Geschichte und Struktur Sozialer Arbeit. Der lebensweltorientierte Ansatz


Studienarbeit, 2013

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die zentralen Begriffe, Bezugspunkte und Prämissen der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit
1.1 Geschichtlicher Abriss
1.2 Theoretische Wurzeln
1.3 Aspekte der Lebensweltorientierung
1.4 Handlungsmuster
1.5. Kritik

2. Struktur- und Handlungsmaximen
2.1 Beschreibung der Strukturmaxime „Prävention“
2.2 Vor- und Nachteile der „Prävention“
2.3 Beschreibung der Strukturmaxime „Integration“
2.4 Vor- und Nachteile der „Integration“

3. Die Maxime Prävention in einem Handlungsfeld

Literaturverzeichnis

1. Zentrale Begriffe, Bezugspunkte und Prämissen der Lebensweltorientierung

1.1 Geschichtlicher Abriss

Nach dem zweiten Weltkrieg, dem darauf folgendem Wiederaufbau, der verstärkten Institutionalisierung der Sozialen Arbeit und den Vorkommnissen, die auf die so genannte “schwarze Pädagogik” zurückgehen, kam es in den 60er Jahren, ausgelöst u.a. durch den Vietnamkrieg der Amerikaner, zu erneuten Veränderungen in der Gesellschaft. Die Jugend protestierte gegen „… Konsumorientierung, imperialistische Kriege und Ausbeutung der dritten Welt“ (Kuhlmann 2011, S. 43).

Die Soziale Arbeit versuchte zu dieser Zeit „... sich aus dem Schatten ihrer disziplinierenden und stigmatisierenden Tradition zu lösen...“ (Thiersch et al. 2012, S. 179). Es entstanden, geprägt von den Studentenbewegungen, neue soziale Bewegungen, die die einzelnen Handelsfelder der Sozialen Arbeit veränderten (vgl. Kuhlmann 2011, S. 44-47).

Die Individualisierung und Pluralisierung der Lebensverhältnisse forderte in den 1980er Jahren eine weitere Ausdifferenzierung der Theorieansätze der Sozialen Arbeit. Neben dem subjektorientierten Ansatz von Michael Winkler und dem systemtheoretischen Ansatz von Silvia Staub-Bernasconi, entwickelte Hans Thiersch den Ansatz der Lebensweltorientierung (vgl. Kuhlmann 2011, S. 47). Dabei wurde das Ziel verfolgt gerechtere Lebensverhältnisse zu schaffen, Demokratisierung und Emanzipation voranzutreiben und als Basis rechtlich gesicherte, fachlich verantwortbare Arbeit zu nutzen (vgl. Thiersch et al. 2012, S. 179).

1.2 Theoretische Wurzeln

In der Tradition des hermeneutisch-pragmatischen Ansatzes, zurückgehend auf Wilhelm Dilthey, sieht der lebensweltorientierte Ansatz den Alltag des Menschen und seine Alltagspraxis als Ausgangspunkt für seine Arbeit. Die vorgefundenen Gegebenheiten werden, unter Zuhilfenahme des theoretischen Wissens, kritisch betrachtet und zu einem besseren Gelingen hin entwickelt, jedoch ohne die Person oder ihre Strategien herabzuwerten (vgl. Thiersch et al. 2012, S. 182).

Das phänomenologisch-interaktionistische Paradigma der Chicagoer Schule bestimmt den Alltag als ein Resultat aus den vom Menschen erlebten und interpretierten Gegebenheiten seiner Umwelt und seinem eigenen Anteil bzw. aktiven Einfluss auf diese Umwelt. Er erscheint daher nicht nur als Repräsentant der Gesellschaft, sondern auch als aktiver Mitgestalter (vgl. Thiersch et al. 2012, S. 183).

Die kritische Alltagstheorie beschäftigt sich mit den zur Routine gewordenen Bewältigungsstrategien, die dem Menschen einerseits Sicherheit geben, sie auf der anderen Seite aber auch einschränken und den Blick für Alternativen schwinden lassen. Der lebensweltorientierte Ansatz versucht diese Routine aufzubrechen und unter Rücksichtnahme auf und Respekt vor der vorhandenen Alltagspraxis weiterführende Muster für ein gelingenderes Leben zu entwickeln (ebd. S. 183).

