Warum schlägt sich die Digitalisierung nicht in den volkswirtschaftlichen Statistiken nieder?

Gründe und Verbesserungsmöglichkeiten


Hausarbeit, 2018

33 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die ökonomischen Effekte der Digitalisierung
2.1 Sinkende Transaktionskosten für Privatpersonen und Unternehmen
2.2 Sinkende Grenzkosten
2.3 Schnelle Multiplikation
2.4 Grenzenlose Reichweite

3. Grundlagen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
3.1 Bruttoinlandsprodukt
3.2 Das Wohlbefinden der Gesellschaft als Indikator

4. Gründe für die volkswirtschaftliche Nichterfassung der Digitalisierung
4.1 Der Wert der Informationen und Daten
4.2 Neue digitale Produkte und Dienstleistungen
4.3 Interaktionen sind wichtiger als Transaktionen
4.4 Die steigende Rechenleistung und der Trend zu Cloud-Servern
4.5 Digitale Plattformen und Self-Service
4.7 Der Wertbeitrag der Sharing Economy
4.8 Die Steueroptimierung von multinationalen Unternehmen
4.9 Umstrukturierungskosten zu Gunsten der Digitalisierung
4.10 Die verzögerte Wirkung von GPT

5. Verbesserungsmöglichkeiten
5.1 Ermittlung der Zahlungsbereitschaft
5.2 Zeiterfassung
5.3 Glücksforschung
5.4 Digitale Produkte

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Physischer Absatz von Tontragern in Deutschland in den Jahren 1999 bis 2017- in Millionen Stiick (vgl. Statista 2018)

Abbildung 2: Arbeitsproduktivitat in zwei Aren (vgl. Brynjolfsson I McAfee (2014), S. 58).

Abbildung 3: Hurnan Development Index (HOI) (vgl. HOI 2016)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Um die zu Grunde liegende Problematik im Folgenden besser nachvollziehen zu können, betrachten wir einleitend den Zusammenhang zwischen der Digitalisierung und der Volkswirtschaft.

Eine allgemein akzeptierte Definition der Volkswirtschaftslehre hat Samuelson formuliert: „Volkswirtschaftslehre ist die Wissenschaft vom Einsatz knapper Ressourcen durch die Gesellschaft zur Produktion wertvoller Wirtschaftsgüter und von der Verteilung dieser Güter unter ihren Mitgliedern“1. Aus dieser Definition lässt sich die Volkswirtschaft als Wirtschaftsraum verstehen, innerhalb dessen die Wirtschaftssubjekte (Haushalte, Unternehmen und Staat) miteinander interagieren. Im Fokus steht hierbei die Herstellung und Versorgung der Gesellschaft mit Gütern, die primär der Bedürfnisbefriedigung dienen.2 Im Zuge der Digitalisierung verlagert sich diese Art von Gütern zunehmend ins Internet. Es entstehen dadurch digitale Produkte und Dienstleistungen, die entweder einen konventionellen oder innovativen Ansatz aufweisen.

Unter der Digitalisierung im engeren Sinne versteht man „…das Überführen analoger Daten in ein diskretes System mit nur sehr wenigen Wertezuständen…“3. Im Rahmen der Digitalisierung werden demnach analoge Daten mit Hilfe von cyber-physischen Systemen in digitale Abbildungen konvertiert, die aus binären (zweiseitigen) Werten bestehen. Im Zuge der vierten industriellen Revolution ermöglicht die Digitalisierung einer Volkswirtschaft also eine über das Internet geleistete, medienbruchfreie Kommunikation zwischen Haushalten, Unternehmen und staatlichen Behörden.4 Darüber hinaus ermöglichen moderne IT Systeme die Vernetzung von Produktionsmaschinen.5 Diese Vernetzung wird nachhaltig die Arbeits- und Produktionsweise in einer Volkswirtschaft ändern. Nicht nur in der Produktion, sondern auch in den Haushalten selber kommt es zu einer Verschiebung der Interaktion zwischen Mensch und Maschine.

