Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Weimarer Republik
2.1 Die rechtliche Stellung der Frauen und Mädchen in der Weimarer Republik
2.2 Die Frauen- und Mädchenvolksbildung in der Weimarer Republik
2.3 Das Leben von Frauen und Mädchen in der Weimarer Republik
2.4 Erziehung von Mädchen in der Weimarer Republik – die Freizeitgestaltung
2.4.1 Die Jugendbewegung
2.4.2 Die Sozialistische Arbeiterjugend
2.4.3 Sport
3 Die nationalsozialistische Erziehung
3.1 Frauenideologie
3.2 Grundlegende Gedanken zur Mädchenerziehung im Dritten Reich
4 Bund Deutscher Mädel
4.1 Organisation und Aufbau des BDM
4.2 Vorgeschichte und Gründung des BDM bis hin zur Machtübernahme
4.3 Gründe für den Eintritt in den BDM
4.4 Erziehungsansprüche im BDM und das Mädchenbild
4.5 Die faschistische Ordnung des weiblichen Körpers
4.5.1 Die „körperliche Ertüchtigung“
4.5.2 Kleidung und Körperpflege
4.5.3 Sexualität
4.5.4 Die gewünschte Arbeitshaltung der Mädchen
4.5.5 Die Schulungsarbeit
5 Realität der BDM - „Erziehung“
5.1 Begriffsdefinitionen
5.1.1 Erziehung
5.1.2 Sozialisation
5.1.3 Manipulation
5.2 Was war der BDM wirklich?
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
„ W e nn wir als erste Aufgabe des Staates im Dienste und zum Wohle seines Volkstums die Erhaltung, Pflege und Entwicklung der besten rassischen Elemente erkennen, so ist es natür- lich, dass sich diese Sorgfalt nicht nur bis zur Geburt des jeweiligen kleinen jungen Volks- und Rassengenossen zu erstrecken hat, sondern dass die aus dem jungen Sprössling auch ein wertvolles Glied für eine spätere Weitervermehrung erziehen muss.“ (Hitler 1935, S. 451)
So spricht Hitler in „Mein Kampf“ über seine Ansichten von Erziehung. Es wird deutlich, dass Erziehung eine große Rolle im Nationalsozialismus einnahm. Die Jugend sollte die nati- onalsozialistische Weltanschauung an die nächsten Generationen weitertragen, weshalb sie für Hitler eine enorme Bedeutung hatte. Ein großer Teil der jungen deutschen Mädchen ge- hörte von 1933-1945 dem Bund Deutscher Mädel (BDM) an, in dem die Erziehung der Mäd- chen während der nationalsozialistischen Herrschaft stattfand. Der Zustrom in den Jugend- bund erfolge teils freiwillig und teils zwanghaft über bestimmte Gesetze und Institutionen. Der BDM stellte ein vielfältiges Angebot an Beschäftigungsmöglichkeiten für die Mädchen bereit. Im Dritten Reich kristallisierte sich der Staat als oberste Sozialisationsinstanz heraus und wurde damit zum Träger des nationalsozialistischen Alltagslebens. Er vermittelte be- stimmte Regeln und Normen sowie Denk- und Verhaltensmuster, die für die nationalsozialis- tische Weltanschauung essenziell waren. Dasselbe galt demnach für den Bund Deutscher Mä- del, der ein Teil der staatlichen nationalsozialistischen Erziehungseinrichtungen war. (vgl. Kock 1994, S. 1f.) Hier sollte den Mädchen beigebracht werden, was ein „gutes deutsches Mädel“ ausmacht und das Terrorregime, in dem die Bevölkerung lebte und handelte, ausge- blendet werden. Die Persönlichkeiten der Mädchen mussten sich im Kontext autoritärer Ein- flüsse entwickeln. (vgl. Kinz 1991, S. 2f.)