1.3 Aspekte der Lebensweltorientierung

Der lebensweltorientierte Ansatz sieht die AdressatInnen als Individuen, die versuchen mit ihren eigenen Ressourcen und Bewältigungsstrategien den Alltag zu meistern und ein zufriedenes Leben zu führen. Dabei kommt es, aufgrund beschränkender Machtstrukturen, nicht konformen Lebensplänen und dem Mangel an funktionierenden Bewältigungsstrategien zu Widersprüchen und daraus resultierend zu Problemen im Alltag (vgl. Grunwald/Thiersch 2011, S. 858).

Darüber hinaus kritisiert der lebensweltorientierte Ansatz die neoliberalen Tendenzen zur Leistungsgesellschaft in der der Mensch, wie zu Zeiten der Industrialisierung, als Humankapital betrachtet wird, der sich durch seine eigene Leistung in das System einzufügen hat. Als Konsequenz daraus erwächst ein falsches Verständnis für die Nöte und Bedürfnisse der Menschen, die wiederum in einer erneuten Einteilung in würdige und unwürdige Arme gipfeln könnte bzw. dies bereits tut (vgl. Grunwald/Thiersch 2011, S. 862).

Das Ziel des lebensweltorientierten Ansatzes ist ein möglichst selbstbestimmtes Leben in gerechten Verhältnissen. Der Weg dorthin führt über eine Erweiterung der Kompetenzen der AdressatInnen und eine Eröffnung neuer Möglichkeiten durch die Vernetzung mit den vorhandenen, aber ungenutzten, Ressourcen.

Als Ausgangspunkt für diesen Ansatz dient die Lebenswelt der AdressatInnen. Diese wird von Grunwald/Thiersch in drei Ebenen eingeteilt.

Die erste Ebene beschreibt den Menschen als ein von seinen Erfahrungen geprägtes Wesen, dass sich in seiner subjektiv empfundenen Wirklichkeit bewegt und dessen Bewältigungsmuster sich durch den Widerspruch der eigenen Vorstellungen zu den gegebenen Umständen definieren (vgl. Grunwald/Thiersch 2011, S. 856).

Zum zweiten wird die Lebenswelt im historisch-sozialen Kontext gesehen. Die Entwicklungen der Gesellschaft, ihre Strukturen und Normen bilden die Basis für die erfahrene Wirklichkeit des Menschen. In ihrem Rahmen agiert er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Lebensmustern. Die Lebenswelt ist der Berührungspunkt zwischen der Gesellschaft und dem einzelnen Menschen (vgl. Thiersch et al. 2012, S. 185).

Drittens wird die Lebenswelt normativ-kritisch verstanden. Die erfahrene Wirklichkeit des Menschen und seine Antworten auf die Aufgaben der Lebensführung stehen im Widerspruch zu den eigenen angestrebten Zielen. Diese Spannung zwischen “Gegebenem und Möglichem” (Grunwald/Thiersch 2011, S. 857) führt zu Konflikten. Diese Konflikte wiederum werden als Teil der Lebenswelt betrachtet (vgl. Grunwald/Thiersch 2011, S. 857).

Der lebensweltorientierte Ansatz transzendiert diese Lebenswelt. Die bereits vorhandenen Bewältigungsstrategien, so falsch sie auch auf den ersten Blick erscheinen mögen, geben den AdressatInnen Sicherheit und Routine. Sie werden von den SozialarbeiterInnen respektiert und als die Anstrengung betrachtet, die sie sind (vgl. Grunwald/Thiersch 2011, S. 858).

Es gilt jedoch diese Routine aufzubrechen und die Strategien, Handlungsmuster und Deutungen zu hinterfragen und mit den AdressatInnen neu auszuhandeln, damit sie zu einer für alle Beteiligten zufriedenstellenderen Lebensweise führen.

Des weiteren werden die Möglichkeiten einer Vernetzung erarbeitet, die es den AdressatInnen ermöglichen soll Rat, Unterstützung, aber auch soziale Kontakte für sich zu erschließen. Dabei geht es nicht nur um die Institutionen der Sozialen Arbeit, sondern auch um die Aktivierung der Familie, Freunde, Nachbarn oder das Aufsuchen von Krabbelkursen, Kinderturnen und ähnlichen Angeboten im Umfeld der AdressatInnen.

