Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Soziale Unsicherheit
2.1 Begriffsbestimmung und Differenzialdiagnosen
2.2 Epidemiologie
2.3 Ätiologie und Risikofaktoren
2.4 Verlauf und Prognose
3. Gruppentraining sozialer Kompetenzen
3.1 Bedeutung für die Zielgruppe
3.2 Zielsetzung
3.3 Konzeptionelle Überlegungen
4. Fazit
5. Literatur- und Quellennachweis
1. Einleitung
Ziel dieser Hausarbeit ist die Darstellung des Gruppentrainings sozialer Kompetenzen als Intervention bei Kindern mit „Sozialer Unsicherheit“. Angesichts der Häufigkeit mit welcher subklinische „Soziale Ängste“ in der Kindheit und Jugend vorkommen, ist es naheliegend drohenden pathologischen Entwicklungen dieser durch präventive Programme vorzubeugen.
Der Intervention des sozialen Kompetenztrainings kommt in diesem Zuge eine besondere Bedeutung zu. Im Vordergrund dieser Betrachtung steht, neben der Bewältigung der sozialen Ängste, vor allem der präventive Charakter dieser Maßnahme sowie die Verbesserung der sozialen Kompetenzen.
Zunächst wird die Symptomatik der „Sozialen Unsicherheit“ dargestellt und anhand einer Klassifikation der „Sozialen Phobie“ als klinisches Störungsbild nach ICD-10 und DSM-IV von dieser abgegrenzt.
Im Weiteren liegt der Schwerpunkt auf der Abbildung der Epidemiologie, der ätiologischen Entwicklung sowie dem Verlauf und der Prognose „Sozialer Unsicherheit“.
Teil zwei beschäftigt sich einführend mit der Bedeutung sozialer Kompetenzen für die Zielgruppe der sozial unsicheren Kinder und Jugendlichen.
Im Anschluss werden Zielsetzungen und Ansätze des Gruppentrainings sozialer Kompetenzen erläutert. Dies wird im Folgenden ergänzt durch eine exemplarische Ausführung von konzeptionellen Überlegungen und Hinweisen für die Umsetzung.
Abschließend werden mögliche Wirkungen und der präventive Nutzen dargestellt und Bezug zur Bedeutung für das Tätigkeitsfeld der Sozialen Inklusion genommen.
2. Soziale Unsicherheit
Aufgrund der teilweise synonymen Verwendung sowie zahlreicher Gemeinsamkeiten der Begriffe „Soziale Unsicherheit“, Soziale Ängste“ und „Soziale Phobie“ sollen diese zunächst voneinander abgegrenzt werden, um sich im Folgenden dem hier verwendeten Konzept der „Sozialen Unsicherheit“ anzunähern.
2.1 Begriffsbestimmung und Differenzialdiagnosen
Unter dem Terminus der „Sozialen Angst“ werden heutzutage einerseits unterschiedliche subklinische Erscheinungsformen, abgeschwächte Sozialängste sowie das psychische Störungsbild der „Sozialen Phobie“ zusammengefasst (vgl. Hinsch/ Pfingsten 2007).
Kinder die als sozial unsicher gelten, zeigen sich in ihrem Verhalten oftmals unauffällig, still und zurückhaltend oder vermeiden sogar soziale Kontakte. Sie können die gestellten Leistungsanforderungen in Kindergarten und Schule jedoch meist zufriedenstellend bewältigen, ohne das ihre Unsicherheiten, Ängste und damit im Zusammenhang stehenden Probleme bemerkt werden (vgl. Ahrens- Eipper/ Leplow 2004). Doch gerade in Bezug auf mündliche Leistungen sind Betroffene auf Grund ihrer Ängste, vom Gegenüber negativ bewertet zu werden oder sich zu blamieren, beeinträchtigt. Weitere Folgen im Kontext der „Sozialen Unsicherheit“ sind der Rückzug und Vermeidungstendenzen und die damit verbundenen eingeschränkten Kontakte mit Anderen, wodurch wiederum das Vertrauen auf die sozialen Kompetenzen leidet (vgl. Ahrens- Eipper/ Leplow 2004).
