Medizinrecht und Medizinethik. Die Ausweitung der Lebendtransplantation


Seminararbeit, 2005

76 Seiten, Note: 16


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung
I. Sachstand in der Bundesrepublik Deutschland
II. Medizinische Voraussetzungen
III. Risiken

B. Rechtslage in Europa

C. Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland
I. Gesetzliche Voraussetzungen der Lebendorganspende
1.) Volljährigkeit
2.) Einwilligungsfähigkeit
3.) Freiwillige Einwilligung
4.) Aufklärung
5.) Geeignetheit des Spenders und des Organs
6.) Erforderlichkeit der Spende - Subsidiarität gem. §8 I 1 Nr. 3 TPG
7.) Spenderkreisbegrenzung des §8 I S. 2 TPG
8.) Ärztlicher Eingriff
9.) Nachbetreuung
10.) Gutachterkommission
II. Handelsverbot und Strafvorschriften
III. Verfassungsrechtliche Einordnung unter Berücksichtigung der Bestätigung der Regelung des §8 I 2 TPG durch das BVerfG
1.) Verfassungsrechtliche Aspekte des § 8 I S. 2 TPG
a.) Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatzes und dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 II GG
b.) Vereinbarkeit mit Art. 2 II 1 GG (Empfänger)
(1.) Betroffenheit und Eingriff
(2.) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
c.) Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG (Empfänger)
d.) Vereinbarkeit mit Art. 2 I GG (Spender)
e.) Vereinbarkeit mit Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG (Spender)
f.) Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG (Spender)
g.) Vereinbarkeit mit Art. 4 I GG
h.) Weitere mögliche Grundrechtsbeeinträchtigungen
2.) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Subsidiaritäsklausel
3.) Gebot des Schuldangemessenen Strafens und Übermaßverbot

D. Ausweitung der Regelungen zur Lebendspende? - Kritik an der bestehenden Rechtslage
I. Problemfälle der Voraussetzungen zur Lebendspende
1.) Spenderkreis
a.) Cross-Over-Spende
b.) Austausch- bzw. Poolmodelle
c.) Anonyme Altruistische Lebendspende (AALS)
d.) Zulassung der Lebendspende Minderjähriger und erwachsener Betreuter
(1.) Minderjährige
(2.) Stellvertretung für erwachsene Betreute
2.) Subsidiarität der Lebendspende
3.) Zusammenfassung zur den Voraussetzungen zur Lebendspende
II. Anreize zur Lebendspende
1.) Anreize bei der Allokation und „rewarded gifting“
2.) Finanzielle Anreize - insbesondere „regulierter Organhandel“
III. Kompetenzen der Lebendspendekommission

E. Alternativen

F. Zusammenfassung

G. Anhang

H. Glossar

I. Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.) Einleitung

I. Sachstand in der Bundesrepublik Deutschland

Nachdem 1963 die erste Transplantation einer Niere in Deutschland gelang, wurden seitdem 50.000 Nieren in Deutschland transplantiert.1 Der Bedarf an Organen ist seitdem mit dem Fortschreiten der medizinischen Möglichkeiten erheblich gestiegen: Derzeit warten ca. 11.500 Empfänger2 auf ein Spenderorgan. Davon entfallen etwa 10.000 auf Patienten, die auf eine Niere warten, wobei diese Zahl aufgrund der erhöhten Dialysepatientenzahl kontinuierlich ansteigt. Dem steht jedoch nur eine Gesamtzahl von 3.6323 und 5534 transplantierten Organen gegenüber. Beispielsweise steht im Jahr 2004 den 1974 postmortal gespendeten Nieren ein Bedarf von 3.500 bzw. eine Zahl von Wartenden i.H.v. 9.124 gegenüber.5 Die sich hieraus ergebende durchschnittliche Wartezeit beträgt derzeit 5 Jahre6. Die enorme Schere zwischen Wartenden und dem Spendeaufkommen zeigt die Dringlichkeit, die Lage zu verbessern.

Um der Rechtsunsicherheit und dem Mangel an Organen zu begegnen7 trat bereits 1997 das Transplantationsgesetz (TPG) in kraft. Seitdem hat sich jedoch der Mangel an Organspenden nicht verringert.8 Bedingt durch den Mangel an postmortal gespendeten Organen, der zu immer längeren Wartezeiten führt9, nimmt die Bedeutung von Lebendspenden zugegen enorm zu.10 Die Zahl der Lebendspenden hat in den letzten Jahren zwar erheblich zugenommen11 (und nahm dann 2003 wieder leicht ab12 ), der o.g. Bedarf kann jedoch nach derzeitiger (Lebend-) Organspendepraxis und Bereitschaft in der Bevölkerung bei weitem nicht gedeckt werden. Obgleich Umfragen zur Folge etwa 85% der Bevölkerung die Organspende für sinnvoll halten und etwa 68% dazu Bereitschaft erklären13, nach ihrem Tod Organe zur Verfügung zu stellen, besitzen lediglich zwischen 8 und 12% überhaupt einen Organspendeausweis14 und es spenden tatsächlich nur 14 von einer Million Einwohnern15.

Neben der Möglichkeit, das (postmortale) Organspende-„verhalten“ zu verändern (vgl. etwa Kampagne „Junge Helden“)16 und die Regelungen der erweiterten Zustimmung zur Disposition zu stellen, besteht aber darüber hinaus, die Option durch liberalere, weniger restriktive Gesetzgebung, die Praxis der Lebendorganspende auszuweiten. So wird etwa vorgeschlagen, den Spenderkreis zu erweitern, indem man die sog. Cross-Over-Spende oder das sog. Pooling legalisiert.17 Ferner werden als Anreize für Spender Solidar- Modelle, die auf dem Prinzip der freiwilligen und gegenseitigen Hilfe beruhen und die Eröffnung des Marktes für Lebendspender vorgeschlagen und diskutiert.18

II. Medizinische Voraussetzungen

Die Lebendspende ist die Übertragung von Organen19 und Geweben20 (Organe) unter lebenden Menschen.21 Dabei erfolgt bei dem Spender - einem gesunden Menschen -ein körperlicher, medizinisch riskanter Eingriff mit Schädigungspotential, der weder indiziert, noch von medizinischem Nutzen für den Spender ist.22 Er ist vielmehr „Heilbeihilfe“ für einen Dritten und stellt sich als gezielte, vorsätzliche Körperverletzung gem. §223 StGB dar.23 Legitimation erlangt dieser Eingriff heute mit dem Respekt vor der Autonomie des Patienten24, während die Lebendspende der traditionellen Handlungsorientierung der Medizin entgegensteht, welche besagt, dass nur therapeutische Eingriffe ohne dem Patienten zu schaden erlaubt sind (hippokratische Eid)25 Dagegen ist damit nach dem heutigem Verständnis eine individuelle Nutzenmaximierung für die Betroffenen verbunden, die die Situation der Betroffenen dabei in ihrer Gesamtheit verbessern soll.26

Für den Empfänger bedeutet der Eingriff bei Erfolg einen Zugewinn an Lebensqualität oder gar die Abwendung des akut drohenden Todes.

