Antonín Dvořáks sinfonische Dichtungen, dargestellt an "Die Mittagshexe" und "Der Wassermann"


Examensarbeit, 2001

135 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Antonín Dvořák
2.1 Einleitung
2.2 Kindheit
2.3 Politische Einflüsse und persönliches Umfeld
2.4 Musikalische Ausbildung bis 1857
2.5 Weitere musikalische Ausbildung an der Prager Orgelschule
2.6 Musikerjahre
2.7 Komponist in Prag
2.8 Bekanntwerden Dvořáksaußerhalb Prags
2.9 England.
2.10 In der Neuen Welt (1892 – 1895)
2.11 Die letzten Jahre
2.12 Weitere Anmerkungen zu seinem Leben

3. Programmmusik und Symphonische Dichtung
3.1 Einleitung
3.2 Programmmusik
3.2.1 Allgemeines zum Begriff
3.2.2 Das Programm
3.2.3 Entstehung der Programmmusik
3.3 Die Symphonische Dichtung
3.3.1 Allgemeines zum Begriff
3.3.2 Formen der Symphonischen Dichtung
3.3.3 Die Symphonische Dichtung in Böhmen und Mähren
3.4 Tonmalerei

4. Die Entstehung der Symphonischen Dichtungen Der Wassermann op. 107 und Die Mittagshexe op. 108
4.1 Der Schaffensprozess Antonín Dvo řáks
4.1.1 Allgemeines
4.1.2 Die Stadien seines Schaffensprozesses
4.2 Der Verfasser der literarischen Vorlage: Karel Jaromír Erben
4.3 Die literarische Vorlage
4.4 Die Entstehung der Symphonischen Dichtungen im einzelnen
4.4.1 Erstes Stadium: Begeisterung für die literarische Vorlage
4.4.2 Zweites und drittes Stadium
4.4.3 Viertes und fünftes Stadium

5. Die Mittagshexe (Polednice) op. 108 (Analyse)

6. Der Wassermann (Vodník) op. 107 (Analyse)

7. Zusammenfassende und abschließende Bemerkungen zu

Dvoř áks Symphonischen Dichtungen.

8. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Gegenstand dieser Arbeit ist die Beschäftigung mit der Entstehung und Gestaltung der Symphonischen Dichtungen Die Mittagshexe und Der Wassermann von Antonín Dvořák. Den ersten Hinweis auf die Existenz dieser Werke erhielt der Autor dieser Arbeit durch einen Freund, der bei einer Aufführung der Mittagshexe durch das Landesjugendorchester Rheinland-Pfalz mitgewirkt hat und von dem Werk begeistert war. Eine weitere Anregung zu diesem Thema erfuhr der Verfasser während eines viertägigen Prag-Aufenthaltes im Jahre 1993. Auf dieser Reise ergaben sich die Gelegenheiten, die etwas außerhalb von Prag auf dem Felsenhügel des Vyšehrad gelegene Grabstätte des tschechischen Komponisten zu besichtigen und in der Prager Innenstadt eine CD mit sämtlichen Symphonischen Dichtungen Antonín Dvořáks zu erwerben, welche seitdem einen festen Platz in der CD-Sammlung des Autors einnimmt.

Diese Werke, insgesamt außerhalb Tschechiens wenig bekannt und beachtet, gehören dabei neben der Symphonie Nr. 9 e-moll op. 95 „Aus der neuen Welt“ zu den künstlerisch besonders gewichtigen Werken Dvořáks, wenngleich sich auch die 9. Symphonie und die Slawischen Tänze op. 46 und op. 72 eines größeren Beliebtheitsgrades erfreuen. Die geringe Bekanntheit dieser Symphonischen Dichtungen außerhalb Dvořáks Heimatland hängt insbesondere damit zusammen, dass „die Werke sich überwiegend auf national gefärbte Programme beziehen und damit vom Hörer wenn nicht Kenntnisse, so doch einen Zugang zur tschechischen Geschichte und Kulturgeschichte verlangen.“1 Immerhinbasierendiese symphonischen Werke auf mit volkstümlichen Elementen versehenen und in nationalem Ton verfassten Gedichten des tschechischen Nationaldichters und Gelehrten Karel Jaromír Erben, der zu jener Dichtergeneration gehörte, die ab den 1840er Jahren neu erwachendes Interesse an der böhmischen Geschichte, dem böhmischen Volkslied und den böhmischen Volksmärchen und Sagen zeigte. Ihre Bedeutung erwächst daher zunächst für die böhmische Bevölkerung.

Bezeichnend für den geringen Bekanntheitsgrad dieser Balladen außerhalb Tschechiens ist zudem die Tatsache, dass nach dem Wissen des Verfassers dieser Arbeit keine deutschsprachige Ausgabe dieser poetischen Sammlung Erbens mit dem Titel Kytice (Blumenstrauß) zu finden ist.

Auch von Bedřich Smetanas sechs Symphonischen Dichtungen aus dem Zyklus Má Vlast (Me in Vaterland) ist bezeichnenderweise außerhalb Böhmens nur Die Moldau bekannt geworden. Dies hängt wohl mit der starken Einprägsamkeit der Melodien in ihr und mit der Tatsache zusammen, dass sich ihr Programm der allgemeinen Beschreibung eines Flusslaufes – in diesem Fall der Moldau – leichter sinngemäß auf andere Flüsse übertragen lässt und damit auch in anderen Ländern leicht verständlich wirkt, während den übrigen Werken überwiegend Motive aus böhmischen Sagen und der Geschichte des Landes zugrunde liegen, die wiederum Kenntnisse oder einen Zugang verlangen.

Dem erforderlichen Wissen bzw. Kenntnissen der tschechischen Geschichte und Kultur steht gegenüber, dass Dvořáks Musik insbesondere in seinen Symphonischen Dichtungen für den Hörer sehr anschaulich und ansprechend gestaltet ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es reizvoll, sich näher mit diesen Werken zu befassen, ihre Entstehung und Architektur nachzuvollziehen und dabei die Intentionen des Komponisten zu begreifen.

In der vorliegenden Arbeit wird zunächst auf Antonín Dvořáks Leben näher eingegangen, da viele Einflüsse in seinen Komposition untrennbar mit seiner Biographie verbunden sind. Es folgen die zum Herstellen späterer Bezüge die Erläuterung der Gattungsbegriffe der Programmmusik, der Symphonischen Dichtung und der Tonmalerei sowie die Darstellung der Entstehungsgeschichte beider Werke, bevor diese selbst näher untersucht werden.

2.Antonín Dvořák

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Antonín Dvo řákim Jahr 190 2

2.1 Einleitung

Antonín Dvořáks gesamtes kompositorisches Schaffen ist sowohl hinsichtlich der Gattungen und Formen von Werken als auch vom Inhalt und der Ausgestaltung dieser eng und untrennbar mit seiner Herkunft und seinem gesamten Leben verbunden.AuchdieWurzelnfürseineBeschäftigungmitprogrammatischen Stoffen als Grundlage für seine symphonischen Dichtungen sowie die Merkmale für die Ausgestaltung dieser Werke sind in seiner Biographie zu finden. Daher soll im Nachfolgenden etwas ausführlicher auf sein Leben eingegangen werden, als es zunächst notwendig erscheint.

2.2 Kindheit

Antonín Dvořák wurde als Sohn des Metzgers und Gastwirts František Dvořák und seiner Frau Anna geb. Zdeňková am 8. September 1841 in Nelahozeves (ca. 30 km nördlich von Prag an der Moldau) in Böhmen geboren. Die Dvořáks, deren Name ins Deutsche übersetzt so viel wie Hofmann oder Höfer3 bedeutet, lassen sich seit etwa 1700 in den Dörfern der Moldausenke nördlich von Prag nachweisen.4 Über viele Generationen gehörten sie zur untersten sozialen Bevölkerungsschicht: Sie waren besitzlose tschechische Häusler, die trotz der Beherrschung Böhmens durch Österreich die tschechische Sprache und tschechische Volkskultur bewahrt hatten.5 So kann man sich gut vorstellen, dass der junge Antonín in seinen Kindheitstagen innerhalb der Familie mit Erzählungen aus böhmischen Sagen und Märchen in Kontakt kam, die ihn auch in seinem weiteren Leben begeisterten und anregten.6 Diese lebenslange Begeisterung für die böhmische Sagen- und Märchenwelt schlug sich in der späteren Beschäftigung mit den Werken des tschechischen Nationaldichters Karel Jaromír Erben (1811 – 1870) nieder.

Auch die Liebe zur Landschaft, besonders in seinen Kindheitstagen7, hat sich später in Werken des Komponisten ausgewirkt, so in der programmatischen Ouvertüre In der Natur op. 91 bzw. im zweiten Satz der 9. Symphonie.8

Die Dvořáks lebten in bescheidenen materiellen Verhältnissen, bedingt u. a. durch den Brand der Gastwirtschaft 1842, durch die Nichtverlängerung des Pachtvertrages über die Gastwirtschaft 1847 und durch die zunehmende Konkurrenz im Metzgergeschäft.DieimElternhausherrschende„AtmosphärevonKampfund Mühsal“9,in der Antonín Dvořák heranwuchs,haben die Persönlichkeit des Komponisten ebenso geprägt wie das Vorbild des Vaters, der sich trotz mancher Rückschläge nicht entmutigen ließ, sondern seinen Kindern Fleiß, Arbeitsamkeit, Zielstrebigkeit, Familienverantwortung und Religiosität vorlebte. So ließen weder die ärmlichen Verhältnisse noch die Enttäuschungen den Komponisten auf seinem, oft von „Mühsal und Sorgen“ geprägten, „langen und schweren“10 Weg bis zur Anerkennung resignieren.11

2.3 Politische Einflüsse und persönliches Umfeld

Zudem wuchs Antonín Dvořák in einem Land auf, das im 19. Jahrhundert staatlich und kulturell von Österreich beherrscht wurde, jedoch eine Zeit des industriellen Aufschwungs und kulturellen Wiedererwachens Böhmens bzw. der langsamen Nationalisierung Tschechiens erlebte.

