Else Lasker Schüler gibt sich selbst das Stichwort: „Bange Jahre gegoren, floß die Wupper durch das Gewölbe meines Herzens aus dunkler Erinnerung gepreßt[...].“
Mit ihnen läßt sich zweierlei verdeutlichen: Einerseits zeigt sich – was viele Interpreten auch mit anderen Textpassagen zu beweisen versucht haben – daß vor allem die Umgebung und die Stimmung der „Wupper“ auf Erinnerungen aus Lasker-Schülers Kindheit und somit auf realen Vorgängen beruhen. Damit würde sich das Stück schon im Ansatz an den Naturalismus (oder Realismus) heranrücken lassen. Das Geschehen könnte als Darstellung „ein[es] Stück Natur durch ein Temperament“ interpretiert werden, wie Zola sein naturalistisches Kunstprogramm begründet. Doch andererseits führt „Die Wupper“ ELS zufolge „durch das Gewölbe meines Herzens“, was auf ein besonderes Charakteristikum ihres gesamten Werkes hinweist. Alle Biographen, allen voran Erika Klüsener, stellen fest, „dass die Dichtung ihr Leben schien und ihr Leben zur Dichtung geriet.“ Kaum eines ihrer eigenen Schriftstücke kann als verlässliche Quelle zur Beschreibung ihres Lebens herhalten und das ist in ihrem Fall mehr als nur ein Schachzug der Eitelkeit oder Scheue – es ist Programm. Wie sich das in besonderem Maße auf ihre Dramen, hier hauptsächlich „Die Wupper“, auswirkt und wohin es diese in den Wirrungen der vielstimmigen Strömungen während ihrer Entstehung führt, soll im folgenden, ersten Abschnitt untersucht werden. Ein Ärgernis, wie „Die Wupper“ eingangs genannt wurde, ist sie vor allem, weil sie mit traumwandlerischer Sicherheit jeden literarischen Kanon umschifft und sich von keiner Strömung vereinnahmen lässt. „Naturalismus, Symbolismus, Expressionismus und, erst jüngst von Horst Laube vorgebracht, Surrealismus – keiner der Begriffe deckt dieses eigenwillige Schauspiel als ganzes ab.“, schreibt Fritz Martini 1977.
Dennoch bedient es sich scheinbar typischer Mittel tradierter dramatischer Formen, ohne deren Ideologie zu vertreten. Dies wird im zweiten Teil gezeigt werden. „Die Wupper“ vertritt ein eigenes, unabhängiges Programm, denn grundsätzlich galt für ELS: „Ein Schauspiel ist ein Geschöpf, ein Geschöpf kann eine Welt sein [...].“
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Flucht ins „Innen“
- Unter unbekannter Flagge
- - ein Stück für sich selbst
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Else Lasker-Schülers frühem Drama „Die Wupper“ und analysiert dessen ästhetische Positionierung zwischen Naturalismus und Expressionismus. Ziel ist es, die spezifische Dramenästhetik Lasker-Schülers im Kontext ihrer Zeit und ihres Werkes zu beleuchten. Die Arbeit untersucht insbesondere die Verbindung zwischen Lasker-Schülers autobiographischen Erfahrungen und ihren dramatischen Werken. Dabei wird die Frage aufgeworfen, inwieweit ihr Werk auf realen Erlebnissen basiert und wie sich ihr Selbstbild in „Die Wupper“ widerspiegelt.
- Die Verbindung von autobiographischen Elementen und dramatischen Gestaltungsprinzipien
- Die Einordnung von "Die Wupper" in die literarischen Strömungen des frühen 20. Jahrhunderts
- Die Rolle der Erinnerung und der inneren Welt in Lasker-Schülers Werk
- Die ästhetischen Eigenheiten von Lasker-Schülers Dramen
- Die Frage nach der realen Grundlage und der fiktiven Konstruktion in "Die Wupper"
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor und bietet einen ersten Einblick in die Dramenästhetik von Else Lasker-Schüler. Die Einleitung beleuchtet die besondere Position von „Die Wupper“ in Lasker-Schülers Werk und erläutert die Schwierigkeiten, die das Stück in seiner Zeit erfuhr. Die Einleitung bezieht sich dabei auf die autobiographischen Erfahrungen der Dichterin und stellt ihre Selbstwahrnehmung als Künstlerin in den Vordergrund.
Die Flucht ins „Innen“
Dieses Kapitel befasst sich mit dem Einfluss von Erinnerung und Innenwelt auf Lasker-Schülers Werk. Es untersucht die Rolle der autobiographischen Elemente in „Die Wupper“ und beleuchtet die Bedeutung von Lasker-Schülers Flucht aus der realen Welt in ihre eigene, innere Welt. Das Kapitel geht auch auf die Frage nach der Zeitlichkeit in Lasker-Schülers Werk ein und analysiert die besondere Art und Weise, wie sie sich mit der Zeit auseinandersetzt.
Schlüsselwörter
Else Lasker-Schüler, „Die Wupper“, Dramenästhetik, Naturalismus, Expressionismus, autobiographische Elemente, Erinnerung, Innenwelt, Selbstbild, Zeitlichkeit, Zeitflucht.
- Arbeit zitieren
- Matthias Zimmermann (Autor:in), 2001, Das sehende Herz - Else Lasker Schülers frühe Dramenästhetik (an dem Schauspiel 'Die Wupper') zwischen Naturalismus und Expressionismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45533