EXIT, DIGNITAS & Co. Organisierte Freitodbegleitung als neue Sterbekultur?


Masterarbeit, 2016

201 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Zentrale Fragestellungen

2 Allgemeine Begriffsbestimmungen und rechtliche Darlegung
2.1 Formen der Sterbehilfe und allgemeine Begriffsbestimmungen
2.1.1 Sterbehilfe
2.1.1.1 Passive Sterbehilfe
2.1.1.2 Aktive Sterbehilfe
2.1.2 Palliative Care
2.1.3 Suizid
2.1.3.1 Affektsuizid
2.1.3.2 Bilanzsuizid
2.1.4 Beihilfe zum Suizid
2.1.5 Sterbefasten
2.1.6 Selbstbestimmung, Freiverantwortlichkeit, Urteilsfähigkeit
2.2 Rechtliche Grundlagen zur Sterbehilfe in der Schweiz und Deutschland
2.2.1 Deutschland
2.2.1.1 Strafrechtliche Betrachtung
2.2.1.2 Standesrechtliche Regelungen zur Suizidbeihilfe
2.2.2 Schweiz
2.2.2.1 Strafrechtliche Betrachtung
2.2.2.2 Standesrechtliche und normative Regelungen zur Suizidbeihilfe

3 Methodik zur Umsetzung
3.1 Literaturanalyse
3.2 Explorative Experteninterviews
3.2.1 Leitfaden und Frageformulierungen
3.2.2 Expertenauswahl und Interviewanfrage
3.2.3 Durchführung und Auswertung
3.2.4 Güte- und Qualitätskriterien
3.2.5 Ergebnisse der Experteninterviews

4 Organisierte Sterbehilfeorganisationen
4.1 EXIT
4.2 DIGNITAS
4.3 lifecircle und die Stiftung Eternal SPIRIT
4.4 Sterbehilfe Deutschland e.V. (StHD)
4.5 EX International
4.6. Zusammenfassung & Überblick Sterbehilfeorganisationen
4.7 Freitodbegleitung
4.7.1 Voraussetzungen
4.7.2 »Provisorisches grünes Licht« und Durchführung
4.8 Kritik am Procedere

5 Organisierte Sterbehilfe als neue Sterbekultur?
5.1 Folgen von Suizid und Suizidversuchen
5.2 Grenzen der palliativen Versorgung
5.3 Das Recht auf den selbstbestimmten würdigen Tod
5.4 Kommerzialisierung und Dammbruchargumente
5.5 Letzte Reise mit dem Ziel Schweiz – Phänomen „Sterbetourismus“

6 Kritische Diskussion

7 Ergebnis und eigene Stellungnahme

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang XXI
Anlage I - Interviewleitfaden
Anlage II - Auflistung Expertenauswahl
Anlage III - Schriftliches Interview & Auswertung Herr RA Wolfgang Putz
Anlage IV – Schriftliches Interview & Auswertung Herr Kaufmann
Anlage V – Schriftliches Interview & Auswertung Herr Dr. iur. Brunner
Anlage VI - Telefoninterview & Auswertung Herr Dr. med. Bosshard
Anlage VII – Telefoninterview & Auswertung Frau Dr. med. Preisig
Anlage VIII – E-Mail Frau Dr. med. Preisig
Anlage IX - E-Mail-Antwort DIGNITAS vom 15.08.2016
Anlage X – Allgemeine Informationsbroschüre EX International
Anlage XI – Statuten EX International
Anlage XII – Geleitwort zur Gründung - Prof. Dr. med. Hackethal
Anlage XIII - Satzung des Vereins Dr. Roger Kusch Sterbehilfe e.V.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Übersicht Arten der Sterbehilfe und Suizidformen

Abb. 2: Flussdiagramm Literaturanalyse

Abb. 3: Interviewanfrage

Abb. 4: Zusammenfassung und Überblick Sterbehilfeorganisationen (S.75-77)

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Auswahl Experten zur Interviewanfrage

Tab. 2: Zusammenfassung Interview-Analysen

Tab. 3: beispielhafte Aufschlüsselung der Kosten einer Freitodbegleitung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

« Wenn du imstande bist, dem Leben ins Gesicht zu lachen, erhältst du Macht über die Welt; genau wie derjenige, der darauf vorbereitet ist zu sterben. »

Anthony de Mello

1 Einleitung

Die Debatte um die Selbstbestimmung am Lebensende, vor allem wenn diese Selbstbestimmung Ausdruck in der Entscheidung zur Lebensbeendigung findet, ist nicht nur in Deutschland seit Jahren kontrovers diskutiert. Die jüngste Reaktion in Deutschland in dieser Debatte war die Verabschiedung des § 217 StGB1, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Vorlage hierfür waren die Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz und die mit DIGNITAS 2005 auch in Deutschland gegründete deutsche Sektion. Von diesem Zeitpunkt waren die Bemühungen der Politik auf ein Verbot der Tätigkeit zur Suizidbeihilfe im Sinne o.g. Organisationen hinzuwirken, in teils recht unterschiedlicher Intensität vorhanden.2 Ein ebenfalls 2005 durch die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) in Auftrag gegebenes Gutachten untersuchte unabhängig von der Existenz und Tätigkeit einer Sterbehilfeorganisation die Frage, ob „…in Deutschland ein Suizid von den ersten Vorbereitungshandlungen bis zum Versterben des Suizidenten legal begleitet werden [kann], wenn ja, in welcher Form und durch welche Personen?“3. Das Gutachten kam in Summe der Zusammenschau von stattgehabten Rechtsprechungen zu Suizidfällen, der damals neueren Rechtsprechung zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsrecht und Behandlungsabbruch zu dem Ergebnis, dass die 2005 geltende Rechtslage unter sorgfältiger Betrachtung verschiedener Kriterien einer Suizidbegleitung „…vom Anfang bis zum Ende…“4 strafrechtlich nicht entgegen stand.5 Die rechtlichen Voraussetzungen waren also unabhängig von der Existenz einer Sterbehilfeorganisation bereits gegeben, aber den wenigsten wohl in ihrer Bedeutung bewusst. Klarer hingegen wurde das Bewusstsein für die Vor- aber auch Nachteile medizinischer High-Tech-Versorgung, die jedem durch das in Deutschland vorhandene Gesundheitssystem zur Verfügung stand, ob er wollte oder nicht. Die Grundannahme war, jedes Leben unter Einsatz aller verfügbaren Mittel zu erhalten ohne prüfend den Willen des Patienten oder die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen zu hinterfragen. Kritiker unterstellen dem Gesundheitssystem und Ärztefunktionären an dieser Stelle überwiegend monetäre Motive.6 Das Patientenverfügungsgesetz und das Patientenrechtegesetz waren 2009 und 2013 hart erkämpfte Meilensteine auf dem Weg hin zu mehr Beachtung und Achtung des Willens des Patienten, auch wenn dieser sich nicht mehr äußern konnte und dies den vorzeitigen oder in manchen Fällen endlich den Tod desselbigen zur Folge hatte.7 Bedingung hierfür war und ist immer noch, sich in das System aus Krankenbehandlung und Pflege zu begeben, was angesichts der unerlässlich weiterbehandelnden Ärzte und Missständen in der Pflege für immer mehr Menschen keine Option ist. Sie suchen nach anderen Möglichkeiten, die die Wahrung der Selbstständigkeit und Würde ermöglichen, insbesondere dann, wenn es um die lebensbegleitende Frage nach dem eigenen Sterben geht.

Wie also geht man mit den sich verändernden Bedürfnissen der Menschen nach Selbstbestimmung, vor allem in der Hinsicht auf einen klar überlegten Sterbewunsch bei krankheitsbedingt reduzierter Lebenserwartung um? Muss das Leid unter allen Bedingungen tatsächlich bis zu Letzt ertragen werden oder ist es nicht doch eine nur logische und legitime Überlegung, zu einem Zeitpunkt, an dem die persönliche Leidensgrenze erreicht ist, geplant und mit Hilfe Dritter aus dem Leben zu scheiden?

Seit Jahren fahren Menschen aus aller Welt8, vorranging jedoch aus Deutschland in die Schweiz, um ihrem durch Krankheit begrenzten oder unerträglich eingeschränktem Leben mit Hilfe der dort ansässigen Sterbehilfeorganisationen durch einen begleiteten Suizid ein Ende zu setzen. Neben der schweizerischen Rechtslage, die begleitete Suizide unter bestimmten Bedingungen erlaubt, werden sowohl die Motivation der Organisationen als auch der Menschen, die eine Suizidbegleitung beanspruchen, im Hinblick auf die Richtigkeit und Notwendigkeit eines solchen Angebots kontrovers diskutiert. Findet die Selbstbestimmung am Lebensende vielleicht durch organisierte Sterbebegleitung in einer so definierten neuen »Sterbekultur« ihren Ausdruck?

