In diesem Essay wird die Biographie Stauffenbergs dargelegt: Seine Kindheit und Jugend, sein Werdegang in der Wehrmacht. Jedoch werden die Ereignisse des 20. Juli 1944 ebenfalls thematisiert.
Carl Schenk Graf von Stauffenberg – Eine biographische Skizze
Von Daniela Di Pinto
Wenn der Name Carl Schenk von Stauffenberg genannt wird, denken viele – vielleicht auch unbewusst – an den Film „Operation Walküre“, welches das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 nachstellt. Versierte Menschen wissen, wer Carl Schenk Graf von Stauffenberg war, was es mit diesem Datum konkret auf sich hat und diese Form des Widerstandes eine weitaus höhere Bedeutung hat als im Film dargestellt. Doch wer war Stauffenberg, der Mann, der das wagte, was die wenigsten gewagt hätten?
Carl Schenk Graf von Stauffenberg wurde am 15. November 1907 im württembergischen Jettingen geboren, welches sich im heutigen Landkreis Böblingen befindet. Mit seinen zwei älteren Zwillingsbrüdern Berthold und Alexander, wächst er in einer schwäbisch-katholischen Adelsfamilie auf. Den Großteil ihrer Jugend verbringen sie auf Schloss Lautlingen auf der schwäbischen Alb. Der Vater Alfred dient bis zu seiner Pensionierung 1928 als Oberhofmarschall dem württembergischen König Wilhelm II. Obwohl der Vater dem Hof dient, wachsen Carl und seine Brüder mit einer sozialen Gesinnung auf, ohne den Dienst an die Nation, von denen alle drei überzeugt sind, außer Acht zu lassen. Dass Adel verpflichtet, ist für die Brüder Stauffenberg kein hohler Spruch, denn bereits in jungen Jahren gehören sie dem Kreis um den Lyriker Stefan George an, der in seinen Werken einen geistigen Adel und das deutsche Hochmittelalter als Ideal beschwört. Von seinen Anhängern verlangt George früh, Entscheidungsstärke und Verantwortung zu tragen, den ihnen anvertrauten Menschen voranzugehen. Stauffenberg ist überzeugt, dass George der Bedeutendste seiner Zeit ist und jene Ideen, die eines neuen Deutschen Reich sowie das Elitedenken, haben ihn beeinflusst und geprägt. Schon früh entscheidet er sich für eine militärische Karriere.
Am 30. Januar 1933 übernimmt Adolf Hitler die Macht, die Nationalsozialisten marschieren in Berlin auf, aber auch in Bamberg, wo Stauffenberg stationiert ist. Er dient seit 1926 dem Bamberger Reiterregiment 17, freiwillig als Berufssoldat. Interessiert beobachtet er Hitlers Aufstieg. 1933 ist Stauffenberg bereits sieben Jahre Offizier, er gilt als hochtalentiert und absolviert begeistert seinen Dienst. Für Soldaten sind die Angebote des neuen Machthabers besonders verführerisch, nämlich die Wiederherstellung der militärischen Stärke Deutschlands und die Beseitigung des Versailler Vertrages. Auch privat bringt das Jahr 1933 für Stauffenberg große Veränderungen. Seit drei Jahren ist er mit der damals 20jährigen Nina Freiin von Lerchenfeld verlobt, im September 1933 heiraten die beiden im Bamberger Dom.
