Was macht die Kunsterfahrung als solche aus und was lässt sie über die Menschheitsgeschichte hinweg als eine zeitlose Konstante fortbestehen? In dieser Arbeit soll hierzu der Aufsatz Gadamers Bildkunst und Wortkunst, in dem von Gottfried Boehm herausgegebenen Sammelband "Was ist ein Bild?" beleuchtet werden, da in ihm die hier erhobene Frage, nach dem Charakter ebenjener Kunsterfahrung, von zentraler Bedeutung ist.
In dem Sinne dieser Frage hält Gadamer bezüglich der Wahl des Titels "Bildkunst und Wortkunst" fest, es sei klar, dass er "hiermit nicht alles meine was Bild ist". Der Begriff des "Bildes" beinhaltet nach Gadamer ein Vielfaches mehr, weshalb er sich in diesem Rahmen bewusst für den Ausdruck Bildkunst entschieden habe, um sich dem zu widmen was den Kunstcharakter in seiner Einzigartigkeit ausmache. Das habe Kunstwerk, "diese besondere Auszeichnung, über die es sich zu nachdenken lohnt, was der Umgang damit eigentlich ist." Zudem ist der Kunstcharakter ihm nach ein wesentliches Element, welches das Bild und das Wort als gemeinsame Wesenseigenschaft miteinander verbindet. So möchte er sich mit dem Begriff "Wortkunst", auch nicht etwas auf die Kunst der Rhetorik beziehen, sondern der Bedeutungsschwerpunkt liegt auch hier auf Beleuchtung der Kunsterfahrung und damit einhergehen der Wortkunst "im Sinne der Literatur, der Dichtung und ihrer verschiedenen Abwandlungen."
Es wird von Gadamer bei der Betrachtung von Bildkunst und Wortkunst, wie er ausdrücklich festhält, nicht beabsichtigt, systematisch die Unterschiede beider Formen herauszuarbeiten. Das Ziel seiner Ausführungen sei stattdessen darauf ausgerichtet, die Teilhabe des Bilds und des Worts an einer gemeinsamen Wirklichkeit aufzuzeigen, welche "die Kunst" genannt wird und dem nachzuspüren, was die "Besonderheit der Kunst" ausmacht. In diesem Sinne widmet sich diese Arbeit den Leitfragen: Was macht die Kunsterfahrung als solche bei Gadamer aus? Wodurch unterscheidet sie sich von den modernen Erfahrungswissenschaften? Und worauf basiert ihre Kontinuität in der menschlichen Lebenswelt?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der zeitlose Wahrheitsanspruch der Kunst
- Die Kunst als Instanz der Geschichtsüberlegenheit
- Entwicklung des Kunstbegriffs in Abkehr von den schönen/freien Künsten
- Der besondere Zeitmodus der Kunst im Staunen, Verweilen und Lesen
- Die Auswirkungen der Wissenschaftsentwicklung auf das Verständnis der Kunst
- Durch Kant begründeter Wandel im Wissenschafts- und Kunstverständnis
- Die teleologische Urteilskraft in Bezug zum Natur- und Kunstverständnis
- Kunst unter dem Aspekt von Harmonie, Möglichkeit und Selbstdarstellung
- Die Lesbarkeit und Erfahrbarkeit bezüglich des Vollzugscharakters der Kunst
- Vollzug der Kunst im Fluss des Lesens und Wissenschaftskritik
- Daseinsform der Kunst als „Energeia“ zwischen Werden und Gewordensein
- Kunst als das hintergründig Stimmende in Dekoration und Architektur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Besonderheit der Kunsterfahrung im Kontext von Hans-Georg Gadamers Gedanken zur Bildkunst und Wortkunst. Sie untersucht, warum Gadamer der Kunst einen zeitlosen Wahrheitsanspruch zuschreibt, wie dieser sich von der modernen Wissenschaft unterscheidet und welche Bedeutung die Kunst für die menschliche Lebenswelt hat.
- Die Kunst als Instanz der Geschichtsüberlegenheit und ihre Unabhängigkeit von Zeit und Geschichte
- Der Wandel des Kunstbegriffs im Kontext der Wissenschaftsentwicklung
- Die besondere Zeitlichkeit der Kunst im Staunen, Verweilen und Lesen
- Der Einfluss der Wissenschaftsentwicklung auf das Kunstverständnis
- Der Vollzugscharakter der Kunsterfahrung und ihre Lesbarkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in das Thema der Kunsterfahrung ein und stellt die zentrale Frage nach der Besonderheit der Kunst. Sie erläutert Gadamers Position zur Kunst als Ausdruck einer eigenen, zeitlosen Wahrheit und stellt die Grundzüge seiner Untersuchung in „Bildkunst und Wortkunst“ dar.
Der zeitlose Wahrheitsanspruch der Kunst
In diesem Kapitel wird Gadamers These vom zeitlosen Wahrheitsanspruch der Kunst beleuchtet. Es werden die Gründe für seine Sichtweise auf die Kunst als Instanz der Geschichtsüberlegenheit erläutert, die Entwicklung des Kunstbegriffs von den „schönen Künsten“ hin zu einem eigenständigen Bereich und die Bedeutung des besonderen Zeitmodus der Kunst im Staunen, Verweilen und Lesen.
Die Auswirkungen der Wissenschaftsentwicklung auf das Verständnis der Kunst
Dieses Kapitel untersucht, wie die Entwicklung der Wissenschaften Gadamers Verständnis von Kunst beeinflusst hat. Es beleuchtet den Wandel im Wissenschaftsverständnis durch Kants Schriften, die Rolle der „teleologischen Urteilskraft“ und die Fähigkeit der Kunst zur Selbstdarstellung als Harmonie und Möglichkeit.
Die Lesbarkeit und Erfahrbarkeit bezüglich des Vollzugscharakters der Kunst
Das letzte Kapitel befasst sich mit dem Vollzugscharakter der Kunsterfahrung und den damit verbundenen Aspekten der Lesbarkeit und Erfahrbarkeit. Es erläutert, warum sich der Vollzug der Kunst im Fluss des Lesens vollzieht und wissenschaftliche Methodik ungeeignet ist, die Wahrheit der Kunsterfahrung zu erfassen. Darüber hinaus werden die Daseinsform der Kunst als „Energeia“ und ihre Bedeutung im Alltag am Beispiel von Dekoration und Architektur beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Kunsterfahrung, Wahrheitsanspruch, Geschichtsüberlegenheit, Kunstbegriff, Wissenschaftsentwicklung, Zeitlichkeit, Staunen, Verweilen, Lesen, teleologische Urteilskraft, Vollzugscharakter, Lesbarkeit, Erfahrbarkeit, Energeia, Dekoration, Architektur. Diese Begriffe repräsentieren Gadamers zentrale Konzepte, die er in seinen Ausführungen zur Besonderheit der Kunst verwendet.
- Arbeit zitieren
- Lucius Müller (Autor:in), 2014, Die Besonderheit der Kunst. Zur Bedeutung der Kunsterfahrung in Hans-Georg Gadamers Bildkunst und Wortkunst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/458083