Leseprobe
Einleitung
Der Umsatz von Fair Trade Produkten in Deutschland ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Rund 1,2 Milliarden Euro Umsatz konnten beispielsweise im Jahr 2016 durch den Verkauf von Fair Trade Produkten erzielt werden (TransFai r e.V., 2016). In der Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse 2017 gaben 14% der Befragten an, dass sie beim Einkauf darauf achten, ob die Produkte aus fairem Handel stammen (Institut für Demoskopie Allensbach, 2017).
Die World Fair Trade Organization definiert Fair Trade als
„a trading partnership, based on dialogue, transparency and respect, that seeks greater equity in international trade. It contributes to sustainable development by offering better trading conditions to, and securing the rights of, marginalized producers and workers“ (World Fair Trade Organization, 2015) .
Bei fair gehandelten Produkten soll also unter Einbezug der Rechte und Arbeitsbedingungen von wirtschaftlich benachteiligten Erzeugern Nachhaltigkei t gefördert werden. Das Prinzip der Nachhaltigkeit vereint wiederum ökonomische, ökologische und soziale Perspektiven: Während sich der ökonomische Aspekt auf faire Preise für Erzeuger und Konsumenten bezieht, steht beim ökologischen Aspekt der Schutz von Umwelt und Tieren im Vordergrund. Die soziale Komponente kann als eine Form sozialer Akzeptanz beschrieben werden, da es hier um eine Übereinstimmung von Produktionsprozessen mit den Bedürfnissen und Prioritäten der Gesellschaft geht (Vermeir Verbeke, 2008).
In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass auch wenn Konsumenten eine positive Einstellung gegenüber nachhaltigen Produkten aufweisen, es dennoch zu einer Abweichung des Verhaltens kommen kann: Robinson und Smith (2002) identifizierten in ihrer Studie mangelnde Verfügbarkeit, Gewohnheit, Misstrauen, Kosten und Bequemlichkeit als mögliche Kaufbarrieren. Die Diskrepanz zwischen der Einstellung einer Person und ihrem tatsächlichen Verhalten wird auch als Einstellungs-Verhaltenslücke bezeichnet: Einstellungen allein sagen das Verhalten in speziellen Situationen nur schlecht vorher (Ajzen, 1991), weshalb weitere Faktoren berücksichtigt werden müssen.
Ziel der vorliegenden Hausarbeit soll es daher sein, unter Rückbezug auf die Theorie des geplanten Verhaltens ein Forschungsdesign zur Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Kaufintention von Fair Trade Lebensmitteln zu entwickeln. In einem ersten Schritt werden Kernaussagen des theoretischen Rahmens sowie ein Überblick über den Forschungsstand dargestellt. Anschließend werden das Forschungsziel sowie die Vorgehensweise des Forschungsdesigns erläutert. Zentrale Aspekte werden am Ende noch einmal zusammengefasst.
Theorie und Forschungsstand
Die Theorie des geplanten Verhaltens (TPB) (Ajzen, 1985, 1991) ist eine Weiterentwicklung der Theorie des überlegten Handelns (TRA) (Ajzen Fishbein, 1980) und hat den Zweck, menschliches Verhalten in speziellen Situationen vorherzusagen und zu erklären (Ajzen, 1991, S. 180). Die TPB umfasst Einstellung, subjektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle als Schlüsselfaktoren, die zu einer Veränderung der Intention führen, welche als motivationaler Faktor wiederum das tatsächliche Verhalten beeinflusst.
Die Einstellung bezieht sich darauf, ob man eine positive oder negative Beurteilung gegenüber einem Sachverhalt aufweist. Die subjektive Norm ist ein sozialer Faktor und berücksichtigt den sozialen Druck, ein bestimmtes Verhalten ausüben zu können. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle bildet die Erweiterung in der TPB gegenüber der TRA und stellt ab auf die antizipierte Einfachheit oder Schwierigkeit, ein Verhalten tatsächlich ausführen zu können. Hierbei wird angenommen, dass sowohl vergangene Erfahrungen als auch mögliche Hindernisse in die Beurteilung miteinfließen (Ajzen, 1991, S. 188).
Den drei genannten Determinanten gehen wiederum saliente Überzeugungen voraus, die subjektiv gebildet werden und sich untergliedern lassen in Verhaltensüberzeugungen, normative Überzeugungen und Kontrollüberzeugunge n. Dahinter stehen schließlich weitere individuelle, soziale und informationsbezogene Faktoren (Ajzen Fishbein, 2005, S. 194).
Aus der TPB lässt sich also folgern: Je positiver die Einstellung ist, je stärker die subjektive Norm ist, einem Verhalten nachzugehen, und je größer die wahrge - nommene Verhaltenskontrolle ist, desto höher ist die Intention, ein Verhalten tatsächlich ausführen zu wollen.
