Soziokulturelle Veränderungen durch Globalisierung und Digitalisierung

Ein kulturwissenschaftlicher Blick auf die deutschen Sinus-Milieus


Hausarbeit, 2015

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Soziales Milieu
1.1. Definition
1.1. Bourdieus Habitustheorie

2. Die Sinus-Milieus
2.1. Entwicklung
2.2.Anwendungsgebiete
2.3.Modellerklärung
2.4.Beschreibung
2.5.Veränderung

3.Fazit

4.Literaturverzeichnis

Einleitung

„Milieustudien versuchen die Nutzung bestimmter Medien, den Kauf bestimmter Konsumgüter, die Neigung zu bestimmten Parteien etc. primär auf Grund der Werthaltungen und Zielsetzungen von Menschen zu erklären“1 - das Sinus-Milieu-Modell basiert ebenfalls auf diesen Studien. Das Modell charakterisiert aktuelle soziale Strukturen und greift stetige, soziokulturelle und ökonomische Veränderungen auf - diese treten durch die Globalisierung und Digitalisierung des Alltags in Erscheinung. Doch wie haben sich die Milieus in Deutschland verändert? In der vorliegenden Hausarbeit sollen das Sinus-Milieu-Modell sowie dessen Entwicklung und Anwendungsgebiete erklärt und die einzelnen Milieus und deren Veränderung seit der letzten Aktualisierung im Jahre 2015 beschrieben werden. Bevor näher auf die Milieus und deren Veränderungen eingegangen wird, werden eingangs die sozialen Milieus definiert. Zu guter Letzt folgt ein Fazit.

1. Soziales Milieu

Die soziale Gesellschaftsstruktur wurde zunächst nach Klassen, Ständen oder Schichten et cetera klassifiziert. Der Milieubegriff hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt - geprägt wurde er in der Gründungszeit der französischen Soziologie. Als Gründer des sozialwissenschaftlichen Milieubegriffs gilt der Philosoph Hippolyte Taine - das erste Milieukonzept hat hingegen der Soziologe Émile Durkheim entwickelt. Die Herkunft des Begriffs liegt im Französischen und bedeutet übersetzt ‚Mitte‘.

1.1. Definition

Soziale Milieus werden definiert als „Gruppierungen von Menschen, die in ähnlichen Umständen leben, ähnlich denken und so das Verhalten der Einzelnen in ähnlicher Weise prägen.“2 Die Gruppen beziehungsweise soziale Milieus sind jeweils gekennzeichnet durch homogene Werthaltungen, Grundsätze der Lebensgestaltung, Beziehungen zu Mitmenschen und Denkweisen. Milieubegriffe werden durch Charakteristika gekennzeichnet, die sich von denen des Schichtbegriffs differenzieren - Berufscharge, Einkommensniveau und Bildungsgrad sind kausale objektive Merkmale, welche soziale Schichten klassifizieren und aus denen Mentalitäten resultieren. Da die Gesellschaft jedoch eine soziale Schicht aufweist, sind soziale Milieus im Übrigen an Schichtmerkmale gebunden.3 Milieukonzepte werden nämlich aus mehreren Perspektiven zusammengesetzt, was eine mit großem Aufwand verbundene empirische Forschung zur Konsequenz hat. Einige Milieudefinitionen, wie beispielsweise die Sinus-Milieus, inkludieren zudem das Alltagsverhalten der Menschen.