2. Die ökonomischen Effekte der Digitalisierung

Die digitale Transformation bringt eine Vielzahl von wirtschaftlichen Auswirkungen mit sich und verändert somit den wirtschaftlichen Handel grundlegend.6 Dabei lassen sich diese Effekte in allen denkbaren Geschäftsschnittstellen diagnostizieren. Durch die datenbasierte Erfassung und Einbindung von Geschäftskunden lassen sich bestimmte Prozesse und Dienstleistungen im Bereich der Business-to-Business-Schnittstelle intensiv optimieren.7 Somit können bspw. Bestellprozesse gänzlich automatisiert werden, indem der Lagerbestand des Kunden digital erfasst und bei drohenden Engpässen automatisch ein Bestellauftrag an den Lieferanten versandt wird. Dieses Beispiel kann nahezu auf die gesamte Wertschöpfungskette übertragen werden und symbolisiert, welche effizienzsteigernden Auswirkungen die Digitalisierung mit sich bringen kann. Durch soziale Medien, Smart-Home und das Generieren von Echtzeitinformationen hat der digitale Wandel auch starke Effekte auf die Business-to-Customer-Schnittstellen. Unternehmen erhalten wertvolle Kundendaten in Sekundenschnelle und Echtzeit. Somit können auch hier Prozesse optimiert und Kundenwünsche spezifischer erfüllt werden. Dieser Datenfluss eröffnet Unternehmen ganz neue Möglichkeiten und kann durch eine intensive Analyse der Kundendaten und -anforderungen sogar eine Anpassung des Geschäftsmodells zur Folge haben.

Neben den Business-to-Business- und Business-to-Customer-Schnittstellen, lassen sich auch Effekte im Bereich Customer-to-Customer analysieren.8 Durch digitale Plattformen können Kunden eine geschäftliche Beziehung untereinander aufbauen. Die Sharing Economy – Wirtschaft des Teilens – bietet Kunden die Möglichkeit, Produkte oder Dienstleistungen nicht zu besitzen, sondern zu teilen. Klassische Beispiele hierfür sind die digitalen Plattformen AirBnB und Uber. Bei Uber bieten Privatpersonen Taxifahrten für Privatpersonen an. Die Preise dieser Fahrdienste sind deutlich günstiger als die von klassischen Taxiunternehmen. Das gleiche gilt für AirBnB – eine Plattform, welche private Zimmer, Apartments oder Wohnungen unter Privatpersonen vermittelt. AirBnB stellt somit eine kostengünstige Alternative zu Hotels oder Ferienwohnungen dar. In den Beispielen Uber und AirBnB wird deutlich, wie schnell ein Unternehmen im Zuge der Digitalisierung wachsen kann, ohne im Vorfeld etwas Physisches erschaffen zu haben. Ohne ein einziges Gebäude zu bauen oder ein einziges Auto zu produzieren, gehören diese beiden Unternehmen in der jeweiligen Branche zu den größten Akteuren und stellen dadurch eine nicht zu vernachlässigende Bedrohung der klassischen Hotelketten oder Taxiunternehmen dar.9

Letztlich profitieren primär Unternehmen von der Customer-to-Business-Schnittstelle. Durch die digital getriebene Interaktion mit dem Kunden gelangen Unternehmen an überaus wertvolle Daten.10 Diese Daten sind in Bezug auf das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens von essentieller Bedeutung. Eine reine Ansammlung von Daten ist dabei nicht ausreichend. Um von Kundendaten und -informationen profitieren zu können, müssen diese ausgewertet und korrekt interpretiert werden. Nur dann kann ein Unternehmen wichtige Rückschlüsse für das künftige Handeln ziehen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der technische Fortschritt und die darin begründete digitale Transformation zeitgleich auf vielen verschiedenen Gebieten und Ebenen stattfindet. Diese Entwicklung ist klar von früheren Revolutionen, wie etwa die der Dampfmaschine, abzugrenzen. Die technischen Entwicklungen beschleunigen sich gegenseitig und sind stark von den Konsumenten abhängig. Nur durch die massive Ausbreitung von mobilen Endgeräten und die Nutzung des Internets in Form von sozialen Netzwerken und diversen weiteren Plattformen ist eine derartige Entwicklung mit all ihren neuen Geschäftsmodellen und Möglichkeiten aber auch Risiken möglich.11 Abschließend gilt festzuhalten, dass diese Entwicklung durch vier wesentliche ökonomische Auswirkungen gekennzeichnet ist, die in den folgenden Unterkapiteln tiefergehend erläutert werden.