Der Aufstieg der Nationalsozialisten geht indes ungebremst weiter. Bewusst missbraucht die NS-Propaganda das Mittelalter, um eine Rückbesinnung auf ein starkes Deutschland mit Hitler als Künder und Vollstrecker voranzutreiben. So sieht es anfangs auch Stauffenberg. Doch Hitler will Krieg, am 01. September 1939 setzt er das um, was er seit langem geplant hat: Die Wehrmacht greift Polen an. Vom ersten Tag an zeigt Hitler, dass er einen brutalen Weltanschauungskrieg zu führen gedenkt. Stauffenberg ist während dem Polenfeldzug als Nachschuboffizier der 1. leichten Division im Einsatz. Im November 1939 ist Stauffenberg bei seinem Onkel zu Besuch, Nikolaus Graf Uexküll von Wuppertal, der Stauffenberg mit Nachrichten über die Gräueltaten in Polen konfrontiert. Uexküll steht dem Widerstand nahe und versucht seinen Neffen dafür zu gewinnen, doch Stauffenberg scheint sich noch nicht dafür bereit zu fühlen. Der Sieg über Frankreich im Sommer 1940 lässt vorerst die Kritiker verstummen. Stauffenberg befindet sich zu dem Zeitpunkt im Gefechtsstand der 6. Panzerdivision. Seine Division ist am schnellsten vorgedrungen, somit war es auch ‚sein‘ Sieg. Doch er zweifelt an der Dauerhaftigkeit des Sieges. Im Sommer 1941 überfällt Hitlers Wehrmacht die Sowjetunion, auch dies sollte ein Blitzkrieg werden. Mehr als drei Millionen Soldaten sollen für die ‚deutsche Herrenrasse‘ Lebensraum im Osten erobern. Auch Stauffenberg will nun den entfesselten Krieg gewinnen. Doch was als schneller Sieg geplant war, wird für die Wehrmacht vor Moskau zur Katastrophe. Hitler ist außer sich, er entlässt einen Großteil des Generalstabes und ernennt sich selbst zum Oberbefehlshaber des Heeres. Hinter der Front setzen SS und Einsatzgruppen den Massenmord fort, welchen sie in Polen begonnen haben. Stauffenberg ist Offizier im Generalstab und was er dort erfährt, erfüllt ihn immer mehr mit Abscheu: Er bezeichnet die Kriegsführung als verbrecherisch. Im August 1942 beginnt Stauffenberg Beweise für die massenhafte Ermordung der Juden zu sammeln für ein Verfahren gegen die Täter nach dem Krieg. Einen Monat später, im September 1942, kann er seinen Ärger nicht mehr zurückhalten. Er ist überzeugter denn je, dass Hitler beseitigt werden muss.
Stalingrad im Januar 1943: Die Wehrmacht liegt in den letzten Zügen. Kapitulation hat Hitler verboten. Am 25. Januar beginnt die Rote Armee mit dem Angriff auf die eingekesselten Wehrmachtssoldaten. Die Schlacht ist der Anfang vom Ende. Dies ist auch Generalfeldmarschall von Mannstein klar. Stauffenberg hofft nun, dass die Stunde gekommen ist, Mannstein davon zu überzeugen, sich dem Widerstand anzuschließen. Am 26. Januar meldet er sich in Mannsteins Hauptquartier, doch Mannstein droht ihm mit Verhaftung. Im Oberkommando des Heeres ist der Boden führ ihn zu heiß geworden. Im Februar 1943 lässt sich Stauffenberg auf eigenen Wunsch nach Afrika versetzen. Mit seiner 10. Panzerdivision befindet er sich auf dem Rückzug von einer alliierten Offensive: Es ist der 07. April 1943. Beim Angriff wird er schwer verwundet, dabei verliert er das linke Auge, die rechte Hand und drei Finger der linken Hand. Stauffenberg wird in das Münchener Lazarett gebracht, vier Monate später ist er zu Hause in Lautlingen, doch es sind Tage eines trügerischen Glücks. Stauffenberg, entschlossen wie nie zuvor, will Hitler töten, ungeachtet der Konsequenzen. Ab Herbst 1943 trifft sich Stauffenberg regelmäßig mit weiteren Verschwörern, darunter auch sein Bruder Berthold. Operation Walküre wird zum Masterplan des Staatsstreichs. Das Regime soll mit den eigenen Waffen geschlagen werden. Truppen des Ersatzheeres sollen SS und SD außer Gefecht setzen und das Regierungsviertel abriegeln. Am Ende hat die Wehrmacht die Kontrolle, so der Plan. Ob er gelingt ist für die Verschwörer nicht das Entscheidende. Das Attentat muss gewagt werden, koste es was es wolle, es geht darum vor der Geschichte und dem eigenen Gewissen alles Menschenmögliche versucht zu haben. Am 06. Juni 1944 landen die Alliierten mit einem gigantischen Heer in der Normandie – Der Untergang von Hitlers Reich ist nahe. Die Verschwörer wollen einen Waffenstillstand, zumindest im Westen, nach einem gelungenen Attentat. Stauffenberg rekrutiert weitere Verschwörer. Durch einen glücklichen Umstand wird Stauffenberg Chef des Stabes des Ersatzheeres, was ideal ist, um Operation Walküre voranzutreiben.
