Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das schwere Erbe von Weimar
2.1 Parteienlandschaft von Weimar im Vergleich zu 1949
2.2 Polemik und die Härte des Wahlkampfs von Weimar
3. Der Bundestagswahlkampf von 1949
3.1 Ausganslage
3.2 „Lügenauer“ - Der Wahlkampf 1949
4. Fazit
5. Abbildungen
6. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
„Den Wahlkampf von 1949, den man mit guten Gründen als den letzten Wahlkampf der Weimarer Republik bezeichnen kann, [..].“1
„[..], so das ernsthaft zu fragen ist, ob nicht die Bundestagswahl 1949 als „letzte Wahl der Weimarer Ära“ charakterisiert werden sollte [...].“2
Mergel und Falter bringen auf den Punkt, worum es in dieser Arbeit gehen soll. Es soll die Frage gestellt werden, ob die Bundestagswahl von 1949 tatsächlich die letzte Wahl Weimars war oder ob es nicht doch signifikante Unterschiede und Erneuerungen gab. War die Angst vor einem zweiten Weimar begründet, oder war dies nur bloße Schwarzmalerei? Die Frage nach dem Wahlkampf ist zugleich auch die Frage nach dem Zustand der Demokratie, denn aus dem Wahlkampf lassen sich Schlüsse auf den Zustand der Demokratie im Ganzen ziehen.3
Für die Untersuchung der Weimarer Republik war sich die Übersicht von Ursula Büttner4 sehr hilfreich. Besonders die Parteienlandschaft von Weimar wird von Büttner sehr detailreich dargestellt. Für die Untersuchung der Parteientwicklung nach 1945 wurden verschiedene Bücher über die jeweiligen Parteien genutzt. Für die SPD das Buch von Potthoff und Miller5, für die KPD das Werk von Fülberth6 und das von Kössler7, für die FDP das Werk von Dittberner8 und für die CDU das von Bösch.9 „Die Kulturgeschichte des Wahlkampfs“ von Thomas Mergel erwies sich sowohl für die Wahlkampfgeschichte der Weimarer Republik, als auch für die von 1949 als hilfreich.10 In seinem Werk beschreibt er die Geschichte und Kultur des Wahlkampfs und zieht dabei bewusst die Sicht der Wähler mit ein. Zur Bundestagswahl von 1949 wurde die Untersuchung von Falter11 genutzt, welche die einzige längere und detailreichste Wahlanalyse von 1949 ist, die ich auffinden konnte. Hier wird allerdings nur wenig auf den Wahlkampf selber eingegangen, sondern eher auf das Wahlergebnis. Zum Forschungsstand muss man sagen, dass dieser sehr dürftig ist. Werke, die ausschließlich von der Wahl 1949 handeln existieren nicht. Deshalb wird diese Arbeit auch fragmentarisch aus verschieden Werken zusammengesetzt und bezieht sich nicht auf ein paar wenige Hauptbezugsquellen. Als Quellen wurden Wahlplakate genutzt, aber auch Zeitungsartikel von damals, die helfen sollen den Wahlkampf zu verstehen und die wichtigsten Aspekte nochmal zu unterstreichen. Um eine Antwort auf die Forschungsfrage dieser Arbeit zu finden, sollen in Kapitel eins zunächst Grundlagen geklärt werden, die für die Beantwortung notwendig sind. Hier soll es zunächst um die Parteiensysteme von 1949 und Weimar gehen. Der Wahlkampf wird schließlich von den Parteien getragen und handelt um diese. Diese gestalten ihn und somit lenken sie ihn auch in eine bestimmte Richtung. Hier ist die Frage zu stellen, ob das Parteiensystem von Weimar 1949 übernommen wurde oder ob es Erneuerung gab, die dann auch den Wahlkampf beeinflussen. Der nächste Teil soll in Grundzügen den Wahlkampf der Weimarer Republik darstellen. Auf Grund der Kürze der Arbeit kann hier selbstverständlich nur ein grober Überblick geschaffen werden, welcher aber dennoch nützlich sein soll für einen Vergleich mit 1949.
