Die Wertschöpfungskette von Altkleidern mit Ausblick auf den Exportmarkt Afrika


Bachelorarbeit, 2018

58 Seiten, Note: 12 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Secondhand oder die Entstehung einer internationalen Wertschöpfungskette

2 Globale Produktionsketten: Theorie der Wertschöpfungsketten von Altkleidern

3 Wertschöpfungsketten im globalen Kontext
3.1 Der Handel mit Altkleidern und der rechtliche Rahmen der Wiederverwertung
3.2 Die globale Vernetzung durch Altkleider am Beispiel Afrika

4 Struktur und Zielsetzung karitativer Verbande

5 Methodik

6 Wertschöpfungskettenanalyse der DRK
6.1 Geschichte und Verbindung der verschiedenen AkteurInnen
6.2 MaBnahmen zum sicheren Umgang mit Altkleidern

7 Gesamtdarstellung: Wertschöpfungskette anhand der DRK-
7.1 Wertschöpfungskette des DRK Ladens und die internen Arbeitsprozesse
7.2 Wertschöpfungskette der Sortierfirma und die Arbeitsprozesse

8 Fazit: Ergebnis der Analyse

9 Ausblick für den Exportmarkt Afrika

10 Literaturverzeichnis

11 Abbildungsverzeichnis

1 Secondhand oder die Entstehung einer internationalen Wertschöpfungskette

Schon der vor 5300 Jahren in den Südtiroler Alpen verstorbene „Ötzi“ trug einen Patchworkmantel. Entweder trug er diesen aus kulturellen Gründen, vielleicht jedoch auch, weil er das Beste aus Secondhand-Ware schneiderte, was sich in den kalten Gefilden als warmend herausstellte (vgl. Holdinghausen 2015, S. 11). In diesem Sinne, „as long as clothes have existed, they have been borrowed, exchanged and swapped“ (Brooks 2012, S. 60). Bereits zwischen dem ersten und fünften Jahrhundert wurden im alten Àgypten getragene Kleidungsstücke dazu verwendet, kaputte Puppen auszustopfen (vgl. Hancock 2016, S. 9).

In Zeiten der fortgeschrittenen Globalisierung scheinen sich die Mechanismen verandert zu haben. Die Secondhand-Industrie schafft einen Weg, der es der/dem KauferIn potentiell ermöglicht, Um- welt und soziale Probleme zu reduzieren, da keine neue Ware für den Komfort hergestellt werden muss (vgl. ebd., S. 11) - zumindest entsteht vorerst dieser Eindruck.

Doch welche Faktoren haben dazu geführt, in unserer Gesellschaft dieses Bewusstsein zu schaffen, welches einen immer gröBer werdenden Absatzmarkt schafft, obwohl eigentlich die abgegebenen Kleidungsstücke aus Spenden bestehen? Im Gegensatz zur öffentlichen Meinung, werden diese Spenden nur im geringen Mafîe karitativen Zwecken überlassen. Dahinter steckt jedoch ein ganzes Netzwerk, das ökonomisch funktioniert. Auf Deutschland bezogen bedeutet dies eine enorme Ver- anderung der Bedingungen seit den ersten Nachkriegsjahren. Damals noch selbst ein Importeur von Altkleidern, steigt der Verbrauch an Neukleidern seitdem drastisch an (vgl. Hütz-Adams 1995, S. 13). Deutschland ist mittlerweile einer der weltweiten Spitzenreiter im Verbrauch von neuen Textilien. Einerseits kristallisiert sich dafür als Grund das steigende Kapital heraus, andererseits gilt der eigene Konsum als Möglichkeit, die Altkleider danach abgeben zu können (vgl. ebd. 1995, S. 14ff.).

Diese Möglichkeit des Spendens entsteht durch verschiedene Wertschöpfungsketten. Im Laufe der Zeit und vor allem durch die beschleunigte Globalisierung der letzten Jahrzehnte, sind immer neue Ebenen von Verkettungen entstanden, welche sich weltweit manifestiert haben. Dazu zahlt einer- seits die Entstehung der Neuware durch das Recyceln dieser, andererseits auch Altkleider, die durch Wiederverwendung in den Kreislauf zurückgeführt werden. Durch den immer höheren Ver- brauch an Neukleidern verschiebt sich die Produktion in die Entwicklungslander, welche einen günstigeren Herstellungsprozess garantieren können und sich damit zugleich in die internationalen Wertschöpfungsketten einfügen (vgl. Gereffi & Frederick 2010, S. 4). Eines der erfolgreichsten Exportgüter aus Afrika stellt die Baumwolle dar. Diese wird von FarmernInnen geerntet und dann nach Asien exportiert. Dies ist der elementare Schritt in der Produktion von Kleidern. Die Zusam- mensetzung der Produkte findet jedoch, wie es in der Globalisierung üblich ist, auf verschiedenen Teilen der Welt statt (vgl. Sen Nag 2017).

Durchdiein China(undin anderen Entwicklungslandern)günstigproduzierten Textilwaren, wurde ein Markt geschaffen, der es dem/der westlichen KonsumentIn ermöglicht, den eigenen kapitalis- tischen Konsum so zu gestalten, dass ein Überangebot an Kleidern vorherrscht (vgl. Rivoli 2009, S. 247). Dieser Überkonsum senkt somit die Hemmschwelle des Aussortierens im Kleiderschrank und statt zur/zum SchneiderIn zu gehen, landen die Altkleider in Containern oder Sammelstationen und es werden als Folge dessen haufiger Neukleider gekauft (vgl. Hancock 2016, S. 14).