Als Zentrales Merkmal „Sozialer Unsicherheit“ ist die „Kombination von Angst in Anwesenheit anderer (bzw. Bewertungsangst in sozialen Situationen) und Vermeidung sozialer Situationen“ zu bezeichnen (vgl. Ahrens- Eipper/ Leplow 2004; 12). Wie erläutert, handelt es sich um eine schwächer ausgeprägte sozialphobische Reaktion, die weder in der ICD-10 noch im DSM-VI als eigenständige Symptomatik aufgeführt ist (vgl. Ahrens- Eipper/ Leplow 2004).
Zum Ausdruck einer „Sozialen Phobie“ können solche Merkmale werden, wenn Ängste so belasten, dass die Vermeidungsstrategien betroffene Kinder und Jugendliche sehr stark beeinträchtigt und eine gravierende Verminderung der schulischen oder sozialen Funktionsfähigkeit sowie Rückzug bewirkt wird (vgl. Morschitzky 2009).
Häufig beschreiben zwar sozial unsichere Kinder und Jugendliche vergleichbare Sozialängste, erleben diese aber nicht als dauerhafte Beeinträchtigungen oder vermeiden soziale Situationen grundsätzlich, wodurch die anerkannten Diagnosekriterien einer „Sozial Phobie“ allerdings nicht erfüllt sind (vgl. Hinsch/ Pfingsten 2007, Fehm/ Wittchen 2009, Morschitzky 2009). Da „Soziale Ängste“ bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet sind, ist eine Abgrenzung zwischen subklinischen und pathologischen sozialen Ängsten oftmals erschwert.
Im Folgenden sollen „Soziale Unsicherheit“ und „Soziale Phobie“ (ICD-10 F40.1/ DSM-IV 300.23) gegenübergestellt und so genauer von einander abgegrenzt werden.
Zur Diagnosestellung einer „Sozialen Phobie“ wird in Deutschland die zehnte Revision der International Classification of Diseases and Causes of Death (ICD- 10) herangezogen (vgl. WHO, 2012). Die Diagnosekriterien, werden in der folgenden Tabelle aufgeführt:
Tabelle1 Diagnostische Kriterien der Sozialen Phobie nach ICD-10 (WHO, 1991)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aufgrund der weniger detaillierten Beschreibung der situativen Auslöser (A) sowie den unter (B) genannten körperlichen Symptomen, welche teilweise eine geringere Relevanz für die Diagnose haben (Angst zu erbrechen, Miktions- oder Defäktionsdrang) und dem Fehlen anderer Symptome wie Stottern, wird in der Fachliteratur die Verwendung der Kriterien des DSM-IV empfohlen (vgl. Steil/ Matulis et al. , 2011).
Tabelle 2 Diagnostische Kriterien für die „Soziale Phobie“ nach DSM-IV-TR (Saß et al 2003)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hauptmerkmale der „Sozialen Phobie“ sind die anhaltende unbegründete Angst vor einer oder mehreren sozialen Situationen, in denen die Betroffenen der Aufmerksamkeit und Bewertung durch Andere ausgesetzt sind oder werden könnten. Diese Situationen rufen zumeist eine unmittelbare Angstreaktion einschließlich körperlicher Symptome hervor, die von Erröten, Schwitzen oder Zittern bis zu einer Panikattacke reichen können. Sozialphobiker sind in diesem Kontext überzeugt, dass sie auf Grund dieses Erscheinungsbildes vom Gegenüber negativ bewertet werden (vgl. Steil/ Matulis et al., 2011). „Nicht die Ängste würden die Symptome verursachen, sondern die unerklärlichen Symptome würden die Ängste verursachen“ (Morschitzky 2009, 91).