Im zweiten Kapitel widmen wir uns dann ganz der Bundestagswahl von 1949. Ausgangslage, Themen und der Wahlkampf selbst sollen hier beschrieben werden. In diesem Kapitel werden dann immer wieder Vergleiche zu den Wahlkämpfen von Weimar gezogen. Abschließend soll noch ein endgültiges Fazit gezogen werden, in dem nochmal alles Wichtige zusammengefasst wird.
2. Das schwere Erbe von Weimar
2.1 Parteienlandschaft von Weimar im Vergleich zu 1949
Um Kontinuitäten und Unterschiede von Weimar und 1949 zu erkennen ist es wichtig sich zunächst den verschiedenen Parteisystemen zu widmen. Büttner unterteilt die Parteien der Weimarer Republik in folgende Kategorien: Die sozialdemokratischen Parteien (USPD; SPD), die liberalen Parteien (DVP; DDP), die katholischen Parteien (Zentrum; BVP), die kommunistische Partei (KPD), die Deutsch nationale Volkspartei (DNVP) und die NSDAP.12 Die dominierenden Parteien der Bundestagswahl von 1949 sind CDU/CSU (31,0%); SPD (29,2%); KPD (5,6%) und FDP (5,6).
In der Weimarer Republik zeichnet sich die Parteienlandschaft vor allem durch die vielen gegensätzlichen und nicht miteinander vereinbaren Ideologien aus. Zudem sind Parteien vertreten, die das politische System gänzlich ablehnen. Hier wären zu nennen: Die KPD, DNVP; NSDAP und teilweise auch die DVP.13
Die KPD bekämpft die demokratische Republik Weimar von Anfang an.14 Trotzdem tritt die KPD zum Bundestagswahlkampf 1949 an und erreicht ebenso wie die SPD als eine der alten Weimarer Parteien bei der Bundestagswahl von 1949 mehr als 5%. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die KPD von 1949 der Weimarer KPD ähnelt. Bezogen auf die Forschungsfrage dieser Arbeit liegt die Vermutung nahe, dass eine reorganisierte KPD von Weimar ähnliche Wahlkampfstrategien nutzt, wie in Weimarer Tagen. Die KPD der Nachkriegsjahre ähnelt in der Tat der KPD aus Weimarer Tagen. Zu der Frage inwieweit die nationalsozialistische Herrschaft die KPD der Nachkriegsjahre beeinflusst hat, gibt es in der Forschung vor allem zwei Richtungen: Nach Weitz habe sich während der Herrschaft der Nationalsozialisten nur wenig in der kommunistischen Bewegung geändert. Mallmann dagegen behauptet, dass der Nationalsozialismus die Zersplitterung der kommunistischen Bewegungen weiter voran getrieben hat und sieht ihre Reorganisation in der Nachkriegszeit von Anfang an als gescheitert an.15 Nach Kössler sehen jedoch beide Positionen die Geschichte der kommunistischen Bewegung nach 1945 als Nachgeschichte von Weimar.16 Dies bestätigt sich, wenn man sich den Wiederaufbau der KPD nach 1945 anschaut, denn dieser orientierte sich ganz an den Strukturen und der Organisation der Weimarer KPD. So waren viele Persönlichkeiten der Weimarer KPD auch an ihrem Wiederaufbau beteiligt. Auch die Personalpolitik lehnte sich stark an die von Weimar an. Die meisten Kommunisten waren weiterhin von der Legitimität der alten Weimarer Partei überzeugt.17 Von diesem Standpunkt gesehen muss man also sagen, dass bei der Bundestagswahl von 1949 eine Partei teilnahm, die versuchte eine Kopie ihrer selbst aus Weimarer Zeiten herzustellen. Die Gründung der Bundesrepublik war für die KPD die Manifestation der deutschen Teilung. Deswegen war ihr Hauptziel von Anfang an diese rückgängig zu machen. Sie propagierte die deutsche Einheit, tat dies allerdings anders als die anderen Parteien. Sie wollte die deutsche Einheit unter der Verfassung der DDR von 1949.18 Man kann die KPD also in der Tat als eine Kontinuität aus Weimarer Zeiten betrachten. Mit ihr tritt wie in alten Weimarer Tagen eine Partei an, die das politische System ablehnt, jedoch muss hier betont werden, dass es die einzige nennenswerte Partei der Bundesrepublik von 1949 ist, die diesen Standpunkt vertritt. Die Weimarer Demokratie war in diesem Sinne größeren Belastungen von radikalen Kräften ausgesetzt als die Bundesrepublik von 1949.