1620, zwei Jahre nach dem Prager Fenstersturz (1618) hatte das bis dahin protestantische Böhmen durch die Niederlage in der Schlacht am Weißen Berge seine staatliche und kulturelle Eigenständigkeit verloren und gehörte fortan als Erbkönigreich Habsburgs zu Österreich. Ein Strafgericht mit Hinrichtungen und Enteignungen der Hälfte des adligen Grundbesitzes sowie eine gewaltsame Rekatholisierung (mitHilfederJesuiten) undRegermanisierung warüberganz Böhmenergangen.12 DiealleinigeAutoritätderGesetzgebung,der Beamtenernennung und der Gerichtsbarkeit lag seit dieser Zeit beim Habsburger Herrscher in Wien. Die Sprache der Verwaltung, der Vornehmen und Gebildeten wurde deutsch13, während die tschechische Sprache als Sprache der sozialen Unterschicht auf dem Land als sog. „Bauernsprache“ verkümmerte.14

Die von den Tschechen als Zeit der Finsternis empfundenen eineinhalb Jahrhunderte näherten sich erst 1781 ihrem Ende, als Kaiser Joseph II. durch das sog. Toleranzpatent die Leibeigenschaft der Bauern aufhob, ihnen und der ländlichen Bevölkerung Bewegungsfreiheit, Freiheit der Berufswahl sowie den Zugang zu den Städten und höheren Schulen garantierte. Damit wurde eine junge tschechische Intelligenz gebildet und der Grundstein des kulturellen Wiedererwachens der Tschechen gelegt. Durch die revolutionären Bewegungen in den Jahren 1848/49 und den Slawenkongress im Juni 1848 unter der Leitung des Historikers František Palacky (1798 – 1876), der für eine nationale Gleichberechtigung innerhalb der Donaumonarchie eintrat, gewann das Wiedererwachen der tschechischen Sprache, Geschichte und Kultur zunehmend gesellschaftliche und politische Dimensionen.15 Karel Jaromír Erben (1811 – 1870) gehörte zu jener Dichtergeneration, die neben demverstärkten Wiederaufkommen dertschechischen Sprache neuerwachendes

Interesse an der böhmischen Geschichte, dem böhmischen Volkslied und den böhmischen Volksmärchen und Sagen zeigte. Auf den Gedichten aus dessen Gedichtsammlung Kytice (Blumenstrauß) basieren schließlich auch Antonín Dvořáks vier symphonische Dichtungen Der Wassermann, Die Mittagshexe, Das goldene Spinnrad und DieWaldtaube. Insofern sind diese auch indirekt politische Dokumente, da sie auf die Geschichte Böhmens seit 1800 verweisen. „Ihre nationale Akzentuierung darf durchaus als Reaktion auf die politische und kulturelle Unterdrückung Böhmens durch Österreichs gewertet werden, als Versuch, auch mit denMittelnderTonkunstdasStrebennachnationalerIdentitätundpolitischer Unabhängigkeit zu fördern.“16

Zu diesem kulturellen Wiedererwachen kam im 19. Jahrhundert der technische Fortschritt in Böhmen: der erste Schaufelraddampfer „Bohemia“ auf der Moldau, die Telegraphie, der Bau der Eisenbahnlinie Wien – Prag – Dresden (1845 begonnen), die durch Dvořáks Geburtsort Nelahozeves führte.17 Durch zunehmende Industrialisierung wandelte sich die böhmische Bevölkerungsstruktur vom Landarbeiter zum Industriearbeiter,einhergehend mit einem wirtschaftlichen Aufschwung des aus Händlern und Kaufleuten bestehenden tschechischen Kleinbürgertums.18

2.4 Musikalische Ausbildung bis 1857

Antonín Dvořáks musikalische Ausbildung war bis 1857 im Wesentlichen durch drei Lehrer gekennzeichnet: Joseph Spitz, Antonín Liehmann und Franz Hancke.

Erste musikalische Kenntnisse erhielt Antonín Dvořák ab 1847 in der Schule durch seinen Lehrer Joseph Spitz, der ihn mit den Anfängen des Violinspiels und Gesangs, aber auch mit der Musik Haydns und Mozarts bekannt machte.19 Der musikalisch begabte Schüler Antonín Dvořák machte rasch Fortschritte und trat bald als Geiger in Erscheinung.20 Aufgrund seiner Liebe zur Musik war es kein Wunder, dass er nach demAbschluss derSchule 1853 denWunschhegte,sichganzderMusikzu widmen.21

Obwohl der junge Antonín Dvořák der Familientradition gemäß seinem Vater im Beruf des Metzgers nachfolgen sollte und zu entsprechenden Ausbildungszwecken in die nahegelegene Kleinstadt Zlonice zu seinem Onkel Antonín Zdeněk geschickt wurde, ist heute klar, dass die Eltern ihn nie ernstlich von einer Musikerlaufbahn abgehaltenhaben.22 TatsächlichsteuerteDvořáknahezugeradlinig,stetigund systematisch in seiner weiteren musikalischen Ausbildung einem Ziel zu:dem Studium an der Prager Orgelschule.23

Statt also in Zlonice das Metzgerhandwerk zu erlernen, wurde er dort vom Deutschlehrer Antonín Liehmann, der auch Organist in der Kirche, Leiter einer Kapelle, Instrumentallehrer sowie Komponist von Tanz- und Kirchenmusik war, in Geige und Bratsche,KlavierundOrgelsowieimGeneralbassspiel,inder Harmonielehre und im Modulieren unterrichtet.24 Auch hier machte Dvořák rasch musikalische Fortschritte,sodassLiehmannihninseinerKapelleundim Kirchenchor einsetzen konnte. Darüber hinauserfuhr Dvořák weitere Förderung durch Liehmann: Er durfte bisweilen in Gottesdiensten die Orgel spielen und Stimmen aus den Partituren von Liehmanns eigenen Kompositionen ausschreiben. Durch seine Mitwirkung in der Kapelle und im Kirchenchor lernte er einerseits volkstümliche Tänze und Musik kennen, andererseits kam er in Kontakt mit der Kirchenmusik. Von Jugend an hatte Dvořák somit bereits ein wenigstens nicht nur auf eine Richtung beschränktes musikalisches Spektrum erfahren. Ferner hatte er durch Liehmanns Unterricht nicht nur praktische, sondern auch grundlegende theoretische Kenntnisse, insbesondere in der Harmonielehre und im Generalbass, erhalten. Durch Liehmann angeregt, begann er bereits in dieser Zeit, kleine Tänze, zunächst für Klavier, dann für Orchester, zu komponieren.25 Um die Prager Orgelschule besuchen zu können, waren neben guten Musik- auch Deutschkenntnisse notwendig, da Deutsch dort die alleinige Unterrichtssprache war. Zur Vervollständigung insbesondere der Deutschkenntnisse, aberauchumdes letzten musikalischen Schliffes der Orgelschule wegen wurde Antonín Dvořák 1856 in die rein deutschsprachige nordböhmische Stadt Česká Kamenice (Böhmisch- Kamnitz) geschickt, wo ihm Franz Hancke, ein Musiklehrer, der selbst an der Prager Orgelschule studiert hatte, die noch fehlenden Kenntnisse für die spätere Aufnahme an dieser Stätte vermittelten konnte.26

2.5 Weitere musikalische Ausbildung an der Prager Orgelschule

In Prag begann Dvořák im Oktober 1857 seine Studien an der Prager Orgelschule27, gleichzeitig besuchte er die deutsche Fortbildungsschule des Franziskanerklosters zu Maria Schnee. Ab November 1857 konnte er zudem im Orchester von Anton Apts Cäcilienverein als Bratschist mitspielen. Dort hörte und spielte er zum ersten Mal Musik von Wagner, Schumann, Schubert, Beethoven und anderen, lernte unbekannte Werke, die damalige Gattungsvielfalt an orchestralen Kompositionen sowie die instrumentalen Möglichkeiten des Orchesters kennen. Hier wurden die Grundlagen für Dvořáks späteren kompositorischen Umgang als Sinfoniker mit dem Orchester gelegt. Für einen regelmäßigen Konzert- und Opernbesuch in Prag fehlte ihm das Geld, so dass er sich manchmal heimlich in den Orchesterraum der Theater und Konzertsäle schleichen musste, um ein gutes Konzert zu hören.28

An der Orgelschule erhielt Dvořák Unterricht im Orgelspiel, in Harmonielehre, Generalbass und Kontrapunkt. Außerdem beschäftigte er sich mit den Klassikern der Orgelmusik, u. a. mit den Werken Johann Sebastian Bachs, und erhielt Einweisungen in die liturgische Musik sowie in den Kirchenkalender mit seinen Fest- und Feiertagen. Für die Harmonielehre musste er auf vorgegebene Bassstimmen kleine vierstimmige Sätze, für den Kontrapunkt Präludien und Fugen über gestellte und eigene Themen schreiben,29 nebenher komponierte er unter Anwendung der erlernten kontrapunktischen Techniken und dem Wissen aus der Harmonielehre.

Bei seinem Abschluss als Zweitbester der Orgelschule im Juli 1859 attestierte ihm der Direktor der Orgelschule, Josef Krejčí „vorzügliches, doch fast mehr praktisches Talent. Praktisches Wissen und Können scheint sein ganzes Streben zu sein; in der Theorie leistet er weniger ...“.30

Während Liehmanns Unterweisungen in musikalisch derart grundlegendem Wissen wie Generalbass, Harmonielehre und Modulieren bereits ein – wenn auch zunächst nochgeringer–GrundstockfürAntonínDvořáksspätereskompositorisches Schaffen war und Hanckes Kenntnisse ihm erst die Aufnahme an der Orgelschule in Prag ermöglichten, so vervollkommnete Dvořák jetzt seine kirchenmusikalischen Kenntnisse in puncto Generalbass, Harmonielehre, Modulation, Choral, Präludium sowie Kontrapunkt und Fuge an der Prager Orgelschule. Bei Liehmann hatte er noch überwiegendTanzmusikgeschrieben,inPragdagegenKirchenmusik.Beide Bereiche prägten Dvořáks späteres kompositorisches SchaffeninderArtund QualitätseinerWerkeerheblich.WährenddieTanzmusikEinflussinspätere tänzerische Kompositionen wie die Slawischen Tänze nahm, so boten ihm die kirchenmusikalischen Kenntnisse erst die Möglichkeit, seine Ideen in sauberer Satztechnik niederzuschreiben.

2.6 Musikerjahre

Die Tanz- und Volksmusik, die für Dvořáks späteres Schaffen nicht unbedeutend blieb, bestimmte zunächst auch die folgenden Jahre. Trotz des guten Abschlusses an der Orgelschule erhielt Antonín Dvořák in Prag keine Anstellung als Organist, so dass er die folgenden elf Jahre (ab Ende Sommer 1859) als Erster Bratschist in der Musikkapelle Karl Komzáks verbrachte, die in Prag in verschiedenen Kaffeehäusern und Gastwirtschaften sowie auf öffentlichen Plätzen Walzer, Märsche, Polkas und Potpourris spielte. Aus dieser Zeit als Bratscher dürfte auch seine besondere Beziehung zu den Mittelstimmen herrühren. „Der Satz muß sauber sein“, predigte Dvořák später als Lehrer seinen Schülern, „der Komponist ist für jede Stimme in gleichem Maße verantwortlich, mag es die führende oder eine Begleitstimme sein. Manchmal ist eine Mittelstimme sogar wichtiger als die Hauptstimme.“31

Diese Zeit war geprägt vom Suchen nach Vervollkommnung seines kompositionstechnischen Könnens. Zwar hatte er durch die Orgelschule wichtige Grundlagen der Satztechnik,aber nicht viel kompositorisches Wissenund technisches Können erhalten. In Formenlehre und Komposition war Dvořák nur unzureichend unterrichtet worden, somit mußte er sich mit der Sonatenform und anderen höheren kunstvollen Formen selbst vertraut machen.32 „Nicht,daßich unfähig war, Musik zu produzieren, aber ich hatte nicht genügend Technik, all das auszudrücken, was in mir war. Ich hatte Ideen, aber ich konnte sie nicht perfekt äußern“33, begründete Dvořák seinedamaligen Kompositionsversuche, die meist nicht veröffentlicht wurden.