Doch wo diese Wertschöpfungskette endet, beginnt eine Neue. Nach dem Kollektivieren der Alt- kleider, werden diese klassifiziert und es wird versucht, einen neuen Wert zu schaffen, welcher davor nicht mehr vorhanden war (vgl. Rivoli 2009, S. 222 ff.). Dieser Sortierungsprozess hat eine lange Geschichte und wechselnde Facetten in Europa. Anfangs war der Beweggrund der Hilfsor- ganisationen und karitativen Verbande zwar das Helfen von Menschen in armen Regionen, aber auch der Verkauf der Ware zu kostengünstigen Preisen. Mit der Zeit wurde daraus ein Profitge- schaft, indemdieanfanglicheSpendenwarezueinemneuen Sachwert generiert wurde (vgl. Hansen 2000, S.104ff.).

Im letzten Teil des Kreislaufes, der auBerhalb des Konsums von neuen Gütern liegt, entsteht damit ein neuer Markt mit den Kleidern, die im europaischen Markt vorerst als „Müll“ deklariert wurden (vgl. Hütz-Adams 1995, S. 20 ff.). Demnach entstehen Exportmarkte nach verschiedener Qualitat, wobei diejenigen mit der schlechtesten meist nach Afrika exportiert werden (vgl. Hansen 2004, S. 3). Nachdem die gepressten Pakete im Zielland ankommen, werden sie dort von Zwischenhandle- rInnen aufgekauft und weiterverteilt. Nach samtlichen Zwischenschritten landen die aus Europa kommenden Altkleider unter anderem auf Markten in Stadten und Dörfern von Afrika (vgl. Haggblade 1990, S. 511 ff.).

Die hierdurch entstehenden Folgen sind so vielfaltig wie die Kleider selbst, so wird einerseits von groBen Chancen für Afrika berichtet, die es den Leuten ermöglichen sollen,sichzufügenundselbst GeldausderGlobalisierunggenerieren zukönnen. Andererseits istdieRedevon Chancenlosigkeit, anhaltender Armut und Abhangigkeit durch die Altkleiderexporte aus Europa, insbesondere aus Deutschland. Selbst ExpertInnen können die genauen Folgen kaum abschatzen, weshalb eine gründliche Analyse der Wertschöpfungsketten notwendig ist (vgl. Baden & Barber 2005; Bigsten & Wicks 1997; vgl. Frazer 2008).

Die vorliegende Arbeit soll sich aufgrund dessen mit der Beantwortung folgender Forschungsfrage auseinandersetzen: Wie wird in der Wertschöpfungskette im Altkleiderkreislauf Wert generiert?

Im Sinne eines nachvollziehbaren Forschungsdesigns wird die übergestellte Frage in kleinere, me­thodisch leicht umsetzbare Unterfragen geteilt: Inwiefern handelt es sich bei Altkleidern um neue Ware? Wie wird die Wertschöpfungskette reproduziert? Warum handelt es sich beim afrikanischen Altkleidermarkt um einen spezifischen Fall von Altkleiderabnehmer? Hieraus wird die These auf- gestellt, dass der Einfluss des Altkleiderkreislaufs in und durch Deutschland auf den afrikanischen Textilmarkt kurzfristige positive Effekte hat, jedoch in der langen Sicht wirtschaftliche und soziale Probleme entstehen.

Um eine theoretische Basis für eine Wertschöpfungskette der Altkleiderexporte im Allgemeinen geben zu können, werden im ersten Teil dieser Arbeit die Wertschöpfungsketten in das Konzept der Global Value Chains, kurz "GVC" von Gereffi & Fernandez-Stark eingebettet. Daraus werden Aspekte in den Textilherstellungs-, Recyclings- und Wiederverwertungsketten, in diesem Fall Se- condhand/Altkleider, abgeleitet und versucht, diese durch die Theorie zu erklâren. Zum praktischen Verstândnis wird im Anschluss ein struktureller Rahmen gegeben. Dieser soll Prozesse, AkteurIn- nen und auch Zahlen verdeutlichen, um das Thema abseits, in Einklang mit der theoretischen Basis, begreiflich zu machen und dadurch einen wissenschaftlichen Beitrag zu dessen Verstândnis leisten. Anhand eines Methodikteils wird folglich erklârt, welche Art der Sozialforschung in Frage kommt und in welcher Form eine Befragung stattfinden soll. Daraufhin werden die Ergebnisse, welche durch die Interviews mit der DRK- , der Sortierfirma und der Fairwer- tung e.V. wiedergegeben und in einen Rahmen gesetzt, welche die Wertschöpfungskette verdeut- licht. Eingebettet in die Theorie ist es Ziel, Einblicke in einen Teil dieser Wertschöpfungskette zu erlangen. SclilieBlicli soll die These verifiziert oder falsifiziert werden.

