Wie kommt es zur Beitragsverweigerung für kollektive Umweltgüter und wie kann sie durch staatliche Eingriffe behoben werden?


Hausarbeit, 2012

14 Seiten, Note: 1,3

Anna Höltzer (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsdefinitionen
2.1 Gruppe
2.2 Kollektivgüter

3 Die Logik des kollektiven Handelns
3.1 Der Konflikt zwischen individuellen und kollektiven Handeln
3.2 Kleine Gruppen
3.3 Große Gruppen.
3.4 Selektive Anreize

4 Anwendung Olsons Theorie auf das Kollektivgut „saubere Umwelt“
4.1 Kollektivgut Umwelt
4.2 Das Problem der Beitragsverweigerung bei Umweltgütern.
4.3 Kollektives Handeln durch umweltpolitische Maßnahmen des Staates?

5 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Es ist mehr als 15 Jahre her, dass die größten Industriestaaten 1997 sich im Kyoto-Protokoll darauf einigten, gegen die massive Luftverschmutzung vorzugehen. Beim Kyoto-Protokoll handelt es sich um einen unverbindlichen Vertrag, der das Bemühen verfolgte, den globalen CO2- Ausstoß zu verringern. Jedoch ist seitdem nicht viel passiert. Auf den folgenden Umweltkonferenzen wurde stets zwar ein Anstieg der Umwelt- und vor allem Luftverschmutzung festgestellt, aber keine effektiven Gegenmaßnahmen eingeleitet. Obwohl jeder dieser staatlichen Akteure ein offensichtliches Interesse an sauberer Umwelt hat, scheint es so, dass keiner von ihnen Kosten für tiefgreifende Maßnahmen übernehmen möchte. Letztendlich geht es um die Frage, warum sowohl auf staatlicher als auch auf individueller Ebene ein Interesse an sauberer Umwelt und am Umweltschutz vorliegt, sich aber niemand für dessen Erhalt „die Finger schmutzig machen“ -d.h. bezahlen - will.

Der Diskrepanz zwischen kollektivem Interesse und individuellem Handeln ist Mancur Olson mit seinem Werk „Die Logik des kollektiven Handelns: Kollektivgüter und die Theorie der Gruppen“ (1965) nachgegangen.

In dieser Arbeit soll, aufbauend auf Olsons Werk, untersucht werden, wie es zur Beitragsverweigerung für kollektive Umweltgüter kommt und wie diese durch staatliche Eingriffe behoben werden kann. In Kapitel 2 erfolgen die Definitionen der zentralen Begriffe Olsons Theorie. Danach wird in Kapitel 3 die Logik des kollektiven Handelns nach Olson dargestellt, indem in Kapitel 3.1 der Konflikt zwischen kollektivem und individuellem Handeln beschrieben wird. In Kapitel 3.2 und 3.3 wird das Verhalten der Akteure in kleinen und großen Gruppen herausgearbeitet. Daraufhin werden in Kapitel 3.4 selektive Anreize als Ausweg aus der Problematik vorgestellt. Im Folgekapitel wird Olsons Theorie auf das Kollektivgut „Saubere Umwelt“ angewandt. In 4.1 wird zu zeigen versucht, dass es sich bei der Umwelt um ein Kollektivgut handelt. Das Kapitel 4.2 schildert das Problem der Beitragsverweigerung bei Umweltgütern. In 4.3 wird gezeigt, wie der Staat durch selektive Anreize versucht, die Beitragsverweigerung für kollektive Umweltgüter zu beheben, um dann am Ende der Arbeit ein Fazit zu ziehen.

2 Begriffsdefinitionen

Da in den Sozialwissenschaften das Verständnis von Begriffen oft zwischen verschiedenen Theorien bzw. Fragstellungen variiert, sollen hier zuerst die für die folgende Analyse grundlegenden Begriffe „Gruppe“ und „Kollektivgut“ definiert werden, um eine theoretische Basis zu schaffen.

