Die Ausarbeitung beschreibt das Leben und Wirken der Heilpädagogin Clara Maria von Oy. Diese wurde 1929 geboren und hatte durch ihren Onkel, der Arzt im Haus Hall war, ihre ersten Begegnungen mit Menschen, die Behinderungen hatten. Durch die gemeinsamen Rundgänge und Visiten kam sie zum Arbeiten in die Gruppe. Ihr Onkel begegnete seinen Klienten stets mit Akzeptanz und Wertschätzung. Er akzeptierte ihr SoSein. Seine positive, wertschätzende Haltung inspirierte sie für ihr Schaffen.
Eine Heilpädagogische Übungsbehandlung in der nicht wenigstens
- einmal herzlich gelacht wird, ist keine Heilpädagogische Übungsbehandlung.“
- (Clara Maria von Oy, Montessori-Material, 1993:127)
1. Lebensdaten / Werdegang
Clara Maria von Oy, wurde 1929 geboren.
Sie hatte durch ihren Onkel, der Arzt im Haus Hall war, ihre ersten Begegnungen mit Menschen, die Behinderungen hatten. Durch die gemeinsamen Rundgänge und Visiten kam sie zum Arbeiten in die Gruppe. Ihr Onkel begegnete seinen Klienten stets mit Akzeptanz und Wertschätzung. Er akzeptierte ihr SoSein. Seine positive, wertschätzende Haltung hatte sie inspiriert für ihr Schaffen. Clara Maria von Oy arbeitete in Hall als Erzieherin in der stationären Behindertenhilfe bzw. Kinderklinik.
1969 war sie als Professorin am Heilpädagogischen Seminar in der katholischen Fachschule für Heilpädagogik in Freiburg tätig. Mit dem ungarischen Psychologen und Theologen Alexander Sagi (1929- 1993) führte sie das Konzept der heilpädagogischen Übungsbehandlung ein.
(vgl. https://www.heilpaedagogik-info.de/entwicklungsfoerderung-2/185-geschichte-heilpaedagogische-entwicklungsfoerderung.html, 08.10.2018, 17:12)
Auffallend ist, dass selbst bei Recherchen in der Universitätsbibliothek der HU kein Bildmaterial auffindbar war, auf dem von Oy persönlich nachweislich zu sehen ist.
2. Historischer und gesellschaftlicher Kontext:
Das 20. Jh. gilt als ein sehr ambivalentes Jahrhundert in der Pädagogik, wie mit Menschen umgegangen wurde.
Von Oy war als Jugendliche, bzw. als junge Erwachsene Zeitzeugin des 2. Weltkrieges. In dieser Zeit wurden unter der Machtergreifung Hitlers 1941 per Gesetz 1933 „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ über 70.273 Behinderte systematisch deportiert und ermordet. (vgl. MOSEN 2001 in: GREVING, Handbuch der Heilpädagogik 2005: 54)
Für sie wie für einige andere Pädagogen, wie z.B. Maria Montessori, Clara Grunwald, oder Janusz Korczak waren Kinder bzw. Behinderte vollwertige Mitmenschen.
Die Erziehungsmethoden des NS-Regimes basierten auf absolutem Gehorsam, wohingegen die Individuen stärkende Montessori-Erziehung die Selbsterziehung des Kindes durch Selbsttätigkeit zum Thema hatte, was alles andere als wünschenswertes pädagogisches Leitbild unter dem NS Regime war.
Die Montessori- Häuser, die es beispielsweise auch in Berlin gab, wurden systematisch geschlossen und verboten. Menschen, die dem herrschenden darwinistischen Menschenbild des NS-Regimes nicht entsprachen, wurden deportiert.(vgl. BERGER, 2000: 64).
In von Oys Buch „Erinnerung an eine geschenkte Zeit“ geht aus dem Vorwort wie folgt hervor:
„ Dieses Buch widme ich allen Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus umgebracht wurden und den Menschen, die sie bis in den Tod begleiteten. „Wir müssen alles daran setzen, dass so etwas nie wieder geschieht“, dieses Vermächtnis übergebe ich jetzt Ihnen und den zukünftigen Generationen. Erstes Anliegen meiner Aufzeichnungen ist die Annahme der eigenständigen unverfügbaren Würde des Menschen als gleichberechtigten Partner: In der Gegenseitigkeit das Recht auf Leben mit je eigener Behinderung als lebenswert anzuerkennen – <….>“.