2 Globale Produktionsketten: Theorie der Wertschöpfungsketten von Altkleidern

Die Theorie der Global Value Chains nach Gereffi & Fernandez-Stark (2011, S. 2) versucht die unterschiedlichen Strukturen und Dynamiken, unter welchen die verschiedenen AkteurInnen ge- bunden sind, im Zuge der immer komplexer werdenden Globalisierung zu fassen und darzustellen. Damit versucht die Theorie, die Wertschöpfungskette, also den kompletten Vorgang, mit all seinen AkteurInnen in ein Schema zu setzen (vgl. ebd. 2011, S. 4). Diese wird durch vier Parameter defi- niert, welche zu jeder Zeit der Herstellungskette prasent sind (vgl. Humphrey & Schmitz 2001, S. 5). Diese Parameter werden durch vier Fragen klassifiziert: Was soll produziert werden? Wie soll etwas produziert werden (Technologie, Qualitats-, Labor- und Umweltstandards)? Wann soll etwas produziert werden? Wie viel soll produziert werden? Als letzter Punkt bleibt der Preis, da dieser als Rahmenparameter für alle anderen Schritte gesehen wird (vgl. Humphrey & Schmitz 2001, S. 5). Als weiteres Ziel gilt es, die vier Dimensionen der Global Value Chain zu beleuchten, namlich die „shifting patterns“, welche als Prozess des In- und Outputs verstanden werden und versuchen, die Entstehung der Ware zu definieren, die geographischen Rahmenbedingungen zu beachten, den institutionellen Rahmen genauestens aufzuzeichnen und zuletzt die Richtung der Art und Weise der Regulierung der Wertschöpfungskette zu bestimmen (vgl. Gereffi 1995).

Dabei ist vor allem wichtig, dass das System der Wertschöpfungsketten als holistisch betrachtet wird und somit durch „out-sourcing“ der Arbeitsprozess zwischen den Firmen verteilt wird (vgl. Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 4). So ist es eine grofîe Herausforderung zu beschliefîen, wel- che Arbeitsprozesse und die damit verbundenen Herstellungsmethoden innerhalb der Firma blei- ben sollen oder eben auf andere Firmen übertragen werden und letztendlich damit auch eine geo- graphische Standortanderung oder -Verteilung einhergeht (vgl. Gereffi et al. 2005, S. 79). Nach Arndt & Kierzkowski (2001) ist diese raumliche Veranderung der Arbeitsaufteilung neu und die AutorInnen generieren diese Dimension als „fragmentation“.

Als Endpunkt der Analyse soll aufgezeigt werden, an welcher Stelle der Kette eine Wertoptimie- rung, bzw. ein Wert im Allgemeinen an der Ware entsteht (vgl. Gereffi & Fernandez-Stark 2011). Der Punkt des „value added“-Moments gibt auch Hinweise, warum sich im internationalen Handel so viele Dinge geandert haben. So wird nach Gereffi et al. (2005) eine „value-added-chain” wie folgt definiert: „the process by which technology is combined with material and Labor Inputs, and then processed Inputs are assembled, marketed, and distributed“ (ebd. S. 79).

An gleicher Stelle muss aber auch gesagt werden, dass nach Sturgeon (2000) „[t]he answer lies in the fact that the process of globalization is an ongoing one. In any process of Transformation had begun long ago and will never be completely finished characteristics that reflect more or less ad­vanced aspects can be really identified and highlighted on what one is trained to look for“ (S. 2-3). Die Theorie nach Gereffi ist per se nicht die einzige die im wissenschaftlichen Rahmen vertreten wird. Auch ist Michael E. Porter zu nennen, der sich im Aufbau der „value chain“, vom Model Gereffis unterscheidet (ebd. S. 6). So ist für Porter eine Wertekette ein interdependentes System, welches durch Bindungen zusammenhângt. Die Verbindung besteht durch Beeinflussung von Kos­ten oder anderen Aktivitâten, welche sich gegenseitig beeinflussen (vgl. Porter 1991, S. 64). Jedoch werden im Zuge dieser Theoriewahl lediglich die Annahmen Fernandez & Gereffis vertieft, da damit eine passendere Analyse des Praxisbeispiels gemacht werden kann. Das Problem der „value chain“ Porters ist, dass lediglich auf die Firma oder das Firmennetzwerk zugegriffen wird, um einer Analyse standzuhalten. Da dies in Zeiten der globalen Netzwerke nur sehr eingeschrânkte Ergeb- nisse zu Tage bringt, gilt dieser Ansatz als veraltet (vgl. Henderson et al. 2002, S. 439).

Somit sind globale Produktionsketten „sets of interorganizational networks Clusters around one commodity or product, linking households, enterprises, and state to one another within the world­economy. These networks are situationally specific, socially constructed, and locally integrated, underscoring the social embeddedness of economic organization“(Gereffi et al. 1994, S. 2).

In Hinblick auf die vier Dimensionen wird vorerst eine „value chain“ eines input-output-Prozesses beobachtet und es wird versucht, eine Aussage darüber zu treffen, an welchem Zeitpunkt der Kette eine Gewinnoptimierung geschaffen wurde und wenn ja, durch welchen Vorgang. So ist es vor allem wichtig die Art der Fabriken und Tâtigkeiten zu beschreiben, welche durch die Verbindung der Prozesse bis zum endgültigen Produkt dessen Wert steigern (vgl. Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 5 ff.).

Als weiterer Gesichtspunkt der Analyse wird vorausgesetzt, die geographische Reichweite zu er- fassen, welche in Zeiten der Globalisierung weltweit stattfinden kann. Bekannterweise finden die Herstellungsprozesse meistens in den Entwicklungslândern statt, da dort die Kosten für Arbeite- rInnen weitaus tiefer liegen als in den Lândern, die für das Design und letztendlich auch den Ver- kauf verantwortlich sind (vgl. Bernhardt & Milberg 2011, S 3 ff.). So ist vorwiegend die Identifi- zierung der „lead firm“ innerhalb der Wertschöpfungskette wichtig, um dann einen Rückschluss ziehen zu können, an welcher Stelle die Steuerungsprozesse ablaufen. Zu nennen sind vier ver- schiedene Ebenen, welche die geographische Reichweite klassifizieren: global, regional, national und lokal (Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 8).