1.1. Bourdieus Habitustheorie

Milieustudien basieren häufig auf der von Pierre Bourdieu entwickelten Habitustheorie. Nach dieser Theorie entwickeln Menschen unwillkürlich klassenspezifische Habitusformen. Ursache dafür sind die Anpassungsprozesse der Lebensbedingungen an die jeweilige soziale Klasse, in der sie herangewachsen sind.4 Es exisitiert ein vergleichbares Muster zwischen dem Sinus-Milieu-Modell und der Habitustheorie. Konvergenz herrscht zwischen den Perspektiven. Die horizontale Perspektive wird laut Bourdieu differenziert in das ökonomische Kapital (Wirtschaft und Besitz), das Bildungskapital (Wissen, Bildung und Kultur) und das soziale Kapital (Beziehung). Nach dem Sinus-Milieu-Modell unterscheidet sich die Perspektive in traditionelle, moderne und postmaterielle Wertorientierungen. Die vertikale Perspektive wird Bourdieu nach in Arbeiterklasse, Kleinbürgertum und Bourgeoisie, dem wohlhabenden Bürgertum, klassifiziert. Das Sinus-Milieu-Modell differenziert folglich zwischen Ober-, Mittel- und Unterschicht.5 Die Habitusformen verdeutlichen unterschiedliche Lebensstile und Lebensführungen, die anhand der Denk- und Wahrnehmungsmuster, der Sprache, der Wohnungseinrichtung oder der Kleidung et cetera wahrnehmbar werden.6

2. Die Sinus-Milieus

Die Sinus-Milieus klassifizieren die Gesellschaft anhand eines Modells. Dabei beruht das Modell auf einer jahrzehntelangen empirischen Studie des Markt- und Sozialforschungsinstituts Sinus. Das Fundament der Studie ist eine umfangreiche Datenbasis.7 Das Resümee der langfristigen Sozialwissenschaft hat inzwischen an immenser Bedeutung gewonnen, vor allem zur Zielgruppendifferenzierung in der Marketing- und Kommunikationsarbeit von Unternehmen - insbesondere weil die Gesellschaft neben den soziodemographischen Faktoren konstitutiver klassifiziert werden kann.8 Die vereinzelte Klassifikation nach soziodemographischen Faktoren, wie beispielsweise Schulbildung, Berufswahl und Einkommen ist als Segmentierungsansatz - unter anderem für die Marketing- und Kommunikations-planung - unzureichend.9 Relevanter ist hingegen der Ansatz der Lebenswelt-forschung. Eine Differenzierung der Gesellschaft nach diesem Kriterium ist für die Zielgruppenerfassung erfolgsversprechender – Reaktionen und Verhalten können so besser interpretiert werden. Denn „nur eine ganzheitliche Erfassung des Alltagsbewusstseins [schafft] das notwendige Verständnis dafür […], wie Menschen agieren und reagieren.“10 Die Sinus-Milieus erreichen jene Erfassung, indem sie ein „ein wirklichkeitsgetreues Bild der real existierenden Vielfalt in der Gesellschaft“11 wiedergeben. Die Motive der potentiellen Konsumenten beziehungsweise der Zielgruppe können anhand von psychografischen Faktoren nachvollziebar interpretiert werden. Wertorientierungen sind teilweise auch durch die soziale Lage, also durch die Einkommenshöhe, den Bildungsgrad und die berufliche Position bestimmt. Insofern wird die soziale Schichtstruktur ebenfalls in das Milieu-Modell integriert – so wird ein „Zusammenhang zwischen subjektiver Lebenswelt, objektivem Sozialstatus, Generationszugehörigkeit und politischer Grundeinstellung“12 ermittelt.

2.1. Entwicklung

Die Basis für die Entwicklung der Sinus-Milieus wurde ein Jahr nach der Gründung des Sinus-Instituts im Jahre 1978 gelegt.13 Zwei jahre lang wurden qualitative Daten in Form von Interviews erhoben. 1400 Menschen aus der westdeutschen Bevölkerung wurden bezüglich ihrer Lebensstile sowohl nach deren Psyche wie den Wertorientierungen, Alltagseinstellungen, Meinungen und Zukunftserwartungen befragt, als auch nach ihrem Habitus wie der Lebensweise und dem Konsum- und Freizeitverhalten. Nachdem acht Typen unterschiedlicher Lebenswelten klassifiziert und mit dem sozialen Status korreliert wurden, resultierten 1982 erstmals unter Verwendung des Sinus-Milieu-Indikators (acht) Sinus-Milieus für die Bundesrepublik Deutschland. Mit Hilfe dieses Indikators können Befragte mit einander ähnelnden Lebenswelten einem entsprechenden Milieu zugeordnet werden. Dabei werden die gesammelten Daten - unter Verwendung eines mathematischen Verfahrens - nach Lebensbereichen kodiert, die charakteristisch für ein Milieu sind.14 Im Laufe der Zeit ändern sich einige Faktoren, deshalb muss der Indikator stets überprüft und aktualisiert werden. Nach mehreren Überarbeitungen resultierten im Jahre 1991 neun Milieus, im Jahre 2001 nach Zusammenführung der Modelle für Ost- und Westdeutschland waren es derer zehn.15