Für eine Lebendorganspende eignen sich insbesondere die paarig angelegten Nieren sowie Teile der Leber, Lunge sowie des Dünndarms und der Bauchspeicheldrüse.27 Exemplarisch sollen hier die Nierenlebendspende (NLS) und die Leberlebendspende (LLS) in den Vordergrund der Betrachtung gestellt werden, da sie wegen der Häufigkeit ihrer Vornahme in Deutschland von praktisch bedeutender(er) Relevanz sind und sich für die anderen Organe keine rechtlichen Unterschiede ergeben.

Bei Nierenspendern mit zwei Nieren kann sich die entnommene Niere im Gegensatz zu der Leber nicht regenerieren, wobei dennoch Lebensqualität des Spenders durchaus voll erhalten bleiben kann.28 Voraussetzung für eine Nierentransplantation beim Empfänger ist das durch eine Niereninsuffizienz bedingte endgültige Versagen des Organs, das eine Dialysebehandlung zur Erhaltung des Lebens dringend notwendig macht.29 Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Transplantation ist weiterhin eine Blutgruppenkompatibilität. Danach sind Transplantationen nur nach bestimmten Regeln in Abhängigkeit von der Blutgruppe möglich.30 Dennoch ist eine sog. ABO-inkompatible Nierenspende bei der die Blutgruppen nicht den denkbaren Kombinationen entsprechen möglich und wird auch zunehmend erfolgreich (vorwiegend in Japan) praktiziert. Dabei werden durch Plasmapherese bestimmte Antikörper aus dem Blut elemeniert und die Milz operativ entfernt.31 Somit wird eine Transplantation zwischen blutgruppen- inkompatiblen Personen möglich.

Weiterhin müssen die sog. HLA-Merkmale best möglich übereinstimmen. Berechnet wird der Grad dieser Gewebeübereinstimmung anhand der Zahl der „Mismatches“32 - der nicht übereinstimmenden Gewebemerkmale.33 In physischer, psychischer und sozialer Hinsicht können mit der Nierentransplantation unbestritten bessere Rehabilitationserfolge herbeigeführt werden, als bei einer Dialysebehandlung.34

Bei der LLS wird dem Spender ein kleiner Teil des linken Leberlappens entnommen, der transplantiert wird. Dieser entnommene Teil bildet sich wieder vollständig nach. Vom rechten Leberlappen kann bis zu 60 % entnommen werden.35 Dieser bildet sich allerdings nicht neu, sondern der linke Leberlappen wächst zur früheren Größe nach.36 Die Leber wächst so nach innerhalb weniger Wochen auf die ursprüngliche Größe heran. Als Indikation zur Lebertransplantation beim Empfänger ist eine nicht rückbildungsfähige, fortschreitende, das Leben gefährdende Lebererkrankung erforderlich (z.B. Leberzirrhose).37 Beim Empfänger passiert im Wesentlichen das gleiche mit dem kleineren (linken) transplantierten Leberteil wie beim Spender: die vollständige Nachbildung des Organs. Wird der rechte Teil des Spenders transplantiert, wächst dieser auf die normale Größe heran.38 III. Risiken

Problematisch im Zusammenhang mit der Transplantation sind die Abstoßungswirkungen des Immunsystems, die sich aufgrund des genetischen Unterschiedes von Spender und Empfänger ergeben. Die sog. HLA- Merkmale39 (Human-Leucocyte-Antigens) sind dafür ausschlaggebend, die bei dem idealen Transplantat nahezu übereinstimmen müssten. Bei der blutgruppen-kompatiblen Transplantation40 wird diesem Umstand mit sog. Immunsupressiva zur Unterdrückung der körpereigenen Immunabwehr gegen das transplantierte Organ begegnet. Das führt in erster Linie zu einer erheblichen Belastung des Körpers, der nach wie vor anderen Infektionsrisiken ausgesetzt ist.41 Weiterhin bestehen einhergehend unterschiedlich intensive Nebenwirkungen und Langzeitrisiken wie z.B. der Tumorbildung42. Das Krebsrisiko ist dabei umso höher, je länger die Behandlung mit Immunssuppressiva anhält.43 Diese Komplikationen und der damit im Zusammenhang stehende hohe Anspruch an eine korrekte Dosierung und Verabreichung der Supressiva machen eine umfassende und intensive Nachsorgebetreuung unerlässlich, die jährlich Kosten i.H.v. 10.000 Euro44 pro Patient verursacht.

Infolge der erheblichen Anstrengungen im Bereich der Immunsupressiva konnten mittlerweile bei Lebendspenden unter „nichtverwandten“ Organspenden die Erfolgsraten drastisch erhöht werden.45 Weitere Risiken wie die Übertragung von Infektionskrankheiten und Tumorzellen werden wegen der standardisierten medizinischen Untersuchung als gering eingestuft.46 Spätfolgen beim Spender sind denkbar aber extrem selten47: so etwa die eigene Niereninsuffizienz aufgrund des Versagens des verbleibenden Organs. Die Transplantation von Nieren stellt mittlerweile ein routinemäßig vorgenommenes „Standardverfahren“48 der modernen Medizin dar, sodass das Auftreten von schweren Schädigungen aufgrund des operativen Eingriffs über das gewöhnliche Maß hinaus (etwa Unverträglichkeit der Narkose, Wundinfekte, Nachblutungen etc.) als sehr gering einzuschätzen ist.49 Ingesamt nehmen dennoch 0,02 bis 0,08% der Fälle nach Lebendtransplantationen einen tödlichen Verlauf.50 Dazu ist mit einer Arbeitsunfähigkeit des Spenders von 40- 50 Tagen zu rechnen.51

