Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I Einleitung
II Resilienz
III Trainingskonzept
IV Bewertung und Ausblick
Literaturverzeichnis
I Einleitung
Viele Menschen in Deutschland fühlen sich gestresst. Zu diesem Ergebnis kam die TK-Stressstudie 2016. Vor allem Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen haben in den letzten 15 Jahren erheblich zugenommen. Der Anstieg lässt sich zum einen auf die besseren Diagnosen sowie die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen zurückführen. Zum anderen belegen die Zahlen auch das Gefühl vieler Menschen zunehmend „unter Druck“ zu stehen und diesen nicht alleine bewältigen zu können. Der Lebensbereich mit dem meisten Stresspotential ist der Beruf. (Vgl. Voermans, 2016) Wesentliche Stressoren am Arbeitsplatz sind der hohe Zeitdruck, häufige Unter-brechungen, monotone Tätigkeiten, fehlende Erholungsmöglichkeiten, aber auch Multitasking, Termin- und Leistungsdruck. Ob der erlebte Stress krank macht, hängt unter anderem von der individuellen Widerstandskraft - auch Resilienz genannt - ab. (Vgl. Lohmann-Haislah, 2012)
Im Rahmen dieser Abschlussarbeit soll auf das Thema Resilienz als möglicher Baustein des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) eingegangen werden. Einleitend wird die Verbindung von Positiver Psychologie und Resilienz erläutert. Darauf aufbauend wird der Begriff Resilienz näher definiert und eine Auswahl mehrfach validierter Resilienzfaktoren beschrieben. Ferner wird die Frage geklärt, ob diese Art auf Krisen zu reagieren, erlernbar ist. Im Anschlusskapitel wird ein transferwirksames Trainings-konzept zu dem Thema vorgestellt, das die Einflussgrößen der Resilienz mit Übungen der Positiven Psychologie verbindet. Im Einzelnen werden die Zielsetzung, die förderlichen Rahmenbedingungen sowie die inhaltliche und didaktische Ausgestaltung der Weiterbildungsmaßnahme beschrieben. In einer abschließenden Betrachtung wird die Eignung des Ansatzes zur Förderung der Gesundheit bewertet.
Aus Gründen der besseren Verständlichkeit, wird auf eine Unterscheidung des grammatischen Geschlechts verzichtet. Stattdessen wird das maskuline Genus verwendet, welches stellvertretend für beide Geschlechter steht.
II Resilienz
2.1 Begriffseinordnung und -annäherung
In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf Resilienz im Rahmen der Positiven Psychologie. Die Positive Psychologie selbst ist eine noch junge Strömung innerhalb der Psychologie. Der Wissenschaftszweig untersucht, was das Leben lebenswert macht. Der damit einhergehende Forschungsauftrag umfasst unter anderem Fragestellungen zum Flow-Erleben, Charakterstärken, Glück, Salutogenese und Resilienz. Die verbindende Gemeinsamkeit der Themen ist der ressourcenorientierte Blick, der allen Untersuchungen zugrunde liegt. Die Positive Psychologie richtet ihre Aufmerksamkeit auf protektive und gesundheitsfördernde Prozesse ohne die Risikofaktoren außer Acht zu lassen. (Vgl. Blickhan, 2018) Die empirischen Erkenntnisse dieser Forschungsrichtung versprechen eine weitreichende positive Wirkung für die Arbeitswelt. Welche tragende Rolle Resilienz innerhalb der Disziplin einnimmt, zeigt die Aussage von Martin Seligman (2002), der die Positive Psychologie als „neue Wissenschaft der Stärke und Resilienz“ bezeichnet.
Das Wort Resilienz leitet sich von dem lateinischen Wort resilire ab, was so viel bedeutet wie „zurückspringen“ (vgl. Duden, 2018). Der Begriff wurde ursprünglich in der Physik verwendet und bezeichnet die Fähigkeit eines Stoffes, nach einer Verformung von außen, wieder in die vorherige Form zurückzukehren (vgl. Rippel, 2017).
Heutzutage wird der Term interdisziplinär (bspw. Ökologie, Soziologie, Betriebs-wirtschaftslehre) genutzt und beschreibt übergreifend „die Toleranz eines Systems gegenüber Störungen bzw. die Widerstandskraft von Systemen“ (Bengel & Lyssenko, 2012). Die Verbreitung des Resilienzbegriffes sowie die Vielzahl der Anwendungsfelder bedingen eine weiterführende Bestimmung. Im Folgenden werden verschiedene Auffassungen zusammengefasst.