Daneben beeinträchtigt das starke Vermeidungsverhalten die normale Lebensführung, die schulische Leistungsfähigkeit und die soziale Aktivität. Diese Symptome zeigen sich durchaus auch bei sozial unsicheren Kindern, wobei das Ausmaß und der Leidensdruck als nicht so gravierend einzuordnen sind. Weitere Unterschiede sind das nicht Vorhandensein bzw. der mangelhafte Erwerb sozialer Kompetenzen und Ausdruck dessen zumeist in der Interaktion mit Erwachsenen. Bei Kindern mit „Sozialer Phobie“ hingegen muss gewährleistet sein, dass sie über altersgemäße Kompetenzen verfügen und die Angst auch gegenüber Gleichaltrigen besteht (vgl. Ahrens- Eipper/ Leplow 2004).
Zusammenfassend kann „Soziale Unsicherheit“ als „subsymptomales Phänomen“ bezeichnend werden, welches Überschneidungen mit den Kriterien der „Sozialen Phobie“ aufweist, jedoch nicht hinreichend erfüllt (vgl. Ahrens- Eipper/ Leplow 2004).
2.2 Epidemiologie
Eine genaue Darstellung der Häufigkeit des Vorkommens „Sozialer Unsicherheit“ ist auf Grund der unterschiedlichen Störungskonzepte (Soziale Phobie, Störung mit Trennungsangst) bzw. Verhaltensauffälligkeiten (Sozialer Rückzug, Angst vor sozialen Situationen etc.) auf denen epidemiologische Studien basieren erschwert. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass diese Form subklinischer sozialer Ängste um ein wesentliches häufiger ist als verwandte Diagnosen wie die „Soziale Phobie“ oder „Störung mit sozialer Ängstlichkeit“1 (vgl. Ahrens- Eipper/ Leplow 2004).
Auch gibt es zur Epidemiologie von „Sozialer Unsicherheit“ nur wenige Studien die, abhängig von zu Grunde liegendem Konzept und Erhebungsinstrument, stark zwischen 0 bis 56% schwanken, sodass im Folgenden auf Daten zur „Sozialen Phobie“, die eine vorsichtige Tendenz des Vorkommens der „Sozialen Unsicherheit“ aufweisen, zurückgegriffen wird. An dieser Stelle soll so deutlich gemacht werden, dass eine Präzisierung des zu erhebenden Konstruktes der „Sozialen Unsicherheit“ sowie dessen Kriterien erforderlich ist (vgl. Ahrens- Eipper/ Leplow 2004).
Epidemiologische Studien weisen „Soziale Phobien“ mit fünf bis zehn Prozent als häufigste Angstmanifestation im Jugendalter aus. Sie zählt damit gleichsam zu den am meisten vorkommenden psychischen Problemen junger Menschen sowie der Allgemeinbevölkerung (vgl. Steil/ Matulis et al. 2011, Stangier et al. 2006).
„Soziale Ängste“ können zwar schon in der frühen Kindheit auftreten, beispielsweise in Form „Sozialer Unsicherheit“, jedoch ist diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig als „Soziale Phobie“ zu diagnostizieren. Dies scheint frühestens mit acht Jahren möglich, wenn eine Interferenz der sozialen Angst mit sozialen Anforderungen und Beeinträchtigungen beurteilt werden kann (vgl. Stangier et al. 2006) Gerade die frühe bis mittlere Adoleszenz gilt im Zusammenhang mit der Konditionierung vor allem ausgeprägter Sozialängste als besonders wichtige Entwicklungsphase (vgl. Hinsch/ Pfingsten 2007, Stangier et al. 2006).
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1 ICD-10 F93.2, wird in diesem Rahmen auch eine gewisse Nähe zum Konzept der „Sozialen Unsicherheit“ zugetragen. (vgl. Ahrens- Eipper/ Leplow 2004, 14)