Im Bamberg nimmt er von seinen Kindern und seiner Frau Abschied. Nina wusste genau, dass er tief involviert war, das wurde besprochen. Was Claus ihr aber verschwieg, war, dass er das Attentat durchführen wird. Nina ahnt allerdings, was passieren wird. Am 11. Juli 1944 soll es in Hitlers alter Residenz auf dem Berghof geschehen. Mit dem Sprengstoff im Gepäck reist Stauffenberg zum Rapport zu Hitler, aber Himmler und Göring sind nicht vor Ort. Stauffenberg lässt vorerst von seinem Plan ab. Vier Tage später haben die Alliierten die Schlacht an den Stränden der Normandie gewonnen. Täglich gehen hier Tausende Soldaten an Land und ihr Vormarsch ist nicht mehr aufzuhalten. Wieder will Stauffenberg den entscheidenden Schritt wagen. Diesmal im Führerhauptquartier Wolfschanze. Ein denkwürdiges Foto entsteht am 15. Juli 1944, Stauffenberg wirkt auf diesem Foto beherrscht und gefasst. Nichts deutet darauf hin, dass er Hitler töten will. Doch plötzlich stellen seine Mitverschwörer aus Berlin eine Bedingung. Auch SS-Chef Himmler muss getötet werden, sonst setzen sie den Staatsstreich nicht in Gang. Das Vorhaben scheitert, doch dies macht Stauffenberg noch entschlossener für die nächste Gelegenheit. Da würde er es durchziehen, egal was passiert. Am 20. Juli 1944 hat Stauffenberg die nächste Gelegenheit. Er ist sich bewusst, dass jetzt endlich was getan werden muss. Es ist der Tag, der in die Geschichte eingehen wird. Wieder reist Stauffenberg mit Sprengstoff im Gepäck, er verlässt Berlin, um sich zur Wolfschanze zu begeben. Oberleutnant Werner von Haeften begleitet ihn; er ist Stauffenbergs Ordonnanzoffizier und Mitverschwörer. Stauffenberg ist sich über die Konsequenzen, die das Attentat haben wird, diesmal nicht sicher, auch nicht, wie die Alliierten auf Hitlers Tod reagieren könnten. Doch er ist entschlossen, dass Hitler sterben muss.
Vom Flugplatz sind es acht Kilometer zum Zentrum der Wolfschanze, Stauffenberg kann die Kontrollen ungehindert passieren, obwohl die Wolfschanze unüberwindbar erscheint, denn sie besteht aus Hochsicherheitszonen, die in drei Sperrkreise mit Wachposten und patrouillierenden Soldaten aufgeteilt ist. Es ergibt sich eine Planänderung: Hitler zieht die Lagebesprechung vor, somit bleibt Stauffenberg nur noch sehr wenig Zeit, die Sprengsätze vorzubereiten, denn im Lageraum ist alles vorbereitet. Haeften und Stauffenberg müssen zwei Sprengstoffpakete präparieren. Es ist Präzisionsarbeit, ein Zeitzünder wird bereits aktiviert und kontrolliert, doch für die Vorbereitung des zweiten Sprengstoffs bleibt keine Zeit mehr. Der in der Tasche versteckte Sprengsatz soll nach 15 Minuten explodieren. Stauffenberg betritt den Lageraum und wegen der Sommerhitze weiß er, dass die Ladung früher explodieren wird. Er stellt die Tasche in Hitlers Nähe ab und verlässt die Besprechung unter einem Vorwand. Wenig später erfolgt die Explosion. Stauffenberg ist überzeugt, Hitler sei tot, doch eine Kette unglücklicher Umstände verhindert, dass Hitler tatsächlich getötet wird. Die Ladung von nur einem Sprengstoff ist nicht groß genug. Von 24 Männern werden zehn schwer verletzt, vier sterben. In der Gewissheit, Hitler sei umgekommen, eilt Stauffenberg nach Berlin, um den Staatsstreich durchzuführen. Mehr als zwei Stunden lang hat er allerdings keinen Kontakt zu seinen Mitverschwörern. Jede Minute zählt, damit Operation Walküre ein Erfolg wird. Als Stauffenberg in Berlin ankommt, hofft er, dass der geplante Umsturz bereits im Gange ist, doch er täuscht sich. Erst nach Haeftens Anruf wird im Berliner Bendlerblock der Walküre-Befehl ausgegeben. Er beginnt mit den Worten: „Der Führer ist tot“. Erst jetzt alarmiert der Walküre-Befehl alle Einsatzkräfte in Berlin. Truppen des Ersatzheeres nehmen SS, SD und Polizei fest und riegeln das Regierungsviertel ab. Doch dann geht ein Fernschreiben aus der Wolfschanze ein: Hitler lebt. Trotz des Walküre-Befehls, sendet das Rundfunkhaus, dass Hitler nur leicht verletzt ist und seinen italienischen Verbündeten dennoch empfangen würde. Mussolini bekommt eine Führung am Ort des Attentates und Hitler spricht von der „Vorsehung“, die ihn wieder gerettet hätte.
