Funktionsvoraussetzungen der Demokratie. Eine Analyse der Demokratisierung Afghanistans


Hausarbeit, 2016

24 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Funktionsvoraussetzungen der Demokratie
2.1. Wirtschaftlicher Entwicklungsstand
2.2. Streuung gesellschaftlicher Machtressourcen
2.3. Gesellschaftliche, politische, rechtliche und internationale Voraussetzungen
2.4. Kulturelle Voraussetzungen
2.5. Das Standardmodell der Demokratievoraussetzungen

3. Analyse der Demokratie Afghanistans
3.1 Wirtschaftliche Perspektivenlosigkeit
3.2 Exklusion signifikanter Bevölkerungsteile
3.3 Funktionsstörung der embedded democracy
3.4 Ethnische und religiöse Konfliktlinien

4. Schlussfolgerungen und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Der Geist der Demokratie kann nicht von außen aufgepfropft werden. Er muss von innen heraus kommen (Ghandi zit. nach Inter Nationes, 1969, 83).“ Für Mahatma Ghandi war klar, dass eine Demokratisierung von außen nicht funktionieren kann. Doch genau das geschah nach der Intervention der US-Truppen und dem Sturz des Talibanregimes in Afghanistan. Heinz Galinski, ehemaliger Vorsitzender des Zentralrats der Juden, verschärft diese Aussage sogar noch: „Demokratie kann man keiner Gesellschaft aufzwingen, sie ist auch kein Geschenk, das man ein für alle Mal in Besitz nehmen kann. Sie muss täglich erkämpft und verteidigt werden (Galinski zit. nach Schulze, 2009, 177).“

Den Besatzern gelang es jedoch bis heute nicht, eine Konsolidierung der neu geschaffenen demokratischen Strukturen zu erreichen; Afghanistan gilt somit per definitionem als Defekte Demokratie. Doch liegt der Ursprung des Versagens tatsächlich in der von Ghandi kritisierten Demokratisierung von außen oder spielen womöglich mehr Faktoren eine Rolle, als auf den ersten Blick erkennbar?

Wer den Weg einer erfolgreichen Demokratisierung verstehen will, muss auch die Mechanismen berücksichtigen, die zur Aufrechterhaltung der Demokratie beitragen. Die vorliegende Arbeit soll diese Faktoren ermitteln, auf das Fallbeispiel Afghanistan projizieren und ein Fazit ziehen, wie die Chancen einer erfolgreichen Demokratisierung Afghanistans wirklich stehen.

Diese Arbeit ist als Sekundärarbeit zu verstehen, die sich auf das bereits vorhandene Material zu Demokratisierung Afghanistans stützt. Die herausgezogene Literatur besteht aus deutsch- und englischsprachigen Publikationen von wissenschaftlichen Fachverlagen und Fachzeitschriften sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen und stammt aus verschiedenen Fachdisziplinen wie der Sozial- und Politikwissenschaft, Gender Studies oder den außen- und sicherheitspolitisch ausgerichteten Bereichen der Internationalen Beziehungen. Die Materialgrundlage dieser Arbeit ist somit als multidisziplinär zu bezeichnen.

Als Primärliteratur wird Manfred G. Schmidts „Demokratietheorien“ unter Berücksichtigung von Lipsets „A Political Man“ und Vanhanens „Democratization“ dienen. In Schmidts Werk werden die notwendigen Funktionsvoraussetzungen dargelegt, die als theoretische Basis für die Analyse der afghanischen Demokratie genutzt werden sollen. Um die Demokratie Afghanistans genauer unter die Lupe zu nehmen, ist vor allem Chiaris Sammelband „Afghanistan. Wegweiser zur Geschichte“ ein nützliches Hilfsmittel, da wirtschaftliche, sozioökonomische, politische und kulturelle Entwicklungen detailliert geschildert werden. Besonders hervorgehoben werden muss außerdem „Afghanistan – ein Land am Scheideweg“ von Berger, Kläy und Stahel, das die afghanischen Entwicklungen im Spiegel der aktuellen Ereignisse genau analysiert. Beiträge des Auswärtigen Amts, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) oder der German Trade and Invest (GTAI) stellen vor allem in Hinblick auf relevante Zahlen und Statistiken eine wichtige Quelle dar.