2.) Rechtlage in Europa

Auf europäischer Ebene konstatiert die 52 Biomedizin-Konvention (BMK) vom 4. April 1997 Standards in der biomedizinischen Forschung und Praxis, die durch Zusatzprotokolle ergänzt werden. Für die Lebendspende sind Art. 19 ff. BMK und Art. 9 des Zusatzprotokolls zur Transplantation von Organen und Geweben menschlichen Ursprungs maßgebend. Nach Art. 19 I BMK dürfen einer lebenden Person Organe und Gewebe zu Transplantationszwecken nur zu therapeutischen Nutzen des Empfängers entnommen werden. Art. 10 des Zusatzprotokolls erfordert bei Organspenden eine bestimmte angemessene Beziehung zwischen Spender und Empfänger oder die Billigung einer unabhängigen Stelle. Auch findet sich eine Subsidiaritätsregelung in Art. 19 I BMK. In Art. 19 BMK finden sich des weiteren Anforderungen an die Einwilligung, die durch Art. 12 des Zusatzprotokolls um besondere Anforderungen bei der Aufklärung ergänzt werden. Nach Art. 20 BMK dürfen grundsätzlich keine Organe und Gewebe bei Einwilligungsunfähigen entnommen werden. Ausnahmsweise darf jedoch unter besonderen Voraussetzungen regenerierbares Gewebe entnommen werden. Art. 21 BMK trifft Regelungen zum Schutz des menschlichen Körpers vor Kommerzialisierung.

In der Charta der Grundrechte, die Teil der Europäischen Verfassung werden soll, findet sich insbesondere in Art. 3 II das Verbot den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen. Damit wird der europäische Konsens deutlich, der ein Verbot der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers und des Organhandels verlangt.

3.) Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland

Bis 1997 fanden sich Regelungen über Organspenden lediglich im Transplantationskodex der deutschen Transplantationszentren.53 Seit 1997 regelt nun das TPG, das sich auf die Kompetenzzuweisung des Art. 74 I Nr. 26 GG stützt, spezielle Probleme der Organtransplantation.54

Der Anwendungsbereich des TPG erstreckt sich auf die Entnahme von menschlichen Organen, Organteilen oder Geweben zum Zwecke der Übertragung auf andere Menschen sowie für die Übertragung der Organe einschließlich der Vorbereitung dieser Maßnahmen (§ 1 I 1 TPG).55 Ferner gilt es für das Handelsverbot mit menschlichen Organen. Das TPG gilt nicht für Blut, Knochenmark, embryonale und fetale Organe und Gewebe.56

I. Gesetzliche Voraussetzungen der Lebendorganspende Die Lebendspende wird durch §8 TPG geregelt. Folgende Zulässigkeitsanforderungen stellt dieser auf:

1.) Volljährigkeit

Nach §8 I 1 Nr. 1a TPG muss der Organspender volljährig sein. Diese durch die feste Altersgrenze des §2 BGB bestimmte Altersbeschränkung versagt Minderjährigen die Möglichkeit zur Spende, um Fehlreinschätzungen aufgrund mangelnder Einsichtsfähigkeit über die Konsequenzen des Eingriffs vorzubeugen. Angeknüpft wird daher nicht an die natürliche Einsichtsfähigkeit, die auch Minderjährige haben können57. Für die Altersgrenze von 18 Jahren wird die Geschäftsfähigkeit als wesentlicher Orientierungspunkt für die Einwilligungsfähigkeit herangezogen.58

2.) Einwilligungsfähigkeit

Kumulativ dazu muss also der Spender bei der Lebendspende gem. §8 I 1 Nr. 1a TPG auch einwilligungsfähig sein. Vorausgesetzt wird ein natürliches Urteils- und Einsichtsvermögen, durch welches der Spender die Bedeutung und Tragweite seines Spendenentschlusses realisieren und alle damit verknüpften Gefahren für seine Gesundheit richtig einschätzen kann.59 Die Einwilligung ist danach die Disposition über ein höchstpersönliches Rechtsgut.60 In Ermangelung der Einsichtsfähigkeit sollen alle geistig oder seelisch Behinderten und psychisch kranke Menschen ausgeschlossen werden.61

3.) Freiwilligkeit der Einwilligung

Da es sich um einen Eingriff in höchstpersönliche Rechte des Spenders handelt, kommt eine Rechtfertigung durch Einwilligung in Betracht, wobei wegen der Risiken und der fehlenden medizinischen Indikation dabei grundsätzlich höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei einem Heileingriff.62

Die Einwilligung gem. §8 I 1 Nr. 1b TPG muss freiwillig, also ohne äußeren Zwang wie Gewalt und Drohung und mit Ausschluss von wesentlichen Irrtümern beim Patienten63 in schriftlicher Form64 abgegeben werden. Ein Willensmangel liegt vor, sofern die Einwilligung nicht in Kenntnis aller Konsequenzen, welche sich aus der Organentnahme ergeben oder ergeben könnten, erklärt wird.65 Aufgrund der Reichweite der Entscheidung muss der Spender selbst ausdrücklich der Organentnahme zugestimmt haben.66 Die Einwilligung kann dabei jederzeit formlos zurückgenommen werden67.

Problematisch ist jedoch zu ermitteln, ob die Spendebereitschaft wirklich auf Freiwilligkeit zurückzuführen ist. Bestehen Zweifel an der Freiwilligkeit ist wegen den weitreichenden Folgen der Lebendspende von einer Einwilligungsunfähigkeit auszugehen.68

4.) Aufklärung

Um dem Spender das notwendige Wissen über den Eingriff zu verschaffen ist als eigentliche Voraussetzung der Freiwilligkeit der Entscheidung69 eine Aufklärung erforderlich.70 Daher ist diese gem. §8 I 1 Nr. 1b TPG nach Maßgabe der Anforderungen in §8 II TPG vorzunehmen. Die Aufklärung dient dazu, dem Spender die Auswirkungen der Spende auf seine Gesundheit71 nahe zu bringen und das sich sowohl in medizinischer als auch privater Hinsicht Veränderungen ergeben könnten. Hierbei wird über das medizinische Hintergrundwissen, Risikopotenziale und Komplikationen, den Dringlichkeit beim Empfänger und über die Wahrscheinlichkeit des Gelingens der Transplantation72 und mögliche Spätfolgen informiert.73 Erst dadurch ist es dem Spender überhaupt möglich, sein grundrechtlich verbürgtes Selbstbestimmungsrecht wahrzunehmen.74