1.1 Zielsetzung

Um diese Diskussionsfragen aufzugreifen, soll das Ziel dieser Masterarbeit sein, ein umfassendes Bild der aktuell gültigen Rechtslage in Bezug auf Sterbehilfe, Suizid und Suizidbegleitung in der Schweiz und Deutschland zu erarbeiten. Zudem werden die fünf bekannten Sterbehilfeorganisationen EXIT, DIGNITAS, lifecircle mit der Stiftung Eternal SPIRIT, EX International und Sterbehilfe Deutschland e.V. eingehend betrachtet. Die detaillierte Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden Begrifflichkeiten und den Organisationen mit deren Entstehung, Zielsetzungen und Tätigkeiten soll ein Grundverständnis schaffen, das in der Folge die Diskussion über die vorgebrachten Kritikpunkte hinsichtlich der Kommerzialisierung, Missbrauchs- und Dammbruchargumente und der Selbstbestimmung auch am Lebensende ermöglicht. Insbesondere soll analysiert werden, welche Rolle der Freitodbegleitung hinsichtlich der Kommerzialisierung und Gewinnorientierung zukommt und weshalb die Politik in Deutschland so sehr auf ein Verbot der Freitodbegleitung beharrt, wohlwissend, dass durch Suizide und Suizidversuche jedes Jahr ein wirtschaftlicher Schaden in Millionenhöhe zu beklagen ist. Hinterfragt wird auch, welche Ursachen dazu führen, dass jedes Jahr mehrere hundert Menschen auch aus Deutschland in die Schweiz reisen um dort ihrem Leben mit Hilfe der Sterbehilfeorganisationen ein Ende zu setzen. Ist dies nur der „Reiz“ des Angebotes oder ist es eine Flucht derjenigen, die ihren Sterbenswunsch nicht allein umsetzen wollen oder können und denen die Hilfe zum geplanten Freitod in Deutschland strafrechtlich und mitunter auch moralisch verweigert wird?

1.2 Zentrale Fragestellungen

Daraus ergeben sich die zentralen Fragestellungen dieser Thesis:

1) Welchen Einfluss nimmt die organsierte Freitodbegleitung in der Schweiz auf die Liberalisierung und Enttabuisierung des Bilanzsuizides in der deutschen Gesellschaft und Politik?
2) Wie sind die finanziellen Forderungen der Sterbehilfeorganisationen an eine Mitgliedschaft und Freitodbegleitung in den Kontext ihres caritativen Handelns einzuordnen?
3) Ist das Phänomen des Sterbetourismus Folge der (schweizerischen) Dienstleistungen zur Freitodbegleitung und welche Bedeutung muss ihm beigemessen werden?

Im Ergebnis der Analysen und fachlichen Erarbeitungen soll die kritische Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten die Forschungsfragen hinreichend beantworten und Anstöße für künftige, vielleicht richtungsweisende Diskussionen geben.

In dieser Arbeit geht es zu allererst um die organisierte Suizidbegleitung im Rahmen der Tätigkeit der Sterbehilfeorganisationen. In der Diskussion um die allgemeine Suizidbegleitung ist ein großer Themenschwerpunkt der ärztlich assistierte Suizid, der in einigen Facetten der hier zu Grunde liegenden Diskussion sehr ähnlich, jedoch nicht Bestandteil der Tätigkeit der untersuchten Organisationen ist. Der ärztlich assistierte Suizid ist mithin gleichfalls ein sehr komplexes Thema, dessen Betrachtung innerhalb dieser Arbeit nicht ausreichend Aufmerksamkeit zukommen kann, ohne den Rahmen dieser Arbeit zu sprengen oder den Fokus auf die Tätigkeit der Organisationen zu verlieren. Daher wird das Thema ärztlich assistierter Suizid explizit von dieser Arbeit ausgenommen, bei weitergehendem Interesse hierzu soll jedoch das sehr ausführliche Werk von Kallia Gavela „Ärztlich assistierter Suizid und organisierte Sterbehilfe“ und der Aufsatz von Tanja Henking „Der ärztlich assistierte Suizid und die Diskussion um das Verbot von Sterbehilfeorganisationen“ für eine erste Orientierung im Thema empfohlen werden.

2 Allgemeine Begriffsbestimmungen und rechtliche Darlegung

In die Debatte um die Thematik der Sterbehilfe haben diverse Begriffe Eingang gefunden, deren richtiggehende Verwendung in der öffentlichen und politischen Debatte als auch der akademischen Diskussion nicht abschließend definiert werden konnte. Gründe hierfür sind neben differierenden ethischen Überlegungen und moralischen Einstellungen auch die primär auf und in Deutschland einwirkende nationalsozialistische Vergangenheit, die die Stigmatisierung des antiken griechischen Begriffs „Euthanasia“ zur Folge hatte. Die ursprüngliche inhaltliche Auslegung dieses Wortes war die eines schönen, leichten, schmerzfreien oder schnellen Todes.9 Nach dem 2. Weltkrieg wurde als Synonym der Begriff Sterbehilfe in Deutschland platziert, gleichwohl auch dieser Begriff nationalsozialistisch gebräuchlich war. In der Literatur besteht auf Grund dessen auch kein Konsens darüber, inwiefern der Begriff Sterbehilfe tatsächlich eine ausreichende ethisch-moralische Abgrenzung zum Nationalsozialismus schafft.10 In der gesellschaftlichen und politischen Diskussion fanden diese Überlegungen weniger Raum und der Begriff wird heute vorwiegend verwandt, auch wenn die eingangs genannten unterschiedlichen inhaltlichen Auslegungen damit einhergehen. Für die nachfolgenden Ausführungen werden die häufig in der Debatte genutzten Fachbegriffe näher ausgeführt und vorangestellt, dass für die vorliegende Arbeit der Begriff der Sterbehilfe nur im aktuellen politisch-gesellschaftlichen Kontext gesehen wird.

2.1 Formen der Sterbehilfe und allgemeine Begriffsbestimmungen

2.1.1 Sterbehilfe

Als Sterbehilfe wird ganz allgemein jene Hilfe bezeichnet, die einem schwer erkrankten Menschen auf seinen Wunsch hin bzw. auf seinen mutmaßlichen Willen basierend geleistet wird, um ihm einen nach seinen Vorstellungen und Bedürfnissen entsprechenden Sterbeprozess und menschenwürdigen Tod zu ermöglichen.11 Wesentliche Merkmale der Sterbehilfe sind damit, dass die Handlungen auf dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Sterbenden basieren und durch eine andere Person in unterschiedlicher Handlungsteilnahme ausgeführt werden. Grundlage der Sterbehilfe ist, dass der Patient das Recht hat, über sein Leben und in Folge auch über die Lebensbeendigung zu bestimmen.12

Die Sterbehilfe wird weiter differenziert und dabei abhängig von der Handlungshoheit und -ausführung von Suizidenten und anderer Beteiligter in die passive Sterbehilfe und die aktive Sterbehilfe mit der direkten oder indirekten Ausprägung des Handelns unterschieden.

2.1.1.1 Passive Sterbehilfe

Die passive Sterbehilfe zeichnet sich im Wesentlichen durch den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder den Abbruch begonnener Behandlungen aus.13 Die „passive“ Ausprägung ist dabei nicht im originären Sinne des Nicht-tuns zu verstehen, sondern geht tatsächlich regelmäßig mit einer Handlung in Form der Nicht-Einleitung (Unterlassen) oder des Therapieabbruchs (aktives Handeln) einher. Auslöser hierfür sind zum einen der originäre Patientenwille, die einvernehmliche Entscheidung von Arzt und Patient unter Beurteilung der aussichtslosen Situation oder wenn das Ende der ärztlichen Behandlungspflicht14 eintritt, das durch die Feststellung eines unheilbaren Leidens, das einen unumkehrbaren Verlauf genommen hat und in kürzester Zeit zu Tode führen wird, gekennzeichnet ist. Die Bundesärztekammer beschreibt diese Entscheidung am Lebensende als Änderung des Therapie- bzw. Behandlungsziels.15 In der Literatur wird die passive Sterbehilfe durchaus variabel in Form von Sterbebegleitung, Zulassen des Sterbens, Therapiebegrenzung oder Behandlungsabbruch umschrieben.16 Hierunter fällt nicht nur der Abbruch von Dialyse oder künstlicher Ernährung, sondern nach aktueller Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs17 auch die Einstellung der künstlichen Beatmung. In der Vergangenheit wurde der Vorgang des „Abschaltens“ als ein aktives Tun gewertet, was in direkter Konsequenz den Tod des Patienten zur Folge hatte und daher als aktive Sterbehilfe interpretiert wurde. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wird durch die Unterlassung oder den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen jedoch keine Tötungshandlung im Sinne aktiver Sterbehilfe begangen, sondern vielmehr der natürliche Verlauf einer ohne Behandlung zum Tode führenden Erkrankung zugelassen (Nicht-Einleitung) bzw. wieder in Gang gesetzt (Behandlungsabbruch).18

2.1.1.2 Aktive Sterbehilfe

Die aktive Sterbehilfe beschreibt zunächst die gezielte Lebensbeendigung eines Patienten durch ein aktives Tun.19 Wichtig ist im Folgenden jedoch die Differenzierung zwischen direkter und indirekter aktiver Sterbehilfe, da dies erhebliche strafrechtliche Unterschiede nach sich zieht. (s. hierzu Kapitel 2.2)