2.1 Sinkende Transaktionskosten für Privatpersonen und Unternehmen

Privatpersonen und Unternehmen profitieren nicht nur von neuen Produkten und Dienstleistungen, welche durch die Digitalisierung geschaffen wurden, sondern es werden auch erhebliche Vorteile für bereits bestehende Güter und Dienstleistungen generiert. Insbesondere durch die gesunkenen Such- und Transaktionskosten können Konsumenten und Unternehmen von einem effizienteren und komfortableren Zugang zu Produkten und Dienstleistungen profitieren.12 Transaktionskosten werden allgemein als Kosten zur Betreibung eines Wirtschaftssystems verstanden. Dabei werden nicht die Produktionskosten, sondern nur die Kosten zur Übertragung von einem Wirtschaftssubjekt zum anderen berücksichtigt. Beispiele hierfür sind Kosten für die Suche, den Vergleich, den Vertragsabschluss, die Kontrolle oder die Veränderung von Verträgen.13 Mithilfe der nahezu unbegrenzten Informationsbereitstellung durch das Internet können Konsumenten ortsungebunden eine Vielzahl von Angeboten vergleichen und Bewertungen anderer Wirtschaftsteilnehmer einholen und in die Kaufentscheidung mit einfließen lassen.14 Der Konsument hat hierdurch nicht nur eine Kosten- und Zeitersparnis, sondern profitiert zusätzlich von der Möglichkeit, seine Handlungsentscheidung durch eine höhere Markttransparenz und einer Vielzahl von Bewertungen abzusichern. Diese Entwicklung zeigt unverkennbar, warum sich die Transaktionskosten durch die Digitalisierung deutlich reduzieren.

2.2 Sinkende Grenzkosten

Die Digitalisierung bringt immer mehr digitale Güter mit sich. Und anders als bei physischen Produkten wird eine fast gänzlich neue Ökonomie geschaffen, welche nahezu neue Gesetze und Regeln für den Bereich der Produktion schafft. Bei digitalen Gütern verliert der Zustand eines Kapazitätsengpasses immer mehr an Bedeutung. Ganz einfach gesagt, ist die Vervielfältigung von Bits um ein vielfaches günstiger als die von Atomen – also die eines physischen Produkts. Begründet liegt dieser Kostenvorteil unter anderem in dem hohen Fixkostenanteil, den digitale Produkte haben. Durch den steigenden Absatz dieser Produkte werden die Fixkosten schnell gedeckt und verteilen sich im Zuge der Fixkostendegression auf mehrere Einheiten.

Der variable Anteil ist hierbei verschwindend gering. Für die Erstellung einer weiteren Mengeneinheit fallen sehr geringe oder sogar gar keine weiteren Kosten – Grenzkosten – an.15 Ganz extrem wird dies an dem Beispiel eines YouTube-Stars deutlich. Dieser stellt eigens produzierte Videos online und begeistert im besten Fall ein Millionenpublikum. Beispiele für den Inhalt dieser Videos können Styling-Tipps oder Schmink-Tutorials sein. Die Fixkosten für die Videoproduktion tragen hierbei den größten Anteil und sind dennoch sehr gering. Fixkosten sind hier bspw. die Vertragsgebühr des Internetanbieters, die Gebühr, welche für die kommerzielle Nutzung von YouTube gezahlt werden muss, oder die Miete eines Aufnahmestudios. Durch die reduzierten oder sogar verschwundenen Kapazitätsengpässe erschafft die Digitalisierung ganz neue Märkte. Im Beispiel des YouTube-Stars spielt es keine Rolle, ob das Video für hundert oder mehrere Millionen Menschen produziert wird. Der Inhalt ist auf der ganzen Welt abrufbar.16

2.3 Schnelle Multiplikation

Der dritte wichtige Effekt der Digitalisierung liegt in der Geschwindigkeit der Vervielfältigung und Verbreitung begründet. Um ein Produkt an möglichst viele Nutzer zu bringen, benötigt man – insbesondere in Zeiten der Digitalisierung – effektive und effiziente Plattformen für die Verbreitung. Die hohe Geschwindigkeit der Multiplikation liegt oftmals in den sogenannten positiven Netzwerkeffekten begründet. Ein passendes Beispiel hierfür ist der Messenger-Dienst WhatsApp. Der Vorteil der Nutzung von WhatsApp steigt mit jedem weiteren Nutzer überproportional an.17 Mithilfe dieses Effektes konnte WhatsApp in kürzester Zeit Millionen von Nutzern generieren und eines der mächtigsten Netzwerke weltweit aufbauen.