2. Funktionsvoraussetzungen der Demokratie

Welche Funktionsvoraussetzungen hat Demokratie, diese Frage stellt sich Manfred G. Schmidt. Er stellt anhand bereits existierender Theorien vier wesentliche Faktoren für Erfolg einer Demokratisierung fest: Der wirtschaftliche Entwicklungsstand des Landes, die Streuung gesellschaftlicher Machtressourcen sowie gesellschaftliche, politische, rechtliche und internationale Voraussetzungen als auch kulturelle Bedingungen. Abschließend formt er aus diesen Faktoren ein Standardmodell. Je mehr der darin genannten Punkte erfüllt werden, desto wahrscheinlich ist die Entwicklung einer funktionsfähigen Demokratie. Diese Funktionsvoraussetzungen sollen nun detailliert beschrieben werden.

2.1. Wirtschaftlicher Entwicklungsstand

Martin Lipset, Verfechter der sogenannten Modernisierungstheorie, ist der Meinung, „the more well-to-do a nation, the greater the chance, that it will sustain democracy (Lipset, 1960, 48)“. Wenn er von wohlhabend spricht, meinte er zum einen ein relativ hohes Niveau sozioökonomischer Verhältnisse, zum anderen eine funktionierende Marktwirtschaft (vgl. Schmidt, 2010, 413). Erst wenn ein gewisses Entwicklungsniveau erreicht sei, sei ein Staat demokratietauglich. Nach Lipset ist nicht nur ein hoher wirtschaftlicher Entwicklungsstand relevant, sondern auch in der Gesellschaft verankerte demokratische Werte und Verhaltensweisen, offene Sozialstrukturen und vor allem eine große Mittelschicht (vgl. Faust, 2006, 7).

Sechs Indikatoren gelten nach Lipset als demokratiefördernd (vgl. Schmidt, 2010, 413):

1) Wirtschaftliche Entwicklung, Massenkommunikation, Industrialisierung, Ausbildungsstand und Urbanisierung als Indikatoren für ein hohes Niveau sozioökonomischer Entwicklung.
2) Große Mittelschicht und eine Unterschicht, die sich auf ein hohes Maß sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit verlassen kann.
3) Offene Klassenstruktur mit Aufstiegsmöglichkeiten.
4) Partizipation der Bevölkerung durch Verbände und Vereine.
5) Hoher Ausbildungsstand.
6) Egalitäres System von Werten.

Ist all dies gegeben, herrschen günstige Voraussetzungen für eine Demokratie.

Die Entwicklungsuntergrenze ist dabei nach wie vor nicht eindeutig definiert. Adam Przeworski zieht die Grenze bei 4.000 US-Dollar jährlicher Wirtschaftsleistung pro Einwohner gemessen an den Preisen des Jahres 1990 (vgl. Buchstein, 2016, 17).

Doch ist wirtschaftlicher Wohlstand tatsächlich eine wesentliche Voraussetzung für die Demokratie oder vielmehr ein Demokratieprodukt? Lipset bezeichnet das Verhältnis als einen sich selbst verstärkenden gegenseitig bedingenden Kreislauf (vgl. Lipset, 1960, 51). Für Schmidt ist die aufgezeigte Korrelation von Wohlstand und Demokratie jedoch eher eine signifikante Tendenz als ein deterministischer Zusammenhang (vgl. Schmidt, 2010, 414). Wirtschaftlich erfolgreiche Länder wie beispielsweise Saudi-Arabien oder China, die trotz wirtschaftlichem Wohlstand nicht-demokratisch regiert werden, lassen ebenfalls an der Allgemeingültigkeit der These zweifeln.

Lipset erkennt in diesem Zusammenhang, dass nicht nur ein hoher wirtschaftlicher Entwicklungsstand demokratiefördernd ist, vielmehr hänge die Entwicklung einer stabilen Demokratie von Effektivität und Legitimität des politischen Systems ab. Was er damit meint, sind zum einen die Erfüllung der Erwartungen der Bevölkerungsmehrheit sowie die Bewältigung von cleavages (vgl. Schmidt, 2010, 412). Somit kann Lipsets Wohlstandstheorie nicht als einzige Funktionsvoraussetzung von Demokratie gelten.

