Analyse von Storni und Implikationen für die Gestaltung eines Stornomanagements in Lebensversicherungsunternehmen


Diplomarbeit, 2005

94 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Ausgewählte Aspekte der Lebensversicherung
2.1 Wesensmerkmale und Besonderheiten der Lebensversicherung
2.2 Nachfragemotive für den Abschluss einer Lebensversicherung
2.3 Produkte der Lebensversicherung und ihre Ausgestaltung

3. Stornomodalitäten in der Lebensversicherung und ihre Folgen
3.1 Stornierungsmöglichkeiten der Vertragsparteien
3.1.1 Stornierung auf Initiative des Versicherungskunden
3.1.2 Stornierung auf Initiative des Versicherungsunternehmens
3.2 Ausmaß der Stornofallleistung zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung
3.2.1 Gezillmertes Deckungskapital als Grundlage der Leistungsbestimmung
3.2.2 Zeitwert der Versicherung als Berechnungsmodell für die Stornofallleistung
3.2.3 Einfluss garantierter Rückkaufswerte auf die Stornofallleistung
3.3 Auswirkungen von Stornierungen auf das Versicherungsunternehmen
3.3.1 Entstehung und Begrenzung einzelvertraglicher Stornoverluste
3.3.2 Risiken aus dem unternehmenseigenen Stornoergebnis
3.3.3 Konsequenzen für den verbleibenden Versichertenbestand
3.4 Relevanz des Stornomanagements zur gezielten Verhinderung von Storni

4. Stornoanalyse als Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Stornobekämpfung
4.1 Identifikation allgemeiner Einflussfaktoren auf die Stornowahrscheinlichkeit
4.1.1 Art der Lebensversicherung
4.1.2 Höhe der Versicherungs- und Stornofallleistung
4.1.3 Zeitpunkt der Vertragslaufzeit
4.1.4 Merkmale des Versicherungsnehmers
4.1.5 Vermittlungsqualität und Bestandspflege
4.1.6 Gesamtwirtschaftliche Situation
4.1.7 Konkurrenz durch alternative Finanzprodukte
4.2 Konkretisierung von Stornogründen aus den ermittelten Einflussfaktoren
4.2.1 Kundenbezogene Stornogründe
4.2.2 Unternehmensbezogene Stornogründe
4.2.3 Wettbewerbsbezogene Stornogründe
4.3 Ableitung von Frühwarnindikatoren zur Erkennung gefährdeter Kundenbeziehungen
4.3.1 Anfragen zu Leistungs- und Vertragsmodalitäten
4.3.2 Aussetzung oder Veränderung der Beitragszahlungen
4.3.3 Auftretende Konfliktformen und Unmutsäußerungen
4.4 Implikationen der gewonnenen Erkenntnisse für das weitere Vorgehen

5. Gestaltung und Umsetzung eines Stornomanagementansatzes
5.1 Voraussetzungen für die Umsetzung des Stornomanagements
5.1.1 Festlegung der Ziele und Strategien des Stornomanagements
5.1.2 Bestandsaufnahme und Bewertung der unternehmenseigenen Stornosituation
5.1.3 Aufbau eines Monitoringsystems zur Identifizierung stornogefährdeter Kunden
5.1.4 Veränderungen im Vertriebsmanagement als begleitende Grundlage für die
erfolgreiche Umsetzung stornoreduzierender Maßnahmen
5.2 Maßnahmen zur generellen Stornoprävention während der Kundenbeziehung
5.2.1 Aufbau und Erhaltung eines Vertrauensverhältnisses zum Versicherungsnehmer
5.2.2 Beratungs- und Informationsleistungen während der Kundenbeziehung
5.3.3 Zugängliche Beschwerdekanäle und kundengerechte Beschwerdebehandlung
5.3 Maßnahmen zur Bestandserhaltung bei Finanzierungsproblemen des Kunden
5.3.1 Ansätze zur Veränderung der Zahlungsfristen
5.3.2 Möglichkeiten zur Reduzierung der Zahlungsleistungen
5.3.3 Einstellung der Beitragszahlungen
5.3.4 Bereitstellung finanzieller Mittel zur Deckung des Kapitalbedarfs
5.3.5 Vermittlung der stornogefährdeten Lebensversicherung an einen Investor