Die folgende Bachelorarbeit soll daher einen Einblick in die Erziehungsgrundsätze des BDM geben, weshalb der Fragestellung nachgegangen wird, wie die Erziehung im BDM aussah. Ergänzend soll herausgefunden werden, ob im BDM überhaupt von Erziehung oder Sozialisa- tion gesprochen werden kann oder ob diese Begriffe für die Mädchenformung im Dritten Reich veraltet sind. Um diese Fragen beantworten zu können, wird sich anfangs mit der Wei- marer Republik, der Zeit vor dem Nationalsozialismus, beschäftigt. Hier soll vorerst die recht- liche Stellung von Mädchen und Frauen herausgearbeitet werden. Anschließend wird auf die Mädchen- und Frauenvolksbildung eingegangen, damit deutlich wird, dass in der Weimarer Republik „Bildung“ kein Fremdwort für Frauen war. Danach beschäftigt sich diese Bachelor- arbeit mit den allgemeinen Lebensumständen und der Erziehung von Mädchen und Frauen in der Weimarer Republik, die anhand von der Freizeitgestaltung deutlich gemacht werden soll. Dieser Einstieg ist insofern wichtig, weil er die Unterschiede zwischen der Weimarer Repub- lik und dem Nationalsozialismus in den eben genannten Punkten deutlich macht. Im National- sozialismus hat sich die Haltung gegenüber Frauen im Vergleich zur Weimarer Republik deutlich verschlechtert und die Hauptaufgaben von Frauen und Mädchen haben sich verän- dert, wie im Verlauf der Arbeit erkennbar wird. Nach der Weimarer Republik wird sich mit der nationalsozialistischen Erziehung auseinandergesetzt sowie mit der Frage, wie die Frauen- ideologie aussah. Weiterhin wird auf die grundlegenden Gedanken zur Mädchenerziehung im Dritten Reich eingegangen. Der Hauptteil der Arbeit bezieht sich auf den Bund Deutscher Mädel. Anhand dieses Bundes soll die Erziehung von Mädchen deutlich gemacht werden. Hier wird vorerst die Organisation und der Aufbau des BDM beschrieben sowie dessen Vor- geschichte und Gründung bis hin zur Machtübernahme. Fraglich ist hierbei insbesondere, wa- rum der BDM für die Mädchen derart attraktiv war und welche Gründe existierten, diesem beizutreten. Bevor sich mit der faschistischen Ordnung des weiblichen Körpers – den Erzie- hungsgrundsätzen im BDM – beschäftigt wird, liegt das Augenmerk zuvor auf den allgemei- nen Erziehungsansprüchen und dem Mädchenbild im BDM. Zu der faschistischen Ordnung des weiblichen Körpers zählen die körperliche Ertüchtigung, Kleidung und Körperpflege, Sexualität, die gewünschte Arbeitshaltung der Mädchen sowie die Schulungsarbeit. Nachdem alle Erziehungsgrundsätze vorgestellt wurden stellt sich die Frage, ob überhaupt von Erzie- hung gesprochen werden kann oder eher von Sozialisation bzw. Manipulation. Hierfür werden zunächst die drei Begriffe definiert, um anschließend herauszuarbeiten was der BDM wirklich war. Um dies zu verdeutlichen wird mit Beispielen aus den Erziehungsgrundsätzen, aus Hit- lers Reden und aus Zeitschriftenartikeln gearbeitet.
2 Die Weimarer Republik
Das folgende Kapitel bezieht sich unter anderem auf die rechtliche Stellung der Frauen und Mädchen in der Weimarer Republik. Welche Rechte konnten sie für sich erlangen? Wurden diese Rechte von der Gesellschaft anerkannt? Diesen Fragen soll auf den Grund gegangen werden, damit in den nachfolgenden Kapiteln besser zu verstehen ist, inwiefern sich die ge- sellschaftliche Stellung von Frauen und Mädchen im Nationalsozialismus wiederum verändert hat. Ebenso wird das Leben von Frauen und Mädchen während der Weimarer Republik näher betrachtet. Abschließend wird die Frage beantwortet, wie die Jugendlichen zur damaligen Zeit erzogen wurden. Dies wird anhand deren Freizeitgestaltung, die durchaus als Erziehungsappa- rat genutzt wurde, deutlich gemacht.
2.1 Die rechtliche Stellung der Frauen und Mädchen in der Weimarer Republik
Steinhaus fasst in seinem Buch „Hitlers Pädagogische Maximen“ die Situation der Weimarer Republik in einem Satz wie folgt zusammen:
„ Insgesamt erscheint uns heute die Weimarer Situation als eine Epoche des Durchbruchs, die viele Hoffnungen für weitere Entwicklungen in sich barg.“ (Steinhaus 1981, S. 174)
Seit der Weimarer Verfassung 1919 hat sich die rechtliche Stellung der Frau deutlich verbes- sert – zumindest auf dem Papier. Die Jahre der Weimarer Republik werden daher auch die „Goldenen Zwanziger“ genannt, da es in dieser Zeit in Wissenschaft, Technik und in der Kul- tur einige Modernisierungen gab. Aber auch im gesellschaftlichen Bereich, wie bei der Rolle der Frau, wurde ein neues, modernes Lebensgefühl vermittelt, welches noch bis heute nach- wirkt. (vgl. Buch; Debus 1997, S.16)
Schon im Kaiserreich haben sich viele Frauen dafür eingesetzt, die Stellung der Frau in Beruf, Öffentlichkeit und in der Familie zu verbessern. Während des ersten Weltkriegs wurden sehr viele Frauen bereits als Arbeiterinnen in Betrieben eingesetzt, da die Männer im Krieg kämp- fen mussten. Zudem waren sie auch in anderen sozialen Diensten, wie beispielsweise der Krankenpflege tätig, wodurch die Stellung der Frau weiter gestärkt wurde. Die Frauenbewe- gung wollte diese Position in der Weimarer Republik weiterhin verbessern. Da diese Meinung jedoch auch damals häufig von sehr traditionell denkenden Männern abgelehnt wurde, kam es zu heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen bezüglich der Stellung der Frau im Erwerbs- leben, der politischen Bedeutung der Frauenbewegung und dem Bild der „neuen Frau“ in der Öffentlichkeit. Wie wenig die bürgerlichen Parteien die Gleichberechtigung der Frau in die Tat umsetzen wollten, wird an folgendem Beispiel deutlich: Der Artikel 109 der Weimarer Verfassung sagte, dass Männer und Frauen grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten hätten. Öffentlich rechtliche Vorrechte, Nachteile der Geburt oder des Standes seien aufzuheben. Die unabhängigen Sozialdemokraten wollten jedoch das Wort „grundsätz- lich“ streichen, da dies eine gewisse Einschränkung bedeutete. Der Antrag auf Änderung wurde allerdings stark bekämpft und die bürgerlichen Redner gaben offen zu, dass eine derar- tige Einschränkung bewusst gewählt wurde, da Frauen auf privatrechtlichen Gebieten den Männern nicht gleichgestellt werden können. (vgl. Buch, Debus 1997, S.20)
Im Artikel 119 der Weimarer Verfassung wurde wiederum von Gleichberechtigung beider Geschlechter gesprochen. Frauen hatten also theoretisch dieselben Rechte und Pflichten wie Männer, was auch das aktive und passive Wahlrecht mit einschloss. Dieses wurde 1918 mit viel Mühe und Kraft von der Frauenbewegung erkämpft. In der Realität sah das jedoch anders aus: Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 hatte in vielen Belangen, vor allem was das All- tagsleben der Frau anging, immer noch mit all seinen Einschränkungen Gültigkeit. (vgl. Eggemann 1997, S.31f.)