Direkte aktive Sterbehilfe

Die bewusst gezielte und aktive Tötung eines sich in der Sterbephase befindlichen Patienten entweder aus Mitleid und Leidenserlösung (Vorsatz) oder auf Wunsch des Patienten (Tötung auf Verlangen) wird als direkte aktive Sterbehilfe bezeichnet. Dabei besteht zwischen der Gabe von Medikamenten in Überdosis (aktives Tun) durch einen Dritten (Arzt, Helfer) und dem Eintritt des Todes des Patienten ein kausaler Zusammenhang.20

Indirekte aktive Sterbehilfe

Die indirekte aktive Sterbehilfe ist ebenfalls durch die aktive Handlung Dritter gekennzeichnet, jedoch unter der Maßgabe, mit der Medikamentengabe in erforderlich hoher Dosis eine wirksame Schmerz- und Symptomlinderung oder Sedierung zu erreichen. Die damit ggf. einhergehende Verkürzung der Überlebenszeit des Patienten ist hier nicht primäres Ziel, wird jedoch als „Nebenwirkung“ wissentlich in Kauf genommen.21 Die wirksame Linderung des Leidens Sterbender wird durch die Bundesärztekammer in den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung als herausragendes Ziel definiert, dass „…so im Vordergrund stehen [kann], dass eine möglicherweise dadurch bedingte unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf.“22 Definitionsgemäß verstirbt der Patient bei der indirekten aktiven Sterbehilfe damit zunächst ursächlich an seiner Grunderkrankung, auch wenn die Schmerz-und Symptombehandlung überlebensverkürzenden Einfluss haben kann.

2.1.2 Palliative Care

Palliativ Care ist die Bezeichnung für ein international anerkanntes umfassendes Konzept zur Betreuung von Menschen mit lebensbedrohlichen, in der Regel nicht heilbaren Erkrankungen, die mittel- und kurzfristig zum Tode führen. Im Fokus der möglichst frühzeitig im Erkrankungsverlauf beginnenden Betreuung von Patient und Angehörigen stehen neben einer adäquaten Schmerz- und Symptomlinderung auch die Unterstützung zur möglichst aktiven Lebensgestaltung bis zum Tode, und die psychologische und spirituelle Betreuung während der Erkrankung und in der Trauerphase.23 Ein Hauptanliegen ist auch die Verbesserung der Lebensqualität während der vielfältigen Behandlungen und eine möglichst lindernde Kontrolle der Nebenwirkungen in der Erkrankungs- und letztlich Sterbephase, wobei Palliativ Care das Sterben als natürlichen Prozess ansieht und bis zum Tode ein lebensbejahendes Grundverständnis vermittelt. Palliative Care führt damit ärztliche und nichtärztliche Disziplinen24 frühzeitig in einem ganzheitlichen, an die Bedürfnisse des Patienten orientierten Konzept zusammen, ist dabei in seinen Maßnahmen jedoch weder auf die Verkürzung noch Verlängerung der Überlebenszeit ausgerichtet.25

2.1.3 Suizid

Suizid ist die Bezeichnung für eine Handlung, durch die ein Mensch sein Leben absichtlich beendet. Gebräuchlich sind auch die Begriffe Freitod, Selbsttötung, Selbstmord und die Differenzierung in Bilanz- und Affektsuizide, was in der Literatur, psychiatrischen Fachwelt und Rechtsprechung jedoch kritisch diskutiert wird.26 Der Begriff des Suizids und der Selbsttötung stellen eine neutrale Bezeichnung dar, mit dem Freitod hingegen wird eine eher positive Bewertung der Handlung suggeriert und der inhaltlich nicht korrekte Begriff des Selbstmords27 suggeriert eine negative Wertung.28

Gesellschaftlich wird der Freitod als eine Handlung interpretiert, die aus freien und überlegten Willen erfolgte und das Resultat der Wahl zwischen dem Weiterleben oder Sterben und damit Ausdruck der Selbstbestimmung des Menschen über sein Leben ist. Wissenschaftlich wird diese Sichtweise stark kritisiert, da ein Suizid zwar durchaus im Besitz der vollen persönlichen Entscheidungsfähig und -willigkeit erfolgen kann, der weitaus größere Teil der Suizidenten jedoch durch psychosoziale Störungen oder Krankheit unterschiedlichster Couleur in Hinblick auf die Wahrnehmung, das Denken, Fühlen und Handeln eingeengt und damit in der Freiheit zur Entscheidung deutlich beeinflusst und eingeschränkt ist.29

2.1.3.1 Affektsuizid

Der Affektsuizid oder auch emotionale Suizid entsteht aus einer konkreten Überforderungssituation heraus, die mit einer verminderten Fähigkeit einhergeht, emotional negative Einflüsse zu kompensieren in dessen Konsequenz der Selbsterhaltungstrieb bewusst durch die Umsetzung eines Suizids negiert wird. Dieser Affekthandlung liegt zumeist eine sich bereits über einen längeren Zeitraum entwickelte psychische Disposition zu Grunde, die durch angeborene Faktoren und Umwelteinflüsse die Persönlichkeitsbildung beeinflussen. Charakteristisch für einen Affektsuizid ist, dass außenstehende Dritte das suizidauslösende Ereignis als bedeutend weniger einschneidend erachten, als der Suizident selbst. Es erfolgt damit keine Reflexion oder realistische Einschätzung des auslösenden Ereignisses, sondern die Flucht aus der als unerträglich empfundenen Belastungssituation. Für den Affektsuizid kann eine fehlende oder eingeschränkte Urteilsfähigkeit angenommen werden, obgleich maßgebliche Standardverfahren zur Feststellung, ob eine Urteilsfähigkeit vorhanden, eingeschränkt oder nicht vorhanden ist, bisher in der Fachdisziplin der Psychiatrie nicht etabliert werden konnten. Vielmehr muss eine Prüfung der Urteilsfähigkeit individuell und auf die konkrete Situation bezogen vorgenommen werden.30

2.1.3.2 Bilanzsuizid

Als Bilanzsuizid oder rationaler Suizid wird die Selbsttötung beschrieben, die „…in einer allgemein als ausweglos angesehenen Situation nach reiflicher, von kognitiven oder emotionalen Einengungen freier Abwägung aller Gründe, die für oder gegen das Weiterleben sprechen…“31 erfolgt. Dem Bilanzsuizid liegt damit neben einer Reflexion zurückliegender Ereignisse auch eine Abwägung der aktuellen und zukünftigen Möglichkeiten in „worst and best case“ Konstellationen zu Grunde, die unter Annahme einer vollständig vorhandenen Urteilsfähigkeit in Summe zur Entscheidung der Lebensbeendigung führen. Äußerst kritisch wird diese Definition im Fachbereich der Psychiatrie gesehen, da dort die Meinung vertreten wird, dass ein Suizid nur im Ausnahmefall Folge einer derart überlegten Handlung sein könne. Teils wird die Ansicht vertreten, dass jeder Suizid Ausdruck einer Krankheit sei, und damit gar nicht im Sinne o.g. Definition erfolgen könne.32 Befürworter der Bilanzsuizid-Theorie sehen den Suizid jedoch als Konsequenz der aus ideologischen Gründen der Selbstbestimmung und/oder rationalen Abwägung der alternativ zu erwartenden Lebensumstände folgenden Handlung.33 Damit ist diese Form des Suizids für die vorliegende Arbeit von gesonderter Bedeutung, da gerade der Aspekt der Selbstbestimmung als solche und im Vorgang des Sterbens bzw. als Verfügung über den Todeszeitpunkt im Zusammenhang mit den Sterbehilfevereinen einen herausragenden Diskussionsansatz darstellt.

