Immer wieder liest man heutzutage von einer Partizipationskrise in der ersten Welt. Politische Partizipation, definiert als Verhaltensweisen von Bürgern / Bürgerinnen, „die sie allein oder mit anderen freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Einfluss auf politische Entscheidungen auszuüben“ (Hoecker, 1995, S. 17) wird mit Ausnahme der Wahlen nur von einer Minderheit der Bürger betrieben, die keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darstellt. Generell ist gerade die Bereitschaft zu individueller politischer Partizipation in den Staaten der ersten Welt sehr gering, wie Seifert (1999, S. 118) z.B. für Japan feststellt. Sie ist am stärksten ausgeprägt bei gebildeten Männern aus der Mittelschicht mittleren Alters. Hague & Harrop (1992, S. 158f) erklären die Unterschiede in der politischen Partizipation durch Differenzen in den politischen Ressourcen, zu denen unter anderen Geld, Zeit, Bildung und Prestige gehören. Nicht alle Individuen sind also in gleicher Weise befähigt ihren Interessen und Forderungen Nachdruck zu verleihen, was Abromeit (1993, S. 26) treffend beschreibt: „Weder sind die Individuen in der Lage, ihre objektiven Interessen richtig zu erkennen, noch verhalten sie sich zu deren Realisierung rational, und schon gar nicht sind sie durchsetzungsfähig genug, um ohne Vertretung, ohne intermediäre Organisationen auszukommen“. Dies wirft die Frage auf, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, wie auch Menschen mit wenig individuellen Ressourcen politisch partizipieren können. Nun ist die Masse der Bevölkerung als Arbeitnehmer tätig und deren Interessen werden bekanntlich von den Gewerkschaften vertreten. Besteht also nicht eine Möglichkeit der politischen Partizipation für die breite Masse darin durch die Gewerkschaften zu partizipieren, in Form einer vermittelten politischen Partizipation? Es bleibt sicherlich zu bezweifeln, ob Gewerkschaften als primär wirtschaftliche Akteure einen Einfluss auf sämtliche Politikfelder haben, wie man z.B. an dem Bereich Sicherheits- und Verteidigungspolitik erahnen kann. Aber die entscheidende Frage ist wohl, ob sie in der Lage sind in den für die Bürger wahrscheinlich wichtigsten Politikfeldern, wie der Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Gewerkschaftliche Formen der politischen Partizipation
3 Politische Partizipation der Gewerkschaften in Deutschland
3.1 Gewerkschaften im geschichtlichen und politischen Kontext
3.2 Gewerkschaftliche Partizipation in Deutschland
3.2.1 Parteibeeinflussung
3.2.2 Gespräche mit der Ministerialbürokratie
3.2.3 Teilnahme an administrativen Beratungsgremien
3.2.4 Gewerkschaftliches Druckpotential in Deutschland
3.3 Neuere Tendenzen – Gewerkschaften in der Krise?
4 Politische Partizipation der Gewerkschaften in Japan
4.1 Gewerkschaften im geschichtlichen, kulturellen und politischen Kontext
4.2 Gewerkschaftliche Partizipation in Japan
4.2.1 Parteibeeinflussung
4.2.2 Gespräche mit der Ministerialbürokratie
4.2.3 Teilnahme an administrativen Beratungsgremien
4.2.4 Gewerkschaftliches Druckpotential in Japan
4.3 Neuere Tendenzen – Gewerkschaften in der Krise?
5 Résumé und Ausblick
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Immer wieder liest man heutzutage von einer Partizipationskrise in der ersten Welt. Politische Partizipation, definiert als Verhaltensweisen von Bürgern / Bürgerinnen, „die sie allein oder mit anderen freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Einfluss auf politische Entscheidungen auszuüben“ (Hoecker, 1995, S. 17) wird mit Ausnahme der Wahlen nur von einer Minderheit der Bürger betrieben, die keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darstellt. Generell ist gerade die Bereitschaft zu individueller politischer Partizipation in den Staaten der ersten Welt sehr gering, wie Seifert (1999, S. 118) z.B. für Japan feststellt. Sie ist am stärksten ausgeprägt bei gebildeten Männern aus der Mittelschicht mittleren Alters. Hague & Harrop (1992, S. 158f) erklären die Unterschiede in der politischen Partizipation durch Differenzen in den politischen Ressourcen, zu denen unter anderen Geld, Zeit, Bildung und Prestige gehören. Nicht alle Individuen sind also in gleicher Weise befähigt ihren Interessen und Forderungen Nachdruck zu verleihen, was Abromeit (1993, S. 26) treffend beschreibt: „Weder sind die Individuen in der Lage, ihre objektiven Interessen richtig zu erkennen, noch verhalten sie sich zu deren Realisierung rational, und schon gar nicht sind sie durchsetzungsfähig genug, um ohne Vertretung, ohne intermediäre Organisationen auszukommen“. Dies wirft die Frage auf, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, wie auch Menschen mit wenig individuellen Ressourcen politisch partizipieren können. Nun ist die Masse der Bevölkerung als Arbeitnehmer tätig und deren Interessen werden bekanntlich von den Gewerkschaften vertreten. Besteht also nicht eine Möglichkeit der politischen Partizipation für die breite Masse darin durch die Gewerkschaften zu partizipieren, in Form einer vermittelten politischen Partizipation? Es bleibt sicherlich zu bezweifeln, ob Gewerkschaften als primär wirtschaftliche Akteure einen Einfluss auf sämtliche Politikfelder haben, wie man z.B. an dem Bereich Sicherheits- und Verteidigungspolitik erahnen kann. Aber die entscheidende Frage ist wohl, ob sie in der Lage sind in den für die Bürger wahrscheinlich wichtigsten Politikfeldern, wie der Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Aus diesem Grund soll nun in dieser Arbeit an den Beispielen Deutschland und Japan eben dies untersucht werden, also inwieweit die Gewerkschaften und damit in vermittelter Form auch die Arbeitnehmer im Stande sind politisch zu partizipieren.