Die Frauen waren zwar verfassungsrechtlich gleichberechtigt, was sich im Alltag allerdings nicht widerspiegelte. Frauen erhielten beispielsweise nur ungefähr 40% der Männerlöhne, obwohl sie dieselbe Arbeit verrichteten. Trotz all dem kann gesagt werden, dass sich die Situ- ation der Frauen grundsätzlich verbessert hat. Bereits die Tatsache, dass Frauen laut der Ver- fassung prinzipiell gleichberechtigt sind, kann als wesentlicher Erfolg und Fortschritt angese- hen werden, da dies vorher nicht der Fall war. Die neuen Berufsmöglichkeiten bedeuteten vor allem für Frauen immense wirtschaftliche, berufliche und soziale Chancen. Ganz besonders junge Frauen hatten die Möglichkeit, von manueller Fabrikarbeit zu einer Bürotätigkeit zu wechseln. Zudem konnten Arbeitertöchter auch ohne Lehre angestellt werden. (vgl. Winkler 1977, S. 19-23)
Obwohl immer noch bestimmte Probleme und zum Teil auch eine gewisse Diskriminierung der Frau existierten, setzte sich die Frauenerwerbsarbeit bis 1933 praktisch durch. Es entstan- den neue Gesetze für den Frauenarbeiterschutz, beispielsweise das im Jahre 1919 erlassene Mutterschaftsgesetz. Dieses Gesetz sollte Frauen einen Arbeits- und Kündigungsschutz wäh- rend der Schwangerschaft ermöglichen. Allerdings hatte das Gesetz das Manko, dass es keine Anwendung auf Beschäftigte der Land-, Forst- und Hauswirtschaft fand. Trotz dieses Nach- teils stellt diese Regelung einen unheimlichen Fortschritt dar. Abschließend ist zu sagen, dass die Weimarer Republik trotz aller Probleme und Diskriminierung ein bedeutender Entwick- lungsprozess für die Rechte und das Ansehen der Frauen bedeutete und nicht mehr wegzu- denken ist, obwohl die juristische Gleichstellung der Frau durch die Weimarer Verfassung wenig an ihrer gesellschaftlichen Situation änderte. (vgl. Klinksiek 1982, S.16-19)
2.2 Die Frauen- und Mädchenvolksbildung in der Weimarer Republik
Die Volksbildung sollte den Müttern in der Weimarer Republik helfen, ihre Kinder zu erzie- hen. (vgl. Eggemann 1997, S. 74)
Durch die Frauenbewegung und die damit einhergehende Veränderung des Selbstbewusst- seins der Frauen in bestimmten Teilen der Bevölkerung kam es zur vermehrten Teilnahme in öffentlichen und politischen Institutionen. Eine ausreichende Bildung galt als Grundvoraus- setzung für den weiteren Berufsweg. Für die Männer der Weimarer Republik war es nichts Neues, erwerbstätig zu sein und sich dementsprechend weiterzubilden – vor den Frauen lag jedoch ein langer, anstrengender Weg. Dabei war es die Aufgabe der Erwachsenenbildung den Frauen zu helfen sich über ihre eigene Zukunft, hinsichtlich der Berufstätigkeit, im Kla- ren zu sein. Frauen erlebten oft erstmals die Bedeutung des Erwerbslebens und die damit ein- hergehende Unabhängigkeit. Vor dem ersten Weltkrieg lag eine eindeutige Zukunft vor den Frauen, die so aussah, dass sie als Hausfrau oder Mutter leben sollten. Durch die junge De- mokratie und den neu zugesprochenen Rechten, verschwamm diese Zukunft immer mehr. Frauen fühlten sich verunsichert, da es kein verpflichtendes Frauenideal mehr gab. (vgl. Dannemann 1994, S.27f.)