In ihrem Arbeiten mit Menschen lag ihr die Würde eines jeden Menschen am Herzen und so lag ihr sehr daran, beeinträchtigten Kindern einen Zugang zu sich und ihrer Welt zu ermöglichen, indem sie Kinder mittels des Spiels dazu forderte und förderte.
Wesentliche Erkenntnisse: Das Spiel als Übungsgrundlage zur Entwicklungsförderungsförderung
Das Spiel ist freiwillig und als Kind erprobt man sich im Zuge der physischen, geistigen, sozialemotionalen und sprachlichen Entwicklung, erfasst sein Umfeld und verarbeitet alle Eindrücke positive wie negative Erlebnisse. Wesentliche Teile kindlichen Lernens vollziehen sich im Spiel.(vgl. BÖCHER 2010 : 480ff)
Dies gilt für Kinder ohne Beeinträchtigungen.
Um den Entwicklungsstand der Kinder auf Besonderheiten zu erfassen, beobachtete von Oy vergleichsweise behinderte und nichtbehinderte Kinder beim freien Spiel, sowie auch beim gelenkten Spiel, im natürlichen Umfeld und im Spiel mit anderen.
Man möchte meinen, alle Kinder spielen sowieso. Von Oy kommt zur Erkenntnis, dass sich `Aktivität und Initiative beim gesunden Kind von selbst entwickeln`<...>“ (vgl. Von OY: 2002: 72) , indem es beispielsweise beim (Be)greifen von Gegenständen den Gegenstand in seiner vielfältigen Anwendbarkeit erkundet. Beeinträchtigte Kinder hingegen, scheinen gemäß der Beobachtungen von Oy je nach dem Schweregrad der Beeinträchtigung, nicht in der Lage zu sein, mit bereitgestelltem Material etwas anzufangen, bzw. es fehlt auf den ersten Blick jegliches Interesse an diesem.
Oder, sie fand oft einen stereotypen Umgang mit Gegenständen bei Kindern mit Besonderheiten vor, wie zum Beispiel das unentwegte An- und Ausschalten des Lichtschalters.
Sie erkannte, dass die Initiative, bzw. die Spielaktivität, die das gesunde Kind beim Spiel spontan entwickelt, beim beeinträchtigten Kind planvoll aufgebaut werden muss, um es in seiner Entwicklung zu fördern.
Bezüglich der verschiedenen Spielkategorien sieht dies wie folgt aus:
Funktionsspiel: Bevor das Kind greift, muss es anschauen und erkennen können, wahrnehmen können, z.B. indem das Kind einen Gegenstand anschaulich erklärt bekommt. Das Beeinträchtigte Kind muss den Gegenstand in verschiedenen Zusammenhang aufzeigt bekommen, damit es diesen zunächst erkennen kann.
Rollenspiel: Im Rollenspiel erfährt das Kind sein frühzeitig soziales Verhalten. Diese Fähigkeit ist das Non plus Ultra für seine Gemeinschaftsfähigkeit im Erwachsenenleben.
Die Voraussetzung hierbei ist die Imitation, eine Fähigkeit, die das behinderte Kind so nicht hat. Sie lernen dies durch die Übungsbehandlung im Spiel systematisch durch Imitationsspiele, um die Fantasie und Vorstellungskraft zu wecken. Hierbei kommt Tieren und Puppen eine besondere Rolle zu.
Konstruktionsspiele: Bevor ein Kind etwas bauen kann, muss es einen Gegenstand halten können. Ehe es dazu in der Lage ist, muss es greifen können. So hat von Oy beobachtet, dass gesunde Babys einen Bauklotz festhalten können, wenn man ihnen diesen gibt. Im, Alter von sieben Monaten können sie sogar in jeder Hand einen Gegenstand halten, ohne den andern dabei fallen zu lassen. Sie beginnen beide aneinander zu halten, zu vergleichen, eine wichtige Grundlage, ehe es ans Türmchen bauen geht.
Der Heilpädagoge übernimmt an dieser Stelle bei einem behinderten Kind das Vergleichen und Aneinanderreihen der Klötze, bis das Kind Freude am Gegenstand findet und seine Schaffenslust geweckt ist.