Nach Noeker und Petermann (2008) beschreibt Resilienz die „funktionale Adaption [eines Individuums] an widrige Umgebungsbedingungen“. Bonanno (2004) hingegen setzt Resilienz mit Stressresistenz gleich. Agaibi und Wilson (2005) betonen die Regenerationsfähigkeit. Ihre Konzeptualisierung des Begriffs beinhaltet, dass eine resiliente Person auf einen Stressor nur kurzfristig mit Belastung reagiert und anschließend ohne größere Schwierigkeiten in den normalen Alltag zurückkehrt. Die Deutung von Masten und Obradovic (2008) versucht den Kern verschiedener Definitionen zu fassen und wird daher dieser Arbeit zugrunde gelegt. Demnach bezieht sich Resilienz „to the process of, capacity for, or patterns of positive adaptation during or following exposure to adverse experiences that have the potential to disrupt or destroy the successful functioning or development of a person”.
Weiterhin ist Resilienz ein lebenslanger, dynamischer Prozess. Vor diesem Hintergrund ist das Adjektiv resilient, im Sinne von Resilienz besitzen, irreführend. Es ist kein andauernder Zustand, den ein Mensch erreichen kann. Vielmehr variiert die individuelle Resilienz je nach Lebensbereich und -phase. (Vgl. Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2009)
Die bildhafte Entsprechung des Begriffes ist das psychologische Immunsystem. Wie das Immunsystem ist auch die Resilienz eine Komposition äußerer und innerer Faktoren, die mehr oder weniger beeinflussbar sind.
2.2 Abgrenzung von Resilienz und posttraumatischem Wachstum
Nachfolgend soll kurz auf die Unterscheidung von Resilienz und posttraumatischem Wachstum eingegangen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Kurvenverlauf Resilienz und Posttraumatisches Wachstum (Mangelsdorf, in press)
Wie in der zweiten Abbildung dargestellt, führt ein traumatisches Ereignis zur zeitweiligen Überforderung. Die Bewältigungsstrategien einer Person greifen nicht und das psychische Wohlbefinden sinkt stark ab. Ob ein Ereignis „nur“ kritisch oder bereits traumatisch ist, entscheidet die subjektive Bewertung des Einzelnen. (Vgl. Bengel & Lyssenko, 2012)
Posttraumatisches Wachstum oder auch posttraumatische Reifung resultiert demnach aus der Bewältigung eines schwerwiegenden Lebensereignisses. Tedeschi und Calhoun (2004) spezifizieren die positive Transformation in den Dimensionen neue Möglich-keiten, Beziehungen zu anderen, Wertschätzung des Lebens, persönliche Stärke und religiöse Veränderungen.
Fazit: Reagiert ein Mensch resilient auf einen oder mehrere Stressoren, bleibt die grundlegende Erschütterung aus. Stattdessen konfiguriert sich der Organismus in vergleichsweise kurzer Zeit.
2.3 Resilienzfaktoren
Resilienzfaktoren (oder auch Schutzfaktoren genannt) führen zu Resilienz. Es sind Einflussgrößen, die sich günstig auf die Widerstandsfähigkeit einer Person auswirken. Dabei bedeutet die Anwesenheit von Resilienzfaktoren nicht gleichzeitig die Resistenz gegen Stressoren. Vielmehr fungieren diese als Puffer, die den negativen Effekt verringern oder verhindern. (Vgl. Bengel & Lyssenko, 2012)
Im Jahr 2012 trugen Jürgen Bengel und Lisa Lyssenko die wesentlichen Resilienz-faktoren im Erwachsenenalter aus zahlreichen Studien zusammen. Die Sichtung ergab fünf mehrfach empirisch belegte Einflussgrößen:
- Positive Emotionen
= das regelmäßige Erleben von positiven Gefühlen und Stimmungen im Vergleich zu negativen (vgl. Lyubomirsky, King & Diener, 2005). Laut Fredrickson (2013) beträgt die genannte Positivity Ratio 3 zu 1.