2.2. Streuung gesellschaftlicher Machtressourcen

Als Weiterentwicklung zu Lipset, sieht der finnische Politikwissenschaftlicher Tatu Vanhanen den Garanten einer funktionierenden Demokratie in der Verteilung der intellektuellen und wirtschaftlichen Macht innerhalb von Gesellschaft und Wirtschaft (vgl. Schmidt, 2010, 415). Sein Fazit: „Konzentration von Machtressourcen führt zur Autokratie, Verteilung von Machtressourcen auf die Vielen hingegen zu Demokratie (Vanhanen, 2003, 28, zitiert nach Schmidt, 2010,415).“ Das heißt: Je breiter die Machtressourcen auf mehrere Akteure verteilt sind oder je weniger sich die Verfügungsgewalt über materielle Ressourcen, wie Landbesitz, Kapital oder Wissen auf einzelne beschränkt, desto höher ist der Demokratisierungsgrad. Die Idee dahinter ist, dass die sozialen Machtressourcen so breit gestreut sind, dass keine Gruppe mehr in der Lage ist, ihre sozialen Konkurrenten zu unterdrücken, um ihre eigene soziale wie politische Hegemonie aufrechtzuerhalten (vgl. Merkel, 2010, 77-78). Eine Machtkonzentration auf wenige Akteure steht außerdem dem Herrschaftsprinzip der pluralistischen Demokratie entgegen.

Um seine Hypothese zu belegen, erstellte Vanhanen zwei Indices: Den sogenannten Demokratieindex und den Machtressourcenindex (Index of Power Resources, IPR). Der IPR besteht aus drei Komponenten: Der Verteilung wirtschaftlicher Ressourcen und Wissensressourcen sowie die berufliche Diversifikation (vgl. Jahn, 2013, 70-71). Das Minimum des Indexes liegt bei 0, das Maximum bei 100.

Zwar erweitert Vanhanen die Komponenten einer erfolgreichen Demokratisierung, er vernachlässigt jedoch gesellschaftliche Bedingungen genauso wie die kulturelle Einbettung von Akteurs- und Staatshandeln.

2.3. Gesellschaftliche, politische, rechtliche und internationale Voraussetzungen

Evelyn Huber und Dietrich Rueschemeyer fügten Ende der 90er makropolitische und makrosoziale Indikatoren zu den Funktionsvoraussetzungen der Demokratie hinzu. Sie thematisieren das Kräfteverhältnis zwischen demokratiefreundlichen und -feindlichen Klassen, die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft sowie internationale Abhängigkeiten (vgl. Schmidt, 2010, 418). Vor allem die Klassenzusammensetzung der Gesellschaft steht im Fokus ihrer Arbeit: So sei vor allem eine selbstständige Bourgeoisie, eine einflussreiche Arbeiterbewegung sowie eine Agrarreform mit daraus resultierender selbstständiger Bauernschaft wichtig, um eine Demokratie zu stabilisieren (vgl. Schmidt, 2010, 418). Diese genannten Voraussetzungen sind als Weiterentwicklung von Barrington Moore zu sehen, der schon in den 1960er Jahren die These aufgestellte: „No bourgeois, no democracy (Moore, 1966, 418).“

Wolfgang Merkel geht mit seiner Idee der „embedded democracy“ (vgl. Merkel, Puhle, Croissant, Eicher, Thiery, 2003, 48-56) noch einen Schritt weiter. Die Konsolidierung einer Demokratie benötige eine konstitutionelle, repräsentations- und verhaltensbezogene sowie politisch-kulturelle Verwurzelung (vgl. Schmidt, 2010, 419). So sei eine breite Streuung der Stimmen- und Sitzanteile im Parlament und der Regierung notwendig, um die Entstehung einer Staatspartei zu verhindern. Ein regelmäßiger Regierungswechsel sei zudem unerlässlich. Unterstützend wirke dabei eine Verfassung.

Das Konzept der „embedded democracy“ begreift Demokratie als komplexes Institutionenarrangement, bestehend aus einzelnen Teilregimen, die korrelativ in einem institutionellen Gesamtgefüge integriert sind. Die Störung eines Teilregimes führt zur Funktionsstörung der gesamten Demokratie. Neben allgemeinen, freien und gleichen Wahlen zählen politische Partizipationsrechte, bürgerliche Freiheitsrechte, die institutionelle Sicherung der Gewaltenkontrolle sowie die Möglichkeit der demokratisch gewählten Repräsentanten effektiv zu regieren, zu den von Merkel genannten Funktionsvoraussetzungen einer konsolidierten Demokratie (vgl. Merkel, Puhle, Croissant, Eicher, Thiery, 2003, 54-56).