Er studierte daher zunächst die Partituren anderer Komponisten, z. B. Beethovens Septett Es-Dur, und gewann dabei stufenweise Vorstellungen über Orchestrierung und Instrumentation.34 In den folgenden eigenen Kompositionsversuchen und ersten Werken orientierte er sich u. a. an Beethoven, Mozart35 und Haydn sowie an den Neuromantikern Wagner und Liszt, wobei er von letzterem sehr überzeugt schien: „Nur was der Herr Christus lehrte und was Liszt schrieb, überdauert die Zeiten.“36 Aufgrund dieser Begeisterung für die Neuromantiker weisen die Formen seiner Kompositionen aus dieser Zeit wegen ihrer Gewagtheit hinsichtlich Streben nach Neuheit und Kühnheit bisweilen Mängel in der formellen Gestaltung auf.37

Im Zuge des 1860 von Kaiser Franz Joseph I. vorgelegte Staatsgrundgesetzes, welches demokratische und föderalistische Ansätze enthielt und somit Hoffnungen auf eigenständige politische und nationale Gestaltungsmöglichkeiten in den Ländern der Habsburger weckte,kam es zu bestimmenden Impulsen,diezueinem Aufschwung des tschechischen politischen und kulturellen Lebens führten.38 1862 wurde das Königliche Landes-Interimstheater eröffnet, somit das erste Theater in Prag, an dem die tschechische Bevölkerung ihre kulturellen Vorstellungen ohne Eingriffe von außen verwirklichen konnte. Dvořák wurde zusammen mit 17 weiteren Musikern der Kapelle Komzák zusätzlich ans Interimstheater engagiert und spielte dort unter Leitung von Jan Nepomuk Maýr Opern von italienischen, französischen, deutschen und tschechischen Komponisten, außerdem Konzerte des Akademischen Lesevereins, der Künstlerischen Vereinigung und weitere musikalische Veranstaltungen. Daneben kam Dvořák in Kontakt mit musikalischen Größen seiner Zeit und dessen Werken: Richard Wagner und Bedřich Smetana. Bei den drei KonzerteninPrag,dieWagner 1863 mit Ausschnitten aus seinen neusten Kompositionen leitete, spielte Dvořák mit und war begeistert von Richard Wagners Persönlichkeit und dessen Werken. 1865 schließlich wurde die Kapelle Komzák vollständig in das Orchester des Interimstheaters übernommen, wodurch die Tanzmusikauftritte in den Prager Gaststätten entfielen und Dvořák neben dem Theaterdienst zur Gehaltsaufbesserung Klavierunterricht erteilen musste.

Nach dem preußisch-österreichischen Krieg 1866, der Böhmen schwer in Mitleidenschaft zog und mit der Niederlage Österreichs bei Königgrätz endete, wurde der kriegsbedingt eingestellte Theaterbetrieb wieder aufgenommen, allerdings unter neuer Leitung und dem Dirigat des 1861 aus Göteborg zurückgekehrten Bedřich Smetana. Damit kamen jetzt verstärkt französische, russische und auch tschechische Opern zur Aufführung, u. a. auch Die verkaufte Braut von Bedřich Smetana.

Während im Mai 1868 der Grundstein zum tschechischen Nationaltheater gelegt und Smetanas Oper Dalibor uraufgeführt wurde, begann Antonín Dvořák nach längerer Pause wieder mit Komponieren, u. a. drei Streichquartette sowie sein erstes Bühnenwerk, die dreiaktige Oper Alfred nach einem deutschen Libretto von Theodor Körner, die allerdings, wie schon frühere Werke, in der Schublade blieb.

2.7 Komponist in Prag

Das Suchen nach seinem ureigenen Kompositionsstil als tschechisch nationaler Komponist und die Vervollkommnung seines kompositorischen Könnens im Leben des Antonín Dvořák fand in den folgenden Jahren seinen Abschluss.

Im Juli 1871 gab Antonín Dvořák seine Stelle als Bratscher im Interimstheater auf, um, wie er selbst sagte, „mehr Zeit fürs Komponieren zu haben.“39 Seinen Lebensunterhalt bestritt er fortan durch Erteilung von Klavierunterricht. Durch die Aufführung einiger Kompositionen im Verlauf der Jahre 1871/72 wurde Dvořák langsam in der Öffentlichkeit bekannt. Darunter waren u. a. die Lieder Gedenken und Darum nach Gedichten von Eliška Krásnohorská, eine Vertonung der ersten der beiden Balladen Das Waisenkind des kurz zuvor (1870) verstorbenen tschechischen Nationalpoeten und Volksliedsammlers Karel Jaromír Erben sowie die von Bedřich Smetana dirigierte Ouvertüre zur Oper König und Köhler.

Den ersten größeren Erfolg konnte Antonín Dvořák mit dem 1872 entstandenen Hymnus Die Erben des Weißen Berges (D ĕ decové bílé hory) für gemischten Chor und Orchester erringen, basierend auf dem Schlusstext in dem 1869 entstandenen Gedicht Die Erben des weißen Berges von Vítěslav Hálek40 (1835 – 74).

Die im Jahre 1871 unter dem Einfluss Wagners,insbesondere derOper Meistersinger, komponierte Oper König und Köhler kam allerdings nicht zur Aufführung, da die Aufführenden die Musik als zu schwierig empfanden, weil sie „zwar originell und gut gemacht,aberunsingbar“41 sei.Aufgrunddieses

Rückschlages begann Antonín Dvořák sein bisheriges Schaffen kritisch zu überdenken: Er vernichtete einige seiner bis dahin geschaffenen Werke und begann sich „von der Orientierung an die Neudeutsche Schule zu lösen. Dvořáks melodische Erfindung [...] [dachte] wieder in Quadraturen und Wiederholungen, Themen [...] [wurden] wieder exponiert, und die Harmonik [...] [gab] sich in ihren Modulationen gemäßigter,nachvollziehbarer undfasslicher.DieehemaligenGewagtheiten der Form [...] [wichen] einer formalen Gestaltung...“42 Zwischen April und November 1874 komponierte er die Oper König und Köhler komplett neu, und in dieser Fassung hatte sie einen guten, wenn auch nur zeitlich begrenzten Erfolg. Wie Ludevít Procházka, der Chefredakteur der Hudební listy es in seiner Uraufführungsbesprechung andeutete, hatte „Dvořák in nur kurzer Zeit einen eigenständigen, mit nationaler Substanz nach sich selbst seinen kompositorischen Standort gefunden: Nicht die Bahnen der Neudeutschen sondern die Tradition der Klassiker, nicht das Erweitern und Sprengen, sondern das artifizielle Erfüllen und originelleBereichernbestehenderNormenbestimmtenfortanseineKunstund bildeten die Grundlage für ein Schaffen, das den Weg durch die Welt machte.“43

Nach Antonín Dvořáks Heirat 1873 mit seiner ehemaligen Klavierschülerin Anna Čermáková, die ein Kind von ihm erwartete, erhielt er am 10.2.1874 die Organistenstelle an der Kirche zu St. Adalbert (Sv. Vojtěch), wo er bis 1877 tätig war. Ebenfalls 1874 wurde Antonín Dvořák von der aus den Mitgliedern Johann Herbeck, Otto Dessoff und Eduard Hanslick bestehenden Kommission das staatliche Künstlerstipendium zugesprochen, aufgrund dessen er in den Jahren 1874 und 1875 jeweils 400 Guldensowie 187 6bereits 500 Guldenerhielt.44 Seinefinanzielle Situation hatte sich dadurch erheblich verbessert, so dass er sich mehr und mehr dem Komponieren zuwenden konnte. Im Zeitraum von 1874 bis 1877 entstanden weitere Kompositionen, u. a. die Sinfonien Nr. 4 d-moll op. 13 und Nr. 5 F-Dur op. 76, die Klänge aus Mähren op. 20 für Sopran und Tenor, die Komische Oper Die Dickschädel op. 17, die tragische Oper Vanda op. 25, das Stabat Mater, einige Streichquartette und –quintette sowie Werke für Klavier.

2.8 Bekanntwerden Dvořáksaußerhalb Prags

Das Jahr 1877 brachte eine Wende in Antonín Dvořáks Leben mit sich. Bei der erneuten Beantragung des Stipendiums hatte Dvořák die 1876 auf Anregung der Prager Familie Neff entstandenen Klänge aus Mähren op. 29 und 32, Duette für Sopran und Alt, eingesandt. Eduard Hanslick teilte ihm die erneute Bewilligung des Künstlerstipendiums mit, diesmal in Höhe von 600 Gulden, und forderte ihn gleichzeitig auf, die zweistimmigen böhmischen Lieder an Johannes Brahms zu schicken, da dieser sich für Dvořáks Werke interessiere und ihm auch einen Verleger empfehlen bzw. beschaffen könne.45 Antonín Dvořák schrieb also an Brahms und legtedie KlängeausMähren zurBegutachtungbei.Brahmsgefielendie Kompositionen Dvořáks und er empfahl daraufhin diese dem Verleger Fritz Simrock, der wiederum Dvořák das Angebot unterbreitete, die Klänge aus Mähren in seinem Verlag zu drucken und zu veröffentlichen, zunächst jedoch ohne Honorar.46 Damit war die Basis für das Bekanntwerden Dvořáks außerhalb Prags und Böhmens gelegt, zumal das Verlagshaus Simrock damals zu den bedeutendsten deutschen Musikverlagengehörte.Dvořákwar BrahmsfürdieEmpfehlungzeitlebens dankbar47, außerdem schätzte er dessen kompositorischen Rat als Mentor.48 Darüber hinaus kam es zur Freundschaft zwischen beiden Komponisten.

Zu Beginn des Jahres 1878 erhielt Antonín Dvořák von Fritz Simrock den Auftrag, Slawische Tänze zu komponieren, nach der Art von Brahms’ ungarischen Tänzen, vierhändig für Klavier, jedoch mit böhmisch-slawischem Charakter.49 Hier zeigte sich deutlich Dvořáks Herkunft und Prägung: Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung im Bereich der Tanzmusik durch seine Tätigkeit als Bratscher in den Kapellen von Apt und Komzak gelang es Dvořák, in eigene erfundene Melodien und Rhythmen charakteristische ElementeslawischerTanzmusikmiteinzubeziehenund künstlerisch zu verarbeiten sowie die anfängliche Klavierfassung noch kunstvoll zu instrumentieren. Durch die Druckvorlage der Orchesterfassung konnten diese Tänze von zahlreichen bekannten Orchestern in Europa aufgeführt und somit einem breiten Publikum bekannt gemacht werden. Aufgrund des slawischen Tonfalls, der Unbeschwertheit und der Eingängigkeit der Slawischen Tänze kam es zu Dvořáks Durchbruch als anerkannter Komponist auch außerhalb Prags.50

Innerhalb kurzer Zeit war Dvořák zu einem international bekannten, anerkannten und gefragten Komponisten geworden, der Kompositionsaufträge erhielt und Konzerte miteigenen Werken dirigierte.51 Anweiteren Kompositionen entstanden inden Jahren 1878 – 1882 u. a. die Slawischen Rhapsodien, die Oper Dimitrij op. 6452, die Ouvertüre Mein Heim aus der Bühnenmusik Josef Kajetán Tyl op. 62 sowie diverse Klavier-, Vokal- und Orchesterwerke.