2.1 Gruppe

Eine Gruppe versteht Olson als den Zusammenschluss mehrerer Personen1 die ein gemeinsames Ziel verfolgen (vgl. Olson 1968: 7). Aus eigener Kraft kann das Individuum dieses Ziel nicht erreichen und die Kosten für die Zielerreichung würden den daraus erfolgenden Nutzen übersteigen. Daher ist es rational logisch, sich anderen Personen anzuschließen, die dasselbe erklärte Ziel verfolgen. So entsteht ein zweckorientiertes Kollektiv, das nach der Verwirklichung des Gemeinschaftsinteresses strebt. Olson betont, dass die einzelnen Gruppenmitglieder neben dem kollektiven Ziel auch individuelle Interessen verfolgen, die sich von denen der restlichen Mitglieder unterscheiden (vgl. Olson 1968: 7).

2.2 Kollektivgüter

Olson definiert Kollektivgüter bzw. Öffentliche Güter 2 „als jedes Gut […], das den anderen Personen in einer Gruppe praktisch nicht vorenthalten werden kann, wenn irgendeine Person Xi in einer Gruppe X1, … Xi, …Xn es konsumiert" (Olson 1968: 13). Es wird deutlich, dass Olsons Kollektivgüter als gruppenspezifisch versteht. Dies bedeutet, dass ein Gut nur für diejenige Gruppe von Menschen ein Kollektivgut darstellt, die an der Verwirklichung des Gutes interessiert ist (vgl. Kunz 2004: 90). Zudem lassen sich aus der Definition zwei konkrete Eigenschaften von Kollektivgütern ableiten: Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit.

Nicht-Rivalität im Konsum bedeutet, dass bei der Nutzung oder dem Konsum eines Gutes keine Konkurrenz zu einem anderen Individuum aufkommt. Jeder kann das Gut konsumieren, ohne dass das Gut bzw. der Nutzen anderer an demselben Gut abnimmt.

Zudem kann niemand aufgrund der Nicht-Ausschließbarkeit an dem Konsum eines Kollektivgutes gehindert werden; auch dann nicht, wenn er keinen Beitrag zur Bereitstellung des Gutes leistet. Dies macht deutlich, dass der Preismechanismus bei Kollektivgütern nicht greift, da das kollektive Gut genutzt werden kann, ohne dass man einen Preis dafür bezahlen muss (vgl. Sturm/Vogt 2011: 48f).

3 Die Logik des kollektiven Handelns

Mancur Olson geht davon aus, dass Individuen in Gruppen nicht gleichermaßen zur Verwirklichung des Gemeinschaftsinteresses beitragen und die Bereitstellung des Kollektivgutes von der Gruppengröße, bzw. von der Anreizstruktur abhängig ist. Im Folgenden soll daher zunächst die Problematik der Beitragsleistung in Gruppen allgemein und in Abhängigkeit der Gruppengröße dargestellt, und danach selektive Anreize als Lösungsvorschlag für die mangelnde Zahlungsbereitschaft vorgestellt werden.

3.1 Der Konflikt zwischen individuellen und kollektiven Handeln

Wie oben bereits geschildert, schließen sich mehrere Individuen in Gruppen zusammen mit dem gemeinsamen Interesse an der Bereitstellung eines Kollektivgutes. Aufgrund der Zielkongruenz könnte man erwarten, dass alle Gruppenmitglieder gleichermaßen zu der Erzeugung des Gutes beitragen. Jedoch geht Olson von einem Menschenbild des rationalen Akteurs aus, d.h. die Gruppenmitglieder streben danach ihren eigenen Nutzen zu maximieren und ihre Kosten möglichst gering zu halten. Auch wenn die Bereitstellung des Kollektivgutes für alle Mitglieder nutzenbringend ist, so werden die Mitglieder entsprechend ihres Eigeninteresses handeln und eine Beitragszahlung verweigern: Sie handeln nicht kollektiv, sondern individuell. „Aus der Tatsache, daß es für alle Mitglieder einer Gruppe vorteilhaft wäre, wenn das Gruppenziel erreicht würde, folgt nicht, daß sie ihr Handeln auf die Erreichung des Gruppenziels richten werden, auch wenn sie völlig rational im Eigeninteresse handeln“ (Olson 1968: 2).