Eine weitere Konstante im Parteiensystem der Weimarer Republik und der Bundesrepublik ist die SPD. In ihr erwächst im Verlauf der Weimarer Republik die Motivation einer Arbeiterpartei mit einer sozial gesehen festen Wählerschaft zu einer Volkspartei mit einer breiten sozialen Basis zu werden. Trotz verschiedener Anstrengungen gelingt dies nicht.19 Büttner sieht die SPD während der Weimarer Republik weiterhin als „Partei der qualifizierten, gesellschaftlichen organisierten Arbeiter“.20 Die SPD bekennt sich aber zur Demokratie und versucht diese zu schützen. Ähnlich wie bei der KPD der Nachkriegsjahre handelt es sich bei der reorganisierten SPD ebenfalls um eine Partei, die an die Mitglieder und Funktionsweise von Weimar anknüpft.21
Als Zwischenfazit ist hier zu betonen, dass durchaus einzelne Elemente des Weimarer Parteiensystems in das Parteiensystem der Bundesrepublik eingezogen sind. Die Betonung liegt hier auf Einzelne, denn dass die Parteien nicht komplett statisch geblieben sind, kann man am Beispiel der SPD erkennen. Sie konnte in der Nachkriegszeit ihre soziale Basis verbreiten. Beispielsweise schlossen sich ihr verschiedene sozialistische Splittergruppen an, die in Weimarer Tagen noch nicht mit der SPD sympathisiert haben. Außerdem konnte sie ihr Organisationsnetz massiv ausbauen. 1946 hatten sie bereits 3000 Standpunkte mehr als im Jahre 1931 im gleichem Raum.22 Die programmatische Grundausrichtung ist jedoch gleich. Man sieht weiterhin den Sozialismus als richtiges System an. Damit positioniert sich die SPD wieder deutlich links im Parteiensystem und lehnt die Marktwirtschaft entschieden ab. Bei der Bundestagswahl 1949 wird sie überwiegend von ihrer alten Weimarer Anhängerschaft gewählt. Bei jungen Leuten schneidet sie nicht gut ab.23
Der große Konkurrent der SPD war damals die CDU. Die CDU ist bis heute die erfolgreichste Partei Deutschlands. Mit der CDU betrat eine Partei die politische Bühne, welcher es gelang das bürgerliche Lager zu einen und eine interkonfessionelle Partei zu errichten.24 Sie wurde nach dem Krieg gegründet und anders als bei den zuvor erläuterten Parteien hat sie ihren Ursprung nicht in einer einzigen Partei aus Weimarer Tagen. Der CDU gelang es die einst zersplitterten und zerstrittenen Parteien der Weimarer Republik zu vereinen. In ihr sind Zentrum, DDP, DVP, DNVP, Heimat und Interessenparteien, aber auch rechtsextreme NSDAP- Wähler zusammengekommen.25 Die Gründung der CDU ist ein zweischneidiges Schwert zwischen Katholiken und Protestanten. „Im Anfang war das katholische Milieu“, schreibt Bösch passend.26 Die Gründung der CDU im katholischem Raum ist für Bosch die Basis für die späteren Wahlerfolge der CDU. Bei seiner Argumentation stoßen wir auf ein Phänomen, welches wir bereits weiter oben für die anderen Parteien erörtert haben: Die CDU im katholischem Raum konnte nach dem Krieg die weitestgehend unbeschadete Infrastruktur der alten Zentrumspartei übernehmen.27 Das Weimarer Erbe der Zentrumspartei war also maßgeblich an ihrem Erfolg beteiligt. Ganz anders sah es in den protestantischen Gebieten aus, hier gab es keine explizite Vorgängerpartei. Die alten protestantischen Weimarer Parteien hatten einen zu schlechten Ruf, auch und gerade wegen ihres Anteils am Scheitern der Weimarer Republik. Deshalb war es nicht sinnvoll sie als Vorgängerparteien zu nutzen.28 Eine Ausnahme war jedoch Schleswig-Holstein, wo relativ wenige Katholiken lebten.29 Insgesamt war aber vor allem das protestantische Milieu vorbelastet, denn viele waren am Ende der Weimarer Republik zu den Nazis übergelaufen.30 Durch die Katalysatoren Antikommunismus, ihr christliches Selbstverständnis und die Positionierung in der Mitte der Politik kamen Protestanten und Katholiken trotz der unterschiedlichen Ausgangslagen zusammen.31 Der CDU gelingt es verschiedene Strömungen und Konfessionen zu vereinen. Als Partei der politischen Mitte kann man sie, wie Bosch es tut, als „Sammlungspartei“ bezeichnen.32 Durch diese anziehende Kraft in der Mitte des Parteiensystems wurde es radikalen Kräften von den Rändern des politischen Systems schwer gemacht. Hier besteht auch ein wichtiger Unterschied zum Parteiensystem von Weimar: Die CDU hat also in der Tat einen wichtigen Teil zur Etablierung und Stabilisierung der neuen Bundesrepublik beigetragen. Die CDU sprach somit jeden Wähler an, der den Kommunismus ablehnte und einte somit zersplitterte Gruppen und führte sie zusammen.