Dieser Effekt trifft nicht nur auf digitale Produkte zu, sondern auch auf physische. Somit ist es für einen Smartphone-Hersteller nicht nur wichtig, ein funktionales Produkt auf den

Markt zu bringen, sondern auch Investitionen in digitale Plattformen zu tätigen. Eine Kombination aus wettbewerbsfähigen und innovativen Produkten auf der einen Seite und starken, mit intensiven Netzwerkeffekten getriebene Plattformen auf der anderen Seite führt zu einer optimalen Vermarktung.18

2.4 Grenzenlose Reichweite

Die grenzenlose Reichweite als vierter ökonomischer Effekt der Digitalisierung schließt dieses Kapitel ab. Durch die weltweite Ausdehnung des Internets können Anbieter auf vollkommen neue Zielgruppen und Märkte zugreifen. Gleiches gilt auf Konsumentenseite. Durch die Globalisierung und die Entwicklung von Online-Shops können Waren aus der ganzen Welt bezogen werden. Des Weiteren steht diese Art des Verkaufens 24 Stunden am Tag zur Verfügung und die Vorgänge laufen von der Bestellung bis hin zur Auslieferung nahezu automatisch.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass wertvolle Daten wie bspw. Informationen über das Konsumentenverhalten auf der ganzen Welt gesammelt, analysiert und verwendet werden können. Anhand dieser Daten können Unternehmen vollkommen neue Geschäfts- oder Marketingkonzepte entwickeln und sich neu oder parallel aufstellen. Diese Entwicklung bietet Anbietern ein erhöhtes Maß an Flexibilität.19

3. Grundlagen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung

Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) ist eine Aufstellung mehrerer Teilrechnungen über die Entstehung, Verwendung und Verteilung des Einkommens und Vermögens in einer Volkswirtschaft.20 Die bekannteste Größe ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die VGR basiert dabei auf der Kreislauftheorie. Die Berechnung bildet daher die wirtschaftlichen Transaktionen zwischen den Wirtschaftssubjekten zahlenmäßig ab. Die wirtschaftlichen Aktivitäten werden dabei in dem Produktions-, Einkommens- sowie Vermögensveränderungskonto erfasst. Aus diesem Kontosystem wird dann bspw. das BIP abgeleitet. Die VGR spiegelt somit die wirtschaftlichen Zusammenhänge in einer Volkswirtschaft wider.

3.1 Bruttoinlandsprodukt

Das BIP drückt den gesamten Produktionswert einer Volkswirtschaft in einer Kennzahl aus.21 Die Kennzahl dient dabei zur Bobachtung und Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung (Wachstum) und basierend darauf auch des gesellschaftlichen Wohlstands in einer Volkswirtschaft.

Nach dem Verwendungsansatz kann das BIP mit folgender Gleichung ermittelt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

C gibt dabei die Konsumausgaben der Haushalte wieder. I spiegelt die Investitionen der Unternehmen wider. Addiert werden außerdem die Staatsausgaben G sowie der Saldo zwischen den Exporten Ex und Importen Im (Außenbeitrag). Destatis definiert das BIP als den Wert der im Inland erwirtschafteten Leistung (Waren und Dienstleistungen) in einer bestimmten Periode. Das reale BIP misst dabei die Veränderung des BIPs und dient somit als Indikator für das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft.22 Wichtig hierbei ist, dass nur der Wert der Endprodukte nach Abzug aller Vorleistungen berücksichtigt wird. Nach Mankiw und Taylor wird hierbei der Marktwert für den Endverbrauch bestimmter Waren und Dienstleistungen angesetzt.23 Der Marktwert spiegelt dabei die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten wider.24 Ausschlaggebend hierbei ist, welchen Wert die Konsumenten dem Endprodukt beimessen und in welchem Maße dies zum Wohlbefinden beiträgt. Ein Pay-TV-Abonnement von Sky bspw. kostet etwas ; der Streaming-Dienst YouTube dagegen ist kostenfrei. Der Wert von YouTube ist für den Konsumenten durch den individuellen Nutzen wesentlich höher als das kostenpflichtige Abonnement, wird aber nicht in dem BIP erfasst. Das Abonnement hingegen wird erfasst. Zu beobachten ist, dass viele Konsumgüter mittlerweile nahezu kostenlos im Internet angeboten werden und somit den Kauf von dinglichen Produkten überflüssig machen.25