6. Kritische Würdigung des Stornomanagementansatzes
6.1 Schwierigkeiten bei der Implementierung des Stornomanagements
6.2 Beurteilung der Gestaltung und Umsetzung stornoreduzierender Maßnahmen
6.3 Aspekte der Erfolgswirksamkeit stornoreduzierender Maßnahmen

7. Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Motivstruktur der Lebensversicherungsnachfrage

Abb. 2: Deckungskapital einer Kapitallebensversicherung

Abb. 3: Zusammensetzung des Stornoergebnisses

Abb. 4. Vergleich zwischen Arbeitslosenquote und Stornoquote

Abb. 5: stornoinduzierte Einflussfaktoren, Gründe und Frühwarnindikatoren

Abb. 6: Stornoquoten in der Lebensversicherung

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Verbreitung der Lebensversicherungsarten

Tab. 2: Stornierungsmöglichkeiten

Tab. 3: Storno und Stornierungsgedanken im Verhältnis zur Spartenverbreitung

Tab. 4: Durchschnittsversicherungssummen

Tab. 5: Stornotafel für unterschiedliche Laufzeiten

Tab. 6: Stornowahrscheinlichkeiten für einige Standardlaufzeiten

Tab.7-1: Kundenbezogene Gründe

Tab.7-2: Unternehmensbezogene Gründe

Tab.7-3: Wettbewerbsbezogene Gründe

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Problemstellung

Lebensversicherungsunternehmen (VU) stehen in der Bundesrepublik Deutschland unter Druck, die Gunst der Kunden langfristig zu gewinnen. Schätzungsweise die Hälfte aller abgeschlossenen Lebensversicherungen (LV) wird vor Vertragsende abgebrochen.[1] Die vorzeitige Aufhebung oder Kündigung des Vertrags wird dabei in der Lebensversicherung mit dem Begriff „Storno“ bezeichnet.[2]

Bei einem Bestand von mehr als 97 Millionen Verträgen entfielen im Jahr 2004 mit einem Stornovolumen von zwölfeinhalb Milliarden Euro, rund ein Fünftel der ausgezahlten Versicherungsleistungen auf vorzeitig abgebrochene Verträge.[3] Im selben Jahr erreichte nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) die Stornoquote gemessen an der Beitragssumme wie schon im Jahr zuvor mit 5,5 Prozent[4] den höchsten Stand vergangener zehn Jahre.[5] Angesichts des anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Umfelds und der seit Beginn des Jahres 2005 vollzogenen steuerlichen Kehrtwende, die zum Jahresende zwecks letztmaliger Möglichkeit, steuerbegünstigte Verträge abzuschließen in einem fulminanten Neugeschäftsergebnis für die Lebensversicherer mündete, sind auch in den nächsten Jahren neue Höchststände an Stornozahlen nicht ausgeschlossen.

Vergegenwärtigt man sich den ursprünglich langfristig zur Altersvorsorge und zur Risikoabsicherung angelegten Vorsorgecharakter einer LV ist diese Aussicht ernüchternd, zumal das Storno im Allgemeinen für den Versicherungsnehmer (VN) mit finanziellen Einbußen verbunden ist. Immer noch werden gerade aber die bei VU durch das Storno oft mit Verzögerung langfristig auftretenden negativen Folgen unterschätzt und das schon wohl bekannte Argument, dass eine Stornierung und anschließende Neuakquisition mit höheren Kosten als eine Vertragsumstellung im Rahmen der Bestandspflege verbunden ist[6], unternehmensintern unzureichend kommuniziert. Deswegen bemühen sich bislang auch nur wenige VU ernsthaft um die Erhaltung der Verträge und die Ursachenforschung für die zahlreichen Stornierungen.