Folglich kann der nâchste Punkt des Analyserahmens erklârt werden, nâmlich die „governance“- Ebene, also die Entscheidungsebene, welche zu verstehen hilft, wie die Wertschöpfungskette durch welche Machtkonstellationen der AkteurInnen kontrolliert und geführt wird (vgl. Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 8). Somit ist „governance” nach Gereffi & Korzeniewicz (1994) „author- ity and power relationships that determine how financial, material and human resources are allo­cated and flow within a chain“ (S. 97). Weiter gibt es innerhalb dieses Systems der „governance“ fünf Arten der Versorgungsbeziehungen, welche entweder nach den Regeln des "Buyer-driven" oder des „producer-driven“ Prinzips zu lokalisieren sind (vgl. Ebd. 1994, S 97 ff.).

Aufîerdem sind diese fünf Arten der „governance“ an drei Beziehungsvariablen fest zu machen, inwiefern Produktionsprozesse weitergegeben werden und welche Kompetenzen die HandlerInnen letztendlich mitsichbringen. Anhand der enormen Komplexitat der Informationen zwischen den AkteurInnen ist eine Unterteilung nötig (vgl. Frederick & Gereffi 2010; Gereffi et al. 2005).

So sind diese drei Arten nach Sturgeon (2002) und Sturgeon & Lee (2001) an der Standardisierung der Produkte und der Prozesse zu erkennen. Die „commodity-supplier“ stellen Standartprodukte zur Verfügung, indem sie einen kleinen Marktrahmen pflegen. Hingegen stellen die „captive-supp- lier“" angepasste Herstellungsformen zur Verfügung, die auf den Erwartungshorizont der Kaufe- rInnen angepasst sind. Zuletzt haben die „turn-key-supplier“ den Vorteil, beide vorherigen Bezie- hungsarten zu vermischen.

Eine Art der „governance“ ist die Market Variante. Diese Variante gilt als die simpelste der fünf Unterscheidungen. Hier herrscht eine geringe Informationsweitergabe, da Produktionsprozesse einfach gehalten werden. Wichtig sind der Preis und die Macht der „lead-firm“ (vgl. Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 9).

Eine weitere Art ist die Modular-„value chain“ (vgl. Gereffi et al. 2005, S. 86). „When the ability to codify specifications extends to complex products and when suppliers have the capacity to use generic manufacturing competences to supply full packages and modules, lowering the need for buyers to monitor closely and control design“ (Gibbon et al. 2008, S. 322). Demnach sind die Möglichkeiten der Produktherstellung begrenzt, da die Wünsche der KauferInnen möglichst ange- passt erfolgen sollen. Definiert wird diese „value chain“ als „turn-key-service“ (vgl. Gereffi et al. 2005, S. 84).

Relationale Wertschöpfungsketten treten auf, wenn es sich um eine hohe Komplexitat der Trans- aktion und hohe Fahigkeiten auf Seiten der Versorgerbasis handelt, jedoch die Kodifizierbarkeit der Transaktion gering ist. Dadurch ist die „lead firm“ starker von der Versorgerbasis abhangig, wodurch beiden TransaktionspartnerInnen weniger potentielle PartnerInnen zur Verfügung stehen. Andernfalls würden durch Wechsel der PartnerInnen hohe Kosten entstehen. Haufig besteht diese Form der Wertschöpfungskette, wenn soziale Mechanismen bestehen oder sich entwickeln, wodurch bei einem Bruch der Geschaftsbeziehung „soziale Kosten“ entstehen würden (vgl. Gereffi et al. 2005, S. 86). Zusatzlich ist die Wertschöpfungskette von vorrechtlichen Beziehungen, einem direkten Kontakt und einem hohen Grad an Komplexitat gezeichnet. Es ist viel Kapitaleinsatz, Zeit und Arbeit nötig, um Vertrauen zuschaffen und die Beziehung zu stabilisieren. Dies erfordert eine hohe, explizite Koordination, um den Anforderungen der „lead firm“ gerecht zu werden (vgl. Ge- reffi & Fernandez-Stark 2011, S. 9).

In der konzerneigenen „value chain“, sind kleine HandlerInnen abhangig von ein paar wenigen KauferInnen, woraus ein groBes Machtgefalle entsteht. Dabei ist der hohe Grad an Beobachtung und Kontrolle der „lead firm“ nicht zu missachten. Durch die von KauferInnen gesteuerten Ver- haltnisse werden HandlerInnen gezwungen, den jeweiligen Bedingungen nachzugehen, was zu ho- hen Kosten führt (vgl. Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 10). Es herrscht die Dominanz der „lead firm“, wahrend im selben Moment genug Ressourcen bereitgestellt werden und anderen suborien- tierten Firmen Marktzugang gewahrt wird, um einen Ausstieg unattraktiv zu gestalten (vgl. Gereffi 2005, S. 87).

Zwar weniger relevant als in der Vergangenheit, jedoch immer noch von gewisser Relevanz, ist die hierarchische „value chain“. Diese Art von „governance“ hat zum Zweck, Produktionen in der Regel in der „lead firm“ zu vollziehen, da sowohl die Herstellung von hoher Komplexitat, ist als auch kompetente ZulieferantInnen kaum zu finden sind (vgl. Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 10).