5.) Geeignetheit des Spenders und des Organs

Um mögliche medizinische Spätfolgen weitestgehend auszuschließen muss der potenzielle Spender nach ärztlicher Beurteilung geeignet sein. Eine Gefährdung über das Operationsrisiko hinaus soll also ausgeschlossen werden.75 Eine Organentnahme, die schwere gesundheitliche Folgen nach sich zöge, könnte gem. §228 StGB und wenn sie den sicheren Tod bedeuten würde gem. §216 StGB trotz Einwilligung rechtswidrig sein.76 Somit ist eine vorherige und gründliche Untersuchung erforderlich, um festzustellen, ob etwaige gesundheitliche Risiken und Spätfolgen zu erwarten sind.77

Zudem darf die Lebendspende gem. §8 I 1 Nr. 2 TPG nur dann durchgeführt werden, wenn das zu entnehmende Organ zur Transplantation geeignet ist. Das Organ muss dafür nach ärztlicher Beurteilung gesund sein und muss imstande sein, das Leben des Menschen zu erhalten, schwerwiegende Krankheiten zu heilen und Verschlimmerungen zu verhüten oder zumindest geeignet sein, die Beschwerden des Empfängers zu lindern (§8 I 1 Nr. 2 TPG).78 In dieser Regelung ist ein Schutz des Spenders nach dem Prinzip des Nichtschadens zu sehen, der nicht umsonst in seiner körperlichen Unversehrtheit beeinträchtigt werden soll, wenn dies dem Empfänger keine erheblichen gesundheitlichen Vorteile bringt.79

6.) Erforderlichkeit der Spende - Subsidiarität gem. §8 1 I Nr. 3 TPG

Ferner müsste die Organtransplantation auch erforderlich sein. Dies ist gem. §8 I 1 Nr. 3 TPG nur dann der Fall, wenn es die letzte Möglichkeit darstellt, den Empfänger zu retten, m.a.W., wenn zum Zeitpunkt der Entnahme beim Lebendspender kein geeignetes postmortal gespendetes Organ zur Verfügung steht.80 Durch diese Subsidiaritätsklausel wird die bereits in der Gesetzessystematik konstituierte vorrangige Einordnung der Leichenspende betont. Durch diese Regelung soll vor allem gewährleistet werden, dass die Suche nach postmortal gespendeten Organen nicht vernachlässigt wird.81

7.) Spenderkreisbegrenzung des §8 I 2 TPG

In §8 I S.2 TPG wird die Übertragung von nicht regenerierbaren Organen nur auf Verwandte 1. und 2. Grades, Ehegatten, Lebenspartner, Verlobten oder anderen Personen zugelassen, welche dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen. Hierbei ist der Spenderkreis weitestgehend konkret benannt. Lediglich hinsichtlich der unbestimmten Begriffe „in besonderer persönlicher Verbundenheit“ sich „offenkundig“ „nahe stehen“ gibt es Unsicherheit. Die Unbestimmtheit der Begriffe ist insbesondere bedenklich wegen der mit der Regelung verbundenen Strafandrohung.82 Gemeint sein soll eine auf Dauer angelegte häusliche Lebensgemeinschaft83 in der der Gesetzgeber eine gemeinsame Lebensplanung mit innerer und äußerer Bindung vermutet.84 Die Motivation zur Spende ergebe sich aus einem innerlich akzeptierten Gefühl der sittlichen Pflicht, das aus einer persönlichen Verbundenheit erwächst.85 Die Intention des Gesetzgebers ist es den Organhandel dadurch zu unterbinden, dass er die Organspende auf die Verwandtschaft und vergleichbar enge persönliche Beziehungen beschränkt, bei denen er eine besondere persönliche und sittliche Verbundenheit vermutet.86 Darüber hinaus sieht er die Freiwilligkeit der Spende dadurch gesichert.87 Diese Reglung ist jedoch nicht unumstritten, sodass auf diese Problematik unten i.R.d. Frage nach der Ausweitung der Lebendspende ausführlich zurückzukommen sein wird.

8.) Ärztlicher Eingriff

§8 I 1 Nr. 4 TPG schreibt vor, dass die Organentnahme zwingend von einem Arzt vorgenommen werden muss. Ziel ist es durch einen sicheren, sachgerechten Ablauf der Transplantation die Gesundheit von Spender und Empfänger zu schützen.88 Zudem kann hiermit die Lebendspende auf eine seriöse Grundslage gestellt werden, um so dazu beizutragen, die Spendebereitschaft zu erhöhen.

9.) Nachbetreuung

§8 III 1 TPG sieht vor, dass die Organentnahme erst vorgenommen werden darf, wenn sich Spender und Empfänger zu einer Teilnahme an einer ärztlich empfohlenen Nachsorge in den Transplantationszentren bereit erklärt hat.89 Damit soll eine sachgerechte Versorg sichergestellt werden. Übernähme ein anderer Arzt die Betreuung und handelt dabei fehlerhaft, könnte dieser sich wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung strafbar machen.

10.) Gutachterkommission

Weiterhin ist die gutachterliche Stellungnahme der zuständigen, unabhängigen Gutachterkommission als Verfahrenssicherung zwingend vorgesehen (§8 III 2 TPG).90 Diese hat zu ermitteln, ob die Einwilligung tatsächlich auf Freiwilligkeit beruht und ob es Anzeichen eines möglichen Organhandels gibt.91 Der Arzt kann diese Stellungnahme berücksichtigen, ist jedoch nicht an sie gebunden.

II. Handelsverbot und Strafvorschriften

§§18 i.V.m. 17 TPG verbietet den Handel mit Organen, welche zu therapeutischen Zwecken implantiert werden.92 Ausgenommen aus dem Gesetz sind Knochenmark und Blut (§1 II TPG) und damit nicht geeignetes Objekt strafbaren Organhandels.93 Das Handeltreiben i.S.d. TPG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Organen gerichtete Tätigkeit.94

In erster Linie soll die Menschenwürde geschützt werden, denn durch den Organhandel, würde der potentielle Spender seine Subjektsqualität einbüßen.95 Damit soll auch verhindert werden, dass Notlagen potentieller Organempfänger und wirtschaftliche Notlagen potentieller Organspender in besonders verwerflicher Weise aus eigensüchtigen und wirtschaftlichen Motiven von kommerziellen Organhändlern ausgenutzt werden.96 Ferner sollen finanzielle Anreize nicht dazu führen, die eigene Gesundheit zugunsten wirtschaftlicher Vorteile zu beeinträchtigen.97 Durch den Straftatbestand des §18 TPG soll dieser Schutz besser gewährleistet werden.98