2.2. Anwendungsgebiete

Die Motive der Anwendung des Sinus-Milieu-Modells sind sehr umfangreich. Neben Anwendungen in Politik zur Erschließung des Wählerpotenzials oder Pädagogik zur Lokalisierung von typischen Lernstrategien et cetera, wird das Modell insbesondere im strategischen Marketing eingesetzt, in denen Kenntnisse der Lebenswelt der Gesellschaft signifikant sind. „Zielgruppenforschung, Kundensegmentierungen und Konsumentengruppierungen sind altbekannte Vorgehensweisen […], um möglichst gezielt und effizient die angestrebten relevanten Adressaten im Markt zu erkennen und zu erreichen.“16 Die Zielgruppen strukturieren sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Verhaltensweisen und Lebensstile zunehmend differenzierter, denn die Komplexität des Marktes mit „der heute stattfindenden Zersplitterung von Märkten und Zielgruppen“ hat sich vervielfacht.17 Mit der Kenntnis der Lebenswelten können potentielle Kunden beziehungsweise Zielgruppen bestimmt und segmentiert werden. Infolgedessen können sie differenziert und effizient angesprochen werden. Zudem kann das Modell als Planungsinstrument fungieren, um Produkte zu positionieren, sie zielgruppengerecht zu entwickeln und um Marktnischen aufzuspüren.18

2.3. Modellerklärung

Die Sinus-Milieus werden in einer zweidimensionalen Grafik modellhaft veranschaulicht (siehe Abbildung 1 ). Da die Grafik aus zehn sogenannten „Kartoffeln“ unterschiedlicher Form und Größe besteht, wobei jede einzelne ein Milieu darstellt, wird sie auch als „Kartoffelgrafik“19 betitelt. Die Milieuposition wird dabei wie in einem Koordinatensystem einer X- und Y-Achse zugewiesen. Jene Achsen geben die wechselseitige Beziehung zwischen sozialer Schichtung und Wertestruktur wieder.20 Die Abszisse (horizontale Achse) stellt dabei die Grundorientierung dar. Je mehr sich das Milieu nach rechts ausdehnt, desto moderner ist im soziokulturellen Sinn die Orientierung der Gesellschaft. Eingeteilt wird die Achse dabei in A, B und C. Die Rubrik A verkörpert das Traditionsbewusstsein, B die Modernisierung und Individualisierung und C die Neuorientierung. Die Technikaffinität nimmt dabei proportional zu, das durchschnittliche Alter der Generationen nimmt dabei ab.21 Die Ordinate (vertikale Achse) hingegen repräsentiert den sozialen Status. Je höher sich das Milieu erschließt, desto gehobener sind Bildung, Einkommen und die Berufsgruppe. Unterschieden wird zwischen drei Rubriken: 1, 2 und 3. Erstere stellt die Oberschicht bis obere Mittelschicht dar. Rubrik 2 charakterisiert die mittlere Mittelschicht. Die dritte Rubrik bildet die untere Mittelschicht bis Unterschicht ab. Dementsprechend werden den Milieus, je nach Lage im System, eine Nummer zwischen 1 und 3 und ein Buchstabe zwischen A und C zugeteilt.22 Beispielsweise wird das „Liberal-intellektuelle Milieu“ mit „B1“ geprägt, da sie sich auf der Ordinate in der Oberschicht bis oberen Mittelschicht (Rubrik 1) und auf der Abszisse in der Modernisierung (Rubrik B) befindet. Acht Milieus erstrecken sich über Schichtgrenzen hinaus. Es treten auch Überlappungen zwischen den Milieus auf - die Milieus sind zwar trennscharf definiert, deren Grenzen und Übergänge verlaufen jedoch fließend.23 Das Sinus-Institut spricht von einer „Unschärferelation der Alltagswirklichkeit“24, denn Lebenswelten grenzen sich nicht exakt ab, wie es der Fall bei sozialen Schichten ist, die nach Indikatoren wie Einkommen oder Schulabschluss genau festgelegt werden. Desweitern können Milieus nicht ohne weiteres gewechselt werden, es sei denn grundlegende neue Einwirkungen oder existenzielle Krisen kommen zustande. Jedoch können neue Lebensstile beschritten werden wenn Menschen älter werden, Kontakte knüpfen oder eine Familie gründen.25