Natürlich sind diese fünf Kategorisierungen keine feststehenden Definitionen in der realen Welt. Sobald sich die Industrie verandert, entstehen auch neue Formen der „governance“, welche dann als Mischform oder als komplett neue Kategorie festgehalten werden können. Zur Folge hat dies soziale und ökonomische Auswirkungen (vgl. Gereffi & Korzeniewiz 1994, S. 96 ff.).

Abbildung 1 zeigt die verschiedenen Arten der “governance“. Dabei zeigt die vertikale Achse die Verteilung des Materials bis zum Gebrauch. Die horizontale Achse gliedert den Grad der Asym­metrie der Macht und der expliziten Koordination.

Als letzte Dimension nach Gereffi & Fernandez-Stark wird die Thematik des „institutional- context“ definiert. Auf institutioneller Ebene wird, bezogen auf die „value chain“, geordnet, wie lokale, nationale und internationale Bedingungen letztendlich den Mantel der Globalisierung schaf­fen (vgl. Gereffi, 1995). Globale Wertschöpfungsketten werden durch soziale, ökonomische und institutionelle Dynamiken bedingt, vor allem jedoch durch Lokale verandert (vgl. Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 11). Darunter fallen „labor costs, available infrastructure and access to other resources such as finance“ (Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 11). Ein weiterer Punkt der Analyse von „global value chains“ ist das „upgrading“. Grundsatzlich gibt es, wie in vorherigen Teilen schon erwahnt, zwei grundlegende Richtungen, aus denen eine „GVC“ begutachtet wird. Einmal die „top down view2, also eine Sicht von oben nach unten, geführt durch das Konzept der „governance“. Gegenteilige Richtung ist die „bottom up“ Organisation, welche das „upgrading“ definiert. Unabhangig von „lead firms“ versuchen hier andere Akteure wie, Lander und Regionen, ihren Wert zu steigern (Gereffi & Fernandez-Stark 2011, S. 12; Gereffi, 2005b, S.171).

Im Folgenden wird diese Theorie am Beispiel der Altkleiderspenden, bzw. den damit einhergehen- den Altkleiderexporten, angewendet. Vorher sollte jedoch ein kurzer Einblick in die Herstellungs- kette der Textilindustrie ermöglicht werden. Um die Ebene der „geographic scope“ erneut anzu- sprechen, spricht Gereffi von einer „internationalization“ innerhalb der Globalisierung, um damit der Verteilung von Organisation und Herstellung einen raumlichen Rahmen zu geben (vgl. Gereffi 1999, S. 41). Im Gegensatz zu den nach Norden verlaufenden Produktionsverlaufen, unterscheidet sich das Recycling von Textilien von diesen enorm. Denn die Globalisierung hat ihren Erfolg darin, Güter aus Landern zu exportieren, die dort einen geringen Wert haben, um diese folglich z.B. nach Asien zu importieren, da dort die Arbeitskrafte günstiger sind als in Europa. Als Ziel gilt es, immer mehr Wert pro Schritt generieren zu können (vgl. Gereffi 1999, S. 40ff.). Afrika als Importeur von Ware aus Deutschland differenziert sich damit vom bekannten Ablauf.

So wird indessen in den Lehrbüchern für Wertschöpfungsketten das Wegwerfen von Ware als letz- ter Schritt des Stranges klassifiziert, jedoch sollte man eher von einem Zyklus ausgehen, der an genau diesem Punkt wieder ansetzt, sodass die wertlose Ware wiederverwertet wird (vgl. Crang et al. 2013, S. 14). Dies steht im Gegensatz zu den klaren Anfangs- und Endpunkten, meist gesetzt durch die „lead firms“ (vgl. Lepawsky & Billah 2011). Dies ware der Fall, wenn beispielsweise jemand gebrauchte Textilien loswerden möchteunddadurchein Produkt entsteht, bevor überhaupt eine Nachfrage bestehen kann (vgl. Crang etal. 2013, S. 15). Daraus generiertsichein heterogenes Gemisch aus Produkten von unterschiedlicher Qualitat, Menge und Materialien, was nach Rivioli (2005) unter der Namensgebung „Snowflakes“ zusammengefasst wird. Folglich stellt dies eine Herausforderung für “GVC” dar, da „instead [of] stressing the processes of determining the quality ofgoods moving between actors in locating value capture“ (Crang etal. 2013, S. 15).

Da augenscheinlich der Prozess bzw. die Entstehung von Wert im Bereich der Wiederverwendung grundsatzlich anders ist, muss die Theorie zur Global Value Chain angepasst werden. Interessant heraus zu stellen ware was dies für den Wert bedeutet, um den es bei der Analyse eigentlich geht. Nach Gibbons et al. (2008) geht es letztendlich wenig um die Generierung von Wert an sich, son- dern um eine Kumulierung der Werte entlang der Kette (vgl. Ponte & Ewert 2009, S. 1637 ff.). In der Literatur über Wertschöpfungsketten wird dies mit dem Begriff „capture“ benannt. Letztlich geht es aber in dem Beispiel der Textilverwertung weniger um ein Erfassen der gesamten Kette, als um etwaige Vertreibung von bestimmten Materialien. Denn Alttextilien können vorerst Kosten für bestimmt Akteure entstehen lassen und führen nicht unbedingt zu einer Wertverteilung in dem Wertschöpfungsnetzwerk (vgl. Crang et al. 2013, S. 15).