Folgende Arbeit leistet daher seinen Beitrag, welche Auswirkungen Storni auf VU haben, von welchen Einflussfaktoren und Gründen Stornierungen abhängen und wie daraus gezogene Schlüsse zur Gestaltung eines Stornomanagementansatzes verwendet werden können. Kapitel 2 geht dazu als erstes auf ausgewählte Aspekte der LV ein. Anschließend werden in Kapitel 3 zunächst grundlegende Stornierungsmöglichkeiten beider Vertragsparteien und das Zustandekommen der Stornofallleistung erläutert, ehe daraufhin durch das Aufzeigen der Auswirkungen auf das VU die Relevanz für das Stornomanagement hergestellt wird. Kapitel 4 nimmt eine Stornoanalyse vor, indem Einflussfaktoren auf die Stornowahrscheinlichkeit sowie endgültige Stornogründe identifiziert, erklärt und daraus Frühindikatoren abgeleitet werden. Kapitel 5 setzt darauffolgend die in den vorigen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse in einem Stornomanagementansatz um. Dabei werden bestandspflegende sowie stornoverhütende Maßnahmen entworfen, die präventiv für den gesamten Versichertenbestand oder für einzelgefährdete Kundenbeziehungen zur Stornovermeidung eingesetzt werden können. Kapitel 6 umfasst in einer kritischen Würdigung die mit dem Stornomanagement verbundenen Gestaltungsprobleme und Controllingaufgaben, bevor Kapitel 7 mit einer Zusammenfassung die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit abrundet.

2. Ausgewählte Aspekte der Lebensversicherung

2.1 Wesensmerkmale und Besonderheiten der Lebensversicherung

Unter LV versteht man im Allgemeinen die eigenverantwortliche Absicherung von bestimmten wirtschaftlichen Risiken, die in Folge aus der Ungewissheit und Unberechenbarkeit der Lebensdauer eines Menschen sich ergeben.[7] Da das Ausmaß von der Situation und den individuellen Ansprüchen der betroffenen Person abhängt, wird die LV als sogenannte Summenversicherung betrieben, bei dem im Leistungsfall, der meistens durch den Tod des Versicherten oder das Erleben eines im voraus festgelegten Zeitpunktes ausgelöst wird, mindestens eine zu Vertragsbeginn vereinbarte Summe oder Rente zur Zahlung fällig wird.[8] Zwischen einem VU und einem VN wird somit ein Vertrag geschlossen, durch den sich sowohl bestimmte Risiken, die in der versicherten Person[9] begründet liegen, absichern lassen und bei den meisten LV-Arten außerdem der Vermögensbildung dient[10], indem das VU mit einem Großteil der Beitragshöhe auf dem Kapitalmarkt investiert. Durch die Besonderheit der Vermischung von Sparvorgang und Versicherungsschutz lassen sich LV einerseits von Produkten anderer Versicherungszweige unterscheiden, mit denen regelmäßig kein Spargeschäft verbunden ist und anderseits von Kapitalanlagen abgrenzen, die gerade kein Risikogeschäft beinhalten.[11]