3.2 Das Wohlbefinden der Gesellschaft als Indikator

Der Umstand, dass viele Konsumgüter mittlerweile kostenlos im Internet angeboten, Konsumgüter geteilt (Sharing Economy) und standortunabhängig zur Verfügung stehen werden, stellt die Aussagekraft des BIPs über den Wohlstand einer Volkswirtschaft in Frage.26 Die sogenannte ‚Glücksforschung’ beschäftigt sich mit der Messung des Wohlbefindens. Das Wohlbefinden als Wohlstandsindikator einer Volkswirtschaft beschäftigt sich dabei mit der subjektiven Zufriedenheit und damit, wie sich Menschen fühlen.27 Dabei wird berücksichtigt, was die Gesellschaft eines Landes tatsächlich glücklicher macht und somit zur Erhöhung der Lebensqualität beiträgt. Das BIP allerdings beschäftigt sich nur mit der Entwicklung des materiellen Wohlstands z.B. über die Einkommensveränderung in einer Volkswirtschaft. Das BIP berücksichtigt nicht die Veränderung des subjektiven Wohlbefindens der Gesellschaft und somit auch keine Faktoren, die ebenfalls einen erheblichen Beitrag zum Wohlstand leisten wie z.B. die Intensivität sozialer Kontakte oder der Mitbestimmungsgrad bei der Arbeit sowie Effekte der Digitalisierung. Bestärkt wird dieses Argument durch das Easterlin-Paradoxon, das besagt, dass mehr Einkommen nicht unbegrenzt glücklicher macht.28 Easterlins hat in seinem Forschungsbeitrag über den Zusammenhang von Einkommen und Glück herausgefunden, dass es keinen Zusammenhang gibt. Dennoch ist der Wirtschaftswissenschaftler Bruno S. Frey der Meinung: „ein gewisses Wohlstandsniveau ist zum Glücklichsein unbedingt notwendig – Armut macht unglücklich.“29 Ein weiteres Phänomen ist das wachsende Wohlbefinden der Menschheit und das sinkende BIP.30

Warum es zu diesem Phänomen kommt und welche Faktoren die Erfassung der oben genannte Umstände in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erschweren, wird im folgenden Kapital genauer erörtert.

4. Gründe für die volkswirtschaftliche Nichterfassung der Digitalisierung

Da die Digitalisierung eine große Herausforderung für eine Volkswirtschaft darstellt, müssen folglich auch die Veränderungen auf die volkswirtschaftlichen Kennzahlen beachtet und analysiert werden. Doch wie der Titel der Arbeit schon vermuten lässt, lassen sich die Auswirkung der Digitalisierung nur sehr schwer messen und in Kennzahlen widerspiegeln.

Die Digitalisierung steuert zwar ihren Teil zur Wertschöpfung einer Volkswirtschaft bei, jedoch sind die Quellen dieser Wertschöpfung nicht physisch zu betrachten und daher auch nicht für jedermann detailliert durchleuchtet. Die digitale Revolution fokussiert andere Werte als das abgeschlossene 20. Jahrhundert. Das große Ansehen liegt nun primär auf Ideen statt auf erschaffenen Dingen. Programme und Bits sind wertvoller als das physische Produkt und Interaktionen gewinnen gegenüber Transaktionen ebenfalls mehr an Bedeutung. Eine wichtige Rolle hierbei spielen die freien digitalen Güter und die Wirtschaft des Teilens. Durch diese Aspekte werden Werte geschaffen, die in keinen Unternehmensbilanzen und VGR berücksichtigt werden. Diese Wertschöpfung ist zwar für die Wirtschaftsteilnehmer spürbar, jedoch kaum in Zahlen abbildbar. Durch den Mangel an handfesten Daten ist es für eine Volkswirtschaft schwierig nachzuweisen, welche Auswirkungen die Digitalisierung zahlentechnisch hat.31 Hierbei ist die veränderte Konsumentenrolle von großer Bedeutung. Mithilfe des digitalen Zeitalters kann der Konsument Leistungen oder Teilleistungen selber erbringen oder übernehmen. Ein klassisches Beispiel ist das Buchen von Reisen über eine Internetplattform. Diese Teilleistung wurde vormals nahezu ausschließlich von Reisebüros erbracht. Diese honorierte Dienstleistung wurde im Zuge der Bilanz im BIP erfasst. Diese Erfassung fällt durch die unbezahlte Arbeit, welche von den Konsumenten selbst übernommen wird, weg. Einzig und allein die Zeit, die für Vergleiche und Buchungsprozesse benötigt wird, ist als messbare Komponente gegeben.32