Weiterhin sprechen Henderson et al. (2002) von einer Erfassung von Werten, die bei verschiedenen Prozessen innerhalb der Kette entstehen. Diese sprechen Crang et al. (2013) den benutzten Texti- lien ab. Die beschriebene Entstehung von Werten entlang der Kette wird mit dem Begriff „rent“ bezeichnet. So werden hier Zahlen berechnet, die durch Prozesse, geographische Lage und sonstige Bedingungen entstehen (vgl. Schmitt 2018). Speziell aufdie Herstellung der Textilien, die essen- tiell für die Wiederverwertung sind, sind Buyer-driven chains are most closely tied to relational rents, which refer to several families of inter-firm relationships, including the techniques of supply-chain management that link large as­semblers with small- and medium-size enterprises, the construction of strategic alliances, and small firms clustering together in a particular locality and manifesting elements of collective efficiency [...]; trade-policy rents, understood as the scarcity value created by protectionist trade policies like apparel quotas; and brand name rents, which refer to the returns from the product differentiation techniques used to establish brand-name prominence in major world markets. (Ge- reffi 1999, S. 43ff.).

Letztendlich liegt es nur an der „trade-policy“, die Altkleidern den Status von Müll zuspricht oder sie als Ware deklariert. Denn im Gegensatz zu den meisten Gegenstanden, führt hier Benutzen und Tragen nicht zu einem Wertverlust, welcher sich als Abfall klassifizieren lasst, sondern kann diesen erhalten, steigern, etc. (vgl. Crang et al. 2013, S. 4-5). Foster (2006) definiert diesen Konsum als „post-consumption“, da die Ebene des Versuchs eines Generierens aller Werte zu einem Endpreis wenig Sinn macht, wie es normalerweise bei Theorien über „GVC“ stattfindet. Denn hier ist ein Beitrag zum Wertentstehen nur sehr schwer ersichtlich. Damit wird aber auch eine Wertschöp- fungskette in seiner ursprünglichen Form abgesprochen. Dies ist jedoch nicht gerechtfertigt, da durch den Verbrauch annahernd ein neues Rohmaterial entsteht.

Wie vorher schon erwahnt, liegt der Fokus von „GVC“ oft in der Analyse von Macht und deren Auswirkung, bzw. auf der Beziehung zwischen HerstellerIn und VerkauferIn, also „functional lea- dership“ (vgl. Crang er al. 2013, S. 5). Jedoch würde eine Analyse bei wiederverwerteter Ware, oder bei dem Thema Secondhand Textilien, letztendlich kein schlüssiges Ergebnis erbringen, wenn dies überhaupt einen erklarenden Zweck hatte. So wird „governance“ an den fünfvorher genannten Parametern gemessen (Abbildung 1). Leider trifft aber in diesem Falle keiner dieser Parameter auf die Analyseebene zu und abschliefîend bewirkt es damit eine Verschiebung der Sicht auf diese spezielle „GVC“. So muss der Blick hier auf internationale HandlerInnen und deren Koordination gerichtet werden (vgl. Humphrey & Schmitz 2002, S. 6 ff.).

Versucht man durch diese neuen Erkenntnisse die „GVC“ der Secondhand-Textilien nun in eine der fünf Formen von GVC „governance“ („hierarchy“, „captive“, „relational“, „modular“ oder „market“) einzuordnen, fallt dies wesentlich schwerer als bei anderen Herstellungsprozessen und deren Endprodukte (vgl. Gereffi 2005, S. 79). Nach der Definition von Gibbon et al. (2008, S. 323), „product specifications cannot be easily codified, products are complex and supplier capabilities are high; this leads to frequent communication between buyers and suppliers within the framework of a certain degree of mutual dependence, which may be regulated through regulation, social ties and/or spatial proximity“. Ergebnis ist, dass die Secondhand-Value-Chain allgemein der „relatio- nal governance“ zugeordnet werden kann. Hier spielen namlich weitaus mehr Faktoren der „geo- graphic scope“, als auch die der „governance“ mit hinein. Bei anderen „GVC“ sollte dafür wieder auf andere Faktoren genauer eingegangen werden (vgl. Crang et al. 2013, S. 5).

In the flows we track, the combination of different forms of embeddedness isvital,andtheca- pacities and functions of specific sites are essential to enable those networks to work. A focus on global recycling therefore opens up space for an advancement of notions of coordinating firms (by small, but influential, brokers) and the spatiality of the relational networks they drive (ebd. 2013, S. 5).

Letztendlich kann dieser Kreislaufals eine Form der „closed loop supply chain“ klassifiziert wer­den. Zwar gilt dieses Modell für andere Wirtschaftszweige, doch lasst sich das Beispiel der Auto- wiederverwertung relativgutaufdie der Altkleiderexporte übertragen. So greifen AkteurInnen die verbrauchte Ware auf und verkaufen dieseals Benutzte weiter (vgl. Savaskan 2004, S1ff.). Welche AkteurInnen daran beteiligt sind und wie dies geschieht, wird im weiteren Teil der Arbeit erklart.

3 Wertschöpfungsketten im globalen Kontext

Umein Verstandnis derVerflechtungvon Deutschland mit dem Exportmarkt Afrika geben zukön- nen, soll im nachsten Kapitel ein institutioneller Rahmen aufgezeigt und an Beispielen verdeutlicht werden.