LV sind durch eine extreme Langfristigkeit gekennzeichnet, bei denen Ein- und Auszahlungen zu sehr weit auseinanderliegenden Zeitpunkten vertraglich fixiert werden[12] und trotz der Übernahme des Anlagerisikos eine jährliche Mindestverzinsung[13] auf die angesparten Kapitalerträge garantiert ist. Der VN erhält Versicherungsschutz und im Falle eines Sparanteils zu Vertragsende eine Ablaufleistung zu einem festen Vorauspreis , sodass während der gesamten Laufzeit ein konstanter Beitrag, der bei Vertragsabschluss in nominaler Höhe einmal festgelegt wurde, als Entgelt meist jährlich oder monatlich entrichtet wird.[14] Auf der einen Seite muss dadurch das VU bestrebt sein, eine große Anzahl gleichartiger Risiken zusammenzufassen und unter besonders vorsichtiger Beitragskalkulation das statistische Risiko des einzelnen berechenbar zu machen, um die stete Erfüllbarkeit der vereinbarten Leistung in voller Höhe ohne nachträgliche Prämienanpassung schon nach Zahlung des ersten Beitrags gewährleisten zu können.[15] Dies impliziert gleichzeitig, dass der VN als externer Faktor im Leistungserstellungsprozess eine tragende Rolle spielt, da Versicherungsschutz ohne entsprechende Angaben und Risikomerkmale über ihn nicht angeboten werden könnte.[16] Auf der anderen Seite ist beim VN das Wissen, ob und wenn ja in welcher Höhe er Risikoschutz benötigt, häufig nicht sehr ausgeprägt.[17] Gleichzeitig verlangt aber die langfristige Bindung und die Verpflichtung über einen Zeitraum von vielen Jahren einen gleich hohen Beitrag zu entrichten, von Seiten des VN ein hohes Maß an Voraussicht betreffend seiner zukünftigen Lebenssituation und auch die Notwendigkeit eines großen Vertrauens in die Beständigkeit der Ansprüche und den erhofften Erwartungen aus den Verträgen.[18] Wenn zudem die LV ein erklärungsbedürftiges „immaterielles Gut“[19] darstellt, dessen Nutzen erst im Leistungsfall deutlich wird, hat dies zur Folge, dass der VN sowohl bei Vertragsabschluss ihre Qualität nicht zutreffend ergründen kann[20], aber auch nach Vertragsunterzeichnung trotz zunehmender Erfahrung wesentliche Leistungseigenschaften lange Zeit verborgen bleiben und damit sich die spezifische Qualitätsbeurteilung erschwert[21]. Aufgrund der absatzpolitischen Hemmnisse wird die Lebensversicherung überwiegend über Versicherungsvermittler vertrieben, deren Aufgaben es obliegt, den Bedarf des potentiellen VN zu wecken[22], den Abschluss des Vertrages zu erreichen und bei der Erfüllung des Vertrages mitzuwirken[23]. Unter dem Gesichtspunkt dominierender Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften in der LV kommt daher der Informationsversorgung und dem Vertrauensverhältnis zwischen VU und VN große Bedeutung zu, dessen Beziehung mit dem Vertragsabschluss erst ihren Anfang nimmt.

2.2 Nachfragemotive für den Abschluss einer Lebensversicherung

LV können aus Kundensicht zum Zweck der Absicherung eines Risikos als auch in Funktion der Vermögensbildung dienen.[24] Je nachdem ob das Bedürfnis nach Sicherheit oder das Streben eines Vermögensaufbaus stärker ausgeprägt ist, können sich daraus unterschiedliche Nachfragemotive für den LV-Abschluss ergeben.

Geht es vordergründig darum, die finanzielle Versorgung von Hinterbliebenen und Gläubigern zu sichern, so spricht man vom „Hinterbliebenen- und Gläubigerabsicherungsmotiv“[25]. Hiervon lassen sich dann im unerwarteten Todesfalle des VN von der Versicherungsleistung bspw. der Lebensstandard der Familie aufrecht erhalten, Bestattungskosten finanzieren oder das zu einem früheren Zeitpunkt aufgenommene Darlehen an die Gläubiger zurückbezahlen.[26] Will man vordergründig einen Wertzuwachs des eingesetzten Kapitals unter Aspekten wie Bequemlichkeit, Sicherheit und Rendite erzielen, überwiegt das Motiv der Kapitalanlage.[27] Besonders die bis Ende 2004 eingeräumte steuerliche Sonderbehandlung[28] kapitalbildender LV-Produkte[29] bot dafür einen attraktivitätssteigernden Anreiz. Soll das angesparte Kapital zur Rentenvorsorge dienen, dominiert das Motiv der Altersversorgung das Abschlussverhalten.[30] Die damit vordergründig verbundene Absicherung der Langlebigkeit kann dabei beiden Motivhauptgruppen „Sicherheit“ und „Vermögensaufbau“ zugerechnet werden.[31] Abbildung 1 verdeutlicht nochmals den soeben hergestellten Zusammenhang der LV-Nachfrage.

