecht.

II. Ökologische Sichtweise

Im Gegensatz zu der dargestellten Ansicht steht die rein ökologische Sichtweise. Auch hiernach sind die Umweltgüter im obigen Sinne (s.o. unter A.) geschützt. Die Umweltgüter sind allerdings nicht angelegt, um mittelbar dem Schutz des Menschen zu dienen. Vielmehr sind sie um ihrer selbst Willen schützenswert.[8] Da praktisch jedoch die Umweltgüter nach beiden Ansichten (vgl. I.) als selbständig schützenswert anerkannt werden, gelangen beide Ansichten oft zu ähnlichen Ergebnissen.[9]

III. Anthropozentrische Sichtweise

Im Vergleich zur anfangs dargestellten Ansicht, greift diese Ansicht nicht den ökologischen, sondern den anthropozentrischen Aspekt im Besonderen auf.
Demzufolge schützen die Umweltdelikte ausschließlich den Menschen.[10] Diese Ansicht wurde vornehmlich vor der Einführung der Umweltdelikte in das StGB vertreten. Diese Delikte legen jedoch eine rein anthropozentrische Sichtweise der geschützten Rechtsgüter fern, sodass die Ansicht mittlerweile nicht mehr vertreten wird und lediglich historische Bedeutung aufweist.[11]

IV. Administrative Sichtweise

Schließlich wird vertreten, dass die Rechtsgüter im Umweltstrafrecht allein aus administrativer Sicht bestimmt werden müssen. Die Reichweite des Umweltstrafrechts hängt maßgeblich von verwaltungsrechtlichen Vorentscheidungen ab, es ist verwaltungs-, bzw. verwaltungsaktsakzessorisch ausgestaltet.[12] Demnach wird vertreten, es seien in erster Linie Verwaltungsrechtsgüter geschützt. Die Verwaltungsbehörden können durch ihren Einfluss zudem die Schutzgüter des Umweltstrafrechts näher bestimmen oder zumindest kontrollieren.[13] Dieser Anspruch der Behörden ist ebenfalls selbständiges Schutzgut. Maßgeblich für das Umweltstrafrecht sind also die Umweltverwaltungsgüter, wie sie durch die Verwaltungsbehörden ausgestaltet, konkretisiert und überwacht werden. Dass den Behörden obliegt, sich um den Umweltschutz zu bemühen, ist im Grundgesetz in Art. 20a GG geregelt.

B. Die Rechtsgutsbestimmung bei einzelnen Delikten

Nach Klärung der grundsätzlichen Sichtweisen ergeben sich bei der Untersuchung der einzelnen Straftatbestände des Umweltstrafrechts deliktsspezifische Probleme.

I. Gewässerverunreinigung, § 324 StGB

Der in der Praxis bedeutsamste Straftatbestand des Umweltstrafrechts ist die

Gewässerverunreinigung gemäß § 324.

Schutzgut dieser Vorschrift ist das Gewässer. Zunächst ist ein Gewässer nach § 324 in Verbindung mit § 330d Nr.1 jedes oberirdische Gewässer im Geltungsbereich des StGB, ferner das Grundwasser, sowie in begrenztem Rahmen auch das Meer.[14] Nicht erfasst wird das Wasser in festen, von Menschen geschaffenen Behältnissen, wie Schwimmbecken, Feuerlöschteichen oder Wasserversorgungsleitungen.[15] Dieser abstrakte Gewässerbegriff ist näher zu konkretisieren, um ihn in der Praxis handhabbar zu machen.