Durch die intensive Nutzung und Verbreitung des Internets entwickeln sich völlig neue Geschäftskonzepte, Unternehmensstrukturen und Vertriebsmöglichkeiten. Im Zuge dessen fordert die digitale Transformation zusätzlich neue Organisationsstrukturen, Institutionen und Fähigkeiten, die bis vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wären. Auch die eventuelle Neubewertung einiger unser Werte spielt dabei eine entscheidende Rolle.33 Die von der Digitalisierung in Gang gesetzten Veränderungen und Neuerschaffungen werden in den folgenden Unterkapiteln als Grund für die Nichterfassung der digitalen Transformation in den volkswirtschaftlichen Kennzahlen tiefergehend durchleuchtet.

4.1 Der Wert der Informationen und Daten

Der Mensch konsumiert nicht nur Daten und Informationen, sondern er generiert sie auch. Diese Datennutzung und -produktion ist sowohl auf menschlicher als auch auf maschineller Seite gegeben. Durch die Speicherung und Auswertung von Daten können deutlich effizientere und erfolgreichere Aktionen erfolgen. Digitaldaten sind hierdurch auffallend wertvoll geworden und werden als die wichtigste Ware des 21. Jahrhunderts beschrieben.34 Problem hierbei ist, dass diese Daten nicht in den Bilanzen der Unternehmen auftauchen – sofern sie nicht für den Erwerb dieser bezahlt haben. Folglich werden diese Werte auch nicht in der VGR berücksichtigt. Eine exakte Bewertung dieser Daten stellt sich als schwierig heraus. Denn durch das Kombinieren von Datensätzen können ganz neue Ergebnisse erschaffen werden. Es können bspw. neue Verhaltensweisen von Kunden aufgezeigt werden, welche bislang nahezu unbedeutende Daten plötzlich extrem wertvoll werden lassen.35 Ein Beispiel sind Daten, die Autos produzieren. Hier können u.a. Daten zur aktuellen Wetter- oder Verkehrssituation gesammelt werden. Sobald der Regen auf die Windschutzscheibe fällt, werden Daten übermittelt, welche die Scheibenwischer automatisch anschalten. Landwirtschaftler können durch diese Daten mit Hilfe eines minutengenauen Regenradars ihre Tätigkeiten optimieren. Schon bedarf es nur noch einer schnellen Datenübermittlung und ein Mehrwert wird geschaffen. Bilanziert wird dieser Mehrwert nur zum Teil, nämlich bei dem Unternehmen, welches die Daten entgeltlich erwirbt.36

Durch die enorme Wertsteigerung von Daten stellen diese in der heutigen Wirtschaft auch ein eigenes Zahlungsmittel dar. Somit können vermeintlich kostenlose Dienstleistungen und Plattformen wie das Google-Konto, der WhatsApp-Messenger oder Instagram doch ihren Preis haben. Und dieser bemisst sich in den Daten ihrer Nutzer. Die Daten der Nutzer können an andere Firmen oder Geschäftspartner verkauft werden. Diese Datengeschäfte sind so profitabel, dass die eigentliche Dienstleistung durch den Kunden ohne Bezahlung in Form von Geld erworben wird.37

Diese Art von Geschäften hat ebenfalls eine große Auswirkung auf das BIP. Um in der analogen Welt eine Textnachricht vom Sender zum Empfänger zu übermitteln, musste ein bestimmter Geldbetrag gezahlt werden. Diese Übermittlung geschieht mit der E-Mail ohne die Bezahlung von Geld. Somit wird diese Transaktion nicht in volkswirtschaftlichen Statistiken zu finden sein, da kein entsprechender Wert gezahlt wurde. Dadurch, dass weniger Briefe geschrieben werden, verringert sich das BIP in diesem Beispiel sogar. Auf der anderen Seite steigt aber das wirtschaftliche Wohlergehen der Gesellschaft, weil der Konsument für eine früher kostenpflichtige Dienstleistung kein Geld mehr zu zahlen hat.38