In Berlin wollen die Verschwörer indes die Dienstvilla von Josef Goebbels besetzen. Major Otto Ernst Remer ist nicht in Stauffenbergs Pläne eingeweiht und führt zunächst die Walküre-Befehle aus, dann wird er misstrauisch und geht zu Goebbels; ein Schlüsselmoment. Goebbels lässt sofort eine Telefonverbindung zur Wolfschanze herstellen. Goebbels schildert Hitler kurz die Ereignisse in Berlin. Hitler lässt Remer an den Apparat kommen, dieser erhält direkt von Hitler den Befehl, jeden Widerstand mit Waffengewalt zu brechen und jeden sofort zu liquidieren. Remer handelt wie befohlen und lässt die Absperrung des Regierungsviertels sofort aufheben, stattdessen sichert nun das Wachbataillon das Regierungsviertel gegen die Walküre-Truppen und geht gegen den Bendlerblock in Stellung. Nun wird es dort eng für die Verschwörer. Stauffenberg wird während des Gefechtes am linken Arm verletzt, aber er will nicht aufgeben, weil in einigen Städten der Umsturz noch im Gange ist. Im Bendlerblock werden er und seine Mitverschwörer gefangen genommen. Darauf nimmt ein Erschießungs-kommando im Hof des Bendlerblocks Stellung: General Friedrich Olbricht, Oberst Mertz von Quirnheim, Leutnant Werner von Haeften und Carl Schenk Graf von Stauffenberg werden exekutiert.
Nina von Stauffenberg erfährt am 21. Juli 1944 vom Tod ihres Mannes. Kurz darauf wird das Haus der Stauffenbergs nach Indizien auf weitere Verschwörer durchsucht, Nina wird verhaftet, zuletzt wird sie im KZ Ravensbrück interniert. Dort bringt sie ihr fünftes Kind Constanze zur Welt. Die älteren Kinder kommen zur Umerziehung in ein Heim, ihnen wird eingetrichtert, dass der Vater ein Verräter gewesen sei; die Liebe zu ihm kann das Regime dennoch nicht brechen.
Der Krieg und das Millionenfache sterben gehen neun Monate lang weiter. An den Fronten sterben in dieser Zeit mehr Menschen als in den fünf Kriegsjahren zuvor. Hundert-tausende Regimegegner werden ermordet, die Maschinerie zur Vernichtung der Juden ist im vollen Gang. Mehr als hundert Städte in Deutschland werden zerbombt. All das hätte Stauffenberg verhindern wollen. Nach dem Krieg findet die Familie Stauffenberg wieder zusammen. Sie ist die Familie eines Mannes, der sein Leben für ein besseres Deutschland geopfert hat.
Moralisch war Stauffenbergs Tat erfolgreich. Er zeigte damit, dass nicht alle Deutsche stramme Nazis und mit dem Regime einverstanden waren, dass es in Deutschland durchaus Menschen mit einem Gewissen gab.
Heute leben wir nicht mehr in einem totalitären System. Taten, wie die des 20. Juli 1944 sind nicht mehr notwendig, dennoch sollten wir dieses Datum als Sinnbild, gar als ‚Ansporn‘ für Zivilcourage stets im Gedächtnis präsent halten: Kritisch sein, Dinge hinter-fragen, auch mal gegen den Strom schwimmen, couragiert handeln und seine eigene Meinung gegen menschenverachtende Äußerungen öffentlich zum Ausdruck bringen, auch wenn es Nachteile mit sich ziehen könnte. Zivilcourage ist in unserer heutigen Gesellschaft wichtiger denn je, damit unsere Demokratie fortbestehen kann. Gabriele von Arnim hat dies folgender-maßen ausgedrückt: „Einmal auf die Straße zu gehen hat nichts mit Widerstand zu tun. Nicht einmal mit Zivilcourage. Die meisten von uns müssen für ihr politisches Bekenntnis noch nicht bezahlen. Gratismut ist das Privileg der Demokratie. Zivilcourage die Voraussetzung für ihren Bestand.“i
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Anmerkung:
i Zitat aus: Meyer, Gerd: Was heißt Zivilcourage heute?, S. 114. In: Die Brüder Stauffenberg und der deutsche Widerstand, zweite Auflage, Stuttgart 2009.
- Quote paper
- Daniela Di Pinto (Author), 2017, Carl Schenk Graf von Stauffenberg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456903