2.1.4 Beihilfe zum Suizid

Beihilfe zum Suizid liegt dann vor, wenn eine andere Person (Arzt, Helfer) dem Suizidenten durch Bereitstellung eines Medikaments oder Hilfsmittels zur Selbsttötung diese grundsätzlich ermöglicht, jedoch an der eigentlichen Suizidhandlung nicht beteiligt ist. Dies wird als Tatherrschaft bezeichnet, die im Vorgang der Selbsttötung beim Suizidenten liegen muss, andernfalls würde es sich um direkte aktive Sterbehilfe handeln.34 So darf der Arzt den Patienten eine tödliche Medikamentendosis beschaffen, diese muss der Patient sich dann jedoch selbst verabreichen. „Die Beihilfe ist ein bewusstes, gewolltes Helfen beim Suizid, …“35 unter der Maßgabe, die eigentliche Tötungshandlung in die Verantwortung des Suizidenten zu legen. Der nur marginale Unterschied zwischen Beihilfe zum Suizid und direkter aktiver Sterbehilfe ist damit allein in der Tatherrschaft begründet. Diese verliert der Suizident allerdings sobald er nicht mehr handlungsfähig ist und in die sich an die eigentliche Tötungshandlung anschließende Sterbephase gerät, die rechtlich gesehen nicht mehr Bestandteil der Beihilfe zum Suizid ist. Ein Umstand, der in den weiteren juristischen Überlegungen dazu führt, dass eine bei der Suizidhandlung anwesende oder hinzukommende Person ab diesem Zeitpunkt (Verlust des Bewusstseins beim Suizidenten und Übergang der Tatherrschaft auf den Garanten) in die s.g. Garantenpflicht gerät, die zur Hilfeleistung – und in dieser Konsequenz zur Anwendung lebensrettender Maßnahmen – verpflichte. Ein Suizid wird in der Rechtsprechung als Unglücksfall gesehen und der Bundesgerichtshof36 führte hierzu aus, dass Suizidenten im Moment des Suizidversuchs gar nicht eigenverantwortlich handeln könnten.37 Dementgegen steht die strittige Argumentation, dass die Pflicht zur Beachtung des Patientenwillens allein maßgeblich sei und bei einem freiverantwortlichen Suizid die Tatbestände des Totschlags durch Unterlassen und/oder unterlassener Hilfeleistung nicht zuträfen, sondern bei einer Rettungshandlung eher eine Nötigung bzw. rechtswidrige Körperverletzung am Suizidenten begangen werde. Dies wird damit begründet, dass die Suizidhandlung – sofern sie freiverantwortlich erfolgte - eine eindeutige Willensäußerung darstelle, die zu beachten sei. Im Übrigen ergäbe sich kein Unterschied darin, ob ein Arzt einen Patienten in der Sterbephase nach einer freiverantwortlichen Suizidhandlung oder in der Phase nach der Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen oder dem länger andauernden freiverantwortlichen Sterbefasten palliativ begleite.

2.1.5 Sterbefasten

Das Sterbefasten zeichnet sich durch den bewussten F reiwilligen V erzicht auf N ahrung und F lüssigkeit (FVNF)38 aus. Der Sterbewillige stellt dabei die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit vollständig ein. Das Sterbefasten hat bereits in der Antike Anwendung gefunden und bei Schwerkranken und Sterbenden ist die Phase des Sterbens automatisch mit der Reduzierung oder Einstellung von zumindest der Nahrung, oft auch der Flüssigkeit in den letzten Tagen und Stunden verbunden.39 Im Rahmen des Sterbefastens wird dieser Prozess ganz bewusst und mit dem Ziel des Todes in Gang gesetzt. Es erfolgt meist eine palliative Begleitung, in der durch minimale Flüssigkeitsgaben zur Schleimhautbenetzung und Mundpflege das Durstgefühl und durch Schmerz- und Beruhigungsmittel Unruhezustände gelindert werden. Über die Zeitspanne von Beginn des Sterbefastens bis zum Eintritt des Todes existieren mit 7 bis 21 Tagen, mitunter auch 30 Tagen ganz unterschiedliche Angaben. Unzureichend ist bisher untersucht, welchen Einfluss allgemeine Physis, Alter und Erkrankungszustand auf die Dauer dieses Sterbeprozesses nehmen.40

Strittig ist, wie das Sterbefasten hinsichtlich der Kategorisierung als passive Sterbehilfe im Sinne des Verzichts oder als Suizid im Sinne der absichtlichen Selbsttötung einzuordnen ist. Die allgemein anerkannten Definitionskriterien für Sterbefasten sind, dass der Sterbewillige (1) grundsätzlich fähig ist, Nahrung und Flüssigkeit aufzunehmen, sich jedoch in einen (2) zurechnungsfähigen Zustand und freiverantwortlich dagegen entscheidet um (3) den Eintritt des Todes durch die damit einhergehende Schwächung absichtlich zu beschleunigen.41 Im Gegensatz zum normalen Suizid, bei dem nach der auslösenden Handlung und dem Eintritt des Todes nur wenige Augenblicke, Minuten oder Stunden verstreichen, ist der Prozess des Sterbefastens bis zu einem bestimmten Punkt jederzeit revidierbar. In der sehr langen Überlebenszeit zwischen dem Handlungsbeginn und dem Zeitpunkt, an dem eine Umkehr dann durch beginnendes Multi-Organversagen nicht mehr möglich ist, besteht zu jeder Zeit die Möglichkeit das Fasten ohne Folgeschäden aus der Handlung an sich, abzubrechen. Praktisch gesehen enthält das Sterbefasten auch palliative Elemente, auf die theoretisch verzichtet werden kann, dies würde dem Sterbewilligen dann jedoch eine außerordentliche Disziplin abverlangen und ggf. immer wieder zum Bruch des Fastens durch Flüssigkeitszufuhr führen, was den Sterbeprozess insgesamt unbestimmt verlängern kann.42 Der Sterbefastende stirbt letztlich an den Folgen von Dehydrierung und damit einhergehenden Komplikationen, nicht an seiner ursächlichen Erkrankung, was der Definition als passive Sterbehilfe entgegensteht. Grundsätzlich könnte auch jeder gesunde Mensch das Sterbefasten durchführen, was in der Konsequenz für eine Suizidhandlung, jedoch mit nicht sofort invasiver Wirkung, spräche. In der Literatur finden sich Ansätze dafür, das Sterbefasten daher als passiven Suizid zu bezeichnen, da es gleichfalls Ausdruck der Selbstbestimmung und Gestaltung des Sterbeprozesses ist und in Folge eigener Handlung - zwar durch Unterlassen und nicht aktives Tun - aber als eigene Handlung erfolgt.43

2.1.6 Selbstbestimmung, Freiverantwortlichkeit, Urteilsfähigkeit

Ganz entscheidende Schlüsselwörter in der Diskussion um Suizidhandlungen und Sterbehilfeersuchen sind die Selbstbestimmung des Menschen (am Lebensende), die Freiverantwortlichkeit der Handlung und die Urteilsfähigkeit, mit der die Entscheidung zur Lebensbeendigung getroffen wird.

Bei der Frage, was denn Selbstbestimmung ist und wie sie zu definieren sei, finden sich schon in historischen Ausführungen grundlegende Ansätze. Bereits 1859 war die Auffassung in der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und gerichtlichen Psychologie gegeben, dass der Mensch der Selbstbestimmung fähig sei und „Es ist mit der Fähigkeit der menschlichen Seele, frei über sich selbst zu bestimmen, vorzugsweise die Intelligenz und mehr noch die Freiheit des Willens [verknüpft]; denn gerade die Willensfreiheit macht ja den Grundcharacter der Selbstbestimmungsfähigkeit aus.“44

Durch die Artikel 1 Abs. 1 sowie Artikel 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist die Selbstbestimmung heute zunächst als Grundrecht definiert, das unantastbar und zu achten und zu schützen ist, soweit es nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.45 Die Selbstbestimmung wird als Ausdruck von Autonomie verstanden, die sich aus den griechischen Wörtern »autos« und »nomos« zusammensetzt, die mit »Selbst« und »Gesetz« übersetzt werden können. Die Autonomie soll differenziert betrachtet werden, da sie sich auf die Affektivität (Emotionen, Gefühle) als auch die Intellektualität (Gedanken, Ideen, Werte) beziehen lässt. Die affektive Autonomie steht für das unabhängige und autonome, selbstbestimmte Streben nach emotional positiv belegten Erfahrungen wie Freude, Vergnügen, Spaß. Die intellektuelle Autonomie bezieht sich auf die Fähigkeit, eigene neue, von anderen unabhängige Ideen und Gedanken im Sinne von Neugier, Toleranz und Kreativität zu entwickeln und diese entsprechend konsequent zu verfolgen. Autonomie im Sinne der Selbstbestimmung stellt das grundsätzliche Streben des Menschen nach Entscheidungsfreiheit (Reaktanztheorie) dar. Wird diese Freiheit eingeschränkt oder unterdrückt, sind Bedrohung und Ablehnung, die jedoch bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, resultierende Verhaltensweisen und Empfindungen.46

Ein weiterer Ansatz (Theorie der kognizierten Kontrolle) geht davon aus, dass Autonomie als Ausdruck des Strebens nach Kontrolle verstanden werden muss. Kontrolle wird dann empfunden, wenn eine Situation durch die Person selbst als beeinflussbar und damit vorhersehbar und erklärbar wahrgenommen wird. Die Kontrolle stellt dabei den Katalysator dar, mit Hilfe dessen eine Person den für sie erstrebenswerten Zustand erreichen kann und gleichzeitig eine für sie negative Entwicklung in Ausprägung aversiver Zustände, die mit Miss-Empfinden im Sinne von Bedrohung, Ablehnung einhergehen, vermeiden oder auf ein erträgliches Mindestmaß reduzieren kann.47 Diese Auslegung trifft gerade in Bezug auf die Selbstbestimmung am Lebensende zu. Hier geht es vor allem darum, eine für die Person als unerträglich angenommenen Zustand mit erahnten aber letztlich ungewissen Begleiterscheinungen dadurch zu vermeiden, dass durch die selbstbestimmte, kontrollierte Beeinflussung eine Planbarkeit und damit Vorhersehbarkeit der Situation erreicht wird. Mit welcher Art von Kontrolle diese Beeinflussung erfolgt, ist dabei unerheblich. So kann dies thematisch bezogen beispielsweise durch Suizid, Freitodbegleitung, Palliative Care oder den Anweisungen in der Patientenverfügung erreicht werden.