Die Erwachsenenbildung wurde in der Weimarer Verfassung als Aufgabe des Staates im Art. 148 verankert. Dort heißt es, dass das Volksbildungswesen und die Volkshochschulen von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden sollen. Nach den ersten beiden Jahren des ersten Weltkriegs entwickelte sich beispielsweise die Abendvolkshochschule enorm. Von den im Reichsgebiet 266 existierenden Volkshochschulen wurden 238 im Jahre 1919 gegründet. In ländlichen Gegenden gab es vorwiegend Heimvolkshochschulen, in denen ca. 30-50 Teil- nehmerInnen mehrere Monate als Gemeinschaft in einem Internat zusammen lebten. Manche Heimvolkshochschulen boten Kurse für beide Geschlechter an, andere lediglich Kurse, die nur für Männer bestimmt waren. Es gab fünf Heime, die sich ausschließlich auf Frauenkurse konzentrierten. Das macht deutlich, dass Frauenbildung damals im Rahmen von Heimvolks- hochschulen keine Seltenheit war. Die Weiterbildung für die Frau wurde nach und nach selbstverständlicher. Die Tatsache, dass beispielsweise viele Frauen als Dozenten an den Volkshochschulen gearbeitet haben, lässt erkennen, dass Frauen ernst genommen wurden und Weiterbildung aktiv mitgestalten konnten. (vgl. Eggemann 1997, S. 74-81)
2.3 Das Leben von Frauen und Mädchen in der Weimarer Republik
„ Die spezifischen Anforderungen an Frauen, im Binnenraum der Familie das emotionelle Klima zu garantieren, das die Atmosphäre einer Mann und Kinder begrenzten Häuslichkeit darstellt, dazu mit einem möglichst geringen Aufwand an Zeit und Geld eine optimale Haus- wirtschaft zu garantieren, war das hervorstechende Merkmal der bürgerlichen Familie im 19. Jahrhundert.“ (Retzlaff; Lechner 2008, S. 51)
Wie bereits erörtert, änderte sich diese Stellung der Frau durch die sozialökonomischen Ver- änderungen des 19. Jahrhunderts, da sie durch die Industrialisierung und Technisierung zu- nehmend Arbeitsplätze einnahmen. Die vordergründigen Ziele der Frauenbewegung, wie bei- spielsweise politische Rechte, Öffnung der Hochschulen und Zugang zu akademischen Beru- fen, waren zwar nach dem Krieg erreicht, aber trotzdem blieben Frauen, wie bereits gesagt, in vielerlei Hinsicht benachteiligt. Frauen waren beispielsweise wenig in politischen Gremien vertreten, blieben weitestgehend immer noch von ihrem Ehemann abhängig und hatten nur geringe Bildungs- und Berufschancen. Durch die neue Frauendefinition kamen zudem stark frauenfeindliche Tendenzen zum Vorschein. Die Frauenemanzipation wurde für Arbeitslosig- keit, den kulturellen Niedergang sowie die Auflösung traditioneller Werte und Normen ver- antwortlich gemacht, weshalb viele traditionell Denkende zurück zur Geschlechterrollendiffe- renzierung wollten. Durch die neu entstandene Meinungsvielfalt bot sich aber auch die Mög- lichkeit neue Ideen zur Sprache zu bringen. Erstmals wurde öffentlich über die Verbreitung von Verhütungsmitteln und die Legalisierung der Abtreibung gesprochen und diskutiert. Das Vereinsleben blühte auf, Schrebergärten wurden gebaut und es gingen immer mehr Frauen ins Kino. Die neuen Massenmedien Film und Rundfunk erreichten Bevölkerungsschichten, die bisher von diesen Medien ausgeschlossen waren. Diese Privilegien änderten allerdings nichts an der wesensmäßigen Bestimmung der Frau. Auf die Gleichberechtigung der Frau folgten daher schon bald Einschränkungen der Frauenrechte. Das wird beispielsweise erneut an den geringeren Löhnen und den schlechteren Aufstiegschancen deutlich. Vor allem in der Welt- wirtschaftskrise wurde die schlechte Stellung der Frau erkennbar. Viele Frauen waren aus wirtschaftlicher Not dazu gezwungen zu arbeiten und erhielten nur einen geringen Lohn, wäh- rend die Männer arbeitslos zu Hause waren – und das nur, weil Frauen die billigeren Arbeits- kräfte waren. (vgl. Retzlaff; Lechner 2008, S.51-55)
Eine Zeitzeugin berichtet: „Die männliche Arbeiterschaft hat nicht weniger unter dem niedri- gen Frauenlohn zu leiden. Für die bedeutet diese Lohndifferenz wirtschaftliche Schädigung, da viele Arbeitgeber die billigeren Kräfte anstellen und nun Frauen auch da arbeiten, wo nach Eignung und Neigung männliche Arbeiter am Platze gewesen wären. So fiel mir bei ei- ner Besichtigung einer Fabrik der Nahrungsmittelbranche auf, dass Frauen mit dem Trans- port und Aufstapeln der Ware beschäftigt waren, einer recht anstrengenden Arbeit, der ein Mann sicher besser gewachsen wäre als eine Frau. Auf meine Frage erklärte mein Führer, dass es sich tatsächlich um anstrengende Arbeit handele aber „nach unserer Kalkulation ste- hen wir besser, wenn wir Frauen einstellen“, sagte er. Und gerade die Rationalisierungsbe- strebungen haben die Frage der Ersetzung der männlichen durch billige weibliche Arbeits- kräfte wieder laut werden lassen.“ (Hervorhebung im Original) (Karbe 1979, S. 211, zit.n. Retzlaff; Lechner 2008, S. 55)