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die SInus-Milieus in Deutschland 201526

Die Milieus haben unterschiedliche Anteile an der Bevölkerung (siehe: Abbildung 2). Die größte Quote weist das „Hedonistische Milieu“ mit 14,9 Prozent (10,49 Millionen) auf. Den kleinsten Anteil hat das „Sozialökologische Milieu“ mit 6,8 Prozent (4,82 Millionen).27 Die Grundgesamtheit macht die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren aus mit 70,523 Millionen Menschen28.

[...]


1 Bundeszentrale für politische Bildung (2006): Aus Politik und Zeigeschichte. Soziale Milieus. S.

2 Bundeszentrale für politische Bildung (2006): S.

3 Bundeszentrale für politische Bildung (2006): S.

4 Vgl. Bremer, H.; Lange-Vester, A. (2014): Soziale Milieus und Wandel der Sozialstruktur. S.19

5 Vgl. Bremer, H.; Lange-Vester, A. (2014): S.

6 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2006): S.

7 Vgl. Bremer, H.; Lange-Vester, A. (2014): S. 65 f.

8 Vgl. http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S.

9 Vgl. Hoffmann, A.; Hecht, J. (2014): Die digitale Avantgarde im Fokus, S.

10 Hoffmann, A.; Hecht, J. (2014): S.

11 http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S.

12 Bremer, H.; Lange-Vester, A. (2014): S.

13 Vgl. http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S.

14 Vgl. http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S.11

15 Vgl. http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S. 4

16 Hoffmann, A.; Hecht, J. (2014): S. 23

17 http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S. 4

18 Vgl. http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S. 4

19 http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S. 14

20 Vgl. http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S. 14

21 Vgl. Bremer, H.; Lange-Vester, A. (2014): S. 66

22 Vgl. http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S. 15

23 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2006), S. 7

24 http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-25_Informationen_zu_den_Sinus-Milieus.pdf, S. 13

25 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2006): S. 5

26 http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-23_Sinus-Beitrag_b4p2015_slide.pdf, S. 14

27 Vgl. http://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus-2015/2015-09-23_Sinus-Beitrag_b4p2015_slide.pdf, S. 6 bis 15

28 Vgl. http://www.ma-trend.rms.de/

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Soziokulturelle Veränderungen durch Globalisierung und Digitalisierung
Untertitel
Ein kulturwissenschaftlicher Blick auf die deutschen Sinus-Milieus
Hochschule
Mediadesign Hochschule für Design und Informatik GmbH Berlin
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V454678
ISBN (eBook)
9783668876927
ISBN (Buch)
9783668876934
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sinus Milieus, Kulturwissenschaften, Soziale Milieus, Bourdieus Habitustheorie
Arbeit zitieren
Else Kunze (Autor:in), 2015, Soziokulturelle Veränderungen durch Globalisierung und Digitalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/454678

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