Die strittige Frage nach der Feststellung und Definition der geforderten Freiverantwortlichkeit, mit der die Entscheidung zur Lebensbeendigung getroffen wird, ist eine diffizile, deren Beantwortung in unterschiedlicher Auslegung erfolgt. Neben der Auffassung ein Suizid sei immer Folge eines wie auch immer gelagerten Krankheitsbildes und könne damit nie in Freiverantwortlichkeit ausgeführt werden, gibt es für die Feststellung des Vorliegens der Freiverantwortlichkeit zwei Ansätze.48 Die Schuld- oder Exkulpationslösung geht davon aus, dass „…ein nicht verantwortlicher (also ‚unfreier’) Suizid (…) dann vor [liege], wenn der Suizident unter Umständen gehandelt hat, die bei einer [fiktiv angenommenen] Fremdschädigung zum Ausschluss seiner Verantwortlichkeit geführt hätten.“49 Für Fremdschädigungen werden gemäß der §§ 19, 20, 35 StGB und § 3 JGG Kinder, unreife Jugendliche, Geisteskranke, seelisch schwer gestörte und unter Notstandsvoraussetzungen Handelnde nicht belangt.50 Im Umkehrschluss wird für alle anderen Personen die Freiverantwortlichkeit angenommen, sofern die Entscheidung weder durch äußere und/oder innere Zwangslagen oder durch Dritte fingierte Irrtumslagen beeinflusst wurde.51

Der zweite Ansatz der Einwilligungslösung stellt auf die Kriterien zur Prüfung der Wirksamkeit einer rechtfertigenden Einwilligung und Ernsthaftigkeit des Verlangens i.S. des § 216 StGB ab. Geprüft wird hierbei, ob der Suizident die natürliche Einsichtsfähigkeit besitzt um die Tragweite und Unwiderruflichkeit seines Vorhabens zu erkennen und gleichfalls über ein intaktes Urteils- und Hemmungsvermögen verfügt. Darüber hinaus erfolgt auch hier die Prüfung der Ernsthaftigkeit des Suizidwunsches, um impulsiv entstandene Entschlüssen entgegenzuwirken.52 Befragungen zeigen hierfür nämlich auf, das fast 80% derjenigen, die einen Suizidversuch überlebt haben, eine solche Entscheidung nicht wieder treffen würden. Die Entscheidung zum Suizid und die geforderte Freiverantwortlichkeit hierfür könne daher nur durch eine dauerhafte, wohlerwogene Kontinuität glaubhaft sein, da insbesondere Suizidwünsche durch eine hochgradige Instabilität gekennzeichnet sind, die oft auf nur temporärer psychologischer Disposition basieren.53

Die Urteilsfähigkeit wird in Deutschland über das Kriterium der Einwilligungsfähigkeit geprüft und steht dabei oft im Kontext der Zustimmung oder Ablehnung einer medizinischen Behandlung. Der Bundesgerichtshof führte hierzu aus, dass einwilligungsfähig ist, wer „…nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite (…) zu ermessen mag.“54 Grundsätzlich ist die Einwilligungsfähigkeit unvoreingenommen anhand der lebensprägenden Einflüsse wie Alter, physischer und psychischer Zustand, Einfluss von Medikamenten, soziobiographischer Ereignisse, der kulturellen und intellektuellen Prägung und lebensweltlichen Vorstellungen durch einen Arzt zu beurteilen. Bleiben Zweifel hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit, muss das Konsil eines Psychiaters angefordert werden.55 Die Einwilligungsfähigkeit ist unabhängig von der Geschäftsfähigkeit gemäß der §§ 104 ff. BGB zu beurteilen, insofern sind die bürgerlich-rechtlichen Altersgrenzen außen vor zu lassen und auch minderjährige Patienten für ihre Person einwilligungsfähig. Gemäß der Grundformel muss die Person „…mit vollem Verständnis der Sachlage »Wesen, Bedeutung und Tragweite« (…) des konkret bevorstehenden Eingriffs erfassen und damit das Für und Wider seiner Entscheidung (…) gegeneinander abwägen können.“56 Die Einwilligungsfähigkeit kann dabei nicht als generelle Feststellung gelten, da jede Behandlung mit unterschiedlicher Komplexität und Schwere möglicher Komplikationen einhergehen kann und in Folge dessen die Einwilligungsfähigkeit mit gebotener Intensität für jeden Anlass neu zu prüfen ist.57

In der Schweiz ist die Urteilsfähigkeit im Art. 16 des Zivilgesetzbuches explizit definiert. Demnach ist eine Person urteilsfähig, wenn ihr „…nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.“58 Vernunftgemäß handelt, wer nicht nur die Tragweite seiner Entscheidung zu verstehen mag, sondern auch seinen Willen nach dieser Einsicht vertritt.59 Die Urteilsfähigkeit wird nach Art. 16 ZGB demnach zunächst grundsätzlich angenommen und basiert auf der Annahme, dass sowohl die Erkenntnisfähigkeit als auch die Steuerungsfähigkeit gegeben sind. Ist eine Person in der Lage, die Realität zutreffend wahrzunehmen und aus dieser Realität Urteil und Wille zu bilden und in der Folge dem so gebildeten Willen entsprechend zu handeln, ist er erkenntnis- und steuerungsfähig.60

In Bezug auf die Suiziddiskussion wird die Urteilsfähigkeit auch mit der situativen Handlungsautonomie beschrieben, die die Fähigkeit, in der konkreten Situation tatsächlich selbstbestimmt zu entscheiden, bezeichnet. Hier wird der Ansatz verfolgt, dass niemand je tatsächlich vollkommen autonom entscheiden könne, da die Voraussetzungen hierzu wären, dass jemand über eine Erkrankung, deren Folgen und Perspektiven vollkommen informiert wäre und darüber hinaus vollständig unbeeinflusst durch Dritte oder andere äußere Faktoren zu seiner Entscheidung gelange. Allein durch die auf jeden Menschen einwirkenden Umwelteinflüsse ist diese Vorstellung von Autonomie nur als Ideal modellierbar, nicht jedoch für die Suiziddiskussion relevant. Die situative Handlungsautonomie betrachtet daher nur, ob für die konkret anstehende Handlung (des Suizids), die Fähigkeit zur unbeeinflussten selbstbestimmten Entscheidung in ausreichendem Maße gegeben ist. Da ein Positivnachweis – also der Beweis, dass die situativ-autonome Entscheidungsfähigkeit vorgelegen hat – auf Grund der Subjektivität und fehlender reliabler Feststellungsmethoden zur Willensfreiheit nur schwer zu erbringen ist, wird die Prüfung über den Negativnachweis und somit Ausschluss beeinflussender Faktoren wie Druck, herbeigeführten Irrtum oder psychischer Erkrankung geführt.61

2.2 Rechtliche Grundlagen zur Sterbehilfe in der Schweiz und Deutschland

Ein explizites Sterbehilfe(verbots)gesetz gibt es weder in der Schweiz noch in Deutschland, so dass die strafrechtlich so wichtige Unterscheidung dessen, was passive oder aktive Sterbehilfe ist, insbesondere in Deutschland teils bis zur höchstrichterlichen Instanz verhandelt werden musste.62 Die rechtlichen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Strafgesetzbüchern befassen sich mit der Sanktionierung der Tötung eines anderen Menschen und unterscheiden hierfür die dazugehörigen Handlungs- und Leitmotive des Täters. Ergänzend zu den Strafgesetzbüchern gibt es in beiden Ländern Standesvorschriften und Leitlinien, insbesondere für die Rolle der Ärzte bei der Suizidbeihilfe und dem Umgang mit Patientengesuchen nach aktiver Sterbehilfe.

2.2.1 Deutschland

2.2.1.1 Strafrechtliche Betrachtung

In Deutschland ist die direkte aktive Sterbehilfe verboten und unter Strafe gestellt.

Der § 212 StGB führt aus, dass jemand der „…einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, (…) als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft [wird].“63 Hierunter fällt auch die s.g. Mitleidstötung schwerstkranker Menschen, bei der die Überdosis eines Medikaments allein in der Absicht zur Herbeiführung des Todes verabreicht wird. Wie diese Absicht allerdings in Abgrenzung zur straflosen indirekten aktiven Sterbehilfe nachgewiesen werden soll ist fraglich, da die marginale Unterscheidung zwischen indirekter aktiver und direkter aktiver Sterbehilfe bei der Medikamentengabe „…einzig und allein in der zugrunde liegenden Willensrichtung des Arztes [liegt], außer die extreme Dosis spricht per se für eine Tötungsabsicht…“64. Die Willensrichtung eines Arztes ist in der Regel nicht überprüf- bzw. nachweisbar, auch woran der schwerstkranke Patient letztlich verstorben ist, könnte nur durch aufwendige toxikologische Gutachten ermittelt werden, die jedoch gerade bei terminal erkrankten und dann verstorbenen Menschen regelhaft keine Anwendung finden.