1. Konkretisierung des Schutzguts Gewässer

Nach einer Ansicht deutet das Schutzgut des Gewässers allein auf die absolute Gewässerreinheit hin.[16] Diese Schutzgutbestimmung erscheint jedoch nicht als ausreichend. Zum einen sind gänzlich unverschmutzte Gewässer äußerst selten, zum anderen sollen auch mehr oder weniger vorgeschädigte Gewässer noch strafrechtlichen Schutz genießen. Des weiteren wird mit der Reinheit nur eine spezifische Eigenschaft des Gewässers erfasst, keine Beachtung finden beispielsweise die Temperatur oder die Fließgeschwindigkeit. Schutzgut des § 324 ist demnach das Gewässers gemäß § 330d Nr.1 in seinem ökologischen status quo vor der maßgeblich strafbaren Handlung (physikalische, chemische und biologische Beschaffenheit).[17] Diese Definition stellt einen ökologischen Ansatz dar.

2. Auslegung des Schutzguts

Häufig wird die anthropozentrische Ansicht vertreten, das Schutzgut Gewässer sei eingeschränkt auszulegen.

Es sollen nur tatsächliche Schäden an Tier- und Pflanzenwelt tatbestandlich relevant sein. Allerdings soll im Rahmen der Nachteilseignung (2. Alternative) auch die Möglichkeit eines Vermögensschadens durch die Kosten der Wiederherstellung des Gewässers genügen.[18]

Diesem Ansatz wird eine weite Auslegung des Schutzguts Gewässer gegenübergestellt.[19] Nach dieser Ansicht muss eine tatsächlich auftretende negative Auswirkung einer Einleitung nicht zwingend nachgewiesen werden. Vielmehr reiche es aus, dass beigegebene Substanzen potentiell gefährlich für Flora und Fauna seien. Das Gewässer wird demnach nicht allein in seinem tatsächlichen Charakter, sondern auch in seinem erwartungsgemäßen Bestand geschützt. Charakteristisch für eine solche ökologische Auslegung tritt der Bezug zum Menschen weitestgehend zurück.

[...]


[1] Wessels/Hettinger, BT 1, Rd. 1052.

[2] Lackner/ Kühl (Kühl), Vor. § 324, Rd. 7; Schönke/Schröder (Cramer/Heine), Vor. § 324 Rd. 8; NK (Ransiek), Vor § 324, Rd. 6.

[3] Maurauch/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 58 I Nr.3, Rd. 12;

Rengier, NJW 1990, 2506.

[4] Maurauch/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 58 I Nr.3, Rd. 18;

Schönke/Schröder (Cramer/Heine), Vor. § 324 Rd.8.

[5] Im Folgenden sind alle Paragraphen, sofern nicht anders bezeichnet, solche des StGB.

[6] LK (Steindorf), Vor. 324 Rd. 13.

[7] NK (Ransiek), Vor. 324 Rd. 9.

[8] Arzt/Weber (Arzt), StrafR BT 2, Rd. 357; Arzt, Kriminalistik, 1981, S.120.

[9] Rengier, NJW 1990, 2506, 2507.

[10] Bloy, ZStW, 1988, 488, 497.

[11] Rengier, NJW 1990, 2506, 2507.

[12] Maurauch/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 58 I Nr.2, Rd. 5 ff.

[13] Tiedemann, Die Neuordnung des Umweltstrafrechts, S.28; Dölling JZ 1985, 464, 466.

[14] Schönke/Schröder (Cramer/Heine), § 324 Rd, 4-6.

[15] Wessels/Hettinger, BT 1, Rd. 1031.

[16] Rengier, NJW 1990, 2506, 2507.

[17] Schönke/Schröder (Cramer/Heine), § 324 Rd. 3 ff.

[18] OLG Frankfurt NJW 1987, 2755; OLG Köln ZfW 1989, 47 f.

[19] OLG Frankfurt NJW 1987, 2755; Schönke/ Schröder (Cramer), § 324 Rd.9.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Rechtsgut der Umweltdelikte
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Wirtschaftsstrafrecht
Note
11 Punkte
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V45366
ISBN (eBook)
9783638427838
Dateigröße
363 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rechtsgut, Umweltdelikte, Wirtschaftsstrafrecht
Arbeit zitieren
Sebastian Zellmer (Autor:in), 2005, Das Rechtsgut der Umweltdelikte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45366

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