Langfristige Stressbewältigungsstrategien. Steigerung der Stressbewältigung bei Polizeibeamten


Akademische Arbeit, 2015

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung und Relevanz

2 Was ist Stress?

3 Stress im Polizeiberuf

4 Mentale Stressbewältigung

5 Instrumentelles Stressmanagement

6 Regeneratives Stressmanagement
6.1 Joggen (Sport allgemein)
6.2 Soziale Integration
6.3 Progressive Relaxation
6.4 Autogenes Training

7 Fazit

8 Literaturverzeichnis

1 Problemstellung und Relevanz

„38% der EU Bevölkerung fühlen sich nach Erhebungen des Eurobarometers 52.1 (1999) gestresst.“. Die Weltgesundheitsbehörde WHO hält Stress, egal in welcher Ausprägung, mittlerweile für die größte Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts – für Seele und Leib gleichermaßen. (Bühler, 2006, S. 13)

Die Tatsache, dass anhaltende psychische Belastungen in der heutigen Welt mittlerweile als der drastischste Gesundheitskiller gelten (Gukelberger-Felix, 2014), ist allerdings gerade im öffentlichen Dienst längst nicht bis an jeden herangedrungen. Wie sonst wäre zu erklären, dass gesetzliche Regelungen bzgl. der Integration der Stressproblematik in den Arbeitsschutz zwar existieren, aber bislang gerade mal ein Bruchteil der Dienststellen mit entsprechenden Erhebungen reagierten? (vgl. Ahlers, 2006, S. 112) Die Weltgesundheitsbehörde WHO hält Stress, egal in welcher Ausprägung, mittlerweile für die größte Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts – für Seele und Leib gleichermaßen (Heim, 2012, S. 12). Im Polizeiberuf nimmt diese Thematik allerdings einen ganz besonderen Stellenwert ein, da Polizeibeamte 1 oft auf drastische Weise mit traumatisierenden Situationen konfrontiert werden. Es liegt also auf der Hand, dass gerade in diesem Berufszweig die Thematik der Stressbewältigung einen besonderen Stellenwert einnimmt.

Im Rahmen dieser Facharbeit wird nun zu Beginn ein kurzer, allgemeiner Überblick zum Terminus Stress, sowie zu den unterschiedlichen Belastungssituationen im Dienst eingegangen und geklärt, woher diese rühren. Abschließend werden Möglichkeiten zur Prävention und Intervention im Bezug auf psychische Belastungen aufgezeigt.

2 Was ist Stress?

Der Terminus Stress wurde erstmals vom österreichisch-kanadischen Mediziner Dr. Hans Selye im Jahre 1936 in die Psychologie eingeführt. Er definierte Stress als „die unspezifische Antwort des Körpers auf eine Anforderung“ (Frey, 1988, S. 37) und beschreibt in diesem Zusammenhang die Reaktion von Tieren und Menschen auf unterschiedlichste Belastungsreize. Selye versteht Stress somit als ein „[...] Syndrom physiologischer Veränderungen (allgemeines Adaptionssysndrom [vgl. Krauthan, 2004, S. 85]), welches gekennzeichnet ist durch die zeitliche Abfolge einer Alarmreaktion, einer Widerstandsphase und einer anschließenden Erschöpfungsphase.“

Nach Selye wird hierbei zwischen Eustress und Distress unterschieden. Eustress (abgeleitet aus der griechische Vorsilbe eu „gut“) tritt bspw. in Situationen auf, in denen der Mensch positiven Ausnahmesituationen (Achterbahnfahrt, die Geburt eines Kindes) ausgesetzt wird. Eustress ist somit ein Zustand, in dem der Organismus körperinterne Stressoren (Hormone, Adrenalin u.ä.) erzeugt, die als positiver Stress auf ihn einwirken. Positiver Stress erhöht die Bereitschaft des Körpers zu maximaler Leistungsfähigkeit ohne ihm zu schaden. Seine Funktionsfähigkeit wird dadurch optimal gesteigert. Eustress tritt ebenso bei erhöhter Motivation auf und verschafft dem Körper besondere Glücksmomente, kann ihn sogar in einen positiven Rausch versetzen.

Distress (lat. dis, schlecht) hingegen zeigt sich als „[...] Stress, der überstark ist, lange andauert oder mit einer negativen, affektiv-kognitiven Tönung einhergeht“ (Jerusalem, 1990, S. 2). Beispiele für Distress könnten sich unter anderem in wichtigen Prüfungssituationen, einer Beziehungstrennung, übermäßigen Arbeitsanforderungen oder beim Tod eines Angehörigen finden.