Die Umsetzung von Sterbehilfe auf Bitten des Patienten gilt als Tötung auf Verlangen und ist nach § 216 StGB ebenfalls strafbar. Diese Rechtsvorschrift fand durch den religiösen Grundsatz, dass das Leben von Gott gegeben und auch nur durch ihn und nicht durch den Menschen selbst wieder genommen werden dürfe, Eingang in das Strafgesetzbuch. Diese Rechtsgrundlage gilt mitunter als antiquiert, da damit die Selbstbestimmung am Lebensende auch bei schwerstkranken Menschen mit großem Leidensdruck aberkannt und ein Aushalten, über die ggf. ertragbaren Grenzen hinweg, erzwungen würde.65

Die indirekte aktive Sterbehilfe ist straflos, trotz dessen im juristischen Sinne eine Tötungshandlung vorliegt. Begründet wird dies dadurch, dass in der konkreten Situation ein gerechtfertigter Notstand gemäß des § 34 StGB gesehen wird, da der Tod nicht mehr abwendbar ist und demnach das Interesse der Schmerz- oder Symptomlinderung über dem Interesse einer kurzzeitigen Lebensverlängerung steht. Alle damit einhergehenden Maßnahmen werden daher als „Tat“66 in einer Notstandssituation anerkannt und als nicht rechtswidrig bewertet, sofern sie ein angemessenes Mittel zur Leidenslinderung darstellen.67

Straffrei sind in Deutschland gleichfalls die passive Sterbehilfe, der Suizid(versuch) und die Beihilfe zum Suizid.

Die passive Sterbehilfe in Form der Sterbebegleitung (Palliative Care) als auch die Beendigung oder das Unterlassen von lebenserhaltenden Maßnahmen ist, wenn dies auf den ausdrücklichen Wunsch des Patienten oder als Konsequenz eines Entscheidungsprozesses von Arzt und Patient hin geschieht, straffrei. Gleichfalls trifft dies zu, wenn aus der ärztlichen Einschätzung heraus das Ende der Behandlungspflicht festgestellt wird.68

Problematisch wird die Feststellung des Patientenwillens dann, wenn dieser nicht mehr zur Äußerung fähig ist oder dies nie war. Im Grundsatz gilt, dass jede Behandlung eine Körperverletzung darstellt, die durch die Zustimmung des Patienten legitimiert wird. Fehlt hingegen die Zustimmung, wird entgegen des Patientenwillens gehandelt.

Exkurs: Feststellung des Patientenwillens

Im Fall des bewusstlosen Patienten haben sich die Ärzte gemäß der Ausführungen des Patientenrechtegesetztes69 an einer (1) ggf. vorhandenen Patientenverfügung zu orientieren, die für die konkrete Behandlungssituation den Willen des Patienten verfügt. Ist diese nicht vorhandenen oder nicht für den konkret vorliegenden Behandlungsfall verfasst, muss versucht werden, (2) Behandlungswünsche, die in der Vergangenheit geäußert wurden, zu Klärung des mutmaßlichen Patientenwillens heranzuziehen (üblicherweise durch Ehepartner, Kinder, enge Vertraute). Bei der Ermittlung möglicher Behandlungswünsche ist auf konkrete Anhaltspunkte zuzugreifen, die sich an „…insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten [orientieren].“70 Wichtig ist hier die Feststellung, dass die Willensäußerungen nicht an eine schriftliche Form gebunden sind, sondern auch und ausdrücklich in mündlicher Form die gleiche Geltung wie die schriftliche Niederlegung besitzen. Sind die Behandlungswünsche des Patienten auch auf diesem Wege nicht zu eruieren, so muss der (3) mutmaßliche Patientenwille durch die Familie, Bevollmächtigte oder gar rechtliche Betreuer annähernd bestimmt werden. Diese Aufgabe ist sehr anspruchsvoll, da herausgefunden werden muss, wie der Patient – wäre er bei Bewusstsein und in der Lage seine Situation objektiv zu beurteilen – gehandelt hätte. Auch hier ist analog der Ermittlung der Behandlungswünsche die Rückschau auf die bisherige Vita des Patienten und den damit verbundenen Werte- und Weltanschauungen zur Beurteilung zurückzugreifen. Die Punkte (1) bis (3) sind durch BGH-Rechtsprechung71 im Subsidiaritätsprinzip zu befolgen, so dass immer erst die auf die Behandlungssituation zutreffende Patientenverfügung zu achten ist. In Abwesenheit dieser ist auf geäußerte Behandlungswünsche abzustellen und erst in dritter Konsequenz, sofern die Behandlungswünsche nicht ermittelbar sind, der mutmaßliche Patientenwille herauszufinden. Sind alle diese Maßnahmen ohne Erfolg, entscheidet allein die (4) Indikation über die weitere Behandlung. Ist auch die Indikation mit Zweifeln und Unsicherheit behaftet (wie irreversibel ist der Patient geschädigt?), hat der (5) Schutz des Lebens Vorrang und es darf nicht in passiver oder anderer Art Sterbehilfe gegeben werden.72 Bei Säuglingen, die schwerstgeschädigt auf die Welt kommen oder Kleinkindern, die in diesen Zustand geraten und nicht mehr äußerungsfähig sind, sind die Eltern im Rahmen ihrer elterlichen Sorge nach §§ 1626 ff. BGB im Außenverhältnis und damit gegenüber dem Arzt entscheidungsbefugt. Zur Ermittlung des Willens ist, soweit ein Kind noch keine eigene Wertewelt entwickelt hat, abweichend von der BGH-Rechtsprechung die Wertewelt der Eltern zur Grundlage der Entscheidung zulässig.73

Die Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland straffrei. Dies ist durch die s.g. limitierte Akzessorietät begründet, die nur dann eine Strafe vorsieht, wenn die Haupttat ebenfalls rechtswidrig ist. Ist sie dies nicht, kann auch die Beihilfe nicht strafrechtlich belangt werden. Das heißt für den konkreten Fall, dass die Anstiftung als auch die Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid – die moralische Wertung der Anstiftung außen vorgelassen – straffrei ist.74

Daraus folgt, dass in Deutschland auch der Suizid und Suizidversuch straffrei gestellt sind. Die Formulierungen der relevanten Paragraphen des Abschnitts Straftaten gegen das Leben des heutigen Strafgesetzbuchs der Bundesrepublik Deutschland wurzeln aus dem ab 1813 geltenden bayrischen Strafgesetzbuch (BayStGB), dass als modernstes seiner Zeit galt und bereits die Selbsttötung und den Versuch ungestraft ließen, da es nach teleologischer Auslegung bei einem Suizid an der Zufügung eines Schadens an einer anderen Person fehle. Die Selbstschädigung könne demnach nicht unter Strafe gestellt werden, da weder eine Fremdverletzung begangen noch eine Rechtspflicht zum Weiterleben gegenüber dem Staat oder der eigenen Person bestünde.75 Diese Auffassung hat sich auch unter der heute eher psychologisch-emotional orientierten Begründung, der Suizident sei ohnehin in einer Notlage und eine Strafe nach überlebten Versuch wäre nicht zielführend, bis in die heutige Zeit hindurchgesetzt.76 Auch das aus dem Strafgesetzbuch vom 1813 stammende Dogma, Suizidenten seien „…ohne alle äußeren Ehren in der Stille…“77 zu beerdigen, hatte sich in der kirchlichen Ordnung teils bis in die 1980 Jahre, in der strafrechtlichen Ordnung jedoch nur vorübergehend durchgesetzt.78

2.2.1.2 Standesrechtliche Regelungen zur Suizidbeihilfe

In Deutschland finden sich über den grundlegenden strafrechtlichen Rahmen hinaus in der Musterberufsordnung der Ärzte bzw. den Berufsordnungen der jeweiligen Landesärztekammern und den Stellungnahmen der Bundesärztekammer gleichfalls Ausführungen, insbesondere zur Rolle der Ärzte bei der Suizidbeihilfe.