Frauen waren enorm belastet zur dieser Zeit, da sie neben ihrer dreifachen Rolle als Mutter, Hausfrau und Ehefrau, nebenbei noch berufstätig waren. Nicht nur Frauen waren einer großen Benachteiligung im Berufsleben ausgesetzt, sondern auch Mädchen. Weibliche Jugendliche fanden oftmals gar keine Stelle und wurden, falls sie einen Beruf ausübten, als erstes entlas- sen. Zudem hatten sie schlechte Aufstiegschancen und der Zugang zur Bildung war weitaus schwieriger als bei Jungen. Zusätzlich wohnten rund 90% der weiblichen Jugendlichen noch bei ihren Eltern. Dort mussten sie sich dem Vater unterwerfen und zusätzlich Dienste im Haus erledigen. Die genannten Lebensumstände trugen zur Unterdrückung bei – nur ¼ der Mäd- chen hatten ein eigenes Schlafzimmer, 23% hatten nicht mal ein eigenes Bett. Oft mussten sie sich das Bett oder ihr Zimmer mit Verwandten oder sogar Fremden teilen. Trotz allem eröff- neten sich erstmals bestimmte Privilegien für Mädchen, die es bis dato nicht gegeben hat: Der Frauen- und Mutterberuf, die politische Arbeit sowie die Erwerbstätigkeit. (vgl. Retzlaff; Lechner 2008, S. 55f.)
2.4 Erziehung von Mädchen in der Weimarer Republik – die Freizeitgestaltung
Im Folgenden werden die drei zentralen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten der Weimarer Re- publik vorgestellt, welche unter anderem als Erziehungsapparat der Mädchen dienten: Die Jugendbewegung, die Sozialistische Arbeiterjugend und die sportlichen Aktivitäten.
2.4.1 Die Jugendbewegung
Mit der Jugendbewegung wollten junge Menschen den starren Sitten, Gebräuchen und gesell- schaftlichen Spielregeln entgegenwirken. Durch die in der Jahrhundertwende entstandene Bewegung kamen Menschen zusammen, die Freude am Gruppenleben hatten, die Natur lieb- ten und die sich nach einer ungekünstelten Lebensweise sehnten. Mädchen wurden zu Beginn dieser Bewegung jedoch eher widerwillig aufgenommen. 1905 wurde der erste Antrag auf Zulassung von Mädchen abgelehnt. Die Jugendbewegungen spalteten sich in viele kleine Gruppierungen ab, wobei der „Altwandervogel“ und der „Steglitzer Wandervogel“ Mädchen zwar nach einiger Zeit duldeten, sie bei Fahrten aber immer noch ablehnten. Erst im Jahr 1911, mehr als zehn Jahre später, erklärten sich die meisten führenden Mitglieder dazu bereit, Mädchen als gleichberechtigte Mitglieder aufzunehmen. Trotzdem waren gesonderte Mäd- chengruppen lieber gesehen als gemischte, da die Mädchen in gemischten Gruppen verwil- dern und die Jungen verweichlichen würden. Nach und nach wurden auch Mädchen Füh- rungspositionen in den Jugendbewegungen zugewiesen, was allerdings zu erheblichen Kon- flikten führte. Die einen behaupteten, dass Mädchen der Bewegung schaden, da sie die Jungen hemmten, andere sagten, dass es sich für sie nicht gehöre, an Kriegsspielen teilzunehmen. Ab 1912 spalteten sich Mädchen gegen diese frauenfeindlichen, an den traditionellen Frauenbil- dern orientierten Bewegungen ab. 1917 wurde der erste „Mädelbund im Jugendwandervogel“ gegründet, was als Reaktion auf den Kampf gegen die Mädchen in der Jugendbewegung zu verstehen war. (vgl. Lechner; Retzlaff 2008, S.61f.)
2.4.2 Die Sozialistische Arbeiterjugend
Die Mädchen aus dem proletarischen Milieu konnten sich der Sozialistischen Arbeiterjugend anschließen, welche bereits während des Kaiserreichs seine Anfänge fand. Hier konnten sich vor allem die Mädchen, die eine auffallende Bildungsbereitschaft zeigten, beschäftigen. Die Mädchen unternahmen in der Sozialistischen Arbeiterjugend Wanderungen und Fahrten in andere Regionen Deutschlands. Sie traten bei Festen und Feiern der Arbeiterorganisationen auf und unterhielten die Gäste mit Musik-, Spiel- und Tanzgruppen. Neben der Bildungsarbeit nahm der musisch-kulturelle Teil den größten Bereich ihrer Arbeit ein. Dazu gehörten Wan- derungen, Spiele, Gesang, Laienspiel, Volkstanz etc. Die Jugendorganisation hatte hohe Er- ziehungsziele und Moralvorstellungen, wodurch sich ein „neuer Mensch“ entwickeln sollte, der höhere Qualitäten und Eigenschaften gegenüber der verbrauchten Gesellschaft mit sich bringt. Am wichtigsten war dabei die Solidarität in der Gemeinschaft. Die Sozialistische Ar- beiterjugend wollte durch diese Aktivitäten ein starkes „Wir-Gefühl“ entwickeln, was auch die gemeinsame Erziehung der Geschlechter implizierte. Mädchen sollten den Jungen eine Arbeits-, Kampf- und Lebenskameradin sein. Allgemein ist aber zu sagen, dass Mädchen auch in dieser Organisation unterrepräsentiert waren. (vgl. Retzlaff; Lechner 2008, S. 63f.)