Regelspiel: Ein Kleinkind ist von seinem Entwicklungsstand nicht in der Lage mit anderen ein Spiel zu spielen. Einfache gemeinsame Spiele nach Regeln geschieht etwa ab dem dritten Lebensjahr.Sobald es fähig ist sich mit anderen in Gruppen zu spielen, erfolgt dies zunächst mit einfachen Regeln. Im fünften und sechsten Lebensjahr sind sie in der Lage Regelspiele zu spielen, die auch Wettbewerbscharakter haben. Sie üben damit sich einzusetzen, aber auch mal unterzuordnen in der Gemeinschaft, was aufgrund der Frustrationstoleranz nicht immer einfach ist. „ Der Mensch kommt durch Übung und nur durch Übung zu seiner Entfaltung“, und die Übung als solche entspringt dem Spiel. (vgl. von OY / SAGI 2002 : 77)
Eine der zentralen Aufgaben des Heilpädagogen besteht hierbei, das beeinträchtigte Kind durch das Spiel dahingehend zu begleiten, damit es „ spielend spielen erlernt und zu seiner Ich-Findung“ gelangt, was für die Auseinandersetzung mit seiner Umwelt und für die Entwicklung seiner Kenntnisse, und Fähigkeiten wichtig für das weitere Leben ist.
In der Arbeit mit Kindern eröffneten sich von Oy zunehmend die Fragen, wie behinderte Kinder im Spiel und durch das Spiel als Individuen und in ihrer Beziehung zur Gruppe gefördert werden können. Wie neue Kenntnisse, Fähigkeiten entwickelt und festigt werden.
3. Methoden und Mittel - Die Heilpädagogische Übungsbehandlung (HPÜ)
Die Heilpädagogische Übungsbehandlung (HPÜ) basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz: Der Mensch und die Entwicklung all seiner Sinne, der Mensch und sein Bezug zu sich und zu seiner Umwelt.
Von Oy lehnt stark an Maria Montessoris Materialien und Ganzheitlichkeits - Prinzipien an. Sie greift auch auf FRÖBELS Spielgaben (Würfel, Zylinder, Kegel ) zurück.
Bevor sie mit dem Kind arbeitet, ist eine mehrdimensionale Diagnose bestehend aus ärztlichen Gutachten, Gesprächen mit Angehörigen und das Erscheinungsbildes des Kindes sowie seine Interessen notwendig. Das Kind wird vorerst mittels Beobachtungskriterien, in denen das Kind in den jeweiligen Spielkategorien, wie dem Rollenspiel, Funktionsspiel, Konstruktionsspiel u.a. geprüft wird, ob es die Spielsituationen spontan, auf Aufforderung oder sinnvoll bzw. selbständig kann und in wie weit es mit Materialien umzugehen weiß. In der Auswertung wird der Entwicklungsstand ermittelt. (vgl. Oy 2002 :228-240)
Von Oy stellt die Übungseinheiten in einem Übungsplan zusammen, der dort ansetzt, wo die Entwicklungsverzögerung bzw. Entwicklungsrückstände des Kindes ersichtlich sind.
Durch regelmäßige Überprüfungen der Entwicklungsergebnisse arbeitet sie mit dem Kind die ermittelten Übungen systematisch im Spiel auf.
Dazu gestaltet sie den Raum angenehm hell, für das Kind ansprechend, so dass es sich wohlfühlt. Gegenstände stehen bereit. Mit dem Beobachtungsbogen erfasst und protokolliert sie die Ergebnisse und variiert innerhalb der Übung den Schwierigkeitsgrad.
Dazu Beispiel (vgl Oy 1993 : 33-35):
Übungsanleitung: Für das tägliche Leben zur Pflege der Person:
Wenn festgestellt wird, dass ein Kind seine Kleidung nicht zumachen kann, bzw. sich keine Schuhe binden kann, gibt es zur Unterstützung die Übungseinheit mit dem Verschlussrahmen, an welchen ein Kind herangeführt wird, zu Schleifen zu binden oder Knöpfe zu zu machen, Reißverschlüsse zu öffnen oder zu schließen.
Gegeben als Material
zum Beispiel jeweils ein quadratischer Holzrahmen zum Schleifenbinden, bei dem die Bändel links und rechts verschiedenfarbig sind.