2.9 England

Die nationale Tschechisierung Böhmens gewann um 1880 erneut an Gewicht: Durch Anerkennung der tschechischen Sprache neben der deutschen in Verwaltung, Gerichtsbarkeit und öffentlichem Leben kam es zur kulturellen Trennung zwischen den Deutsch-Böhmen und den Tschechen und zur Teilung der Prager Karls- Universität in eine tschechische und eine deutsche Abteilung. Für den tschechischen Komponisten Dvořák bedeutete dies einerseits eine Bestätigung, das Streben Böhmens nach nationaler Identität mit eigenen Werken zu fördern und zu bereichern – was er zwar nicht direkt, aber doch in den späteren Jahren insbesondere mit den Symphonischen Dichtungen tat –, andererseits aber auch eine verschärfte Antipathie der Deutsch-Böhmen gegen alles Tschechische und somit auch gegen ihn.

1884 kam Dvořáks Vorliebe für den Dichter Karel Jaromír Erben wieder verstärkt zum Vorschein. Im März 1884 reiste Antonín Dvořák auf eine Einladung der Philharmonic Society zu einer Orchesteraufführung seiner Werke nach London. Die Aufführungen von Dvořáks Werken, insbesondere die des Stabat mater unter seiner Leitung in der Royal Albert Hall, wurden zu einem sensationellen Erfolg. Dvořák wurde in England als Komponist und Dirigent gefeiert, ferner beauftragte man ihn mit einigen Kompositionen, u. a. mit der Sinfonie Nr. 7 d-moll op. 70 und einem Werk für Chor und Orchester. Für dieses griff Dvořák wiederum auf die Gedichtsammlung Kytice z pov ě stí národních (Ein Blumenstrauß aus Volkssagen) destschechischen Dichters KarelJaromír Erbenzurück undwählte hieraus die Ballade Svatební košile (Das Hochzeitshemd)53, die einen durch die Volksdichtung halb Europas geisternden Stoff behandelt.54

Die Geisterbraut wurde während der vierten Reise (von insgesamt acht Reisen nach England) im Sommer 1885 in Birmingham aufgeführt. Für die fünfte Reise zum Musikfest in Leeds im Herbst 1886 komponierte Dvořák das Oratorium Die Heilige Ludmilla. 1886 entstand ferner die zweite Reihe der Slawischen Tänze op. 72.

Von 1887 an widmete sich Dvořák verstärkt der Überarbeitung älterer Kompositionen. In dieser Zeit entstanden nur wenige neue Kompositionen, vor allem einige Lieder sowie 1887/88 die Oper Der Jakobiner. Nach einer russischen Konzertreise nach Moskau und Petersburg und der sechsten Englandreise im Jahre 1890 wurde Antonín Dvořák zum Ehrendoktor der Karls-Universität Prag und zum Mitglied der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und Künste ernannt. Ab 1891 unterrichtete Dvořák als Professor für Komposition und Instrumentation am Prager Konservatorium.55

Von 1889 an begann Dvořák, sich vermehrt der Schaffung von Werken programmatischen Charakters zu widmen. Bereits zur Komposition Poetische Stimmungsbilder op. 85 für Klavier schrieb Dvořák 1889, dass „jedes Stück einen Titel haben wird und etwas ausdrücken soll, also gewissermaßen Programmmusik, aber im Sinne Schumanns [...]“.56 Die zwischen März 1891 und Januar 1892 entstandenen drei Ouvertüren In der Natur op. 91, Karneval op. 92 und Othello op. 93 lassen schließlich deutlich einen programmatischen Charakter erkennen.57

2.10 In der Neuen Welt (1892 – 1895)

Weitere Eindrücke für sein kompositorisches Schaffen erfuhr Antonín Dvořák in Amerika. 1891 nahm Dvořák nach einigem Zögern das von der Präsidentin des New Yorker Conservatory of Music, Jeanette M. Thurber, erhaltene Angebot an, Direktor dieses Konservatoriums zu werden. Neben der Unterrichtstätigkeit am Konservatorium trat er auch als Dirigent eigener Werke in der Öffentlichkeit auf. Da es eine amerikanische Kunstmusik von Rang und Eigenart noch nicht gab, erwartete man von Dvořáks Wirken in Amerika Impulse für eine eigenständige amerikanische

Nationalmusik, insbesondere im Streit, ob die zukünftige Musik Amerikas auf Grundlage der Indianer- und Negerlieder aufgebaut werden sollte oder aber auf der Lebensphilosophie insbesondere der weißen Bevölkerung Amerikas beruhen sollte. „Ermögehelfen,dieneueWeltderMusikdemKontinenthinzuzufügen, den Columbus fand.“58

Und in der Tat blieb der Einfluss Amerikas nicht ohne Folgen für Dvořáks kompositorisches Schaffen. Dvořáks Interesse für die Musik der amerikanischen Farbigen und Indianer wurde durch den Farbigen Henry Thacker Burleigh, der ihm zahlreiche Spirituals und Plantagenlieder aus dem amerikanischen Süden vorsang, und durch den Freund und Musikkritiker Henry Eduard Krehbiel, der ihn mit Indianerliedmelodien versorgte, verstärkt.59 In Ausführungen dem New York Herald gegenüber sagte Dvořák: „Seit ich in diesem Lande bin galt mein tiefstes Interesse der Volksmusik der Neger und Indianer [...] und ich beabsichtige, alles in meiner >Macht stehende zu tun, um die Aufmerksamkeit auf den glänzenden Melodienschatz zu lenken, den Sie [hier] haben.“60

Zur Zeit dieser Äußerungen (Mitte bzw. Ende 1893) hatte Dvořák bereits seine 9. Symphonie e-moll op. 95 mit den Untertitel Aus der neuen Welt abgeschlossen, in der er sein Bemühen zeigte, „Charakteristika zu portraitieren, welche deutlich amerikanisch seien.”61 Obwohl insbesondere bei dieser Symphonie vielfach davon ausgegangen wird und wurde, dass Dvořák die amerikanische Folklore der Farbigen und Neger viel zu wenig kannte, um daraus eindeutig amerikanisch gefärbte Musik zu machen – zumal der Entstehungszeitpunkt der Symphonie in die ersten acht Monate seines ersten Amerika-Aufenthaltesfällt–,findensichdochmehrere

Eigenarten und rhythmische Besonderheiten wie z. B. die Pentatonik, der erniedrigte Leitton, Molltonleitern ohne vierte und siebte Stufe sowie starke Synkopierungen und der sog. scotch snap in ihr.62 „Es hat mir den Anschein, daß der amerikanische Boden auf mich segensreich wirken wird und fast möchte ich sagen, daß schon in dieser neuen Sinfonie etwas derartiges zu hören ist“63 schrieb Dvořák mitten in der Arbeit zum 2. Satz und wenig später äußerte er sich wie folgt: „[...] eben beende ich die neue Symphonie E-moll. Sie macht mir große Freude und wird sich von meinen früheren grundlegend unterscheiden. Nun, wer eine „Spürnase“ hat, muß den Einfluß Amerikas erkennen.“64

So wie die Slawischen Tänze auf eigens geschaffenen – und nicht auf bereits bestehenden – Melodien basieren, die jedoch charakteristische Elemente slawischer Tanz- und Volksmusik aufweisen, so finden sich auch in der 9. Symphonie keine tongetreuen Liedzitate amerikanischer Folklore, sondern eigene erfundene Melodien und Rhythmen amerikanischer Einfärbung. Dvořáks Beobachtungsgabe des Lebens und der Volksmusik schlug sich hier ebenso nieder wie später in den Melodien in den Symphonischen Dichtungen, die zwar eigens geschaffene sind, jedoch auf volkstümlich charakteristischen Elementen beruhen.

Die Sommerferien 1893 verbrachten die Dvořáks in Spillville, einer von meist tschechischen Farmern bewohnten Siedlung in Iowa, wo Antonín Dvořák auch mit Indianern und deren Musik und Tänzen in Kontakt kam.65 So enthalten auch weitere Kompositionen wie z. B. das Streichquartett F-Dur op. 96 und das Cellokonzert h- moll op. 104 amerikanische Einflüsse.

2.11 Die letzten Jahre

Nach der Rückkehr von Amerika nach Böhmen im April 1895 nahm Dvořák im November des gleichen Jahres seine Tätigkeit am Prager Konservatorium wieder auf.

Ende 1895 vollendete er seine letzte Komposition aus dem Bereich der absoluten Musik und widmete sich von da an nur noch der Schaffung von Tondichtungen und Opern.

Von 1896 an entstanden fünf Symphonische Dichtungen, davon drei innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten: Der Wassermann op.107 (6.1. – 11.2.1896), Die Mittagshexe op. 108 (11.1. – 27.2.1896), Das goldene Spinnrad op. 109 (15.1. – 25.4.1896) sowie Die Waldtaube op. 110 (22.10. – 18.11.1896) und das Heldenlied op. 111 (4.8. – 25.10.1897).66 Antonín Dvořáks ersten vier Tondichtungen liegen als Programme Balladen aus der Gedichtsammlung Kytice (Blumenstrauß) von Karel Jaromír Erben zugrunde.67

Da die Entstehungszeit in die Jahre 1896/97 fällt, erscheint es, als habe sich Dvořák erst am Ende seines Schaffens und nach dem Ausreizen der Gattung Symphonie der symphonischen Dichtung und damit der Programmmusik zugewandt. Jedoch kam die Hinwendung zur Symphonischen Dichtung und damit zur Programmmusik ebenso wenig unvermittelt wie die Begeisterung für die Balladen K. J. Erbens.68

Bereits zwischen 1870 und 1904 schuf Dvořák über zehn symphonische Dichtungen und programmbezogenen Werke, so die Ouvertüren Mein Heim op. 62a (1882), Husitská (Hussiten-Lied) op. 67 (1883), In der Natur op. 91 (1891), C arneval op. 92 (1891) und Othello op. 93 (1892).69 Vermutlich unterliegen auch dem 2. Satz der 9. Symphonie programmatische Züge.70 Ferner stammen aus dem Jahre 1893 Skizzen zu einer Symphonie mit dem Titel „Neptun“, deren zweiter und dritter Satz mit programmatischen Überschriften versehen war.71 Weiterhin beschäftigte Dvořák sich nach seiner Rückkehr von neuen intensiv mit Franz Liszt und studierte frühe symphonische Dichtungen von Richard Strauss (Don Juan, Till Eulenspiegel, Tod und Verklärung).72

Wie schon erwähnt, hatte Dvořák sich bereits 1871 mit dem Werk des 1870 verstorbenen tschechischen Nationalpoeten und Volksliedsammlers Karel Jaromír Erben auseinandergesetzt undzwei Texte von ihm vertont: Das Waisenkind, Ballade für eine Singstimme und Klavier, und Rosmarin, ebenfalls für eine Singstimme und Klavier. 1884 folgte dann Die Geisterbraut, Kantate für Soli, Chor und Orchester op.