§16 der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) enthält direkte Ausführungen zum Beistand für Sterbende durch die Ärzte, die unter Wahrung der Würde und Achtung des Willens des Patienten erfolgen soll. Es ist jedoch verboten, Patienten auf deren Verlangen hin zu töten oder Hilfe zur Selbsttötung zu leisten.79 Damit positioniert die MBO-Ä, über das Strafrecht hinausgehend, die Beihilfe zum Suizid für den Ärztestand in den Verbotsbereich80 und belegt die zu Widerhandlung mit standesrechtlichen Sanktionen, die bei schweren Verstößen bis zur Feststellung, der Arzt sei der Ausübung des Berufes unwürdig (Berufsverbot), reichen können.81 Die MBO-Ä ist eine Ausarbeitung der Bundesärztekammer, die jedoch keine Verbindlichkeit für einen Arzt darstellt, da lediglich die für den Arzt zutreffenden Ausführungen der Landesärztekammer verbindlich sind. Gleichwohl kann der Arzt sich an der MBO-Ä orientieren, ist hierzu jedoch nicht verpflichtet.82 In Deutschland gibt es insgesamt 17 Landesärztekammern, die mehrheitlich die Empfehlungen der MBO-Ä in die Landes-Berufsordnung der Ärzte (LBO-Ä) übernehmen, dennoch bestehen tatsächlich bundeslandabhängig uneinheitliche Ausführungen zur Rolle des Arztes bei der Suizidbeihilfe.83 Insbesondere die Ausführung der MBO-Ä hinsichtlich der Suizidbeihilfe fand in den Landesärztekammern unterschiedlichen Anklang. Die Berliner Ärztekammer regelte die Berufsordnung für Ärzte 2013 neu und sagt „Die Mitwirkung bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe. Ärztinnen und Ärzte sollen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“84. Ordnet diese Aussage jedoch nicht dem § 16 LBO-Ä – Beistand für Sterbende, sondern dem § 1 LBO-Ä, Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten – zu. In Sachsen-Anhalt darf gemäß des § 16 der dort gültigen LBO-Ä „Der Arzt (…) das Leben des Sterbenden nicht aktiv verkürzen.“85. In der bayrischen Ausführung fehlt der Hinweis zur Beihilfe bei der Selbsttötung vollständig.86

In der 2011 veröffentlichen Stellungnahme der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung finden sich gleichfalls detailliertere Ausführungen zur passiven Sterbehilfe, insbesondere zum Aspekt des Unterlassens, Beenden oder Begrenzen therapeutischer Maßnahmen und der Maßgabe, dass offensichtlich begonnene Sterbevorgänge nicht durch unnötige Therapien zu verlängern sind. Hingegen verbleibt es - zwar liberaler formuliert - bei der Haltung, dass die „…Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung (…) keine ärztliche Aufgabe ist.“87 Die Bekanntmachung sei eine Empfehlung und könne nur Orientierung bieten, jedoch läge die Verantwortung in der konkreten Situation bei jedem einzelnen Arzt. Das s.g. Dilemma der Ärzteschaft ergibt sich aus den tradierten Geboten des ärztlichen Ethos »bonum facere« - zu Heilen und »nil nocere« - Schaden abzuwenden88, die in der Tätigkeit des Arztes keine Berechtigung für Handlungen entgegen des Lebens und der Gesundheit sehen und daher Tötungshandlungen kategorisch ausschließen.89 Im Kontext zu dieser strikten und theoretisch fundierten Position steht die gelebte Praxis, die in verschiedenen Erhebungen ein anderes Bild der Ärzte zulässt. So wird die Grauzone der passiven Sterbehilfe durchaus genutzt, um Entscheidungen am Lebensende nicht unbedingt in Form des assistierten Suizids, jedoch in der bewussten und zielgerichteten medikamentösen Überdosierung zu treffen.90

2.2.2 Schweiz

2.2.2.1 Strafrechtliche Betrachtung

Die Rechtsvorgaben in der Schweiz sind ganz ähnlich der Regelungen in Deutschland. Hier gilt zunächst auch, dass die Tötung auf Verlangen (Art. 114 StGB-CH), auch wenn sie aus „…achtenswerten …“91 Beweggründen wie Mitleid vorgenommen wird, strafbar ist.92 Der Suizid und Suizidversuch sind in der Schweiz gemäß des Akzessorietätsprinzips straffrei. Eine den Suizid oder Suizidversuch ahndende Rechtsgrundlage fehlt auch im schweizerischen Gesetzbuch.93

Die Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord 94 ist mit dem Art. 115 StGB-CH, entgegen dem deutschen Strafgesetzbuch, dass über die Interpretation des § 212 StGB diesen Tatbestand abhandelt, explizit im Strafgesetzbuch erwähnt und stellt diese unter Strafe. Allerdings wird hier selektiver formuliert und nur die Tötung auf Verlangen aus „…selbstsüchtigen…“95 Beweggründen strafbar gemacht. Im Umkehrschluss ist die Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord aus allen anderen als den selbstsüchtigen Gründen dann jedoch straffrei.96 Hier sind dann genau jene Motive z. Bsp. des Mitleids oder der Leidenserlösung wiederzufinden, die bei der Tötung auf Verlangen explizit ausgeschlossen wurden. Auf dieser Grundlage agieren die Sterbehilfeorganisationen, die dem Tatbestand der Tötung auf Verlangen (Fremdtötung) insoweit nachkommen, dass sie die zeitlichen, lokalen und medizinischen Voraussetzungen schaffen, dann jedoch die letzte ausführende Handlung dem Sterbewilligen übertragen, und damit aus rechtlicher Sicht aus der Tötung auf Verlangen dann Beihilfe zum Selbstmord wird.97 Was der schweizerische Gesetzgeber unter »selbstsüchtigen Beweggründen« verstanden wissen möchte, bleibt interpretierbedürftig und führte auch in höchster Rechtsprechung zu keiner eindeutigen Aussage. Nach bisher akzeptierter Grundauslegung handelt eine Person dann selbstsüchtig, wenn durch die Handlung ein persönlicher Vorteil erlangt werden soll, der sowohl materieller Art beispielsweise durch das Erlangen finanzieller Vorteile durch Erbschaft oder Vermeidung von Unterhaltszahlungen als auch affektiver Art zur Befriedigung von Hass, Wut, Neid und ähnlichem sein kann.98 Gleichzeitig erfasst der Gesetzgeber durch die Formulierung des Selbstsuchtmotivs die im deutschen Recht umständlicher geregelte Garantenstellung anwesender oder hinzukommender Personen, da deren Untätigkeit im Sinne fehlender Hilfsmaßnahmen zur Lebensrettung auch nur dann strafrechtlich relevant wird, wenn selbstsüchtige Motive für die Untätigkeit vorliegen.99

Darüber hinaus gelten für die aktive Sterbehilfe in ihrer direkten und indirekten Ausprägung in der Schweiz die gleichen Annahmen wie für Deutschland. Die direkte aktive Sterbehilfe ist verboten, da sie als Fremdtötung definiert wird, in der die Tatherrschaft während der zum Tode führenden Handlungen bei einer anderen als der letztlich getöteten Person liegt. Dies ist nach Art. 111 StGB-CH als vorsätzliche Tötung zu ahnden.

Die indirekte aktive Sterbehilfe erfüllt zunächst ebenfalls die Voraussetzungen des Art. 111 StGB-CH, hier wird jedoch analog der deutschen Interpretation eine Eventualvorsätzlichkeit angenommen, d.h. der Arzt gibt zur Schmerz- und Symptomlinderung im Sinne der palliativen Versorgung entsprechend hohe Medikamentendosen unter der Inkaufnahme einer ggf. lebensverkürzenden Nebenwirkung.100 Die schweizerische Rechtsprechung argumentiert hier, dass die gewohnheitsrechtliche Berufspflicht des Arztes die Linderung unerträglicher Schmerzen rechtfertige und daher auf die strafrechtliche Sanktionierung verzichtet wird.101

Die passive Sterbehilfe und die an eine Patientenverfügung gestellten Bedingungen hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit sind in der Schweiz analog der deutschen Vorgaben geregelt. Der Patientenwille ist grundsätzlich zu berücksichtigen. Die auf palliativen Aspekten basierende Schmerz- und Symptombeherrschung mittels (1) ggf. lebensverkürzender, jedoch nicht primär auf die Lebensbeendigung ausgerichteter Medikamentengaben sowie das (2) Unterlassen oder (3) Beenden von lebenserhaltenden Maßnahmen ist unter Achtung des Patientenwillens gleichfalls straffrei.102