Ein weiterer Punkt ist ein demokratiefreundliches internationales Umfeld (vgl. Schmidt, 2010, 420). Interventionen einer ausländischen Macht oder außenpolitische Interdependenzen können Demokratie fördern, aber auch bremsen oder gar zerstören. Durch die Aufnahme in internationale Bündnisse können außenstehende Staaten zur Demokratisierung eines Landes beitragen. Beim Beispiel der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich, wie dank ausländischer Unterstützung eine Demokratiegründung funktionieren kann. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch nicht, dass von außen oktroyierte Demokratisierung mittels militärischer Intervention stets einen erfolgreichen Demokratisierungsprozess einläutet. Die Schwierigkeiten der erzwungenen Demokratisierung sind der Eingriff in die internen Belange eines Staates sowie der Verstoß gegen das Gebot der souveränen Selbstbestimmung. Eine externe Demokratisierung kann nur mit der Herstellung von persönlicher Sicherheit, dem Schutz der menschlichen Grundrechte, einer Konsolidierung der Wirtschaft sowie der Befriedigung wesentlicher Grundbedürfnisse wie Arbeit oder Wohnraum funktionieren. Auch eine Integration lokaler Mächte ist für den Erfolg des Prozesses unabdingbar. Des Weiteren empfiehlt es sich, einen klaren Zeitrahmen der Intervention festzulegen (vgl. Grimm, 2009, 30-32). Letztendlich ist das Gelingen der Demokratisierung jedoch von den Akteuren und Voraussetzungen im Zielland abhängig (vgl. Peceny, Pickering, 2006, 140-145).

2.4. Kulturelle Voraussetzungen

Freedom House Studien zeigen: In ethnisch homogenen Staaten ist die Entstehung einer funktionierenden Demokratie höher, als in heterogenen (vgl. Karatnycky, 1999, 118). So funktioniere Demokratie nur, wenn die Bürger grundlegende Gemeinsamkeiten hätten. Schon Max Weber betonte die Relevanz gemeinsamer nationaler Identität. Der durch ihn geprägte „Gemeinsamkeitsglaube“ gründet sich auf geschichtliche, sprachliche, kulturelle oder ethnische Gemeinsamkeiten eines Volkes (vgl. Weber, 1980, 235).

Die Gefahr kultureller Heterogenität zeigt sich in der möglichen Entstehung ethnischer Parallelgesellschaften, die sich der staatlichen Rechtsordnung entziehen und sich stattdessen auf traditionelle Werte berufen, die einen Widerspruch der demokratischen Grundüberzeugungen darstellen. Die Konsequenz ist ein Verlust der demokratischen Systemqualität. So hängt letztendlich der Erfolg der Demokratie mit relativer kultureller Homogenität zusammen.

Die kulturalistische Theorie der Funktionsvoraussetzungen wirft außerdem einen Blick auf das Thema Religion. Auffällig ist dabei, dass vor allem Staaten mit hohem Säkularisierungsgrad oder christlich geprägte Länder demokratisch regiert werden. Islamische Länder neigen stattdessen zur Autokratie. Doch woran liegt das? Während im Christentum die individuellen Persönlichkeits- und Freiheitsrechte sowie die Gleichheit vor Gott im Fokus stehen, ist der Islam von der Schwäche der Individualrechte geprägt. So steht die Familie oder der Clan, immer vor dem Individuum. Auch die schon in der Bibel angedeutete Trennung von Staat und Kirche, wie beispielsweise „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes, 18,36), ist ein demokratiefördernder Faktor, der sich im Koran so nicht finden lässt. Muslimische Länder weisen zudem meist einen niedrigeren Stand an wirtschaftlicher Entwicklung auf (vgl. Leipold, 2001, 32). Somit verschmilzt der religiöse Aspekt mit der Modernisierungstheorie Lipsets.

„Bisher ist die Demokratie in der islamischen Welt an den politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnissen gescheitert, nicht aber an der islamischen Religion“ (Schubert, 2002, 16), so das Fazit des Islam-Experten Gunter Schubert. Für ihn ist der größte Gegner der Demokratie die Unterentwicklung und gewaltsame politische Entrechtung des Volkes. Letztendlich hinge die Demokratieentwicklung vom Willen der politischen Eliten sowie der Demokratiezufriedenheit und dem persönlichen Demokratienutzen für den Demos ab (vgl. Schmidt, 2010, 420-426).