Grundlage für die Arbeit nach dem lebensweltorientierten Ansatz ist ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen HelferIn und AdressatIn, dass zuerst durch einen respektvollen, geduldigen, nicht disziplinierenden Umgang aufgebaut werden muss.

Der lebensweltorientierte Ansatz konzentriert sich dabei auf pragmatische, aktuelle Lösungsstrategien und gibt den AdressatInnen ein Gefühl der Wertschätzung und das Gefühl handlungsfähig zu sein, anstatt auf den späteren Erfolg der jetzigen Unannehmlichkeiten, die durch die Rekonstruktion der gewohnten Lebensmuster entstehen, zu verweisen (vgl. ebd., S. 858).

Durch das Einlassen der SozialarbeiterInnen auf den Alltag und die Lebenswelt der AdressatInnen und das situative Agieren darin entstehen Gefahren, die der Hilfe schaden können.

Zum ersten kann es passieren, dass die SozialarbeiterInnen nicht die nötige Distanz aufrechterhalten und sich selbst von den Lebensmustern der AdressatInnen mitreißen lassen und die Grenze des pädagogischen Handelns aus der Sicht verlieren (vgl. Grunwald/Thiersch 2011, S. 858f).

Zum zweiten besteht die Gefahr eine dominante Position einzunehmen und den AdressatInnen, einen auf Moralvorstellungen und Normen basierenden, Weg aufzuzwingen, was dem Prinzip der Lebensweltorientierung widersprechen würde (vgl. Grunwald/Thiersch 2011, S. 859).

Um dies zu verhindern bedarf es einer regelmäßigen Reflexion und Kontrolle der eigenen Arbeit durch das Kollegium, sich selbst oder externen Kräften, wie Supervisoren (vgl. ebd).

Für ein erfolgreiches Einsetzen des lebensweltorientierten Ansatzes bedarf es nach Grunwald/Thiersch verschiedener Vorraussetzungen.

Es ist an den SozialarbeiterInnen sich ihrer Rolle und ihrer Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft und dem Sozialstaat bewusst zu sein, diese offensiv zu vertreten und zu nutzen. Eine Auseinandersetzung mit den zu Grunde liegenden Theorien ist dafür nötig. Zudem ist eine Umstrukturierung der Institutionen anzustreben. Die Institutionen müssen sich selbst ganzheitlicher verstehen und präsentieren. Es bedarf der Vernetzung untereinander und der besseren Kooperation und Koordination der Hilfsangebote. Darüber hinaus wird eine höhere Transparenz gegenüber dem Klientel gefordert.

Um diese Aspekte umzusetzen, müssen die Akteure, sowohl in den leitenden, als auch in den ausführenden Positionen, mit dem nötigen Handwerkszeug des lebensweltorientierten Ansatzes ausgestattet werden (vgl. Grunwald/Thiersch 2011, S. 860f).

1.4 Handlungsmuster

Laut Thiersch sind zur Umsetzung des Konzepts der Lebensweltorientierten Arbeit Struktur- und Handlungsmaximen nötig, an denen sich die Soziale Arbeit orientieren und weiterentwickeln soll. Er unterscheidet diese in 5 Struktur- und 4 Handlungsmaximen, die durch Konkretisierung auf das jeweilige Handlungsfeld sowohl im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, ebenso im Gesundheitswesen, in der Behindertenarbeit und in der Erwachsenenbildung anwendbar sind (vgl. BMJFFG 1990, S. 85).

Die Strukturmaxime Prävention meint die Verbesserung der Lebenssituation durch Achtsamkeit vor eventuellen Belastungen, um so vorbeugend Hilfe zu leisten, damit sich weniger Schwierigkeiten überhaupt erst entwickeln (vgl. ebd. S. 85) Prävention zielt auf die Entwicklung stabiler Lebensverhältnisse und vorbeugende Hilfeangebote in belasteten Situationen, damit es eben nicht zur Krise kommt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Geschichte und Struktur Sozialer Arbeit. Der lebensweltorientierte Ansatz
Hochschule
Hochschule RheinMain
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
14
Katalognummer
V456909
ISBN (eBook)
9783668890589
ISBN (Buch)
9783668890596
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lebensweltorientierung
Arbeit zitieren
Carsten Friebis (Autor:in), 2013, Geschichte und Struktur Sozialer Arbeit. Der lebensweltorientierte Ansatz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456909

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