Abb. 1: Motivstruktur der Lebensversicherungsnachfrage[32]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das tatsächliche Nachfrageverhalten geht jedoch oftmals erst aus dem Zusammenspiel mehrerer Motive einher und ist von einer Vielzahl verschiedener Rahmenbedingungen umgeben, deren Fähigkeit und Abschlussbereitschaft des VN als die wesentlichsten Voraussetzungen gelten.[33]

2.3 Produkte der Lebensversicherung und ihre Ausgestaltung

Unter dem Oberbegriff der Lebensversicherung lassen sich verschiedene Produkte subsumieren, die hinsichtlich ihrer Risikoabsicherung, Vermögensbildung, Leistungs- und auch Beitragsform unterschiedlich ausgestaltet sind. Folgende Tabelle zeigt die Struktur des Vertragsbestandes der deutschen VU zum 31.12.2003 sortiert nach den bedeut-samsten Lebensversicherungsarten, die im folgenden kurz vorgestellt werden:

Tab. 1: Verbreitung der Lebensversicherungsarten[34]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Kapitallebensversicherung (KLV) wird die Versicherungsleistung in Form eines Geldbetrags entweder während der Vertragslaufzeit bei Tod des VN an einen vertraglich festgelegten Begünstigten ausgezahlt oder im Erlebensfall selbst dem VN bei Vertragsablauf zur Verfügung gestellt.[35] Es handelt sich damit um eine Risikoabsicherung mit einem Sparvorgang[36], sodass ein Teil der Beitragshöhe neben den Kosten sowohl zu Ansparzwecken als auch zur Risikoabsicherung verwendet wird.[37] Der Sparanteil ist dabei so kalkuliert, dass das angesparte Kapital am Ende der Vertragslaufzeit gerade der Höhe der vereinbarten Versicherungssumme entspricht, während im vorzeitigen Todesfall der Risikoanteil zur Finanzierung der Differenz zwischen dem bis dahin angesparten Kapital und der fälligen Versicherungssumme dient.[38] Eine nennenswerte Rolle spielt dafür der von allen VU zur Verzinsung des Sparanteils jährlich garantierte Rechnungszins, da sich damit erst bei Vertragsablauf das Mindestkapital in Höhe der nominal festgelegten Versicherungssumme ergibt.[39] Dennoch ist diese Summe im Erlebensfall lediglich eine Untergrenze, da das VU am vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit einen Betrag auszahlt, der sich nicht nur aus der garantierten Erlebensfallleistung sondern auch um eine sog. Überschussbeteiligung (siehe Kap. 3.2.2) zusammensetzen lässt.[40] Traditionell werden dem VN bei Vertragsabschluss Hoffnungen über die Höhe der insgesamt zu erreichenden Auszahlungssumme im Rahmen von sog. Beispielrechnungen gemacht, die aber aufgrund ihrer unsicheren Höhe lediglich eine unverbindliche Orientierungshilfe für den VN darstellen.

Während die KLV die Versicherungsleistung durch eine einmaligen Kapitalauszahlung erbringt, sieht ab dem Ende der Beitragsdauer die Rentenversicherung (RV) eine regelmäßig wiederkehrende Rentenzahlung vor.[41] Tritt der Tod des Versicherten vor Rentenbeginn ein, werden bei vertraglicher Vereinbarung die bis dahin eingezahlten Beiträge zuzüglich eventueller Überschussanteile an die Hinterbliebenen fällig.

Bei der Fondsgebundenen Lebensversicherung (FLV) wird im Unterschied zu den vorigen beiden Arten ein unmittelbarer Bezug zwischen Kapitalanlage und Höhe der Versicherungsleistung hergestellt und so für den Erlebensfall keine bestimmte Mindestsumme und feste Verzinsung garantiert.[42] Der VN ist damit direkt an der Wertentwicklung bestimmter Kapitalanlagen beteiligt und trägt das Kapitalanlagerisiko.[43] Für den Todesfall wird ein Mindestbetrag vereinbart, der sich um die gutgeschriebenen Überschussanteile erhöhen kann.