Das Kooperationsproblem ergibt sich aus den in Kapitel 2.2 dargelegten Eigenschaften von Kollektivgütern. Anders als bei Privatgüter kann kein Mitglied von dem Nutzen des Kollektivgutes ausgeschlossen werden, auch wenn es sich nicht an der Bereitstellung beteiligt. Da der rationale Akteur nach der Verwirklichung seines Zieles zu möglichst geringen Kosten strebt, wird er nicht zur Erzeugung des Kollektivgutes beitragen und darauf vertrauen, dass die restlichen Gruppenmitglieder das kollektive Gut bereitstellen. Individuen, die ein kollektives Gut konsumieren, obwohl sie keine Kosten zu dessen Bereitstellung übernommen haben, bezeichnet Olson als Trittbrettfahrer (free rider) (vgl. Liebe 2007: 48). Da den einzelnen Gruppenmitgliedern die „Trittbrettfahrer-Option“ bewusst ist, werden sie – aus Angst, von den anderen Gruppenmitgliedern ausgenutzt zu werden – auch Trittbrett fahren. Die Folge ist eine suboptimale bzw. nicht vorhandene Bereitstellung des kollektiven Gutes (vgl. Dehling/Schuber 2011: 114).

Daraus ergibt sich für die Akteure eine Dilemma-Situation: Obwohl die Gruppenmitglieder individuell rational und effizient gehandelt haben, kann das gemeinsame Interesse – die Erzeugung des Kollektivgutes - nicht realisiert werden. Demnach führt rationales Handeln auf der Mikroebene zu einem suboptimalen Ergebnis auf der Makroebene (vgl. Peters 2000: 306).

Dies zeigt, dass aufgrund der Eigenschaften von Kollektivgütern, der Markt allein diese Güter nur ineffizient bereitstellt.

Bei privaten Gütern kommt es durch den Preismechanismus zu einer pareto-optimalen3 Allokation. Der Preis stellt die Knappheit eines Gutes dar und der Anbieter kann seine Produktionskosten durch Verkaufsgewinne decken.

Da bei kollektiven Gütern eine Nicht-Rivalität besteht, d.h. sie nicht durch Knappheit gekennzeichnet sind, kann in diesem Fall der Preismechanismus nicht greifen. Zudem können die Anbieter aufgrund der Eigenschaft der Nicht-Ausschließbarkeit keine Gewinne aus dem Verkauf ziehen, obwohl Produktionskosten entstehen. Da die Akteure nach Nutzenmaximierung streben, kommt es zu einer ineffizienten Allokation des Kollektivgutes, was auch als Marktversagen bezeichnet wird (vgl. Wildmann 2010:42). Daher sind laut Olson selektive Anreize von Nöten, die in den Markt eingreifen und ein Marktversagen verhindern sollen.

Olson wirft zudem die Frage auf „[...] ob eine Beziehung besteht zwischen der Größe einer Gruppe und dem Anreiz für den Einzelnen, zur Erreichung der Gruppenziele beizutragen“ Olson 1968: 20). Daher wird im Folgenden der Einfluss der Gruppengröße auf die Kooperationsbereitschaft der Mitglieder untersucht.

3.2 Kleine Gruppen

Olson definiert kleine Gruppen nicht primär über die Mitgliederzahl, sondern über die Effizienz der Kooperation, die innerhalb der Gruppe herrscht. Olson geht davon aus, dass in kleinen Gruppen die dargestellte Dilemma-Situation leichter zu lösen ist als in großen, d.h. dass die Mitglieder in kleinen Gruppen effizienter zusammenarbeiten (vgl. Olson 1968: 27).

In kleinen Gruppen ist der individuelle Beitrag der einzelnen Akteure zur Bereitstellung des Kollektivgutes sichtbar, da er aufgrund der Gruppengröße viel stärker ins Gewicht fällt als bei großen Gruppen, sodass eine mangelnde Zahlungsbereitschaft Einzelner Konflikte in der Gruppe generieren würde. Ein besonderes Engagement hinsichtlich der Verwirklichung des Gemeinschaftsinteresses hingegen führt zu einer Steigerung des persönlichen Ansehens. Demnach sind in kleinen Gruppen sowohl sozialer Druck als auch soziales Ansehen Mechanismen, die die Mitglieder zu kollektivem Handeln bewegen (vgl. Kunz 2004: 91).