2.4.3 Sport
Mädchen konnten ihre Freizeit in der Weimarer Republik auch damit verbringen, sich sport- lich zu betätigen. Im 19. Jahrhundert wurde die körperliche Erziehung für Mädchen einge- führt. Dadurch eröffneten sich verschiedene Sportarten für Frauen, wie beispielsweise Übun- gen an feststehenden Geräten. Es war verboten, Grätsch- und Spreizbewegungen zu machen sowie das Turnen in einem kurzen Rock. Erst ab 1900 übten sie auch andere Sportarten wie laufen, springen, werfen, schwimmen, Volkstänze und wandern aus. Lange Zeit wurden Frau- en und Mädchen nicht als vollwertige Mitglieder in der Deutschen Turnerschaft gesehen und generell waren Sport treibende Frauen vor dem ersten Weltkrieg eine Minderheit. Erst ab En- de des 19. Jahrhunderts wurden Frauen als gleichwertige, vollberechtigte Mitglieder in der Deutschen Turnerschaft anerkannt. Ab dem 20. Jahrhundert wurde die sportliche Betätigung von Frauen letztendlich nicht mehr abgelehnt. Frauen sollten gut trainiert sein, damit sie für gesunden Nachwuchs sorgen konnten, was alles andere als emanzipatorisch war. Zudem sollte die sportliche Betätigung den Sexualtrieb unterdrücken, die Frau im Kampf für den Sozialis- mus stärken und allgemein die ästhetische Ausstrahlung verbessern. Nach dem ersten Welt- krieg wurden Frauen in die Sportvereine aufgenommen, hatten aber nur wenig Mitsprache- recht und waren längst nicht in allen Abteilungen vertreten. Nachdem die Kleidervorschiften weggefallen waren, gab es kaum noch Unterschiede zum Männerturnen. Nach und nach fan- den Frauen ihren Platz in diesen Organisationen und konnten sich selbst verwirklichen und kreativ sein. (vgl. Retzlaff; Lechner 2008, S. 64-66)
3 Die nationalsozialistische Erziehung
Hier soll zum einen kurz die nationalsozialistische Frauenideologie erläutert und zum ande- ren bereits einige Gedanken im Bezug auf die Mädchenerziehung im Dritten Reich erwähnt werden. Wie sah das Frauenbild zur damaligen Zeit aus? Was war die Rolle der Frau? Hat sich diese Rolle im Vergleich zur Weimarer Republik geändert?
3.1 Frauenideologie
Das nationalsozialistische Frauenbild war prinzipiell gar kein Frauenbild, sondern ein Mutter- bild. Wenn jemand von einer weiblichen Person sprach, wurde sie fast nie als „Frau“ be- stimmt, sondern immer als „Mutter“. Nach den Vorstellungen der Ideologie im Nationalsozia- lismus war die Frau ein naturbestimmtes Wesen, weshalb ihr primäres Betätigungsfeld auch nicht im gesellschaftlichen Bereich lag. (vgl. Klinksiek 1982, S. 23)
Nach Hitler leben Frauen und Männer in zwei komplett unterschiedlichen Welten. Die Natur habe es richtig eingeteilt, dass sie den Mann vor die Familie stellt und ihm somit eine weitere Verpflichtung aufbürdet, nämlich den Schutz des gesamten Volkes. Zur Welt der Frau gehö- ren ihr Heim, ihr Mann und ihre Kinder. Von dieser Position aus eröffnet sich nach Hitler der Blick der Frau für das große Ganze. Diese beiden Welten vereint ergeben zusammen eine Gemeinschaft, in der ein Volk leben kann. Hitler will, dass sowohl Männer als auch Frauen diese verschiedenen Welten anerkennen und in dieser leben. (vgl. Kinz 1991, S. 115).
Es war nicht gewollt, dass Frauen in die Welt der Männer eindringen, weshalb ein solcher Versuch als Fehlentwicklung verurteilt wurde, der wieder rückgängig gemacht werden muss- te. Frauen sollen sich dem Muttergedanken zuwenden, da laut Hitler Mutter und Kind als Tragsäulen für das zukünftige Deutschland dienen müssen. Frauen, die diese Ansicht nicht akzeptieren wollten, waren in den Augen des Nationalsozialismus nicht als richtige Frau an- zuerkennen. Es wurde stark betont, dass diese Rolle auf keinen Fall auf die Minderwertigkeit der Frau hindeuten soll. Den Frauen wurde gesagt, sie wären sogar den Männern überlegen, denn vor allem die Möglichkeit Kinder zu gebären, würde Frauen so mächtig machen. Ohne die Frau gäbe es prinzipiell kein deutsches Volk. Dieses Frauenbild entsprach jedoch keines- wegs der Realität. Der Staat richtete seine Bemühungen darauf, möglichst jede Frau ins Muttertum zu führen. (vgl. Klinksiek 1982, S. 23f.)