69, ebenfalls auf den Text von Erben. Von der düsteren und fantastischen Märchenwelt der Erbenschen Sammlung scheint sich Dvořák zeit seines Lebens allgemein stark angesprochen gefühlt zu haben, denn in den Skizzen zur ebenfalls im Jahre 1884 komponierten Humoreske für Klavier befindet sich bereits ein Plan zur Vertonung der wiederum aus der Erbenschen Sammlung K ytice (Blumenstrauß) stammenden Ballade Das goldene Spinnrad. Neben diesem konzeptartigen, jedoch noch keine Art der Gattung erkennenden EntwurfsindweitereSkizzenzum Goldenen Spinnrad auf Seite 27 des 2. Amerikanischen Skizz enbuchs enthalten. Döge vermutet, dass möglicherweise die 25. Wiederkehr von Erbens Todestag am 21.11.1895 einen gewissen Ausschlag für Dvořáks erneute Hinwendung zu diesem Dichter gegeben hat.73

Antonín Dvořáks letzte Lebensjahre bis zu seinem Tod am 1.5.1904 waren vom Opernschaffen geprägt.74 Für Orchester- und Kammermusikwerke hatte er „keine Lust mehr“.75 1898 entstand die Teufelskäthe, 1900 folgte Rusalka und in den Jahren 1902/03 komponierte er Armida. Möglicherweise war Dvořák von dem Gedanken beherrscht,nichtnuralsbedeutenderSymphoniker, sondernauchals Opernkomponist einen Platz in der Musikgeschichte einzunehmen, zumal seine bis dahinbekanntesteOper Dimitrij langenichtdendurchschlagendenErfolgwie Smetanas Verkaufte Braut hatte.

2.12 Weitere Anmerkungen zu seinem Leben

Diese biographischen Anmerkungen zeigen, wie vielfältig der Musiker Antonín Dvořák und sein kompositorisches Schaffen geprägt war: von der Tanzmusik in den Kapellen Liehmanns und Komzáks, die Dvořáks Vorliebe für Tänze begründete, über seine Tätigkeit als Bratscher, die ihn zum Symphoniker machte und ihm einen besonderen Bezug zu den Mittelstimmen verschaffte, bis hin zu den kirchenmusikalischen Impulsen durch sein Studium an der Orgelschule, die ihm als Grundlage des Komponierens eine saubere Satztechnik vermittelten. Hinzu kam der Einfluss Brahms’ als Mentor und Dvořáks Interesse an der Musik anderer Völker, insbesondere der slawischen (tschechischen, mährischen, ukrainischen, polnischen und russischen) Volksmusik sowie solcher der nordamerikanischen Indianer und Farbigen, deren Charakteristika in seine Kompositionen eingingen.76

Ebenso vielfältig wie diese musikalischen Talente werden Dvořáks Charaktereigenschaften in der Literatur beschrieben. Dvořák bezeichnete sich selbst als „einfachen tschechischen Musiker“77. Aufgrund seiner Abstammung vom Lande und seiner bescheidenen, vom Mühsal und Kampf im Elternhaus geprägten Kindheit undkleinbürgerlichen Erziehungwirderoftalsbescheidener,natürlicher, aufrichtiger, frommer, familiensinniger Mann mit den Eigenschaften Erdgebundenheit, Volkstümlichkeit und scheinbarer Schlichtheit charakterisiert, der sich neben der Musik für Tauben, Lokomotiven und Dampfer begeisterte und dem die „Atmosphäre eines Bierlokals lieber war als der prächtigste Salon“.78

Jarmil Burghauser glaubt, dass die Bäuerlichkeit und Erdgebundenheit keineswegs die hervorstechendsten Eigenschaften des Antonín Dvořák waren, da Dvořák sich selbst für ein „noch im Alter von 16 Jahren mageres Kind“79 bezeichnete, für das auch die Tatsache spricht, dass er des Viehs in des Vaters Metzgerei nicht Herr werden konnte.80 Auch seine Bezeichnung als „einfacher tschechischer Musiker“ darf nach Burghauser jedoch nur als Ablehnung einer devoten Stellungnahme seitens eines Verehrers und als Ausdruck christlicher Demut verstanden werden.81

Tatsächlich sei Dvořák laut Burghauser von drei Faktoren geprägt gewesen, die er selbst in einem Brief vom 31.12.1884 an seinen Freund Alois Göbl in Sychrov äußerte: „[...] denn mein Wahlspruch ist und bleibt: Gott, Liebe, Vaterland! Und das allein führt zu einem glücklichen Ziele!“82

Dvořák waraberauchderWeltgewandte, derEngland, Russland undAmerika bereiste, der als Lehrer in den Konservatorien in Prag und New York selbstbewusst auftrat und der seine Ansichten zu verschiedenen Punkten, insbesondere musikalischer und finanzieller Art, gegenüber den verantwortlichen Personen deutlich machte.

Meines Erachtens ist die einseitige Festlegung auf einige wenige dieser Charaktereigenschaften bei Dvořák verfehlt, vielmehr vereinen sich verschiedene Züge zu einem komplexen Bild einer Komponistenpersönlichkeit,welches vielschichtig betrachtet werden sollte.

3.Programmmusik und Symphonische Dichtung

3.1 Einleitung

Die Mittagshexe und Der Wassermann sind Symphonische Dichtungen und gehören damit zur Programmmusik. An dieser Stelle soll kurz auf die Bedeutung der Begriffe Programmmusik, Symphonische Dichtung und Tonmalerei eingegangen werden, da in den Analysen der Mittagshexe und des Wassermanns auf diese Begriffe Bezug genommen wird.

3.2 Programmmusik

3.2.1 Allgemeines zum Begriff

Der Begriff „Programm“ kommt ursprünglich von „prógramma“ (griech. πρόγραµµα ) und bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie „Vor-Schrift“. In der Antike war damit eine durch schriftlichen Aushang öffentlich gemachte Verlautbarung, die Anrede in einem Brief oder der Titel bei einem Rezept gemeint. In der Musik bedeutet dies eine öffentliche bzw. dem Publikum zugänglich gemachte Vorschrift (Programm), die nicht in erster Linie die Form, sondern den Inhalt des Musikstückes umreißt.83

Insgesamt gibt es in der Musikwissenschaft keine allgemein akzeptierte Definition, >sondern verschiedene konträre Auffassungen. Diese rühren u. a. aus den Fragen nach spezifischen Merkmalen der Programmmusik bzw. der historischen Geltung des Begriffs her, zumal Tonschöpfungen aller Gestaltungsformen und Zeiten der Musikliteratur programmmusikähnliche Züge aufweisen. Auch die Tatsache, dass mit dem Begriff bisweilen ein ästhetisches Werturteil verbunden wird, sowie die bis in die Gegenwart reichenden Diskussion zwischen Anhängern der sogenannten „absoluten Musik“und der„Programmmusik“erschweren eine eindeutige Definition.84

Zusammenfassend wird in der Literatur Programmmusik als „Instrumentalmusik bezeichnet, der ein außermusikalisches Sujet zugrunde liegt, auf das der Komponist [durch Inhaltsangabe oder Überschrift] in der Regel selbst hinweist. Entscheidend ist das Kriterium, dass das Sujet die musikalische Konzeption bestimmt oder zumindest beeinflusst hat.“85 Riemanns Musiklexikon drückt es wie folgt aus: „Das zur Musik geeignete Sujet vermag die Phantasie des Komponisten anzuregen, die kompositorische Formung zu motivieren, die Aufführungsart zu präzisieren und die Auffassung des Hörers in bestimmte Bahnen zu lenken.“86 Das „Sujet“ ist vergleichbar dem Inhalt („plot“) eines Dramas, wie er in einem Schauspielführer, oder einem Roman, wie in einer Inhaltsangabe zusammengefasst ist.87 „Der verbale Hinweis auf das Sujet wird als Programm bezeichnet. Die äußere Form des Programms kann sehr unterschiedlich sein. In dieser Bedeutung ist Programmmusik Oberbegriff für verschiedene Gattungen der Instrumentalmusik: Symphonische Dichtung, Programmouvertüre, Programmsymphonie sowie z. T. auch für Klavier- und Kammermusik mit Programm. [...]“88

Daneben werden auch einzelne Instrumentalsätze, die eine bestimmte Funktion im Zusammenhang eines größeren Werkes erfüllen (z. B. Schauspiel- und Opernouvertüre, Zwischenakt- oder Ballettmusiken etc.) als Programmmusik bezeichnet. Ferner wird Programmmusik oft mit Tonmalerei gleichgesetzt, da sie zur Erzählung äußerer Vorgänge mit Mitteln der Musik strebt, oder auch auf Vokalwerke angewendet. Schließlich versteht Fr. Niecks Programmmusik als umfassenden Gegenbegriff zu absoluter Musik, für die noch nicht einmal ein schriftliches Programm, sondern lediglich die dichterische Absicht des Komponisten vorliegen muss.89

3.2.2 Das Programm

Die Funktion des Programms liegt darin, „die Zuhörer vor der Willkür poetischer Auslegung zu bewahren,“ ferner gibt der Komponist damit „den Gesichtspunkt an, von dem aus er sein Sujet erfasst: die poetische Idee, die geistige Skizze seines Werkes, den poetischen oder philosophischen Faden (Liszt, IV, S. 21, 69; V, S. 204).“90 Das Programm kann vom Komponisten selbst erdacht (z. B. Hector Berlioz: Symphonie fantastique) bzw. erlebt sein (z. B. Bedrich Smetana: 2. Streichquartett e- moll Aus meinem Leben), es kann aus der Literatur (Franz Liszt: Die Ideale, 1857, nach Friedrich Schiller) oder der bildenden Kunst (Modest Mussorgskij: Bilder einer Ausstellung, 1874, nach Bildern von Victor Hartmann) entnommen sein oder sich auf eine Landschaft (Richard Strauss: Eine Alpensinfonie, 1915) oder Technik beziehen (Arthur Honegger: Pacific 213, 1923). Bisweilen wurde auch nachträglich eine Überschrift oder ein Programm zu einem Werk formuliert (z. B. Les préludes von Franz Liszt) oder ein Werk zum Zweck leichterer Verständlichkeit für dem Zuhörer nur vorübergehend mit einem Programm oder mit Titeln versehen (z. B. 1. Sinfonie von Gustav Mahler).91

Ferner kann das Programm sehr ausführlich sein, z. B. ein Prosatext (Hector Berlioz: Symphonie fantastique) oder eine Dichtung (Antonín Dvořák: Die Mittagshexe, Der Wassermann, Das goldene Spinnrad, Die Waldtaube) oder nur einen kurzen Titel (Franz Liszt: Hungarica, Antonín Dvořák: Heldenlied) oder nur Satzüberschriften beinhalten. Keineswegs ist das Programm dabei die „wörtliche Übersetzung“ der poetischen Idee, die der Komposition zugrunde liegt, sondern soll auf das Sujet bzw. die poetische Idee des Werkes hinweisen.