Es kommt zu einer Stressreaktion des Körpers. Der Begriff der Stressreaktion bezeichnet zusammenfassend „[...] die Prozesse, die aufseiten der betroffenen Person als Antwort auf einen Stressor in Gang gesetzt werden. Diese Antworten können auf der körperlichen, auf der behavioralen und auf der kognitiv-emotionalen Ebene ablaufen.“ (Kaluza, 2011, S. 13)

3 Stress im Polizeiberuf

Polizeibeamte sind in ihrer Diensttätigkeit einer Vielzahl unterschiedlicher Stressoren ausgesetzt. Diese können unter anderem durch schlechte Karrierechancen oder spezifische Probleme des Polizeidienstes hervorgerufen werden. Dazu zählt das Unverständnis für etwaige juristische Entscheidungen, die den betroffenen Polizisten das Gefühl vermitteln können ihre Arbeit sei sinnlos. Veraltete Ausrüstung mit der die Beamten arbeiten und mit der sie die von Politik und Öffentlichkeit in sie gesetzten Erwartungen erfüllen müssen tragen ebenfalls zur Stressreaktion bei. (vgl. McCafferty, 1992, S. 233 f.).

Des Weiteren erleben die Polizeibeamten aus Richtung der Bürger, der Medienberichterstattung, der Anwälte, sowie aus den eigenen Reihen oftmals harsche Kritik, mit der sie sich und ihre Arbeit konfrontiert sehen (vgl. Stein, 2004, S. 34). Dabei muss der Polizeibeamte stetig die innere Gedankenwelt im Gegensatz zur äußerlich demonstrierten Gelassenheit separieren. Anzeichen von Schwäche oder Unsicherheit würden ihn potentiell angreifbar machen (vgl. Tetzner, 2006, S. 8). Neutralität und emotionale Kontrolle muss ebenso gewahrt bleiben - selbst dann, wenn sich der Beamte mit massiven Anfeindungen oder respektlosen, unkooperativen Verhaltensweisen konfrontiert sieht. Das sogenannte Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot (vgl. § 33 Abs. 2 BeamtStG) ist stets einzuhalten. Somit wird auch schnell die Diskrepanz zwischen der inneren Einstellung und der äußeren Präsenz zum Stressfaktor und manifestiert sich womöglich in Form des Dauerstresses. (Tetzner, 2006, S. 8)

Ebenso wie Menschen in anderen sozial gelagerten Berufen unterliegen Polizeibeamte häufig sehr starken psychischen Belastungen. Sie begeben sich bspw. konstant in Situationen, die von anderen Menschen gemieden werden. Dies kann zur starken Beeinträchtigung des mentalen und physischen Wohlbefindens führen. Sind diese Ereignisse nicht mehr in ihrer vollen Gänze zu bewältigen, kann der Polizist über die Zeit hinweg negative Emotionen und sogenannte maladaptive (schlecht angepasste) Verhaltensweisen entwickeln, die in ihrer Folge intrapersonales Wachstum und normative Entwicklung verhindern (vgl. Sommer, 2003, S. 66).

Der wohl gravierendste Unterschied zu „gewöhnlichen“ Berufen und denen des Polizisten besteht darin, dass es „[...] für letztere nicht immer einen oder mehrere anhaltende Stressoren im Beruf gibt, sondern dass es in bestimmten Situationen zu einem extremen Anstieg des Stresslevels kommt. Sie erleben innerhalb weniger Sekunden ein sehr breites Spektrum von absoluter Ruhe bis zu extremster Anspannung.“ (vgl. Klemisch, 2006, S. 66) Bedingt durch die Arbeit im Schichtdienst-System entsteht darüber hinaus zusätzlich die Problematik, welche es den Beamten immer seltener erlaubt, berufsbezogene Probleme mit Kollegen in den Diskurs zu stellen. Eine kollegiale Verarbeitung des Erlebten findet also nur selten oder unzureichend statt. In diesem Zuge „[...] spielt auch das falsche Führungsverhalten der Vorgesetzen mit hinein. Damit ist nicht gemeint, dass die Mehrzahl der Vorgesetzten hier Defizite hat, sondern dass der Prozentsatz von Vorgesetzten, die mangelnde soziale Kompetenz vorzuweisen haben, gewaltige Probleme erzeugt. Mangelnde Anerkennung, Ignoranz gegenüber Problemen, ungerechtfertigte Bevorzugung und Benachteiligung einzelner Untergebener, [...] ungerechte oder unsachliche Kritik, Herablassung, sowie Schlechtbeurteilung.“ (Tetzner, 2006, S. 8 f.).