Des Weiteren geht Olson davon aus, dass die Bereitstellungskosten für das Kollektivgut mit zunehmender Gruppengröße ansteigen, sodass folglich in kleinen Gruppen die Kosten für ein Gut relativ gering sind (vgl. Druwe 1995: 316). Aufgrund der wenigen Mitglieder in kleinen Gruppen sind daher die Gesamtkosten niedriger als der Gesamtnutzen, sodass es innerhalb kleiner Gruppen einfacher ist das Kollektivgut bereitzustellen, da der persönliche Nutzen jedes Individuums seine Kosten übersteigt. So kann es sogar dazu kommen, dass ein einzelnes Individuum allein die kompletten Kosten übernimmt, da sein Nutzen aus dem Kollektivgut immer noch höher ist als die aufgebrachten Kosten (vgl. Olson 1968: 33).

Es wurde gezeigt, dass es aufgrund der Beschaffenheit in kleineren Gruppen – ohne eingreifende Maßnahmen - zur Bereitstellung des Kollektivgutes kommt. Jedoch betont Olson, dass dies wegen der heterogenen Präferenzen der Mitglieder nur suboptimal geschieht. Denn jedes Gruppenmitglied hat individuelle Präferenzen und dementsprechend variieren auch die Wertschätzung und der Nutzen, welche jedes Gruppenmitglied aus dem Kollektivgut ziehen. Da seine primäre Präferenz nicht die optimale Versorgung der Gruppe, sondern die Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse ist, ist die Zahlungsbereitschaft von der eigenen Wertschätzung des Kollektivgutes abhängig. So entstehen je nach Präferenzlage und Wertschätzung des Gutes in einer Gruppe unterschiedlich stark zahlende Mitglieder. Ein großes Mitglied zieht aus dem kollektiven Gut viel Nutzen und hat demnach eine größere Zahlungsbereitschaft als ein kleines Mitglied, das weniger an der Bereitstellung des Gutes interessiert ist. Daher wird es durch das große Mitglied zur Realisierung des Gemeinschaftsinteresses kommen, was Olson als „[...] eine systematische Tendenz zur „Ausbeutung“ der Großen durch die Kleinen!“ (Olson 1968: 28) bezeichnet.

Folglich lässt sich für kleine Gruppen festhalten, dass die Bereitstellung des Kollektivgutes zwar funktioniert, aber nicht alle Mitglieder den gleichen Beitrag leisten.

3.3 Große Gruppen.

Olson definiert große Gruppen nicht explizit über die Anzahl der Mitglieder, sondern, wie schon im Kapitel zu kleinen Gruppen erwähnt, nähert er sich über andere Maßkriterien, die im Folgenden erläutert werden. In der großen Gruppe gilt, dass das gemeinsame Interesse nicht zu kollektivem Handeln führt.

Die Zahlungsbereitschaft in großen Gruppen ist nach Olson besonders gering, da die Anreize, welche in der kleinen Gruppe noch zu einer Bereitstellung des Gutes geführt haben, in großen Gruppen wegfallen.

[...]


1 Im Folgenden werden den Akteuren rationales und nutzenmaximierendes Verhalten unterstellt

2 Öffentliche Güter unterteilen sich in reine und unreine öffentliche Güter, wobei reine öffentliche Güter der Definition des Kollektivgutes entsprechen. Im Folgenden wird ein öffentliches Gut als ein reines öffentliches Gut verstanden und als Synonym für Kollektivgut verwendet.

3 Unter einem pareto-optimalen Zustand versteht man eine Situation, in der „sich durch Tausch niemand mehr verbessern kann, ohne jemand anderen schlechter zu stellen (Biesecker/Kesting 2003: 414).

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Wie kommt es zur Beitragsverweigerung für kollektive Umweltgüter und wie kann sie durch staatliche Eingriffe behoben werden?
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V459373
ISBN (eBook)
9783668904446
ISBN (Buch)
9783668904453
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bitte unter dem Synonym "Anna Höltzer" veröffentlichen
Schlagworte
Olson, Kollektivgut, Kollektivgüter, Umwelt, Beitragsverweigerung, Staatliche Subventionen, Gruppentheorie, Trittbrettfahrer
Arbeit zitieren
Anna Höltzer (Autor:in), 2012, Wie kommt es zur Beitragsverweigerung für kollektive Umweltgüter und wie kann sie durch staatliche Eingriffe behoben werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/459373

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