Ein wesentliches Ausdrucksmittel,jedoch kein notwendiger Bestandteilder Programmmusik ist die Tonmalerei (s. u.).

Programmmusik und deren Vertreter wie z. B. Franz Liszt und die Anhänger aus dem Umkreis der neudeutschen Schule unterlagen insbesondere im 19. Jahrhundert starker Kritik von Seiten der Verfechter der absoluten Musik. Gegner wie z. B. Eduard Hanslick reduzierten den Begriff meist überwiegend auf das Prinzip der Tonmalerei, kritisierten unter anderem den Mangel an rein musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten(da die Logik der Form durch die des „außermusikalischen“ Programms ersetzt sei), die Austauschbarkeit des Programms und auch die Ausführlichkeit des Programms (da sie die freie Fantasie des Zuhörers beengt.).92

3.2.3 Entstehung der Programmmusik

Der Begriff „Programm“ tauchteum 1800 in Paris in einer redaktionellen Anmerkung zu einem Brief eines anonymen Autors im Hinblick auf Symphonien wie z. B. die „ Tageszeiten “-Symphonien von Joseph Haydn oder die zwölf Symphonien exprimant...métamorphosesd`Ovide von Dittersdorf in der Bezeichnung „symphonie à programme“ auf. Der Verfasser dieser Anmerkung wies darauf hin, dass das Spezielle dieser „symphonischen Werke ‚historische Ereignisse [...] blos durch Musik zu malen’ “ sei – verbunden mit einen Rückgriff auf mythologische bzw. biblische Sujets und die Tonmalerei – und „dass diese Musik ohne das Wort unverständlich bleibe: ‚Der Konzertzettel ist [...] bey dieser Art Musik ein unentbehrliches Hülfsmittel für den Verstand. Nun aber wird sei eine Art dramatischer, Handlung darstellender Musik für jeden Zuhörer; doch nur unter der Bedingung, dass er ihr mit dem Zettel in der Hand folgt’.“93 Insbesondere die Symphonie fantastique op. 13 (1830) und Harold en Italie (1834) von Hector Berlioz sind typische, den Begriff prägende Programmsymphonien. Der 1855 eingeführte Oberbegriff ‚Programmmusik’ steht bei Franz Liszt für eine neue Ästhetik der Instrumentalmusik, um „die ausgehöhlte Form der Symphonie preiszugeben und dennoch die tragenden Prinzipien des symphonischen Stils zu retten.“94 Neben der mehrsätzigen Programmsymphonie entstand als weitere Hauptgattung der Programmmusik die einsätzige Symphonische Dichtung, erstmals 1854 als Begriff von Liszt auf seine Ouvertüre Tasso (1849) angewandt.

3.3 Die Symphonische Dichtung

3.3.1 Allgemeines zum Begriff

Der Begriff Symphonische Dichtung bezeichnet eine von Franz Liszt begründete Gattung der Programmmusik. In der Regel handelt es sich um einsätzige, in mehrere Abschnitte gegliederte symphonische, d. h. an ein Orchester gebundene und im Charakter einer Symphonie gestaltete Werke,denen‚außermusikalische’oder ‚übermusikalische’ Sujets zugrunde liegen, die entweder durch Überschriften bzw. zusätzliche Texte angedeutet oder näher bezeichnet werden. Schwierigkeiten bereitet bei dieser Definition die – auch von Franz Liszt beabsichtigte – Abgrenzung zur Konzertouvertüre mit Programm, aus der die Symphonische Dichtung hervorgegangen ist. (Franz Liszt benannte erstmals 1854 seine 1849 entstandene Ouvertüre Tasso so und dehnte den Begriff später auf andere Werke aus). Weitere Vorläufer sind die Symphonie bzw. die Programmsymphonie. Ihre Blütezeit umfasst etwa den Zeitraum von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.95

„Der von Liszt geprägte Begriff der Symphonischen Dichtung besagt – groß und in erster Annäherung interpretiert –, daß es sich einerseits um eine Gattung mit symphonischen Anspruch und andererseits um Werke handelt, die als Dichtungen in Tönen verstanden werden sollen.“96 Das heißt, daß hier „die symphonische Musik selbsteine‚Dichtung’,ein‚musikalischesGedicht’,ein‚Tongedicht’,eine ‚Instrumentaldichtung’“ und „der Schöpfer eines derartigen Werkes ein ‚Dichter’, ein ‚Tondichter’, der ‚Dichter unter den Komponisten’, der ‚dichtende Symphonist’ [ist].“97 Damit war die Absicht verbunden, mit dem Begriff Symphonische Dichtung diese neue Gattung von der Ouvertüre in der ursprünglichen Funktion als Einleitungsstück zu einer Oper oder einem Schauspiel zu lösen, einen Platz als künstlerisch gewichtige Gattung im ästhetischen Rang der Symphonie zu beanspruchen und eine neue Qualität der Verbindung von Literatur und Musik zum Ausdruck zu bringen.Damit sollte nach Liszts Willen die neue Gattung der Symphonik selbst zur Dichtung werden und sich dabei Stoffe der Weltliteratur und der weltgrößten Kunstwerke aneignen, zumal die Auffassung im romantischen Musikdenken vorherrschte, dass die Sprache der Musik die höchste Ausdrucksform des Poetischen sei. Keinesfalls sollten dabei die literarischen Inhalte (wie in der vorliegenden Arbeit die Balladen K. J. Erbens) nur ausgeschmückt oder musikalisch nacherzählt werden, sondern gerade das in der Musik ausgedrückt werden, welches in der Dichtung und Malerei nicht darstellbar ist, insbesondere das Religiöse und Metaphysische, die Erzählung innerer Vorgänge und die Darstellung von konkreten Empfindungen und Gefühlen. Letzteres wie z. B. Trauer und Freude kann die Musik zwarvermitteln,jedochnichtdenBezugzueinemkonkretenSujet(z.B. Mittagshexe, Wassermann).98 Das heißt, ohne Abfassung und Bekanntgabe eines Programms (s. o. Programmmusik) kann der Zuhörer die poetische Idee des Werkes nicht erfassen, da er nicht weiß oder nur bei sehr plakativ angelegten Werken allenfalls vermuten kann, was konkret mit der musikalischen Gestaltung ausgedrückt werden soll.

3.3.2 Formen der Symphonischen Dichtung

Die Symphonische Dichtung besitzt keine feste Form, sondern es gilt das Prinzip, dass der Inhalt die Form prägt. Dabei kommt es jedoch in der Regel zu keiner Formlosigkeit, sondern zueinerUnterordnung der„Strukturprinzipien der Symphonik einem jeweils individuellen ‚poetischen Gedanken’ (‚une pensée poétique’)“. Weit verbreitet ist dabei das Verfahren, dass traditionelle Charaktere der einzelnen Sätze einer Symphonie in der bei Symphonischen Dichtungen häufig vorliegenden einsätzigen Fassung integriert werden. Insofern entsteht keine Aneinanderreihung tonmalerischer Episoden, sondern die Gattung geht von den Formkategorien der klassischen Symphonieaus,behandeltdiesejedochrecht freizügig.99

Wenn Symphonische Dichtungen jedoch in einer bestimmten Form konstituiert wurden, unterliegen dieser häufig folgende „Schemata der symphonischen Formen:

[...]


1 Vgl. Goebel, Albrecht: Antonín Dvo ř ák: Die Mittagshexe op. 108, in: Goebel, Albrecht (Hrsg.): Programmmusik – Analytische Untersuchungen und didaktische Empfehlungen für den Musikunterricht in der Sekundarstufe, Mainz 1992, S. 78.

2 Vgl. Šourek, Otakar: Antonín Dvořák – Sein Leben und sein Werk, Prag, 1953, S. 176.

3 Der Name Höfer bedeutet so viel wie „der Mann vom Bauernhof“, vgl. Kusenberg, Kurt (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák, mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Kurt Honolka, Reinbek bei Hamburg, 1974, S. 136.

4 Zu Dvořáks Vorfahren vgl. Jiří Musil: Neznámé rodové vztahy Antonína Dvo ř áká (Unbekannte Familienverhältnisse Antonín Dvořáks), HV XXIII/1986, S. 217ff., sowie Jan Miroslav Kvĕt, Mládi Antonína Dvo ř áka (Die Jugend Antonín Dvořáks), Prag 1943, S. 9ff., zitiert nach Döge, Klaus: a. a. O. S. 47.

5 Vgl. Döge, Klaus: Dvo ř ák – Leben – Werke – Dokumente, Mainz 1991, S. 47.

6 Ebda.

7 Zu Dvořáks Geburtsort und Kindheit vgl. Šourek, Otakar (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák in Briefen und Erinnerungen, Prag 1954,darin:Václav Juda Novotný: Aus der Erinnerung Mit Dvo ř ákin England, S. 16: „... Dort seht ihr das kleine Dörflein mit dem langen Namen Nelahozeves. Und gleich unter dem Schloss des Fürsten Lobkowitz das niedrige Gebäude ... seht ihr es? – dort hatte mein Vater ein Gasthaus und darin einen Fleischerladen. In dem Häuschen wurde ich geboren und in dieser lieben Gegend habe ich meine bescheidene Kindheit verlebt.“

8 Vgl. Šourek, Otakar: Antonín Dvo ř ák: Werkanalysen I: Orchesterwerke, Artia, Prag 1955, S. 158: „Vom zweiten Satz der Symphonie soll Dvořák gesagt haben, er sei durch Longfellows Dichtung Sang von Hiawatha“ inspiriert worden, und zwar durch das Bild „Begräbnis im Walde“. Es mag sein, daß Dvořák dabei die Strophen der Dichtung vorschwebten, in denen Tod und Bestattung von Hiawathas treuer Lebensgefährtin, der schönen Minnehaha aus dem Stamm der Dakota, geschildert wird. Die große Atemweite des Satzes und die erhabene Ruhe, von der er durchhaucht ist, legen tatsächlich die Vermutung nahe, daß Dvořák hier in Tönen das Bild festhalten wollte, das vor seinem geistigen Auge schwebte, als er die Abschnitte der Dichtung durchging, in denen mit anmutiger Lebendigkeit und in dichterischen Farben die Naturschönheiten des amerikanischen Landesinnern mit seinen ausgedehnten, unbewohnten Gefilden, seinen tiefen Forsten und breiten Flußläufen geschildert werden. Der Trauergesang des Mittelteils weist dann unmittelbar auf die in der Dichtung ergreifend dargestellte Begräbnisszene hin, und auf diese äußere Anregung scheint auch die Überschrift des Notenentwurfs hinzudeuten, in der dieser Satz als „Legende“ bezeichnet wird.

Es kann aber auch angenommen werden,daß die hinreißende Tiefe und seelisch so sehr beredte Gefühlsinnigkeit, die diesen Satz charakterisiert, nicht allein von literarischen Reminiszenzen bewirkt wurde, sondern daß hier zugleich auch die Gefühle ihren Ausdruck gefunden haben, die in Dvořáks Gemüt wach wurden, wenn er an die ferne Heimat zurückdachte, an die sinnende, weiträumige südböhmische Landschaft mit dem trauten Gärtlein von Vysoká, an die ernst rauschenden Wälder und die weiten, duftenden Feldbreiten, in deren Schoße nicht lange vorher die Symphonie in G-Dur und die Ouvertüre Inder Natur keimend ans Licht gestiegen waren; ...“ Vgl. auch Döge, Klaus: a. a. O., S. 293.