2.5. Das Standardmodell der Demokratievoraussetzungen

Mit Berücksichtigung der bereits genannten Funktionsvoraussetzungen von Demokratie, entwickelt Schmidt ein Standardmodell. Je mehr dort aufgelisteten Aspekte ein Staat erfüllen kann, desto größer ist die Chance einer erfolgreichen Demokratisierung. Das Modell beruht im Wesentlichen auf vier Elementen: Der Aufteilung staatlicher Exekutivgewalt, vor allem die effektive zivile Kontrolle des Militärs, zweitens die Existenz einer relativ homogenen Gesellschaftsstruktur mit breit gestreuten Machtressourcen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, drittens einer weitgehend säkularisierten politischen Kultur, die offen ist für Kompromissfindung und geregelte Konfliktaustragung sowie viertens eine demokratiefreundliche internationale Lage. Konstantes Wirtschaftswachstum wirke laut Schmidt ebenfalls demokratiefördernd. Schmidt beruft sich außerdem auf Przeworski, der die Relevanz gesellschaftlicher Gleichheit betont. Nur wenn die Kluft zwischen Arm und Reich nicht exzessiv sei, könne eine funktionsfähige Demokratie entstehen. Hier verfestigt sich die Idee einer Sozialen Demokratie (vgl. Schmidt, 2010, 426-427).

Bei der Frage der Bedeutung systemstabilisierender Beteiligung der Bevölkerung herrscht bis heute Uneinigkeit. Schmidt verweist auf Klaus von Beymes Theorie der „stabilisierenden Apathie“. Er vertritt die Ansicht, die politische Apathie eines Großteils der Bevölkerung habe eine stabilisierende Wirkung auf die Demokratie. Andere wie beispielweise Lipset sind der Meinung, dass nur durch intensive Bürgerbeteiligung Demokratie gefestigt werden könne (vgl. Schmidt, 2010, 427).

Letztendlich kann die Theorie der Demokratievoraussetzungen keine Allgemeingültigkeit bieten. Bei der Demokratiekonsolidierung spielen immer individuelle länderspezifische Faktoren eine große Rolle. Auch das Handeln von staatlichen und privaten Akteuren wird von der Theorie vernachlässigt.

3. Analyse der Demokratie Afghanistans

Der zweite Teil der Arbeit wirft einen Blick auf die Demokratie Afghanistans. Nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center 2001, kam es zum ersten Bündnisfall der NATO. Ziel war es „Afghanistan als Operationsbasis für Terroristen auszuschalten und die militärische Schlagkraft der Taliban zu vernichten (Berger, Kläy, Stahel, 2002, 93)“. Nach der amerikanischen Intervention kam es zur Machtübernahme der sogenannten Nordallianz, einem Bündnis der lokalen Stammesführer. Die Taliban, die bis dato beinahe 90 Prozent des Landes unter ihrer Kontrolle hatten, zogen sich zurück. 2002 übernahm Hamid Karsai, die ihm bei dem Petersberger Prozess in Bonn übertragene Regierungsverantwortung. Das Volk wurde bei der offiziellen Einleitung der Demokratie nicht involviert. Dass nach dem Sturz der Taliban zwangsläufig ein Machtvakuum der herrschenden Klassen entstehen würde, übersah die NATO in ihrer voreiligen Entschlussfassung. Der ehemalige US-Präsident George W. Bush gab damals auch klar die Anweisung „no nation building“ (Rashid, 2010, 95). Die verspätete, von äußeren Kräften oktroyierte Demokratisierung muss nun mit anderen Maßstäben begutachtet werden, als die Demokratisierung eines Landes von innen heraus. Wichtig ist hierbei außerdem die Demokratieunterstützung der Bevölkerung. Ist Afghanistan eine „unzufriedene Demokratie“ (Schmidt, 2010, 424) oder unterstützt der Demos die Weiterentwicklung der Demokratisierung effektiv? In Afghanistan hat sich im Laufe der Jahre ein kompliziertes System entwickelt, in dem die einzelnen Stammesführer auf lokaler Ebene um Macht und Einfluss streben. Der ehemalige Präsident Karsai wurde aufgrund seines stark eingeschränkten Aktionsradius als „Bürgermeister von Kabul“ (Pany, 2008) belächelt. Die demokratischen Institutionen sind vielen Afghanen fremd, von einer gemeinsamen Nationalidentität kann nicht gesprochen werden.

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Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Funktionsvoraussetzungen der Demokratie. Eine Analyse der Demokratisierung Afghanistans
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
24
Katalognummer
V456867
ISBN (eBook)
9783668889750
ISBN (Buch)
9783668889767
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Funktionsvoraussetzung, Demokratie, Demokratisierung, Afghanistan
Arbeit zitieren
Cornelia Kauruff (Autor:in), 2016, Funktionsvoraussetzungen der Demokratie. Eine Analyse der Demokratisierung Afghanistans, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456867

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