Es war das Ziel, möglichst viele „reinrassige“, „arische“ Kinder zu gebären. Die nationalsozi- alistische Politik beschränkte sich dabei nicht nur auf die Förderung von erwünschten Gebur- ten, sondern vor allem auch auf die Verhinderung von Geburten „minderwertiger“ Kinder. Als minderwertig galten solche Kinder, die möglicherweise geistig oder körperlich behindert auf die Welt kommen. Eine solche Politik wurde auch Sterilisationspolitik genannt, was nicht nur als Vorstufe des nationalsozialistischen Massenmords angesehen werden kann, sondern auch als Bestandteil dieser Mordpolitik. (vgl. Herkommer 2005, S.16)
Bald wurde den Ideologen bewusst, dass es nicht für jede Frau möglich war, „reinrassige“ und „arische“ Kinder zu gebären. Nicht alle konnten diesen „Idealzustand“ erreichen, was auf den hohen Frauenüberschuss und die komplexen Wirtschaftsbeziehungen zurückzuführen ist. Die- se Frauen hatten den Ausweg arteigene Berufe zu lernen, wie beispielsweise im pflegerischen oder sozialen Bereich, damit sie ihre mütterlichen Instinkte umsetzen konnten. Andere „ty- pisch“ weibliche Eigenschaften sind mit der Mutterschaftsideologie eng verbunden. Frauen wurde nachgesagt sie hätten mindere intellektuelle Fähigkeiten, weshalb sie dem Kind beson- ders nahe stehen, wodurch sie prädestiniert für die Kindererziehung waren. Die NSDAP nutz- te diese unterschwellig vorhandene Wunschvorstellung der Frauen aus, welche bei vielen Frauen propagandistisch verwendbar war. Denkt man zurück an die Weimarer Republik, ist das nicht verwunderlich. Prinzipiell waren in den frühen 30er Jahren zwar Mann und Frau gleichberechtigt, viele Männer konnten die neue Staatsform allerdings nicht von den sozialen und wirtschaftlichen Katastrophen der Zeit trennen. Vor allem auf der Frau lag in der Weima- rer Republik eine große Belastung, da sie neben dem Haushalt und der Familie auch noch für die Sicherung des Lebensunterhalts zuständig und verantwortlich war. Sie war oft das einzige Familienmitglied mit einer Arbeitsstelle. Durch diese Belastung wollten viele Frauen zurück zur Vorkriegszeit – die Revolution und die damit gewonnenen Rechte wurden aus den Augen verloren. Die NSDAP bot für die überforderten und überarbeiteten Frauen scheinbar eine Lö- sung an. Frauen wussten die neu entstandenen Freiheiten nicht zu nutzen – die Emanzipation, die im Bewusstsein stattfinden musste, konnte mit der Formalen nicht Schritt halten. Frauen nahmen diese Lösung an, da sie die Probleme der äußeren Welt nicht mehr bewältigen konn- ten. Es war die Möglichkeit für die Frauen, sich in ihre Privatheit und Innerlichkeit zurückzu- ziehen. (vgl. Klinksiek 1982, S.24)
3.2 Grundlegende Gedanken zur Mädchenerziehung im Dritten Reich
Hitler hat bereits in „Mein Kampf“ angedeutet, dass die Männer als dominierender Teil der Gesellschaft anzusehen sind. Diese Ansicht ließ sich nach 1933 verstärkt in den Erziehungs- konzeptionen, vor allem in der Hitlerjugend (HJ), wiederfinden. Während die Hitlerjugend zur damaligen Zeit für die außerschulische Erziehung der männlichen Jugend zuständig war, kümmerte sich der Bund Deutscher Mädel um die weibliche Jugend. Der BDM gehört seit 1930 zum Gesamtverband der HJ und ist diesem unterstellt. Wie bereits im vorherigen Kapi- tel ausgearbeitet, gibt es eine geschlechterspezifische Erziehung von Jungen und Mädchen im Nationalsozialismus. Männer und Frauen haben zwar gleichwertige, aber nicht gleichartige Aufgaben zu erfüllen. Frauen sind klar abgegrenzt. Während bei der Jungenerziehung die Erziehung zum politischen Soldaten im Mittelpunkt stand, war bei der Mädchenerziehung das Mutterwerden Schwerpunkt der Erziehung. (vgl. Kinz 1991, S. 114-116)