9 Antonín Dvořák, Leserbrief an den N ew York Herald vom 28.5.1893, unverändert wiedergegeben in: John Clapham, Dvo ř ák, London 1979, S. 199.

10 Ebda.

11 Vgl. Döge, Klaus: a. a. O., S. 48.

12 Vgl. Kinder, Hermann und Hilgemann, Werner: dtv-Atlas zur Weltgeschichte, München 198722

13 Dvořáks Geburtsort „Nelahozeves“ wurde in der Zeit der Habsburger Monarchie im 19. Jahrhundert in der deutschen Verwaltungssprache auch „Mühlhausen“ genannt.

14 Vgl. Döge, Klaus: a. a. O., S. 44.

15 Ebda.

16 Zitiert nach Goebel, Albrecht: a. a. O., S. 78. Vgl. auch Robert A. Kann, Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie, Bd. I: Das Reich und die Völker, Graz-Köln 1964, S. 147ff.

17 Dvořák war ein großer Fan von Lokomotiven, vgl. : Kusenberg, Kurt (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák, mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Kurt Honolka, Reinbek bei Hamburg, 1974, S. 52.

18 Vgl. Döge, Klaus: a. a. O., S. 42.

19 Vgl. Burghauser, Jarmil: Antonín Dvo ř ák – ein Europäer, in: Döge, Klaus und Jost, Peter (Hrsg.): Dvo ř á k - Studien, Mainz, 1994.

20 Vgl. Šourek, Otakar: Antonín Dvo ř ák in Briefen und Erinnerungen, Prag 1954,darin:Václav Juda Novotný: Aus der Erinnerung Mit Dvo ř ák in England, S. 16: „Dort das Kirchlein. ... Dort habe ich mein erstes Geigensolo gespielt. Und wie aufgeregt ich damals war, mit welcher Angst ich meine Fiedel stimmte, wie mir der Bogen bei den ersten Tönen zitterte! Aber es ist gut ausgefallen. Als ich geendet hatte, entstand ein Stimmengewirr auf dem ganzen Chor, alles drängte zu mir, die Bekannten lächelten mir begeistert zu, klopften mir gutmütig auf die Schulter und vom Nachbarn, dem Primgeiger, bekam ich einen ganzen Groschen.“

21 Burghauser spricht sogar von einer Besessenheit des kleinen Antonín für die Musik, vgl. Burghauser, Jarmil: a. a. O., S. 12.

Zur Liebe Dvořáks zur Musik vgl. auch das Zitat aus Šourek, Otakar: a. a. O., S. 16: „Seht dorthin auf die verschiedenen Dörfer! In diese Ort pflegte ich mit meinem Vater Rinder einkaufen zu gehen und wenn mir der Vater so ein Tier anvertraute, das mir in seinem Übermut davon lief oder mich ohne weiteres in den Teich schleifte, war ich nicht zu beneiden. Aber all diese Leiden meines jungen Lebens versüßte mir die Musik, mein Schutzengel...“

22 vgl. Döge, Klaus: a. a. O. sowie: Kusenberg, Kurt (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák, mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Kurt Honolka, Reinbek bei Hamburg, 1974: Der in tschechischer Sprache abgefasste Gesellenbrief, den Antonín Dvořák angeblich 1856 zum Abschluss seiner Metzgerlehre erhielt, ist nach neueren Forschungen (Jarmil Burghauser: K jedné, S. 85 – 94) eine Fälschung, da es die Unterzeichner des Briefes den Stadtakten zufolge in Zlonice nie gegeben hat. Ungeklärt ist jedoch, von wem und zu welchem Zweck eine derartige Fälschung entstanden ist, die in den 1930er Jahren auftauchte.

Vgl. auch Burghauser, Jarmil: a. a. O., S. 12: Eine kurze Metzgerperiode trat wohl im Sommer 1855 ein,verursachtdurchberuflicheSchwierigkeiten desVaters.DieFürsprachenseinesLehrers Liehmann und der Beamten des Kinský-Gutes von Zlonitz haben neben der Tatsache, dass der junge Antonín körperlich schwach war (was auch zur späteren Befreiung vom Militärdienst führte), den Vater dazu bewogen, von der Nachfolge seines Sohnes im Geschäft Abstand zu nehmen.

23 Vgl. Burghauser, Jarmil: a. a. O., S. 12ff.

24 Wie prägend dieser für Antonín Dvořák wirkte, bezeugte der Komponist selbst: „...[Liehmann war] ein guter Musiker, aber er war jähzornig und unterrichtete noch nach der alten Methode: Wer etwas nichtspielenkonnte,bekamsovielRippenstöße,alsNotenaufdemPapierwaren.Die Harmonielehre beherrschte er gut – selbstverständlich hatte man damals andere Vorstellungen von der Harmonielehre als heute – und auch im Generalbaßspiel kannte er sich aus: den Generalbaß las und spielte er geläufig und lehrte ihn auch uns. Aber oft geschah es – besonders wenn mehrere Ziffern kamen und darunter ein paar durchgestrichene – daß man schon drei hinter die Ohren bekam, bevor man sich recht besinnen konnte!“, zitiert nach: Sourek, Otakar: Antonín Dvo ř ák in Briefen und Erinnerungen, Prag 1954, darin: Josef Michl: Nach der Erinnerung Aus Dvo ř áks Erzählungen, S. 19.

25 Vgl. Döge, Klaus sowie Kusenberg, Kurt: a. a. O.

26 Ebda.

27 Die Orgelschule wurde 1830 gegründet.

28 Ebda.

29 Vgl. Döge, Klaus: a. a. O., S. 67.

30 Sourek, Otakar: Antonín Dvo ř ák in Briefen und Erinnerungen, Prag 1954, S. 21.

31 Vgl. Foerster, Josef Bohuslav: Der Pilger. Erinnerungen eines Musikers, Prag 1955, zitiert nach Döge, Klaus, a. a. O., S. 250.

32 Vgl. Černý, Miroslav: War Dvo ř ák ein naiver Komponist?, in: Döge, Klaus/Jost, Peter: Dvo ř ák- Studien, Mainz, 1994, S. 36.

33 Dvořák, Leserbrief an den New York Herald, 23.9.1893, Original englisch, zitiert in: Clapham, Dvo ř á k (1979), S. 199.

34 Vgl. das Interview mit Antonín Dvořák, welches am 10.05.1885 in der Sunday Times erschien, abgedruckt in Döge, Klaus: a. a. O., S. 320ff.

35 Vgl. David Beveridge, Romantic Ideas in a Classical Frame: The Sonata Forms of Dvo ř ák, Phil. Diss. Berkeley 1980 (masch.), S. 9ff., Hartmut Schick, Studien zu Dvo ř áks Streichquartetten, = Neue Heidelberger Studien zur Musikwissenschaft Bd. 17, Laaber 1990, S. 15ff., sowie Jarmila Gabrielová, Raná komorní tvorba Antonína Dvo ř áká, in: HV XXVI/1989, S. 142ff., zitiert nach: Döge, Klaus: a. a. O., S. 72.

36 Karel Weis: Dvo ř ákovské nápady [Dvořákische Einfälle]. In: Národní listy (Prag) vom 1.Mai 1929, zitiert nach Kusenberg, Kurt (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák, mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Kurt Honolka, Reinbek bei Hamburg, 1974, S. 105.

37 Vgl. Šourek, Otakar: Antonín Dvo ř ák – Sein Leben und sein Werk, Prag 1953, S. 23.

38 Im Zuge des Aufschwungs des tschechischen politischen und kulturellen Lebens Anfang der 1860er Jahre wurden neben tschechischsprachigen Tageszeitungen, z. B. N árodní listy, auch der Turnverein Sokol und der Prager Gesangverein Hlahol und im Jahre 1863 die Künstlerische Vereinigung (Um ě lecká beseda) gegründet.

39 vgl. das Interview mit Antonín Dvořák, welches am 10.5.1885 in der Sunday Times erschien.

40 Vítěslav Hálek, D ĕ decové bílé hory (Die Erben des Weißen Berges), abgedruckt in: Sebrané spisy Vít ě slava Háleka (Gesammelte Schriften von Vít ě slav Hálek), Band III, Prag 1910, S. 287ff.; den Schlusshymnus enthalten die Seiten 358/359, zitiert nach Döge, Klaus: a.a. O.

Dieses national-tschechisch geprägte Gedicht beklagt das traurige Schicksal, in das die Tschechen durch die verlorene Schlacht am Weißen Berg gegen Habsburg gestürzt wurden und ruft das tschechische Volk dann zur hingebungsvollen Treue an das geplagte Vaterland auf. Klaus Döge kommt zu dem Schluss, dass das nationalpatriotische Sujet eine nicht unwesentliche Rolle für die begeisterte Aufnahme und den Erfolg des Hmynus gespielt haben, zumal die politischen Möglichkeiten der Tschechen nach 1871 wieder durch die Habsburger eingeschränkt worden waren.

41 Antonín Dvořák in seinem Londoner Interview in der Sunday Times am 10.5.1885, zitiert nach Döge, Klaus, a. a. O., S. 141.

42 Döge, Klaus, a. a. O., S. 142.

43 ebda., S. 153.

44 Hanslick schrieb dazu in einem Abriss zu Dvořáks Leben: „Unter den Stipendiengesuchen, die alljährlich partiturenbeschwert beim Ministerium einlaufen, pflegen die meisten von Componisten herzurühren, welche von den drei gesetzlichen Erfordernissen – Jugend, Mittellosigkeit und Talent – nur die beiden ersten besitzen und auf das dritte verzichten. Da war es uns denn eine gar angenehme Überraschung, als eines Tages ein Prager Bittsteller, Anton Dvořák, Proben eines intensiven, wenngleich noch unausgegorenen Compositions-Talents einsendete.“, vgl. das Vorwort zur Besprechung der Wiener Aufführung der Slawischen Rhapsodie op. 45/3 in der Neuen Freien Presse am 23.11.1879, zitiert nach dem Wiederabdruck in : Concerte, Componisten und Virtuosen der letzten 15 Jahre 1870 – 1885, Berlin 1886, S. 247, dies wiederum zitiert nach Döge, Klaus, a. a. O., S. 161.

45 Vgl.Döge,Klaus, a.a.O.,S.167: Hanslicks Brief an Dvořák, zitiert nach John Clapham, Dvo ř á kovy vztahy k Brahmsovi a Hanslickovi (Die Beziehungen Dvořáks zu Brahms und Hanslick), HV X, 1973, S. 214.

46 Vgl. Döge, Klaus, a. a. O., S. 168 – 170: Dvořáks Brief an Brahms, dessen Brief an Dvořák und an den Verleger Fritz Simrock und die Schreiben von Simrock an Brahms und Dvořák.