4 Mentale Stressbewältigung

Die mentale Stressbewältigung greift an dem Punkt ein, wo der Stress ursprünglich entsteht: Im Kopf. Sie setzt somit bei den persönlichen, stressverschärfenden Denkmustern des Individuums an. Die Fähigkeit, sich dieser bewusst zu werden, kritisch zu reflektieren und anschließend in stressmindernde, förderliche Einstellungen und Bewertungen zu transformieren ist das grundlegende Ziel dieser Methode. Gleichzeitig sollen aber auch Einstellungen, wie die permanente Opferrolle oder eine zu geringe Frustrationstoleranz durch eine optimistische Selbstwirksamkeitserwartung ersetzt werden. Weiterhin werden diese Einstellungen oft durch eine selektive Wahrnehmung aufrechterhalten und gefördert, denn meist werden lediglich negative Aspekte von stressbehafteten Situationen wahrgenommen. (vgl. Kaluza, 2011, S. 104 ff.) Die Wahrnehmung sollte sich jedoch vorrangig auf die positiven Aspekte und Chancen solcher Situationen konzentrieren.

Ein letztes Ziel das hier angesprochen werden soll, ist die Besinnung auf eigene Stärken und Ressourcen. Oft rücken in stressbehafteten Situationen die Erinnerungen an vorausgegangene Misserfolge in den Vordergrund. Das diese Denkweise nicht sonderlich förderlich ist, dürfte auf der Hand liegen. Es wird daher versucht, den Teilnehmern in Form von Trainings zu veranschaulichen, sich an früheren Erfolgen und positiven Ereignissen und Erfahrungen zu orientieren.

Die Durchführung eines solchen Trainings erfolgt nach Kaluza dabei in fünf Schritten:

- Die Rolle von Bewertungen und Einstellungen

Sowohl durch theoretischen Input, als auch durch praktische Übungen werden zusammen mit den Teilnehmern die stressverschärfenden, sowie mildernden Wirkungen von persönlichen Einstellungen, Bewertungen und Denkmustern erarbeitet. Dieses findet unter anderem unter Zuhilfenahme der sog. Stressampel (nach Kaluza) statt.

- Stressversch ärfende und förderliche Denkmuster

In diesem Abschnitt wird das „Wie“ des Denkens erörtert. Welches sind die häufigsten, stressverschärfenden Denkmuster eines Individuums? In Diskurs-Gruppen wird erarbeitet, dass stets verschiedene Sichtweisen zu einer Begebenheit möglich sind. Negative Denkweisen werden hier den alternativen, positiven Denkweisen konträr gegenübergestellt.

- Entwicklung f örderlicher Denkmuster

Der dritte Schritt befasst sich mit der Fragestellung, wie eine generelle Umstellung von negativem zu positiven Denkmustern überhaupt gelingen kann. Hierzu werden den Teilnehmern verschiedene Strategien aus dem Bereich des Mentaltrainings verdeutlicht und anhand von praktischen Beispielen, sowie durch Ausprobieren nähergebracht. Dazu gehören bspw. die Realitätstestung oder das sog. Entkatastrophisieren.

- Stressversch ärfende und förderliche Einstellungen

Analog zum zweiten Schritt erarbeiten die Teilnehmer hier die häufigsten stressverschärfenden Einstellungen. Es wird somit das „Was” des Denkens behandelt. Die kennengelernten Stressverstärker werden anschließend ausführlich hinsichtlich ihrer positiven und negativen Aspekte behandelt, bevor die Teilnehmer anschließend fünf positive und stressmindernde Einstellungen aufstellen.

- Verankerung von f örderlichen Einstellungen

Im letzten Schritt sollen die gefundenen, neuen Einstellungen mit individuellen Gefühlen verankert werden. Man geht dabei davon aus, dass durch diese Kombination von Einstellung und Gefühl die positive Einstellung besser vertreten, also verankert wird und somit auch wirksamer gegen Stress eingesetzt werden kann. Denn erst wenn man eine solche neue Einstellung auch tatsächlich (gegenüber sich selbst und gegenüber anderen) vertreten kann, man also keinen Widerspruch zwischen Einstellung und dem dabei empfundenen Gefühl mehr empfindet, können die neu erworbenen Einstellungen helfen, besser mit Stress umzugehen.

[...]


1 Zu Gunsten der einfacheren Lesbarkeit, werden Begriffe wie Polizist, Polizeibeamter, etc. im weiteren Verlauf nur noch in ihrer maskulinen Form verwendet. Es sind an dieser Stelle selbstverständlich immer beide Geschlechter gemeint.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Langfristige Stressbewältigungsstrategien. Steigerung der Stressbewältigung bei Polizeibeamten
Hochschule
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen; Münster
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
12
Katalognummer
V455811
ISBN (eBook)
9783668864948
ISBN (Buch)
9783668864955
Sprache
Deutsch
Schlagworte
psychologie, stress, stressbewältigung, resilienz, stressbewältigungsstrategien, stressmanagement, regeneration, mental
Arbeit zitieren
Timo Vorwald (Autor:in), 2015, Langfristige Stressbewältigungsstrategien. Steigerung der Stressbewältigung bei Polizeibeamten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455811

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