Nur schwer verkrafteten die politischen Eliten und das breite Volk nach dem Untergang des Sowjetimperiums 1991 den Verlust der eigenen Führungsposition auf dem asiatischen Kontinent und in Europa. Je schwerer die wirtschaftlichen Belastungen unter der postsowjetischen Konstruktion eines freiheitlichen Systemes wurden, umso mehr sehnte man sich nach der vermeintlichen Stabilität im Zeitalter der UdSSR.
Nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage in der ehemaligen Sowjetrepublik Belarus, die das Zerbrechen der arbeitsteiligen Wirtschaftsströme des Kommunismus mehr als alle anderen Staaten in Mitleidenschaft zog, traten Moskau und Minsk erneut in eine Union. Diese sollte im Rahmen einer sehr engen, über die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) hinausgehenden Partnerschaft durchgeführt werden. Diese Union hat eine Entwicklung erfahren, die mit dem Amtsantritt des russischen Präsidenten Vladimir Putin im Jahr 2000 eine wesentliche Zäsur erhielt.
Die Kernfrage ist, ob es sich bei der Union zwischen Belarus und Russland um einen putinschen Prototypen für die Beziehungen zum Fernen Inland handeln könnte oder um einen Einzelfall, nur möglich aufgrund langer gemeinsamer Traditionen von Weißrussen und Russen. Dabei wird der Begriff des Fernen Inlands bewusst als Gegenpol zum Nahen Ausland geprägt, denn in der russländischen Gesellschaft ist die Ansicht verbreitet, dass die nach 1991 aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staaten originär russisches Territorium seien und nicht eigenständig bleiben dürften.
Die vorliegende Arbeit erläutert daher die historische Entwicklung der weißrussisch-russischen Union und stellt die Beteiligten der Führungsebenen und deren Ziele dar. Danach wird die Phase unter der Herrschaft Putins näher beleuchtet, wobei die Themenkomplexe Sowjetromantik, Sicherheitskonzepte, die Außenpolitik und zuletzt die Rohstoffpolitik betrachtet werden. Die Trennung erfolgt einerseits aus inhaltlichen Gründen, andererseits wegen der zeitlichen Periodisierung, da die oben genannten Themen gleichzeitig auch vier aufeinanderfolgende Phasen der Politik Putins gegenüber seinem Unionspartner darstellen.
Als Kandidaten für die Übertragbarkeit des weißrussischen Prototypen werden die Ukraine sowie die Staaten des Kaukasus und Zentralasiens angeführt. Zu bewerten ist für diese Staaten, ob sich Putins Umgang mit dem Fernen Inland zu einem multilateralen Kurs bezüglich des Staatenumfeldes der Russländischen Föderation fortentwickeln könnte.
Inhaltsverzeichnis
- Das Ferne Inland als Gegenbegriff zum Nahen Ausland
- Russland und Belarus vor der Präsidentschaft Putins
- Rote Brüder nach Rotem Zeitalter: ein historischer Überblick
- Miteinander gegeneinander: Akteure und Ziele
- Die Entwicklung der Beziehungen unter Putin
- Das Ende der Romantik
- Sicherheitspolitik
- Außenpolitik
- Rohstoffpolitik
- Modellcharakter für das Ferne Inland?
- Übertragbarkeit der Unionsloyalität
- Kandidaten: Ukraine, Kaukasus, Zentralasien
- Unikum oder Modellversuch?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und Belarus seit dem Ende der Sowjetunion. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, inwiefern die enge Union zwischen beiden Ländern unter der Herrschaft von Präsident Putin als Modell für Russlands Beziehungen zum "Fernen Inland" - einem Begriff, der den Großteil der ehemaligen Sowjetrepubliken beschreibt - dienen kann.
- Der Aufstieg Putins und seine Auswirkungen auf die russisch-weißrussische Beziehung
- Die Rolle der Sicherheitspolitik und der Außenpolitik in der Beziehung
- Die Bedeutung von Rohstoffen für die Beziehungen zwischen Russland und Belarus
- Die Frage der Übertragbarkeit des weißrussischen Modells auf andere Staaten des "Fernen Inlandes"
- Der Vergleich der "russischen Sichtweise" auf das "Nahe" und das "Ferne Inland"
Zusammenfassung der Kapitel
I. Das Ferne Inland als Gegenbegriff zum Nahen Ausland
Dieses Kapitel führt den Begriff des "Fernen Inlandes" ein, der im Gegensatz zum "Nahen Ausland" die russische Sichtweise auf die ehemaligen Sowjetrepubliken als potenziell russisches Territorium widerspiegelt. Es werden die historischen Hintergründe für diese Sichtweise beleuchtet, die eng mit dem Verlust der russischen Führungsrolle nach dem Ende der Sowjetunion verbunden ist.
II. Russland und Belarus vor der Präsidentschaft Putins
Dieser Abschnitt gibt einen historischen Überblick über die Beziehungen zwischen Russland und Belarus seit dem Zerfall der Sowjetunion. Er beleuchtet die Anfänge der Zusammenarbeit im Rahmen der GUS und die Entstehung einer engen Union zwischen beiden Ländern. Es werden die wichtigsten Akteure auf Führungsebene und deren jeweilige Ziele vorgestellt.
III. Die Entwicklung der Beziehungen unter Putin
Dieses Kapitel analysiert die Entwicklung der russisch-weißrussischen Beziehungen unter der Herrschaft von Präsident Putin. Es werden die verschiedenen Phasen der Beziehung beleuchtet, die durch unterschiedliche Schwerpunkte in den Bereichen Sicherheitspolitik, Außenpolitik und Rohstoffpolitik geprägt sind.
IV. Modellcharakter für das Ferne Inland?
Hier werden die Kernfragen der Arbeit behandelt. Es wird untersucht, ob die enge Union zwischen Russland und Belarus ein Modell für Putins Politik gegenüber anderen Staaten des "Fernen Inlandes" darstellt. Dazu werden die Übertragbarkeit des belarussischen Modells auf andere Staaten sowie die Frage der Eignung der einzelnen Länder für eine solche Union analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Russland, Belarus, Sowjetunion, "Fernes Inland", "Nahes Ausland", politische Beziehungen, Sicherheitspolitik, Außenpolitik, Rohstoffpolitik, Putin, Unionsloyalität, Modellcharakter, Imperialismus.
- Quote paper
- Nico Nolden (Author), 2005, Das System Putin: Alte Macht mit neuen Mitteln - Der Umgang mit dem "Fernen Inland" vom Ende der Sowjetunion bis zur Gegenwart am Beispiel von Belarus 1991-2005, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46021