- Soziale Unterstützung
= die hilfegebende Interaktion mit anderen in einem funktionierenden Netzwerk. Untergliedert wird die soziale Unterstützung in emotionale, praktische und informationelle Unterstützung. (Vgl. Bengel & Lyssenko, 2012)
- Selbstwirksamkeitserwartung
= die optimistische Bewertung der eigenen Bewältigungskompetenz in Bezug auf das Leben insgesamt (vgl. Schwarzer & Jerusalem, 2002). Selbstwirksam-keitserwartung entsteht im Lernprozess durch positive Rückmeldungen von außen oder aber durch das Erleben persönlicher Erfolge, die auf die eigenen Fähigkeiten zurückgeführt werden (vgl. Bengel & Lyssenko, 2012).
- Hoffnung
= „die positive Erwartung, ein Ziel zu erreichen oder einen Wunsch erfüllt zu bekommen“ (Bengel & Lyssenko, 2012). Hoffnung ist die Kombination aus Zuversicht und der Fähigkeit, zielorientiert zu handeln (vgl. Snyder, 2002).
- Optimismus
= die zeitlich und situativ stabile Tendenz, positive Ergebnisse zu erwarten und dementsprechend die Handlungen darauf abzustimmen (vgl. Carver & Scheier, 1985).
Für die Entwicklung eines Trainingskonzeptes ist es von Bedeutung, ob die genannten Resilienzfaktoren erlernbar sind. Isabella Helmreich, Diplom-Psychologin und Psycho-therapeutin am Deutschen Resilienz-Zentrum in Mainz, bejaht dies. Als zentrale Voraussetzung für die Wirksamkeit derartiger Trainings postuliert sie jedoch die eigenständige Wiederholung der Übungen für eine kognitive und behaviorale Veränderung. (Vgl. Carbonetti, 2015)
Unter der genannten Prämisse werden im nachfolgenden Kapitel Interventionen der Positiven Psychologie zur Stärkung der Resilienzfaktoren abgeleitet.
III Trainingskonzept
3.1 Rahmenbedingungen
Ausgangspunkt für das Trainingskonzept sind die Vorüberlegungen zu den Rahmen- bedingungen:
- Ziel der Maßnahme:
Die Gesunderhaltung von Beschäftigten durch den proaktiven Aufbau von Resilienzfaktoren, um in potentiell schwierigen Situationen die Wahrscheinlich-keit eines positiven Bewältigungsergebnisses zu erhöhen.
- Zielgruppe und Teilnahmebedingungen:
Die Maßnahme soll als vor allem (erwachsenen) Arbeitnehmern zu Gute kommen. Die Teilnahme an der Maßnahme ist freiwillig und wird je Durchgang auf maximal zwölf Personen begrenzt. Empfehlenswert ist eine bereichsübergreifende Gruppenzusammen-setzung, wobei hierarchische Abhängigkeiten ausgeschlossen werden sollten.
- Organisatorisches:
Das Training wird auf zwei Tage (16 Stunden) angelegt, da dieser Zeitraum erfahrungsgemäß die höchste Teilnahme gewährleistet und gleichzeitig genügend Raum zur thematischen Auseinandersetzung bietet. Der Veranstaltungsort liegt optimalerweise außerhalb des Unternehmens, um berufliche Ablenkungen zu vermeiden. Der Raum sollte hell und freundlich sein und ausreichend Platz bieten, um die geplanten Übungen in Kleingruppen durchführen zu können.
3.2 Inhaltliche und didaktische Konzeption
Der inhaltliche Schwerpunkt des Konzeptes liegt auf den Resilienzfaktoren. Das Training soll sowohl ein grundlegendes Verständnis zu den relevanten Einflussgrößen vermitteln als auch die Fähigkeit, diese eigenständig zu entwickeln. Zur Vorbereitung der Fein- planung werden im ersten Schritt empirisch validierte Interventionen der Positiven Psychologie zu den fünf Faktoren zugeordnet (siehe Abb. 2). Die Pfeile am Ende weisen auf weitere Korrelationen hin. Die ausgewählten Übungen fördern, bei regelmäßiger Wiederholung, deren Aufbau und damit eine resiliente Reaktion in Krisensituationen. Eine Ausnahme bildet der Faktor Hoffnung. Hier zielen die Interventionen auf die kognitive Komponente des Konstruktes, das zielgerichtete Handeln, ab. Die motivationale Komponente Zuversicht wird von Carver und Scheier (2002) mit einer optimistischen Einstellung gleichgesetzt und findet sich folglich im Resilienzfaktor Optimismus wieder.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Zuordnung von Resilienzfaktoren zu PP Interventionen (eigene Darstellung)1
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1 ¹Alle angegebenen Übungen sind bei der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie erhältlich.