Nach §19 II TPG ist es unter Strafandrohung verboten entgegen der strafbewehrten Zulässigkeitsvoraussetzungen zur Organentnahme bei lebenden Menschen, Organe zu transplantieren.99 Prekär ist dabei die Strafbewährtheit der Übertragung von Organen nach §8 I 2 TPG. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn die Organentnahme zum Zweck der Übertragung auf eine andere Person erfolgt und derjenige, der das Organ entnimmt, in Kenntnis darüber handelt, dass es sich um eine Person handelt, die nicht unter § 8 I S. 2 TPG fällt.100 III. Verfassungsrechtliche Einordnung unter Berücksichtigung der Bestätigung der Regelung des §8 I 2 TPG durch das BVerfG Bei der Lebendspende besteht eine Dreieckskonstellation zwischen Spender, Empfänger und Arzt, wobei jedem einzelnen Grundrechte zustehen.101 Hier soll zunächst die Lebendspende unter Berücksichtigung des Urteils des BverfG NJW 1999, 3399 ff. verfassungsrechtlich eingeordnet werden, um sodann in Teil D dieser Rechtsprechung einer kritischen Würdigung unter Bezugnahme auf eine Ausweitung der Lebendspende zu unterziehen.

1.) Verfassungsrechtliche Aspekte des §8 I 2 TPG

Fraglich ist, ob die Einschränkung des Spenderkreises für nicht regenerierbare Organe überhaupt verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

a.) Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem

Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 II GG Mit der Verletzung des §8 1 2 TPG ist ein hohes Maß an Kriminalisierung verbunden.102 Ein Gesetz muss jedoch klar zum Ausdruck bringen, welche Auswirkungen die Regelung auf den Bürger hat.103 Daher muss es umso präziser gefasst sein, je schwerer die angedrohte Strafe ist.104 Dies ist hier mit Hinblick auf die unbestimmten Rechtsbergriffe, die das Gesetz verwendet, gerade fraglich105. Allerdings geht das BVerfG davon aus, dass sich über die üblichen Auslegungsmethoden106 unter Zuhilfenahme der Gesetzesmaterialien der Inhalt der Norm hinreichend ermitteln lässt.107 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass §8 I 2 TPG und der darauf bezogene Straftatbestand des §19 II TPG ausreichend bestimmt seien.108

b.) Vereinbarkeit mit Art. 2 II 1 GG (Empfänger)

Es besteht Anlass zu der Annahme, dass die Regelung das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des Empfängers tangiert109. Dieses schützt, die biologisch-physische Existenz und vor allen vor Einwirkungen, die die menschliche Gesundheit im biologisch-physiologischen Sinne beeinträchtigen.110 Es wird auch das psychische Wohlbefinden erfasst, soweit damit körperlichen Schmerzen vergleichbare Wirkungen verbunden sind.111 Darüber hinaus wird die körperliche Integrität als solche geschützt, weshalb auch Heileingriffe erfasst werden.112 Dem Schutz des Lebens kommt eine besondere Bedeutung zu: Das Leben ist die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung aller anderen Grundrechte.113 Nach der Rechtsprechung des BVerfG muss bei der Krankenversorgung jeder Patient sicher sein, „dass sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG nach allen Regeln ärztlicher Kunst gewahrt wird“114. Fraglich ist, ob die Versorgung mit Transplantaten als Realisierung des vom Grundrecht umfassten Bereiches zählt. Der Staat hat zwar die Pflicht irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, die auf die Versorgung kranker Menschen gerichtet ist. Es besteht hingegen kein leitungsrechtlicher Anspruch i.S.e. Rechts auf bestmöglichste medizinische Versorgung.115 Ansprüche auf staatliche Leistung folgen ohnehin nur als Ausnahme aus Art 2 II 1 GG.116

(1.) Betroffenheit und Eingriff

Zunächst müsste der mögliche Empfänger auch von der Regelung betroffen sein können. Das BVerfG verneint die Betroffenheit des Eingriffs, denn Intention der Regelung in §8 I 2 TPG sei es u.a. Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit (potentieller Spender) zu verhindern.117 Damit ist der Empfänger schon nicht Adressat der Regelung.118 Eine Selbstbetroffenheit kann aber auch dann vorliegen, wenn ein Betroffener nicht selbst Adressat des Gesetzes ist, durch dieses jedoch in rechtlich erheblicher Weise betroffen wird.119 Dies ist anzunehmen, wenn bei einem Spender ein Organ zugunsten der grundrechtlich geschützten Gesundheit des potentiellen Empfängers entnommen werden soll.

Das BVerfG sieht Art 2 II 1 GG tangiert, wenn durch staatliche Regelungen einem krankem Menschen medizinisch mögliche Therapien versagt werden, welche das Potential haben sein Leben zu verlängern oder zumindest eine nicht unwesentliche Verringerung seines Leidens ermöglichen können.120 Als Abwehrrecht sichert Art. 2 II 1 grundsätzlich vor Maßnahmen des Staates, die lediglich mittelbar zu einer Verletzung führen. Die mittelbare Verletzung müsse aber dann das Maß einer sozial-adäquaten Beeinträchtigung übersteigen und eine adäquate Folge der staatlichen Tätigkeit sein.121

Der Gesetzgeber hat die Therapiemöglichkeiten dieser Patientengruppe kausal zurechenbar nachhaltig beeinträchtigt.122 Eingriffsqualität ist hierbei anzunehmen, da der Eingriff sich in einer konkreten Konstellation so darstellt, dass der Empfänger ein Organ nicht oder nur später erhält, das er anderenfalls mit Gewissheit erhalten würde. So etwa bei Fällen, in denen die Spende fremdgerichtet ist, aber einen bestimmten Empfänger bezeichnet und begünstigt. Der potentielle Empfänger ist etwa durch seine Niereninsuffizienz oder andere nachhaltige Erkrankungen von Organen in seiner Gesundheit beeinträchtigt. Eine Dialysebehandlung stellt für ihn eine Einbuße an Lebensqualität dar. Steht keine solche alternative Behandlungsmethode zur Verfügung, ist der potentielle Empfänger gar in seiner Existenz bedroht. In einigen Fällen kann das Leben des potentiellen Empfängers betroffen sein, wenn etwa wegen Diabetes o.a. Krankheiten die Dialysebehandlung allenfalls eine temporäre Lösung darstellt. Die einzige Möglichkeit, die Krankheit zu lindern bzw. gar den Tod abzuwenden, ist eine Lebendspende.