47 Ebda., S. 172, Peter Iljitsch Tschaikowskij, Erinnerungen und Musikkritiken, hg. v. R. Petzold und Lothar Fahlbusch, Wiesbaden/Leipzig 1974, S. 47 sowie Brief Dvořáks an Johannes Brahms vom 28.12.1894, KV III, S. 340.

48 Ebda., S. 173, vgl. auch Kusenberg, Kurt (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák,mit Selbstzeugnissen und

Bilddokumenten dargestellt von Kurt Honolka, Reinbek bei Hamburg, 1974, S. 50: Brahms Brief an Dvořák: „Sie schreiben einigermaßen flüchtig. Wenn Sie jedoch die fehlenden # b nachtragen, so sehen Sie auch vielleicht die Noten selbst, die Stimmführung usw. bisweilen etwas scharf an.“ Dvořáks Antwort: „Bei Ihrem letzten Aufenthalte in Prag waren Sie so freundlich, mich auf mehrere Sachen in meinen Werken aufmerksam zu machen, und ich muß Ihnen dafür dankbar sein, denn jetzt sah ich wirklich die vielen schlechten Noten und habe dafür andere gesetzt...“

49 Vgl. hierzu die Briefe Simrocks an Dvořák vom 06.03.1878 und vom 18.03.1878.

50 Vgl. Döge, Klaus, a. a. O., S. 186.

51 Ebda., S. 189.

52 Zur Oper Dimitrij und deren Uraufführungsproblemen vgl. Döge, Klaus, a. a. O., S. 200ff.

53 im deutschsprachigen Raum unter dem Titel „Die Geisterbraut“ bekannt und veröffentlicht.

54 Vgl.Kusenberg,Kurt(Hrsg.): AntonínDvo ř ák,mitSelbstzeugnissenundBilddokumenten dargestellt von Kurt Honolka, Reinbek bei Hamburg, 1974, S. 75.

55 Vgl. Döge, Klaus: a. a. O., S. 232ff.

56 Vgl. den Brief an Fritz Simrock vom 19.5.1889, KV II, S. 366; „die Überschriften der einzelnen Stücke lauten: Nächtlicher Weg, Tändelei, Auf der alten Burg, Frühlingslied, Bauernballade, Klagendes Gedenken, Furiant, Koboldstanz, Serenade, Bacchanale, Plauderei, Am Heldengrabe, Au f dem Heiligen Berg. “, zitiert nach Döge, Klaus: a. a. O., S. 251.

57 Vgl. Döge, Klaus: a. a. O., S. 253.

58 Vgl. die Schlussworte in der Festansprache von Colonel Thomas Wentworth Higginson zum Debutkonzert Dvořáks am 21.10.1892 in der New Yorker Carnegie Hall, zitiert nach Döge, Klaus: a. a. O., S. 266.

59 „Ich bin jetzt überzeugt, daß die zukünftige Musik dieses Landes auf dem basieren muß, was man Negerlieder nennt. Das muß die wirkliche Grundlage einer jeden ernsthaften und originellen Schule der Komposition sein, welche in den Vereinigten Staaten zu entwickeln ist. Sie sind Amerikanisch. In den Negerliedern finde ich alles, was für eine bedeutende und vornehme Schule der Musik nötig ist. Sie sind pathetisch, zart, leidenschaftlich, melancholisch, feierlich, religiös, verwegen, lustig, fröhlich[...].“,vgl.AntonínDvořák, RealValueofnegroMelodies,in: NewYorkHerald, 21.5.1893, S. 28; einen Auszug des Artikels enthält John Clapham, Dvo ř ák (1979), S. 197, zitiert nach Döge, Klaus: a. a. O., S. 267.

60 Antonín Dvořák on his New Work, in: New York Herald, 15.12.1893, S. 11 sowie Clapham, Dvořák (1979), S. 201f., zitiert nach Döge, Klaus: a. a. O., S. 268.

61 Antonín Dvořák, For National Music, in: Chicago Tribune 13.8.1893, zitiert nach Clapham, Dvo ř ák (1979), S. 201, zitiert nach Döge, Klaus: a. a. O., S. 269.

62 Vgl. Döge, Klaus: a. a. O., S. 269ff. Zu den Besonderheiten der Sinfonie vgl. ferner Karin Stöckl/Klaus Döge, Antonín Dvo ř ák. Sinfonie Nr. 9 e-Moll, op. 95 „Aus der neuen Welt“. Einführung und Analyse, München/Mainz 1982, S. 246ff.

63 Brief an Jindrich Geisler vom 24.1.1893, Antonín Dvo řák. Korespondence a Dokumenty. Kritické V ydáni (Korrespondenz und Dokumente. Kritische Ausgabe), hg. v. Milan Kuna, Prag 1987f., S. 177 (Original tschechisch), zitiert nach Döge, Klaus: a. a. O., S. 269.

64 Brief an Emil Kozánek vom 12.4.1893, in: Šourek, Otakar (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák in Briefen und E r innerungen, Prag 1954, S. 171.

65 Vgl. Kusenberg, Kurt (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák: a. a. O., S. 98 sowie Döge, Klaus: a. a. O., S. 275ff. in Verbindung mit John Clapham Dvo ř ák and the American Indian, in: MT CVII, 1966, S. 865.

66 ZudenDaten vgl.Burghauser,Jarmil: AntonínDvo ř ák.ThematischesVerzeichnismit B ibliographie und Übersicht des Lebens und des Werkes, Prag und Kassel 1960, S. 326ff.

67 Vgl. Goebel, Albrecht: Antonín Dvo ř ák: Die Mittagshexe op. 108, in: Goebel, Albrecht (Hrsg.): Programmmusik – Analytische Untersuchungen und didaktische Empfehlungen für den Musikunterricht in der Sekundarstufe, Mainz 1992, S. 78.

68 Vgl. Kusenberg, Kurt (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák: a. a. O., S. 105ff. sowie Döge, Klaus: a. a. O., S. 291ff.

69 Die 1874 entstandene Rhapsodie a-moll op. 14 hat Dvořák später mit Symphonische Dichtung überschrieben, vgl. Burghauser, Jarmil: Antonín Dvo ř ák. Thematisches Verzeichnis mit Bibliographie und Übersicht des Lebens und des Werkes, Prag und Kassel 1960, S. 134, sowie Döge, Klaus: a. a. O., S. 444.

70 Vgl. Šourek, Otakar: An tonín Dvo ř ák Werkanalysen I – Orchesterwerke – Artia, Prag 1955, S. 158 sowie Döge, Klaus: a. a. O., S. 293.

71 Vgl. Döge, Klaus: a. a. O., S. 293.

72 Vgl. Kusenberg, Kurt (Hrsg.): Antonín Dvo ř ák: a. a. O., S. 105ff. Honolka ist hier ferner der Meinung, dass Antonín Dvořák „wohl auch ahnte, dass er ein Meisterwerk wie die neunte Symphonie schwerlich übertreffen konnte“ und sich deshalb der Programmmusik zuwandte, zitiert nach ebda.

73 Vgl. Döge, Klaus: a. a. O., S. 229ff. sowie S. 292ff.

74 Zur Todesursache vgl. John Stephens, Dvo ř ák`s Final Illness, in: Clapham, Dvo ř ák (1979), S. 179 – 181.

75 Dvořák im Interview „Bei Meister Dvorzak“, in: Die Reichswehr, 1.3.1904, S. 7, zitiert nach Döge, Klaus: a. a. O., S. 306.

76 Vgl. Burghauser, Jarmil: Dvořák – ein Europäer: a. a. O., S. 15.

77 Dvořák in seinem Brief an Bohumil Fidler vom 09.01.1886, zitiert nach ebda., S. 13

78 Vgl. Josef Zubatý , in: Šourek, Otakar: a. a. O., S. 23.

79 Zitiert nach Burghauser, Jarmil: Dvořák – ein Europäer: a. a. O., S. 13.

80 Vgl. Václav Juda Novotný: Aus der Erinnerung ‚Mit Dvořák in England’, in: Šourek, Otakar: Antonín Dvořák in Briefen und Erinnerungen, Prag 1954, S. 16.

81 Vgl. Burghauser, Jarmil: Dvořák – ein Europäer: a. a. O., S. 13.

82 zitiert nach Burghauser, Jarmil: a. a. O., S. 17. Zur weiteren Begründung dieser Faktoren vgl. ebda.

83 Vgl. Riethmüller, Albrecht: Programmmusik in der Ästhetik des 19. Jahrhunderts, in: Goebel, Albrecht (Hrsg.): Programmmusik – Analytische Untersuchungen und didaktische Empfehlungen für den Musikunterricht in der Sekundarstufe, Mainz 1992, S. 9.

84 Vgl. Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Kassel, Basel, London, New York, Prag, 1997, Spalte 1821f.

85 Zitiert nach Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 7, a. a. O., Spalte 1821ff.

86 Zitiert nach Dahlhaus, Carl und Eggebrecht, Hans Heinrich: Brockhaus Riemann Musiklexikon, Schott Musik International, 19952.

87 Vgl. Riethmüller, Albrecht: a. a. O., S. 11.

88 Zitiert nach Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 7, a. a. O., Spalte 1821ff.

89 Vgl. Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 7, a. a. O., Spalte 1821ff.

90 Vgl. Dahlhaus, Carl / Eggebrecht, Hans Heinrich: a. a. O., S. 329.

91 Vgl. ebda.

92 Vgl.Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 7, a. a. O., Spalte 1821ff. Besonders bezeichnend für Inhalt-Form-Problematik und die Gegenkonzeption der Programmmusik ist der vielzitierte Satz Eduard Hanslicks: „Tönend bewegte Formen sind einzig und allein Inhalt und Gegenstand der Musik.“, zitiert nach ebda., Spalte 1832.

93 Zitiert nach Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 7, a. a. O., Spalte 1824.

94 Vgl. Dahlhaus, Carl: Dichtung und Symphonische Dichtung, zitiert nach Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 7, a. a. O., Spalte 1825.

95 vgl. Finscher, Ludwig: (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 9, a. a. O., Spalte 153ff.

96 Zitiert nach Dahlhaus, Carl: Dichtung und Symphonische Dichtung, in: Archiv für Musikwissen- schaft, Wiesbaden 1982, S. 237.

97 Zitiert nach Eggebrecht, Hans Heinrich: Symphonische Dichtung, in: Archiv für Musikwissenschaft, Wiesbaden 1982, S. 223.

98 Vgl. Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 9, a. a. O., Spalte

99 Vgl. ebda.

Ende der Leseprobe aus 135 Seiten

Details

Titel
Antonín Dvořáks sinfonische Dichtungen, dargestellt an "Die Mittagshexe" und "Der Wassermann"
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Musikwissenschaft und Musik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
135
Katalognummer
V457219
ISBN (eBook)
9783668890626
ISBN (Buch)
9783668890633
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antonin Dvorak, Sinfonische Dichtungen, "Die Mittagshexe", "Der Wassermann"
Arbeit zitieren
Marc Leonardi (Autor:in), 2001, Antonín Dvořáks sinfonische Dichtungen, dargestellt an "Die Mittagshexe" und "Der Wassermann", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/457219

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