4.2 Neue digitale Produkte und Dienstleistungen

Wie schon in den vorherigen Kapiteln erwähnt, ist es oftmals schwierig, digitale Produkte und Dienstleistungen in ihrem Wert exakt zu messen. Ergänzend gibt es auch die Variante, dass analoge Produkte durch digitale Produkte ersetzt werden. Ganz extrem wird dieser Vorgang im Bereich der Musikindustrie deutlich. Musik-Streaming-Dienste werden als gänzlich neue Produkte in den volkswirtschaftlichen Verbraucherpreisindex aufgenommen, obwohl es das eigentliche Produkt in analoger Art und Weise schon lange gibt. Dadurch werden preisliche Schwankungen des Streaming-Anbieters zwar volkswirtschaftlich erfasst, jedoch spiegeln sich die preislichen Differenzen zwischen dem analogen und dem digitalen Produkt nicht wider.39 Während in der analogen Musikindustrie für jede Einzeltrack-CD oder für jedes Album ein bestimmter Betrag gezahlt werden musste, wird dem Konsumenten nun über ein Monatsabonnement eine umfassende Datenbank von Musiktiteln, Alben und in vielen Fällen sogar Hörbüchern zur

[...]


1 Samuelson / Nordhaus (1995), S. 28.

2 Vgl. Drewello et al. (2018), S. 14.

3 Vgl. Heuermann et al. (2018), S. 9.

4 Vgl. Heuermann et al. (2018), S. 10f.

5 Vgl. Samulat (2017), S. 3.

6 Vgl. Kollmann / Schmidt (2016), S. 159.

7 Vgl. Hoose et al. (2017), S. 85.

8 Vgl. Hoose et al. (2017), S. 85.

9 Vgl. Eichhorst / Spermann (2015), S. 8ff.

10 Vgl. Hoose et al. (2017), S. 85.

11 Vgl. Kollmann / Schmidt (2016), S. 159.

12 Vgl. Brynjolfsson / McAfee (2014), S. 67.

13 Vgl. Richter / Furubotn (1999), S. 53ff.

14 Vgl. Brynjolfsson / McAfee (2014), S. 67.

15 Vgl. Brynjolfsson / McAfee (2014), S. 87f.

16 Vgl. Brynjolfsson / McAfee (2014), S. 87f.

17 Vgl. Kollmann / Schmidt (2016), S. 78f.

18 Vgl. Kollmann / Schmidt (2016), S. 78f.

19 Vgl. Heinemann (2018), S. 332ff.

20 Vgl. Drewello et al. (2018), S. 122.

21 Vgl. Drewello et al. (2018), S. 123f.

22 Vgl. Destatis (2018b).

23 Vgl. Mankiw / Taylor (2016), S. 630.

24 Vgl. Drewello et al. (2018), S. 123f.

25 Vgl. Straubhaar (2018), S. 10.

26 Vgl. Straubhaar (2018), S. 9.

27 Vgl. Roman Herzog Institut (2013), S. 14f.

28 Vgl. Easterlin (1974), S. 89ff.

29 Vgl. Roman Herzog Institut (2013), S. 14.

30 Vgl. Straubhaar (2018), S. 10; Brynjolfsson / McAfee (2014), S. 64.

31 Vgl. Brynjolfsson / McAfee (2014), S. 63.

32 Vgl. Schäfer / Bieg (2016), S. 2f.

33 Vgl. Brynjolfsson / McAfee (2014), S. 63.; Schäfer / Bieg (2016), S. 2.

34 Vgl. Neugebauer (2018), S. 5.

35 Vgl. businessimpact.eu; Hottelet (2017).

36 Vgl. Neugebauer (2018), S. 267

37 Vgl. Neugebauer (2018), S. 267f.

38 Vgl. Brynjolfsson / McAfee (2014), S. 66.

39 Vgl. Schäfer / Bieg (2016), S. 12f.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Warum schlägt sich die Digitalisierung nicht in den volkswirtschaftlichen Statistiken nieder?
Untertitel
Gründe und Verbesserungsmöglichkeiten
Hochschule
Technische Hochschule Köln, ehem. Fachhochschule Köln
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
33
Katalognummer
V455121
ISBN (eBook)
9783668871953
ISBN (Buch)
9783668871960
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Digitalisierung, volkswirtschaftliche Statistiken, BIP
Arbeit zitieren
David Spoida (Autor:in), 2018, Warum schlägt sich die Digitalisierung nicht in den volkswirtschaftlichen Statistiken nieder?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455121

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