(2.) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Bei der Rechtfertigung des Eingriffs steht dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu, um einen Ausgleich zwischen medizinischen Möglichkeiten, ethischen Anforderungen und gesellschaftlichen Vorstellungen zu schaffen123

Legitimer Zweck der Regelung ist das Ziel des Gesetzgebers die Freiwilligkeit des Spenders wahren, den Organhandel zu verhindern, den Schutz des Spenders vor sich selbst zu gewährleisten und den Vorrang der postmortalen Spende zu betonen.124 Diese Ziele basieren auf vernünftigen Gründen des Allgemeinwohls.125

Die Geeignetheit der Regelung zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele wird bejaht. Aufgrund des Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers sei anzunehmen, dass diese Ziele auch nur durch diese restriktive Regelung erreicht werden können. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Freiwilligkeit der Lebendspende nur bei verwandtschaftlichen oder sonstigen Näheverhältnissen gegeben sei.126

Die Regelung ist nach Ansicht des BVerfG auch erforderlich, da kein milderes Mittel zur Verfügung steht, das den Zweck gleichermaßen in weiniger grundrechtsbeschränkender Weise127 erreichen könnte. Insbesondere könne die Lebendspendekommission nicht allein durch Verfahren die Freiwilligkeit sicherstellen, da diese lediglich tatsächliche Anhaltpunkte dafür feststellen könnte, ob die Spende nicht freiwillig erfolgte und Anhaltspunkte für einen Organhandel vorliegen.128 Die Regelung ist somit auch erforderlich, um das Ziel, potentielle Organspender vor Gesundheitsgefährdungen möglichst weitgehend zu schützen und damit den Vorrang der postmortalen Organentnahme zu verdeutlichen, zu erreichen.129

Schließlich müsste die restriktive Regelung auch angemessen sein. Auf der Seite des Empfängers stehen zwar herausragende Rechtsgüter zur Disposition, jedoch stehen denen die Gemeinwohlbelange von hoher Bedeutung entgegen. §8 I TPG trägt dazu bei ein Höchstmaß an Seriosität und Rechtssicherheit in der sensiblen Transplantationsmedizin herzustellen.130 Ferner ist die Lebendspende für den potentiellen Organempfänger in aller Regel nicht das einzige Mittel der Lebenserhaltung oder Gesundheitsverbesserung ist.131 Weiterhin durften Aspekte des Gesundheitsschutzes auch auf Seiten des potentiellen Organspenders berücksichtigt werden.132 Die Regelung ist somit nach Ansicht des BVerfG auch angemessen.

c.) Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG (Empfänger)

Art. 3 I GG schützt den Grundrechtsträger davor, dass wesentlich Gleiches willkürlich ungleich behandelt wird, also zwei vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden, was mittelbar zur Ungleichbehandlung von Personengruppen führt.133

Die zum Vergleich herangezogenen Patientengruppen seien nach Ansicht des Gerichts nicht dermaßen fest umrissen, dass eine Verletzung des Gleichheitssatzes vorläge - vor allem würde die Spenderkreisbegrenzung alle Normadressaten gleichermaßen treffen.134 Faktische Beeinträchtigungen erfahren dabei ihre Rechtfertigung in der Einschätzung des Gesetzgebers, dass eine verwandtschaftliche oder entsprechende enge persönliche Beziehung grundsätzlich die einzige Gewähr für die Erreichung der gesetzgeberisch verfolgten legitimen Ziele.135 Die Vereinbarkeit mit 3 I GG wird vom Gericht bejaht.

d.) Vereinbarkeit mit Art. 2 I GG (Spender)

Unter Verzicht auf die dogmatische Herleitung136 wird hier die Auffassung vertreten, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen über den eigenen Körper aus Art. 2 I GG abzuleiten137 Zur grundrechtlichen Freiheit der organspendenden Menschen gehöre die Möglichkeit, für die eigene Person Risiken einzugehen oder Schäden in Kauf zu nehmen, solange dabei nicht Interessen Dritter oder der Allgemeinheit in Mitleidenschaft gezogen würden.138 Der von Eingriff in Art. 2 I GG sei ebenso wie der Eingriff in Art. 2 II 1 GG durch legitime Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt.139 Insbesondere müsse der vom Gesetzgeber legitimerweise verfolgte „Schutz des Spenders vor sich selbst“ gewährleistet werden. Selbstgefährdendes Handeln sei zwar Ausübung der grundrechtlichen Freiheit, aber es liegt im Gemeinwohlanliegen, den Menschen davor bewahren sich selbst größere persönliche Schäden zuzufügen.140 Art. 2 I GG verleihe darüber hinaus keinen Anspruch dass der Staat durch entsprechende Vorkehrungen eine vollständig altruistische, anonyme und fremdgerichtete Organspende ermöglicht.141

e.) Vereinbarkeit mit Art. 2 I i.V.m. 1 I GG (Spender)

Darüber hinaus wird in der Literatur vertreten, das Selbstbestimmungsrecht über das allgemeine Persönlichkeitsrecht herzuleiten. Durch das TPG könnte ein Verletzung gem. Art. 2 I i.V.m. Art.1 I GG gegeben sein, indem es erwachsenen und einsichtsfähigen Bürger versagt wird als Lebendorganspender aufzutreten. Das Persönlichkeitsrecht schützt die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen.142 Es wird jedem Einzelnen ein persönlicher Bereich privater Lebensgestaltung zugesichert, in dem er seine Persönlichkeit entwickeln kann (sog. Privatsphäre).143 Das Selbstbestimmungsrecht gibt jedem Einzelnen die Möglichkeit über seinen Körper so zu bestimmen, wie er es möchte. Gerade dieser Selbstbestimmung kommt in verfassungsrechtlicher Hinsicht eine große Bedeutung zu, denn der eigene Körper stellt den elementarsten Bereich, der sog. Intimsphäre, mithin des Selbstbestimmungsrechts dar144, denn kaum ein Gut ist dem Menschen in solchem Maße eigen wie sein eigener Körper145. Damit habe der Grundrechtsträger auch das Recht ohne Überprüfung oder Bewertung seiner Erwägungen frei zu gestalten und somit auch irratonale Entscheidungen zu treffen146. Durch das TPG und dessen Spenderkreisbegrenzung wird in dieses Recht eingegriffen.

f.) Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG (Spender)

Unberücksichtigt vom BVerfG blieb, dass auch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG in bestimmten Konstellationen verstoßen werden könnte, sofern einige Spender des Oberbegriffs „potentielle Spender“ aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht zur Spende zugelassen werden.147 Die Unterscheidung von spendewilligen Fremden und spendewilligen Verwandten stellt einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz dar.148 Zur Rechtfertigung des Eingriffs sind dabei die gleichen Gründe wie bei den anderen Grundrechtsverletzungen zu bewerten.149

g.) Vereinbarkeit mit Art. 4 I GG

Zudem ist denkbar, dass Art. 4 I GG einschlägig ist. Dieser schützt glaubensbezogene Handlungen und auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an seiner religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung auszurichten und zu handeln.150

[...]