Um diese Frage zu beantworten sollen in einem ersten Schritt die verschiedenen Möglichkeiten der Partizipation für Gewerkschaften vorgestellt werden (2.) bevor im weiteren Verlauf der Arbeit die Beispielstaaten Deutschland (3.) und Japan (4.) im Hinblick auf diese Möglichkeiten analysiert werden. Wir beginnen die Untersuchung jeweils mit einer kurzen Einordnung der Gewerkschaften in den geschichtlichen, kulturellen und politischen Kontext (3.1 / 4.1), fahren fort mit der konkreten Analyse, inwieweit die Gewerkschaften in der Lage sind Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen (3.2 / 4.2) und schließen dann die Untersuchung mit einem Blick auf die neueren Entwicklungen und Tendenzen ab (3.3 / 4.3). Zu guter letzt werden dann in einem kurzen Résumé noch einmal die wichtigsten Grundgedanken zusammengefasst.
2 Gewerkschaftliche Formen der politischen Partizipation
Im Grunde lassen sich Gewerkschaften als Interessensverband, genauer als Interessensverband der Arbeitnehmer bezeichnen. Seifert (1999, S. 120) unterscheidet hinsichtlich verbandlicher Partizipation drei Möglichkeiten: a) die Beeinflussung der Parteien, sowohl der Oppositionsparteien, als auch der Regierungspartei(en), zum einen mittels Wahlunterstützung, zum anderen durch direkte Gespräche, b) Gespräche mit der Ministerialbürokratie, c) Teilnahme an den administrativen Beratungsgremien. Unabhängig davon bleibt die Möglichkeit Druck von außen auf die Regierung auszuüben als ein nicht zu unterschätzender Einflussfaktor, der gerade in Verbindung mit den genannten Formen gewerkschaftlicher Partizipation sehr effektiv sein kann.
3 Politische Partizipation der Gewerkschaften in Deutschland
In diesem Kapitel soll nun geklärt werden, ob bzw. in welchem Maße Gewerkschaften in Deutschland politisch partizipieren. Zunächst beginnen wir mit einer Einordnung der Gewerkschaften in den geschichtlichen und politischen Kontext.
3.1 Gewerkschaften im geschichtlichen und politischen Kontext
Die im Zuge der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts aufstrebende Arbeiterbewegung brachte in den 1860ern die ersten Gewerkschaften hervor. Im Jahre 1875 entstand in Gotha die sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die sich aufgrund ihrer inhaltlichen Übereinstimmungen mit den Gewerkschaften der Sympathie und der Mitarbeit vieler Gewerkschafter erfreute (vgl. http://www.dgb.de/dgb/geschichte/bewegtez/bewegte_zeiten.htm). Aufgrund des so genannten Sozialistengesetzes wurden von 1878 bis 1890 sowohl die Gewerkschafter als auch die ihnen nahe stehenden Sozialdemokraten vom Staat verfolgt, was ihre Popularität jedoch weiter steigerte. Der Aufschwung der Gewerkschaften (und der Sozialdemokraten) gipfelte in der Weimarer Republik in ihrer gesetzlichen Anerkennung als Vertreter der Arbeit. Gewerkschafter rückten plötzlich in Staatsämter auf, wichtige Gesetze trugen ihre Handschrift und der Sozialstaat nahm seine heutigen Formen an. Dramatische Vertrauens- und Mitgliederverluste in der Weltwirtschaftskrise verdeutlichten jedoch die Grenzen gewerkschaftlichen Einflusses. Mit dem nachfolgenden Aufstieg Hitlers endete vorerst die Zeit der Gewerkschaften.