Ein Blick auf den Forschungsstand zeigt, dass sich die TPB auch in der Praxis bewährt hat. Armitage und Conner (2001) identifizierten die TPB als ein effektives Modell, Verhalten vorherzusagen: In ihrer Metaanalyse betrachteten sie 185 Studien aus verschiedenen Bereichen (z.B. Freizeitverhalten, gesundheitsbe - zogenes Verhalten, umweltbezogenes Verhalten) und stellten fest, dass 27% der Varianz im Verhalten und 39% der Varianz in der Intention durch die Faktoren der TPB erklärt werden können.
Die ursprüngliche Theorie soll nun erweitert werden um moralische Normen, da nicht nur subjektive Normen in Form eines sozialen Drucks von außen das Verhalten bestimmen können, sondern möglicherweise auch eigene Gefühle einer moralischen Verpflichtung (Ajzen, 1991, S. 199) einen Druck ausüben und das Verhalten in eine bestimmte Richtung lenken können. Ajzen und Beck (1991) untersuchten beispielsweise Schummelei bei einem Test, Ladendiebstahl und Lügen und konnten feststellen, dass sich unter Berücksichtigung der eigenen moralischen Verpflichtung die Genauigkeit der Vorhersage verglichen mit dem Ursprungsmodell moderat verbessert hat. Eine Metaanalyse von Armitage und Conner (1998) kommt zu dem Ergebnis, dass bei 9 von 11 untersuchten Studien moralische Normen die Verhaltensintention signifikant beeinflussen und sich der erklärte Anteil an Varianz durchschnittlich um 4% erhöht, wenn diese zusätzliche Variable berücksichtigt wird. Desweitern fällt auf, dass moralische Normen vor allem dann eine Rolle spielen, wenn im Entscheidungskontext ethische Aspekte von großer Relevanz sind.
Da Kernelemente des Fair Trades wie humane Arbeitsbedingungen, Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit und der Erhalt einer lebenswerten Umwelt durchaus eine ethische Komponente beinhalten, erscheint es lohnenswert, die TPB für dieses Forschungsvorhaben zu erweitern und moralische Normen mit zu berücksichtigen.
Eine Reihe von Studien, die den Konsum von Fair Trade und Bio Lebensmitteln untersuchten, konnten ebenfalls die Determinanten der TPB auf das Kauf- verhalten identifizieren (Arvola et al., 2008; Chen, 2007; Guido et al., 2010; Nocella et al., 2012; Robinson Smith, 2002; Vermeir Verbeke, 2008). Arvola et al. (2008) untersuchten beispielsweise die Kaufintention von Bio Äpfeln und Bio Fertigpizzen in Italien, Finnland und England mit dem Ergebnis, dass die Einstellung, moralische Einstellung und subjektive Norm zur Erklärung der Kaufintention beitragen, wobei die Berücksichtigung der moralischen Einstellung die Vorhersagekraft des Modells verbessert und es darüber hinaus Unterschiede zwischen den Ländern gibt, welcher Einflussfaktor am mächtigsten wirkt. Auch Guido et al. (2010) konnten einen Einfluss moralischer Normen auf die Kaufintention feststellen. Zudem ergab sich, dass moralische Normen wiederrum beeinflusst werden durch subjektive Normen. Zentrale Determinanten der Kauf- intention einer nachhaltig produzierten Milch bei Vermeir und Verbeke (2008) sind Einstellung, subjektive Norm, wahrgenommene Verhaltenskontrolle, menschliche Grundwerte und die Zuversicht, dass das Produkt hält, was es verspricht.
Der Forschungsstand zeigt, dass sich die TPB zur Erklärung menschlichen Verhaltens für verschiedene Kontexte durchaus bewährt hat und auch einen Beitrag zur Bestimmung der Kaufintention bei Fair Trade Lebensmitteln leistet.
Ziel und Vorgehen des Forschungsvorhabens
Ziel ist es, die Kaufintention von Studierenden bei einem Fair Trade Kaffee zu untersuchen. Hierbei sollen die Faktoren der TPB (Einstellung, subjektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle) sowie moralische Normen als mögliche Einflussfaktoren auf die Kaufintention berücksichtigt werden. Die Auswahl des untersuchten Fair Trade Produktes fiel auf Kaffee, da dies mit 416 Millionen Euro jährlichem Umsatz mit Abstand die stärkste Fair Trade Produktkategorie in Deutschland ist (TransFair e.V., 2016). Darüber hinaus wird Kaffee von vielen Studierenden konsumiert, weshalb die Beantwortung der Fragen weniger abstrakt ist als bei Produkten, mit denen kaum persönliche Berührungspunkte bestehen.
[...]