Nationalsozialistische Theoretiker machen deutlich, dass die Erziehung der männlichen Ju- gend gegenüber der Erziehung der weiblichen Jugend Vorrang hatte. Das wird nicht nur im erzieherischen Kontext deutlich, sondern vor allem auch im Bereich der Bildung. Eine intel- lektuelle Bildung der Frau ließ sich nicht mit der nationalsozialistischen Weltanschauung ver- einen. Die weibliche Erziehung muss auf die besondere biologisch-seelische Veranlagung der Frau ausgerichtet sein. Die Stärke der Frau würde nämlich nicht im Intellektuellen, sondern im Leiblich-Seelischen liegen, weshalb die geistige Bildung auf die weibliche Geistesart ab- zustimmen ist. Die Mädchenerziehung wurde „vereinfacht“, was dazu dienen sollte, dass die natürlichen, seelischen und geistigen Grundkräfte der Frau stärker hervorkommen und sich entwickeln. Dieses Erziehungsverständnis wird in den unterschiedlichen folgenden Leitbil- dern von Jungen und Mädchen deutlich. Während Mädchen Erlebtes in sich sammeln, sich hingeben, dem Nächsten dienen, in Frieden arbeiten, Leid ertragen, sich im Glück bescheiden, die Kultur bewahren und schützen, die Familie und Häuslichkeit pflegen und das Leben als Geschenk erblicken sollten, war es Aufgabe der Jungen, Erlebtes zu gestalten, sich auszuwir- ken, die Welt zu erobern und sich zu unterwerfen, Siege zu erringen, nach dem Glück zu ja- gen, sich mit dem Gegner zu messen, Kultur aufzubauen und zu zerstören, den Staat zu grün- den, die Ziele in die Sterne zu setzen und das Leben als Kampf aufzufassen. Von Männern war Mannhaftigkeit als Leitbild von Erziehung zu verstehen, bei Frauen Mütterlichkeit. Das oberste Erziehungsziel war die Erziehung zur Mutter und Hausfrau. In dem nationalsozialisti- schen Rollenverständnis der verschiedenen Geschlechter wird auch deutlich, dass dem Mann mehr Aktivität, der Frau mehr Passivität zugeordnet wird. Diese Ansicht vertrat Hitler bereits in „Mein Kampf“. Eine geistige Bildung, die nur theoretisches Wissen vermittelt, wird nach dieser Auffassung aus der Mädchenerziehung ausgeschlossen. (vgl. Kinz 1991, S. 117-124)
4 Bund Deutscher Mädel
Der Hauptteil dieser Arbeit bezieht sich auf den Bund Deutscher Mädel. In den folgenden Kapiteln werden die Erziehungskonzeptionen des BDM erarbeitet. Vorerst soll die Organisa- tion und der Aufbau des BDM vorgestellt werden, damit die Vorgeschichte und die Gründung des BDM besser nachvollzogen werden kann. Anschließend sind einige wichtige Eintritts- gründe zu nennen. Dabei wird deutlich, warum der BDM für die Mädchen im Nationalsozia- lismus so attraktiv war. Danach wird die Frage beantwortet, wie die Erziehung im BDM tat- sächlich aussah.
4.1 Organisation und Aufbau des BDM
Die Organisationsform im BDM war von einer straffen, klar strukturierten und hierarchischen Ordnung geprägt. Nur so konnte man dem Anspruch gerecht werden, dass möglichst viele Mädchen in die Organisation eingegliedert und die Erziehungsabsichten zwingend und kon- sequent verwirklicht werden. Der BDM war ein Teil der Gesamt-Hitler-Jugend und den orga- nisatorischen Strukturprinzipien der HJ exakt angeglichen. Die Spitze der gesamten HJ wurde vom Reichsjugendführer geleitet, der immer männlichen Geschlechts sein musste. Es war nicht denkbar, dass diese Stelle eine Frau eingenommen hätte. Dem Reichsjugendführer war die BDM-Reichsreferentin untergeordnet, die ihm beratend zur Verfügung stehen sollte im Bezug auf die Mädchenerziehung. Die BDM-Reichsreferentin hatte die weitgehende Voll- macht, die Führung des BDM zu gestalten, wobei sie jedoch auf die Ämter der Reichsjugend- führung angewiesen war. Während die Reichsjugendführung bis zu vierzehn Ämter inne hat- te, gab es für die weibliche Jugend zeitweise nur ein eigenes Amt. Die Positionen wurden von Männern (Amtschefs) geleitet. Auch hier war es undenkbar, dass diese Posten von einer Frau eingenommen wurden. Dem Chef eines solchen Amtes sollte die Hauptreferentin des BDM zur Seite stehen, um die Arbeit an die Mädel über die Obergaue und Untergaue weiterzuge- ben. Insgesamt waren von 30 Ämtern, die innerhalb der HJ verfügbar waren, nur drei mit Per- sonen weiblichen Geschlechts besetzt. Das macht deutlich, dass Frauen auch in der NS- Jugendarbeit unterrepräsentiert waren und die letzte Entscheidungskompetenz immer den Männern oblag – auch bei der Mädchenerziehung. Im BDM gab es keine demokratische Wahlmöglichkeit, da die Führerinnen von „oben“ eingesetzt wurden. Sie schuldeten nur nach „oben“ Rechenschaft und sind von „unten“ nicht abwählbar. Der gesamte BDM an sich er- fasste Mädel vom zehnten bis zum 21. Lebensjahr, wobei die Altersgruppen in drei Unterglie- derungen aufgeteilt wurden. (vgl. Kock 1994, S. 29-31)
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