Der größte Unterschied zwischen den nun vorgestellten Versicherungsarten und der Risikolebensversicherung (RLV) ist darin zu sehen, dass die RLV nicht mit Sicherheit zu einer Zahlung führt, da der VN grundsätzlich keine Leistung erhält, wenn er den vereinbarten Vertragsablauf erlebt.[44] In der Prämie ist also hier kein Sparanteil zur Ansammlung einer Erlebensfallsumme vorhanden, eine Leistungserbringung in Höhe der festgelegten Versicherungssumme findet daher innerhalb der vereinbarten Vertragslaufzeit nur im Todesfall des VN an seine Hinterbliebenen statt.[45]

Aus den vorangegangen Ausführungen zeigt sich schon, dass die verschiedenen LV-Arten für völlig unterschiedliche Bedarfe konzipiert und geeignet sind und teilweise unterschiedliche oben genannte Nachfragemotive tangieren[46]. Des Weiteren kann durch Zusatzversicherungen[47] der Lebensversicherungsschutz ausgebaut werden, um so den individuellen Bedürfnissen des VN entgegen zu kommen. Da jedoch wie aus Tabelle 1 ersichtlich wird, die KLV nach wie vor eine dominierende Stellung einnimmt, soll daher die KLV in der weiteren Arbeit explizit im Vordergrund der Betrachtung stehen.

[...]


[1] Vgl. Braun, F. (Vorschläge der VVG-Kommission, 2005), S. 98.

[2] Vgl. Koch, P. / Weiss, W. (Versicherungslexikon, 1994), S. 804.

[3] Vgl. GDV (Lebensversicherung 2004 in Zahlen, 2005), S. 22.

[4] Vgl. GDV (Lebensversicherung 2004 in Zahlen, 2005), S. 20.

[5] Vgl. Germann, U. (Storno-Rekord, 2005), S. 419.

[6] Vgl. Graf, T. / Zerfowski, U. (Vergütungssysteme, 2001), S. 193.

[7] Vgl. Schwebler, R. (Handwörterbuch der Versicherung, 1988), S. 417.

[8] Vgl. hierzu und zum folgenden Eichenauer, H. et al. (Versicherungslehre, 1996), S. 125.

[9] Der VN ist Beitragszahler und Vertragspartner des VU. Diejenige Person, auf deren Leben der Vertrag abstellt und die Versicherungsleistung abhängt ist versicherte Person. Es kann sich hier um den VN selbst oder einen Dritten handeln. Im weiteren werden mit Ausnahme in Kap. 5.3.5 VN und versicherte Person als identisch angesehen und der Begriff VN verwendet.

[10] Vgl. Theis, A. (Alterssicherungsinstitution, 2001), S. 81.

[11] Bereits nach Zahlung des ersten Beitrags wird im Versicherungsfall die volle Höhe der vereinbarten Leistung garantiert, während beim Kapitalaufbau durch bloßes Sparen der Versorgungsschutz mit der Höhe des Kapitals das bis zum Versorgungsfall gebildet wurde steht und fällt; vgl. Kühlmann, K. et al. (Altersvorsorge, 1998), S. 16 f.

[12] Vgl. Ebers, M. (Überschussbeteiligung, 2001), S. 36.

[13] Zurzeit zwischen 2,75 und 4 Prozent; vgl. Farny, D. (Gewinnbeteiligung, 2004), S. 110.

[14] Vgl. Waldow, T. (Bewertung der Kapitallebensversicherung, 2003), S. 25.

[15] Vgl. Kühlmann, K. et al. (Altersvorsorge, 1998), S. 16 f.

[16] Üblich sind neben personellen Angaben Fragen zur beruflichen und finanziellen Situation sowie die

Überprüfung des Gesundheitsverhältnisses; vgl. Lührs, D. (Lebensversicherung, 1997), S. 101 ff.

[17] Vgl. Eifert, S. (Verbrauchersicht, 1997), S. 190 ff.