1 DSO http://www.dso.de (Stand: 01. Mai 2005).

2 DSO aaO; detailliert vgl. Eurotransplant, www.eurotransplant.nl (Stand: 1 Mai 2005).

3 Transplantation von Organen 2004 ohne Lebendspende, Quelle: DSO aaO.

4 Transplantationen im Jahr 2004 nach Lebendspende (Niere und Leber), Quelle: Eurotransplant aaO.

5 Ausführliche Darstellung und Erläuterungen im Anhang Abb. 1.

6 DSO aaO; Breyer ZME 2002, 111, 113.

7 BT-Drs.13/4355, S.11; vgl. BVerfG NJW 1999, 3399, 3400.

8 Nat.Ethikrat Infobrief 04/04 S. 4.; BT-Drs. 15/5050 S. 7; Breyer ZME 2002, 111, 113.

9 Biller-Adorno, Komm-Drs. 15/149, S. 1.

10 Senniger/Wolters, TxMed 2003, 56, 56.

11 BÄK DÄBl. 2000, A-3287, A-3287; BT-Drs. 15/5050, S. 7.

12 DSO aaO.

13 BZgA www.bzga.de (Stand. 1.Mai 2005); vgl. auch www.junge-helden.org.

14 Allensbach, Nr. 14/2004; BZgA (für das Jahr 2003 bei 14- bis 24-Jährigen), aaO; Klinkhammer, DÄBl, 2002, A-2241, A-2241.

15 BT-Drs. 15/5050, S.7.

16 www.junge-helden.org.