3.1 Der Handel mit Altkleidern und der rechtliche Rahmen der Wiederverwertung

Seit Jahrhunderten besteht ein Austausch von Gütern zwischen den unterschiedlichsten Teilen der Erde. Aufsehenerregend durch die Globalisierung ist ein komplexes Netzwerk von Rohstoffen, Verarbeitung und Nutzen entstanden. Wie schon erwahnt, stehen Altkleiderexporte etwas auBer- halb dieser Kette, da ihr Ablaufdatum schon vorüber ist. Jedocheröffnetsichdamitein neuer Kreis- lauf. Trotz diesem durchaus positiven Austausch, müssen Regelungen und Zölle vereinbart wer­den, damit daraus nichtneue soziale Konflikte entstehen (vgl. Hauff& Claus 2012, S. 21 ff.). Durchden genannten Überschuss an Altkleidern entsteht ein Bedarf in Landern, in denen der Wert der gebrauchten Ware, die durch verschiedene Prozesse wieder zur wiederbenutzbaren Ware wird, immer noch geringer ist. Faktoren können zunachst Armut oder kulturelle Bedingungen sein. Je- doch stellt sich die Frage, welche Folgen diese Wiederverwendung der Altkleider hat. VertreterIn- nen der Altkleiderindustrie zahlen zu den positiven Erscheinungen des Handels die entstehenden Arbeitsplatze in jeglichen Schritten des Herstellungsprozesses. Auch sind die niedrigen Kosten der Ware zu nennen, welche sich auch die armere Bevölkerung leisten kann (vgl. Baden & Barber 2005, S. 1).

Bevor jedoch Folgen genannt werden können, muss vorerst geklart werden, was als Müll und was als Secondhand deklariert werden kann. Denn wie im vorherigen Teil erklart, liegt ein groBer As- pekt der Analyse aufder Ebene der „governance“, bzw. „trade-policy“. Danach kann aufden „ge- ographic scope“ im nachsten Kapitel eingegangen, sowie soziale Bedingungen geklart und die ent- stehenden Folgen, fürin diesem Beispiel Afrika, beschrieben werden. Vorerst muss geklart werden was Müll ist, bzw. was nicht mehr.

Abfalleigenschaften eines Produktes, bzw. eines Ehemaligen, gelten als beendet, wenn er üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet wird, ein Markt für ihn oder eine Nachfrage nach ihm besteht, er alle für seine jeweilige Zweckbestimmung geltenden technischen Anforde- rungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen für Erzeugnisse erfüllt [oder wenn] seine Verwendung insgesamt nicht zu schadlichen Auswirkungen auf Mensch oder Um- welt führt (vgl. Förtsch & Meinholz 2011, S. 478-510).

In Folge dessen muss der Unterschied zwischen Recyceln und der Wiederverwendung geklart wer­den.

Nach dem deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz wird Recyclen als jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfalle zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen ent- weder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke aufbereitet werden. Es schliefît die Aufbereitung organischer Materialien ein, aber nicht die energetische Verwertung und die Auf- bereitung zu Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff oder zur Verfüllung bestimmt sind (vgl. ebd.,S. 500ff.).

Da dies aber bedeutet, dass nur anderweitige Verwendung alter Stoffe als Recycling eingeordnet werden kann, muss somit beim Wiederbenutzen von Altkleidern von einer Wiederverwendung ausgegangen werden, wenn auch Sortierungsprozesse, Waschprozesse und logistische Prozesse einhergehen.

Nach der Explikation der Regelungen bezüglich Altkleidern in Deutschland muss beleuchtet wer­den, wie es sich mit den Regelungen in Landern verhalt, die auf die Kleider(-spenden) angewiesen sind. Viele Lander Afrikas haben in den letzten Jahren damit begonnen, Einfuhrverbote für Alt- kleiderimporte zu erlassen. Grund sind Kritikpunkte, die sowohl mittlerweile in den Import-, als auch in den Exportlandern zu einer Anhangerschaft geführt haben. In Marokko wurde zum Beispiel eine bürokratische Mauer erstellt, welche das Land besser vor Importen schützen soll und eine relativ absatzhohe Barriere hat (vgl. Rivoli 2009, S. 239).

Hier gibt es lediglich zwei Verfahren, die sich in diesem Industriezweig festgesetzt haben (vgl. Kösegi 2016, S. 6). Einerseits werden hier Rohmaterialien für Putzlappen etc. herausgefischt, an- dererseits werden die qualitativ guten Textilien weiter an HandlerInnen verkauft (vgl. ebd., S. 6). Für die SortiererInnen wird dieser Vorgang durch den Verkauf von Secondhandtextilien gedeckt. Für den RecyclerInnen, bedeutet dies ein hohes Mafî an Arbeit, da Sortiervorgange für die einzel- nen Stofflangen nicht automatisiert werden können. Folge ist ein „Downcycling“ (vgl. ebd., S. 6). Nach dem Gabler-Wirtschaftslexikon bedeutet „Downcycling“, dass „bei vielen Recyclingkreis- laufen [...] mit jeder Verarbeitungsstufe das Wertniveau des Recyclats [sinkt] (z.B. Fasern werden kürzer, Kunststoffmoleküle werden brüchig). Mit fortschreitender Anzahl der Wiederverwertungs- zyklen verschlechtert sich so die Qualitat oder [es] müssen vermehrt Primarrohstoffe zugegeben werden (Kaskadenprinzip)“ (Günther 2018).

Ein anderes Verwertungsverfahren ist da „Closed-Loop Recycling“, wobei die Fasern von Altklei- dern direkt in neue Kleider umgewandelt werden (vgl. Kösegi 2016, S. 7). Im nachsten Kapitel wird auf die Wertschöpfungskette am Beispiel Afrika eingegangen. Notwendigerweise musste da- für vorerst der rechtliche Rahmen definiert werden.