Der große Vorteil der deutschen Gewerkschaften bei ihrer Neugründung 1945 lag nun darin begründet, dass sie in der Weimarer Republik bereits wichtige Erfahrungen gesammelt hatten, aus denen sie jetzt die Konsequenzen ziehen konnten. Um eine politische Zersplitterung in miteinander konkurrierende Richtungsgewerkschaften wie in der Weimarer Republik zu vermeiden, wurde nun das Einheitsverbandprinzip gewählt (DGB), einzig die deutsche Angestelltengewerkschaft DAG scherte aus dem Prozess der DGB-Gründung aus. Existierten in der Weimarer Republik hauptsächlich Berufsgewerkschaften, wodurch in einem Unternehmen oft mehrere Gewerkschaften nebeneinander bzw. teilweise sogar gegeneinander arbeiteten, so sind die Gewerkschaften heute nach dem Industrieverbandsprinzip „Ein Betrieb – Eine Gewerkschaft“ organisiert. Die Gewerkschaften bekannten sich zudem zur parteipolitischen Unabhängigkeit, lehnten die Forderungen nach Neutralität jedoch ab (vgl. http://www.dgb.de/dgb/geschichte/bewegtez/bewegte_zeiten.htm). So standen bzw. stehen sich die Gewerkschaften und die SPD aufgrund der gemeinsamen Wurzeln immer noch sehr nahe.
Die Historie der Gewerkschaften und die sich daraus ergebenden Konsequenzen hatten nun unmittelbare Auswirkungen auf die politischen Einflussmöglichkeiten der Gewerkschaften, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden.
3.2 Gewerkschaftliche Partizipation in Deutschland
In diesem Abschnitt sollen nun die vorhin genannten Möglichkeiten verbandlicher Partizipation im Hinblick auf die deutschen Gewerkschaften erörtert werden. Zusätzlich werden wir am Schluss des Kapitels kurz das Druckpotential der Gewerkschaften untersuchen.
3.2.1 Parteibeeinflussung
Wie im vorigen Kapitel bereits erwähnt haben sich die Gewerkschaften der parteipolitischen Unabhängigkeit verschrieben, was bedeutet, dass es keinen Aufruf zur Unterstützung einer bestimmten Partei gibt. Aufgrund der gemeinsamen historischen Wurzeln und der inhaltlichen Übereinstimmungen stehen sie jedoch traditionell der SPD sehr nahe und haben auf diese Weise einen erheblichen Einfluss auf die Partei (vgl. Schroeder, 2003, S. 12). So gehört zum einen die Arbeiterklasse zu der Stammwählerschaft der SPD, zum anderen gehören viele SPD-Mitglieder und –abgeordnete einer Gewerkschaft an, wodurch auch eine personelle Verbindung zwischen beiden besteht. Auf diese Weise werden gewerkschaftliche Themen und Forderungen bei den Zielformulierungen der Partei regelmäßig eingebracht, direkte Gespräche zwischen der Partei und den Gewerkschaften gehören zur Tagesordnung.
Der Einfluss der Gewerkschaften auf andere Parteien ist jedoch eher als gering zu bezeichnen.
3.2.2 Gespräche mit der Ministerialbürokratie
Für die Gewerkschaften ist es nicht gleichgültig, welche Partei die Regierung stellt. Während bei CDU/FDP-Regierungen die Gewerkschaften nur indirekt und informell als Gesprächspartner konsultiert werden, praktiziert die SPD bislang auch direkte Formen der Beteiligung, wie z. B. beim Bündnis für Arbeit (vgl. Schroeder, 2003, S. 12). Ob bzw. wie häufig Gespräche zwischen den Gewerkschaften und der Ministerialbürokratie stattfinden hängt demnach stark von der Regierungspartei ab. Aus diesem Grund hatten die Gewerkschaften hinsichtlich ihrer politischen Partizipation ihre goldenen Jahre zur Zeit der sozial-liberalen Koalition, als Gewerkschafter im Kabinett der Regierung saßen und daher ein reger Austausch zwischen der Regierung und den Gewerkschaften stattfand. Diese Phase konnten die Gewerkschaften u. a. für den Ausbau des Sozialstaats nutzen, der maßgeblich auf sie zurückfällt. Jedoch auch zu Zeiten CDU-geführter Regierungen konnte der Ausbau des Sozialstaates, geprägt von gewerkschaftlichen Forderungen, Vorschlägen und Mobilisierungskampagnen, fortgesetzt werden (vgl. Wiesenthal & Clasen, 2003, S. 4).
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- Arbeit zitieren
- Christian Klaas (Autor:in), 2004, Politische Partizipation der Gewerkschaften in Deutschland und Japan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46006
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