[...]
1 Thomas Mergel, Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949-1990, Göttingen 2010, S.211.
2 Jürgen Falter, Kontinuität und Neubeginn. Die Bundestagswahl 1949 zwischen Weimar und Bonn, in: Politische Vierteljahresschrift, 3/1981 S. 236.
3 Vgl. Thomas Mergel, Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949-1990, Göttingen 2010, S.15.
4 Ursula Büttner, Weimar Die überforderte Republik 1918-1933. Leistungen und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008.
5 Heinrich Potthoff/Susanne Miller, Kleine Geschichte der SPD. 1848-2002, 8. aktual. & erw. Aufl., Bonn 2002.
6 Georg Fülberth, KPD und DKP 1945-1990. Zwei kommunistische Parteien in der vierten Periode kapitalistischer Entwicklung, Heilbronn 1990.
7 Till Kössler, Abschied von der Revolution. Kommunisten und Gesellschaft in Westdeutschland 1945-1968, Düsseldorf 2005.
8 Jürgen Dittberner, Die FDP. Geschichte, Personen, Organisation, Perspektiven. Eine Einführung, 2. aktual. Aufl., Wiesbaden 2010.
9 Frank Bösch, Die Adenauer-CDU. Gründung, Aufstieg und Kriese einer Erfolgspartei 1945-1969, Stuttgart 2001.
10 Thomas Mergel, Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949-1990, Göttingen 2010, S.211.
11 Jürgen Falter, Kontinuität und Neubeginn. Die Bundestagswahl 1949 zwischen Weimar und Bonn, in: Politische Vierteljahresschrift, 3/1981.
12 Vgl. Ursula Büttner, Weimar Die überforderte Republik 1918-1933. Leistungen und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008, S.65-103.
13 Vgl. Ebd.
14 Vgl. ebd. S.75 f.
15 Vgl. Till Kössler, Abschied von der Revolution. Kommunisten und Gesellschaft in Westdeutschland 1945-1968, Düsseldorf 2005, S.39.
16 Vgl. ebd. S.40.
17 Vgl. ebd. S.42 f.
18 Vgl. Georg Fülberth, KPD und DKP 1945-1990. Zwei kommunistische Parteien in der vierten Periode kapitalistischer Entwicklung, Heilbronn 1990, S.44.
19 Vgl. Ursula Büttner, Weimar Die überforderte Republik 1918-1933. Leistungen und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008, S.68.
20 Vgl. ebd. S.69.
21 Vgl. Heinrich Potthoff/Susanne Miller, Kleine Geschichte der SPD. 1848-2002, 8. aktual. & erw. Aufl., Bonn 2002, S.176.
22 Vgl. ebd. S.177.
23 Vgl. Kristina Meyer. Die SPD und die NS- Vergangenheit. 1945-1990, Göttingen 2015, S.112.
24 Vgl. Frank Bösch, Die Adenauer-CDU. Gründung, Aufstieg und Kriese einer Erfolgspartei 1945-1969, Stuttgart 2001, S.7.
25 Vgl. ebd.
26 Ebd. S.22.
27 Vgl. Ebd.
28 Vgl. Ebd. S.35-38.
29 Vgl. ebd. S.44 f.
30 Vgl. ebd. S.48.
31 Vgl. ebd. S.71.
32 Ebd. S.14.