Holzrahmen mit großen, einer mit kleinen Knöpfen
Holzrahmen zum Schnüren mit Löchern
Holzrahmen zum Schnüren mit Haken
Holzrahmen mit Reißverschlüssen
Lernziel
Das Kind soll anfangs durch einfache Handlungen, dann über komplexere Handlungen selbständig das Aus- und Anziehen beherrschen.
Es soll verschiedenerlei Verschlüsse öffnen und schließen können und Schleifen binden und lösen.
Tisch als Arbeitsplatz auf dem ein Rahmen liegt. Anleitung:
Der Heilpädagoge löst in Zeitlupe vor dem Kind die Schleifen und ordnet sie links und rechts an.
Er macht die Schleifen langsam vor. Je nach Auffassungsgabe unterstützt er das Kind und geht die Übung gemeinsam an. Ggf. mit Handführung.
Es folgt die Fehlerkontrolle. Das Kind bekommt Impulse zum Vergleichen, ob die richtigen Teile zusammengebunden wurden und ob die Schleifen richtig sind.
In dieser Übungseinheit nimmt das Kind die Materialien wahr und sich selber im Umgang mit dem Material. (Ich und Sachkompetenzen)
Das Kind lernt die Gegenstände erkennen und benennen. Die Fachkraft benennt die Gegenstände, beschreibt angemessen auf die Beeinträchtigung des Kindes den Vorgang, setzt die Impulse motivierend, indem beispielsweise in der Einführung der Spieleinheit kleine Erfolgserlebnisse machbar sind, die das Kind auch für die Spielvarianten begeistern. Die erfolgreiche Selbstwirksamkeit kann für die Motivation sehr
Steigerungsaufbau beim Schleifen binden
Sind die Schleifen im Rahmen richtig gebunden, geht es an das Schleifenbinden am Schuh, der zunächst auf den Tisch gestellt wird. Wenn diese Übung gelingt, wird das Kind sich den Schuh am Fuß selber zubinden.
Darauf folgt eine weitere Steigerung in Form von Gruppenspielvarianten: Päckchen / Geschenkboxen schnüren. Den Stofftieren bunte Schleifen umbinden. Das Kind bindet spielerisch Elerntes im gemeinsamen Spiel in der Gruppe mit ein und hat Zugang zu seinem Umfeld, tritt damit in Interaktion. (Sozialkompetenz)
4. Fazit – Ausblick der Aktualität der HPÜ
Die Bedeutsamkeit vom Spiel für Kinder in ihrer Entwicklung liegt darin, dass die leibliche und geistige Entwicklung im Spiel maßgebend gefördert werden.
Die "heilpädagogische Übungsbehandlung HPÜ“, auch als "heilpädagogische Entwicklungsförderung" bezeichnet, stellt seit nunmehr 30 Jahren einen Grundpfeiler heilpädagogischen Arbeitens dar, wodurch m.E. die Heilpädagogik sich als eigenständige Disziplin für Heilpädagogen, Erzieher und für Heilerziehungspfleger manifestierte. Bei der HPÜ stehen das Spiel und die Spieldiagnostik im Mittelpunkt, die ein wesentliches Handlungskonzept für die Heilpädagogik darstellen. Durch die gezielten Spielsequenzen der HPÜ erfahren Kinder spielerisch ihre Förderung in ihrer geistigen, emotionalen Entwicklung, als auch in der Bewegungs- Entwicklung. Das Spiel ermöglicht ihnen sie eine bessere Wahrnehmung und damit einen Zugang zu Selbst- , Sach und Sozialkompetenz, was für sie sehr hilfreich ist, weil es darum geht, möglichst viel Selbstwirksamkeit erfahren zu können und sie am Zusammenleben in der Gesellschaft umso mehr teilhaben.
5. Zusammenfassung der Ergebnisse
Von Oy integrierte mittels der Ansätze wesentliche Methoden von Maria Montessori (1890-1952) in ihre Übungsbehandlungen und ließ auch Von Seiten der Psychologie durch ihren Partner Alexander Sagi Methoden mit einfließen, die aus dem Begutachtungsverfahren der Psychiatrie stammen.
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- Quote paper
- Susanne S. (Author), 2018, Das Leben und Wirken von Clara Maria von Oy. Meilensteine heilpädagogischer Theoriebildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460010