17 Vgl. BT-Drs. 15/5050, S. 7.

18 Breyer, ZME 2002, 111, 111.

19 Siehe Glossar.

20 Siehe Glossar.

21 Parzeller/Bratzke, RechtsMed 2003, 357, 357; vgl. Schreiber, M., S.19f..

22 BT-Drs. 15/5050 S. 35; vgl. auch Laufs, ArztR, Rn. 142 u. 275.

23 Achilles, S. 166; Deyerler IV. B.; Schreiber, M., S. 56; Ugowski, S. 95.

24 Gutmann/Schroth, S. 109.

25 Feuerstein, S. 201.

26 Gutmann/Schroth, S. 109.

27 BT-Drs. 15/5050, S.8; Schreiber, M., S.20.

28 Seidenath, MedR 1998, 253, 253.

29 DSO aaO.

30 Vgl. Anhang Abb. 4.

31 BT-Drs. 15/5050, S. 12.

32 Siehe Glossar.

33 DSO aaO.

34 Achilles, S. 127; Kirste, Komm-Drs. 15/139, S. 15.

35 BT-Drs. 15/5050, S. 11; Geisler, S.2.

36 Geisler, S.2

37 BT-Drs. 15/5050, S. 10.

38 Kirste, Komm-Drs.15/132, S. 12.

39 Siehe Glossar.

40 Siehe Anhang Abb. 4.

41 Achilles, S. 122.

42 Siegmund-Schultze, ÄZ 2004.

43 Achilles, S. 122.

44 Breyer, ZME 2002, 111, 114; vgl. auch BZgA aaO.

45 Achilles, S. 109.

46 BT-Drs. 15/5050, S. 17; Kirste, Komm-Drs. 15/132, S. 4; Neuhaus, Komm-Drs. 15/151.

47 DSO aaO.

48 BT-Drs. 15/5050, S.8.

49 Kirste, Komm-Drs. 15/132, S. 12.

50 Senniger/Wolters, TxMed 2003, 56, 57.

51 BT-Drs. 15/5050, S. 16.

52 Vgl. BT-Drs. 15/5050, S. 18 m.w.Nw..

53 Achilles, S.158; Heuer/Conrads, MedR 1997, 195, 195; Laufs, NJW 1995, 2398, 2398.

54 Deutsch, NJW 1998, 777, 777; Jarass/Pieroth, Art. 74, Rn. 60.

55 Deutsch, NJW 1998, 777, 778; Schreiber, M., S.49.

56 BT-Drs. 15/5050, S. 20; Deutsch, NJW 1998, 777, 778; Schreiber, M., S.49.

57 Nickel TPG, §8, Rn. 5.

58 Deutsch, MedR, Rn. 105; Laufs, ArztR, Rn. 222.

59 Vgl. Laufs/Uhlenbruck, ArztR, §66, Rn.9; Laufs, ArztR, Rn. 169.f.; LK StGB/ Hirsch, §32, Rn.118.

60 Laufs/Uhlenbruck, ArztR, §66, Rn.9; Schreiber, M., S.58.

61 BT-Drs. 13/4355 S. 20; Höfling, § 8, Rn. 11.

62 Deyerler, IV., C., 1.; vgl. Pfeiffer, S. 39f. u. 43.

63 BGHSt 4, 88, 90; 19, 201, 206; Schreiber, M., S.69.

64 Vgl. Schreiber, M., S. 67.

65 Schreiber, M., S. 69.

66 Höfling, §8, Rn. 31; Laufs, ArztR, Rn. 276.

67 Höfling, §8, Rn. 32.

68 BT-Drs. 15/5050, S. 20.

69 Nickel TPG, §8, Rn. 6; Schreiber, M., S. 76.

70 Vgl. Deutsch, MedR, Rn. 100f.; Laufs, ArztR, Rn.169f.; Schreiber, M., S. 69.

71 Schreiber, M., S. 75; vgl. Laufs ArztR, S. 98.

72 Höfling, §8, Rn.95; Roxin/Schroth, S. 272.

73 BT-Drs. 15/5050, S. 20; Deyerler, IV., C., 1.,a.; Schreiber, M., S. 75f..

74 BVerfGE 52, 131, 173.

75 Höfling, §8, Rn. 39; Nickel. §8, Rn. 7.

76 BT-Drs. 15/5050, S. 21; Deyerler IV., C. ,1. ,b..

77 Nickel TPG, §8, Rn. 7.

78 Nickel TPG, §8, Rn. 8.

79 BT-Drs. 15/5050, S. 21.

80 BÄK, Komm-Drs. 15/139, S.5; vgl. Gutmann/Schroth, S.77.

81 BT-Drs. 13/4355, S. 20; BT-Drs. 15/5050, S. 21; Höfling, § 8, Rn. 53.

82 Dazu siehe unten C. II. 1.a. u. D. I. 1. a..

83 Schreiber, M., S. 118; Pfeiffer, S. 93.

84 BT-Drs. 13/4355, S. 20f.; BVerfG NJW 1999, 3399, 3400.

85 BT-Drs. 13/4355, S. 20.

86 BT-Drs. 13/4355, S. 20.

87 BVerfGE 1999, 3399, 3400.

88 BT-Drs. 13/4355, S. 20.

89 BT-Drs. 15/5050, S. 21f.; Roxin/Schroth, S. 275; vgl. dazu oben Risiken A. III..

90 BT-Drs. 15/5050, S. 22; Höfling, §8, Rn. 111 u. 113.

91 Roxin/Schroth, S. 275.

92 BT-Drs. 13/4355, S. 29.

93 BT-Drs. 13/4355, S. 29; Roxin/Schroth/ König, S. 296.

94 BGHSt 29, 239, 240; Höfling, §17, Rn. 17; Roxin/Schroth, S. 277; Schreiber, M., S.229.

95 Sasse, S. 93.ff.; a.A. Roxin/Schroth, S. 276. siehe dazu auch unten D. III.

96 BT-Drs. 13/4355, S. 15, 29; 13/8017, S. 44; Heuer/Conrads, MedR 1997, 195, 202.

97 BT-Drs. 13/4355, S. 29.

98 BT-Drs. 13/4355, S. 44.

99 Pfeiffer, S. 50; Vgl. Roxin/Schroth, S. 273f..

100 Höfling, §19, Rn. 40.

101 BVerfG NJW 1999, 3399, 3400; BT-Drs. 15/5050, S. 18; Pfeiffer, S. 51.

102 Deutsch, NJW 1998, 777, 782.

103 BVerfGE 49, 168, 181; 59, 104, 114; 80, 103, 107; Pfeiffer, S. 90.

104 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 1191.

105 Vgl. oben C. I. 1. 7..

106 BVerfGE 83, 130, 145; NJW 1999, 3399, 3400.

107 BVerfG NJW 1999, 3399, 3400; vgl. bereits oben C. I. 1. 7..

108 BVerfG NJW 1999, 3399, 3400; Jarass/Pieroth, Art. 103, Rn.50.

109 Esser, S. 145ff.; Gutmann, MedR 1997, 147, 148; Heuer/Conrads, MedR 1997, 195, 201; Ugowski, S. 62 ff..

110 BVerfGE 56, 54, 74f.; Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 61f..

111 ebenda.

112 BVerfGE 52, 131, 174f.; Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 62.

113 BVerfGE 39, 1, 42.

114 BVerfGE 57,70, 99.

115 BVerfG MedR 1997, 318, 318; Esser, S. 39f. u. 45; Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 60.

116 Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 69; Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 60.

117 BT-Drs. 13/4355, S. 11; BVerfG NJW 1999, 3399, 3400; Pfeiffer, S. 100.

118 BVerfG NJW 1999, 3399, 3399f.; BT-Drs. 15/5050, S. 22.

119 BVerfGE 51, 386, 395; NJW 1999, 3399, 3399f..

120 BVerfG NJW 1999, 3399, 3400; vgl. Pfeiffer, S. 98.

121 BVerfG NJW 1999, 3399, 3401; vgl. Pfeiffer, S. 99.

122 BVerfG NJW 1999, 3399, 3401.

123 BVerfG NJW 1999, 3399, 3401.

124 BT-Drs. 13/4355, S. 20.

125 BVerfG NJW 1999, 3399, 3401.

126 BVerfG NJW 1999, 3399, 3401.

127 BVerfGE 90, 145, 172.

128 BVerfG NJW 1999, 3399, 3402.

129 BVerfG NJW 1999, 3399, 3402.

130 BVerfG NJW 1999, 3399, 3402.

131 BVerfG NJW 1999, 3399, 3402.

132 BVerfG NJW 1999, 3399, 3402.

133 BVerfGE 49, 148, 165; 91, 346, 362f.; 95, 267, 316; Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 4.

134 BVerfG NJW 1999, 3399, 3402.

135 BVerfG NJW 1999, 3399, 3402.

136 Dazu eingehend Esser, S.60 ff..

137 BVerfGE 52, 131, 168ff..

138 Oduncu/ Gutmann/Schroth, S. 2756ff..

139 BVerfG NJW 1999, 3399, 3402.

140 BVerfGE 60, 123, 132; NJW 1999, 3399, 3401.

141 BVerfG NJW 1999, 3399, 3402.

142 BVerfGE 54, 148, 153; 72, 155, 170; Jarass/Pieroth, Rn. 28.

143 BVerfGE 79, 256, 268.

144 Ugowski, S. 64.

145 Forkel, Jura 2001, 73, 78

146 Ugowski, S. 64.

147 Vgl. Esser, S. 149f..

148 Ugowski, S. 68.

149 Vgl. unten Teil D.

150 BVerfGE 33, 23, 28.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Medizinrecht und Medizinethik. Die Ausweitung der Lebendtransplantation
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Juristische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar zum Bio- und Medizinrecht
Note
16
Autor
Jahr
2005
Seiten
76
Katalognummer
V45477
ISBN (eBook)
9783638428750
ISBN (Buch)
9783638707527
Dateigröße
944 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Rechtsfragen zur Lebendorganspende in Deutschland und übersichtsweise in Europa: Gesetzliche Voraussetzungen der Lebendorganspende, AALS (Anonyme Altruistische Lebendspende), Cross-Over-Spende, Poolmodelle, Kommerzialisierung der Lebendspende, Subsidiarität der Lebendspende, Lebendspendekommission, Voraussetzungen für Minderjährige und Einwilligungsunfähige. Die Datei enthält neben der Seminararbeit ein umfassendes Literaturverzeichnis einen Anhang mit Darstellungen und Tabellen und ein Glossar.
Schlagworte
Rechtsfragen, Lebendorganspende, Deutschland, Seminar, Bio-, Medizinrecht
Arbeit zitieren
Carsten Dochow (Autor:in), 2005, Medizinrecht und Medizinethik. Die Ausweitung der Lebendtransplantation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45477

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