3.2 Die globale Vernetzung durch Altkleider am Beispiel Afrika

Um die Verbindung zu erkennen, wegen derer es sich bei der beschriebenen Wertschöpfungskette um eine „relational governance" handelt, bzw. um eine, die dieser sehr âhnelt, müssen die kultu- rellen und sozialen Faktoren dargestellt werden (vgl. Gibbon et al. 2008, S. 323ff.).

Da eine Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Konsumverhalten besteht, wirkt sich dies auch auf den Erwerb von Kleidungsstücken aus. Jâhrlich werden etwa eine Million Tonnen Texti- lien von Privathaushalten aussortiert und Altkleidercontainern zugeführt oder von Privatsammle- rInnen kollektiviert, mit steigender Tendenz (vgl. Knapp 2017).

In Deutschland wird mit 5,2 Milliarden Kleidungsstücken gerechnet, die als tragbar deklariert wer­den. Bei einer durchschnittlichen Tragezeit von ein bis drei Jahren, erscheint die Zahl von einer Million Tonnen Altkleidern in ihrer unsortierten Form als schlüssig (vgl. Wahnbaeck & Groth 2018).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2:. Import und Export von Textilien in Deutschland in Euro (vgl. Statistisches Bundesamt, 2017)

Grund für diese enorm aufkommenden Mengen ist nicht nur die immer kürzere Tragezeit der ein- zelnen Kleidungsstücke, sondern ebenso eine immer schlechter werdende Qualitât, die wiederum dazu führt, dass eine höhere Kauftatigkeit entsteht, auch bedingt durch die immer niedriger wer- denden Preise (vgl. ebd. 2018).

Hierzu führe ich im Folgenden Daten an, die den Überschuss der Altkleiderexporte erkennbar ma­chen: Der Kauf von Bekleidung steigt seit voranschreitender Globalisierung. Deutschland gilt als eines der gröBten Abnahmelander von Textilien. Jede/r Deutsche kauft durchschnittlich 12 Kilo­gramm Bekleidung pro Jahr. Lediglich ein geringer Anteil der produzierten Ware stammt aus Deutschland (vgl. Neugebauer & Schewe 2014). Da die Herstellungsbedingungen zunehmend menschenunwürdig sind und auch die Qualitat der Textilien darunter leidet, entstehen viele nega­tive Effekte.

Wie in der Abbildung 2 zu erkennen ist, verfügt Deutschland über einen groBen Exportmarkt, je- doch wird dieser von der Importtatigkeit übertroffen, was für ein Expandieren der Textilindustrie spricht. Damit bestatig sich die Annahme, dass es zu einem Überschuss an Kleidern kommt. An- zumerken ist, dass der Exportmarkt für neue Bekleidung aus Landern wie Österreich und den Nie- derlandern besteht (ZEW 2017, S. 66).

Neben diesen deutlichen Folgen stellt sich die Frage, welche Folgen für den Secondhand-Markt entstehen, wenn die Qualitat von Beginn an keine hohen Standards erreicht. An diesem Punkt kann hinzugefügt werden, dass das Bevorzugen der Baumwollkleider Grund für den Altkleiderexport- Boom, sowohl hinsichtlich der besseren Qualitat, als auch wegen ökologischer Vorzüge (giftige und umweltschadliche Stoffe wurden bereits durch das Waschen der VorbesitzerInnen herausge- spült) ist (vgl. Rivoli 2009, S. 239 ff.). Zudem erklaren sich daraus auch die höheren Kosten von neuen Kleidern, die dieselben Standards wie in den 80ern und 90ern haben sollen, die noch viel aufwendiger produziert wurden. Erklarung dafür ist, dass Altkleider aus Industriestaaten in den Entwicklungslandern bevorzugt werden, da falls es noch eine Textilindustrie gibt, die gute Stoffe benutzt, diese meist teurer, aber dafür langer tragbar sind (vgl. ebd, S 239 ff.). Zusammengefasst kann von einem enormen Überschuss an Bekleidung in Deutschland, unabhangig von der Qualitat, gesprochen werden, der neben den negativen Folgen für die Ziellander zumindest eine Entlastung der Müllentsorgung im Abgabeland erbringt (vgl. Hopfinger 1985, S. 206).

Weltweit hat sich der Secondhand-Export seit 1990 verzehnfacht mit einemjahrlichen Umsatzvon 200 Milliarden Dollar. Fast jedes Land ist involviert. Als gröBte Abnehmer zahlen vor allem die Entwicklungslander (vgl. Baden & Barber 2005, S. 5). Somit tragen ein Drittel der Menschen in der Sub-Sahara Region Secondhand-Kleider, meist aus praktischen Gründen (vgl. Hansen 1995, S .134).

[...]

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Die Wertschöpfungskette von Altkleidern mit Ausblick auf den Exportmarkt Afrika
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Geographie)
Note
12 Punkte
Autor
Jahr
2018
Seiten
58
Katalognummer
V456369
ISBN (eBook)
9783668888760
ISBN (Buch)
9783668888777
Sprache
Deutsch
Schlagworte
altkleider, postcolonialism, postkolonialismus, kapitalismus, wertschöpfungskette
Arbeit zitieren
Andreas Herbst (Autor:in), 2018, Die Wertschöpfungskette von Altkleidern mit Ausblick auf den Exportmarkt Afrika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456369

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