[18] Vgl. Müller, A. (Lebensversicherungsnachfrage, 1998), S. 18.

[19] Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre, 2000), S. 363.

[20] Vgl. Schäfer, H. (Kundenbindung in der Versicherungswirtschaft, 2000), S. 96 f.

[21] Vgl. Theis, A. (Alterssicherungsinstitution, 2001), S. 109 f.

[22] Vgl. Theis, A. (Alterssicherungsinstitution, 2001), S. 120.

[23] Vgl. Stadler, K. (Steuerung des Außendienstes, 1981), S. 18 f .

[24] Vgl. Kirscht, U. (Recht der Lebensversicherung, 2004), S. 1067.

[25] Müller, A. (Lebensversicherungsnachfrage, 1998), S. 12.

[26] Vgl. Kurzendörfer, V. (Einführung Lebensversicherung, 2000), S. 7.

[27] Vgl. Müller, A. (Lebensversicherungsnachfrage, 1998), S. 424.

[28] siehe hierzu Zeislmair, C. (Lebensversicherung und Altersvorsorge, 2004), S. 261 ff.

[29] Nachfolgend werden die Begriffe Lebensversicherungsprodukte und -arten als synonym verwendet.

[30] Vgl. Wähling, S. et al. (Nachfrage, 1993), S. 174.

[31] Vgl. Waldow, T. (Bewertung der Kapitallebensversicherung, 2003), S. 19.

[32] Müller, A. (Lebensversicherungsnachfrage, 1998), S. 424.

[33] Vgl. Müller, A. (Abschlussverhalten in der Lebensversicherung, 1998), S. 149 f.

[34] Eigene Darstellung in Anlehnung an BaFin (Jahresbericht 2003 Teil B, 2004), S. L 9.

[35] Vgl. Theis, A. (Alterssicherungsinstitution, 2001), S. 84.

[36] Der Begriff des „Sparens“ wird im Lebensversicherungszusammenhang im Sinne von Kapitalaufbau

auf Unternehmensebene verwendet, vgl. Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre, 2000), S. 53 ff.

[37] Vgl. Braun, F. (Vorschläge der VVG-Kommission, 2005), S. 96.

[38] Vgl. Eichenauer, H. et al. (Versicherungslehre, 1996), S. 127.

[39] Vgl. Lührs, D. (Lebensversicherung, 1997), S. 142 f.

[40] Vgl. hierzu und zum folgenden Grüdl, H. et al. (Kapitallebensversicherungen, 2001), S. 553 f.

[41] Vgl. hierzu und zum folgenden Müller, A. (Lebensversicherungsnachfrage, 1998), S. 10.

[42] Vgl. Zeislmair, C. (Lebensversicherung und Altersvorsorge, 2004), S. 72 f.

[43] Vgl. hierzu und zum folgenden Kühlmann, K. et al. (Altersvorsorge, 1998), S. 54 f.

[44] Vgl. Schwebler, R. (Handwörterbuch der Versicherung, 1988), S. 421.

[45] Vgl. Waldow, T. (Bewertung der Kapitallebensversicherung, 2003), S. 24.

[46] Für eine Zuordnung von Nachfragemotiven zu den einzelnen Versicherungsarten

vgl. Müller, A. (Lebensversicherungsnachfrage, 1998), S. 14.

[47] Für einen Überblick zu Zusatzversicherungen siehe Lührs, D. (Lebensversicherung, 1997), S. 77 ff.

Ende der Leseprobe aus 94 Seiten

Details

Titel
Analyse von Storni und Implikationen für die Gestaltung eines Stornomanagements in Lebensversicherungsunternehmen
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
94
Katalognummer
V45530
ISBN (eBook)
9783638429207
Dateigröße
821 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Storni, Implikationen, Gestaltung, Stornomanagements, Lebensversicherungsunternehmen
Arbeit zitieren
Andreas Prestele (Autor:in), 2005, Analyse von Storni und Implikationen für die Gestaltung eines Stornomanagements in Lebensversicherungsunternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45530

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