2.2.2.2 Standesrechtliche und normative Regelungen zur Suizidbeihilfe

Ähnlich der deutschen Bundesärztekammer gibt es in der Schweiz einen jedoch als privaten Verein organisierten Dachverband FMH (Foederatio Medicorum Helveticorum) der gleichzeitig auch Berufsverband der Schweizer Ärzteschaft ist. Ca. 90% der berufsaktiven Ärzte der Schweiz sind in diesem Berufsverband organisiert. Die FMH vereinigt insgesamt 26 Basisorganisationen, die sich aus den kantonalen Arztverbünden, dem Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte (VSAO) sowie dem Verein der leitenden Spitalärzte der Schweiz (VLSS) zusammensetzen.103 Die FMH hat eine Standesordnung zur Grundlage, die das (Standes)würdige Verhalten der Ärzte definiert, Berufspflichten des Medizinalberufegesetzes (MedBG) konkretisiert und Sanktionen bei Zuwiderhandlungen aufführt. Die Standesordnung ist für die Ärzte auf Grund der Mitgliedschaft im FMH verbindlich, diese stellt grundsätzlich jedoch nur eine privatrechtliche Regelung zwischen den Ärzten und der FMH dar und steht insofern der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung in der Rangordnung nach. Die Standesordnung bezieht sich im Artikel 17 auf die Rolle und Pflichten des Arztes bei der Betreuung schwerstgeschädigter oder sterbender Menschen und stellt neben der Zulässigkeit der passiven Sterbehilfe in begründeten Einzelfällen104 fest, dass „…die aktive Sterbehilfe mit der ärztlichen Ethik nicht vereinbar [ist].“105 Im Weiteren wird auf die normativen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) verwiesen, die damit für die Ärzte gleichbedeutende Verbindlichkeit wie die Standesordnung entfalten.106 Die SAMW ist eine u.a. durch die FMH geförderte privatrechtliche Stiftung, die sich insbesondere der ethischen Perspektive der Debatte annimmt. In der vielbeachteten Richtlinie zur Betreuung von Patientinnen und Patienten am Lebensende wird zur Rolle des Arztes bei Suizidgesuchen festgehalten, dass es nicht die Aufgabe des Arztes sei, die Option der Suizidbeihilfe anzubieten, vielmehr sei es seine Pflicht, sich auf die Linderung des dieses Wunsches zugrundeliegenden Leidens zu konzentrieren. Es wird jedoch weiter festgestellt, dass der Arzt bei dauerhaft bestehendem Suizidgesuch in einen ethisch-ärztlich-persönlichen Konflikt gerate, da zum einen der Patientenwille zu achten, zum anderen Suizidbeihilfe jedoch nicht Teil der ärztlichen Tätigkeit sei und der Konflikt daher letztlich nur im Rahmen einer persönlichen Gewissensentscheidung lösbar wäre.107 Gavela stellt hierzu fest, dass „…also Ärzten die Beteiligung am Suizid standesrechtlich (bedingt) freigestellt [sei], allerdings nicht im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit, erst recht nicht in Ausübung einer beruflichen Pflicht, sondern in persönlicher Verantwortung im Einzelfall.“108 Hieraus erklärt sich die Möglichkeit der Ärzte für die hiesigen Sterbehilfeorganisationen tätig zu sein. Die Standesordnung sieht jedoch bei Verstößen gegen die Vorgaben eine durch die Standeskommission festzulegende Sanktionierung vor, die von Verweisen und Geldbußen über den Ausschluss aus der Gesellschaft reichen.109 Diese Sanktionen sind unabhängig von einem möglichen, auf eidgenössisch oder kantonal basierenden Strafverfahren gegen den Arzt möglich.

Außerhalb des FMH und der SAMW legte auch die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin NEK-CNE im Auftrag des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) 2005 eine Stellungnahme bezüglich der Beihilfe zum Suizid vor. Darin kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass das aus dem Wertekonflikt entstehende ethische Dilemma nicht auf „…theoretisch-allgemeiner Ebene…“110 zu lösen und vielmehr in der Komplexität eines jeden Einzelfalls zu suchen sei. Auch hier wird die persönliche Gewissensentscheidung zu Grunde gelegt. In der Beantwortung der dieser Stellungnahme ebenfalls zu Grunde liegenden Frage, ob eine Neuregelung des Art. 115 StGB-CH notwendig sei, vertritt die Kommission eine moderate Einstellung. Der Art. 115 StGB-CH biete richtigerweise einen privaten Freiraum zur Entscheidung einer Suizidbeihilfe, ohne jedoch einen Rechtsanspruch zu entfalten, der Dritte entgegen der eigenen Überzeugungen in die Pflicht bringen könne. Die Motive dieser Haltung basieren auf dem Respekt, der den Menschen entgegengebracht werden müsse, die auch bei aller gegenseitig gebotenen Fürsorgepflicht zur Gestaltung annehmbarer Lebensbedingungen nach reiflicher und frei getroffener Entscheidung aus dem Leben gehen wollten und dies nur mit Hilfe anderer könnten.111

Übersicht: Zusammenfassung Arten der Sterbehilfe und Suizidformen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Übersicht Arten der Sterbehilfe und Suizidformen

(eigene Darstellung in Anlehnung an Hilgendorf (2016), S. 40

3 Methodik zur Umsetzung

Das Thema Sterben und Sterbehilfe betrifft einen natürlicherweise hochemotionalen Abschnitt im Leben und ist in seiner Diskussion von vielfältigsten ethischen, religiösen und moralischen Ansichten, aber auch medizinischen und natürlich juristischen Vorgaben und Auffassungen beeindruckt. Ziel dieser Arbeit ist, einen unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden erarbeiteten, systematischen Überblick über das Thema der Sterbehilfe und im Detail zur Entstehung und Tätigkeit der organisierten Sterbehilfevereine der Schweiz zu erarbeiten.

Hierfür wurde neben einer ausführlichen Literaturanalyse auch das Instrument des explorativen Experteninterviews angewandt, um die in dieser Arbeit gestellten Forschungsfragen mit Hilfe des praktischen Expertenwissens intensiv zu eruieren.

3.1 Literaturanalyse

Das Thema der Sterbehilfe und organisierten Sterbehilfevereine wird in dieser Arbeit aus der Perspektive der Schweiz und Deutschland diskutiert – daher bestand der 1. Schritt darin, eine Basisrecherche hinsichtlich juristischer und medizinsicher Grundlagen bezogen auf diese Länder durchzuführen. Für die strukturierte Suche wurden zunächst Schlagwörter festgelegt, die sich an der gängigen Fachsprache orientierten und Bezug auf das Thema (organsierte) Sterbehilfe, Sterbehilfevereine, Suizid, Deutschland und Schweiz nahmen. Die Suche erfolge systematisch in den Datenbanken:

1) PubMed - US National Library of Medicine National Institutes of Health
2) Medpilot - Suchportal für medizinische Fachliteratur
3) DIMDI - Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information

Einschränkende Filter für die Suche waren die zeitliche Beschränkung des Publikationsdatums auf maximal 10 Jahre (Publication dates), der Bezug auf Menschen (Species: Humans) und die Verfügbarkeit von Volltexten (Text availability: full text). Konnten die Filter nicht automatisiert angewandt werden, wurden die Suchergebnisse in der sich anschließenden Sichtung der Abstracts gleichzeitig danach selektiert. Gesucht wurden in deutscher als auch englischer Sprache.

Die Schlagwörter waren im Einzelnen:
1) Sterbehilfe (Schweiz) – assisted suicide (swiss)
2) Dignitas (Schweiz), (Deutschland) – Dignitas (swiss), (germany)
3) Exit (Schweiz) – Exit swiss
4) Sterbetourismus – suicide tourism
5) Sterbehilfeorganisationen – right-to-die-organisation
6) Suizid - suicide
7) Selbstbestimmung am Lebensende – self-determination at the end of life
8) Liberalisierung Sterbehilfe – liberalization euthanasia
9) Palliative Versorgung/ Medizin – Palliative Care

Als weitere Einschränkung wurden alle Publikationen ausgeschlossen, die Meinungsdarstellungen oder allgemein berichtenden Charakter aufwiesen.

Insgesamt konnten in der systematischen Literaturanalyse 437 Suchergebnisse erzielt werden, die nach Sichtung der Abstracts auf Grund fehlendem Bezug zum Thema und der Bereinigung um Duplikate auf 153 Ergebnisse reduziert wurden. Die 153 Treffer wurden anschließend auf tatsächliche Verfügbarkeit des Volltextes geprüft und die beschaffbaren Volltexte im Einzelnen auf Relevanz für das Thema gesichtet. Hierbei konnten letztlich 63 Treffer verzeichnet werden.

Neben der systematischen Suche erfolgte auch eine händische Suche in ausgewählten Quellen. Hier wurden die gleichen Schlagwörter und Filter angewandt. Quellen der händischen Suche waren:

1) Springer Bibliothek – Medizinische und psychologische Publikationen (teilweiser Zugriff auf Publikationen ab 2011 bis 2015)
2) Springer Bibliothek – Medizinrecht
3) Deutsches Ärzteblatt
4) Journal of Public Health

Insgesamt wurden in der händischen Suche 75 Dokumente gefunden, die nach Sichtung der verfügbaren Teil- oder Volltexte und Bereinigung um Duplikate auf 31 Dokumente reduziert wurden. Die verfügbaren und beschaffbaren Volltexte wurden analog der systematischen Literaturrecherche geprüft. Es konnten danach insgesamt 17 Treffer verzeichnet werden. Gleichzeitig wurden die Literaturnachweise insbesondere der selektierten wissenschaftlichen Aufsätze und Studienberichte, Gutachten und Stellungnahmen für Behörden und Institutionen, Begründungen zu Gesetzesanträgen und Dissertationen auf Relevanz geprüft. Hier ließen sich 22 Treffer erzielen, von denen ebenfalls 17 Volltexte beschaffbar waren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine weitere Suche erfolgte außerdem auf den Internetseiten der relevanten Sterbehilfevereine Dignitas, Exit, livecircle, Exinternational, und Sterbehilfe Deutschland. Die Vereine stellen auf den Homepages vor allem Material hinsichtlich der Vereinsstrukturen und -entwicklungen, der Motive und Grundlagen ihres Handelns, Vereinsstatuten und diverse FAQ´s, Gerichtsurteile und Gesetzeskommentare, Interviews von Funktionsträgern, Berichte von Mitgliedern und Sterbehelfern sowie Stellungnahmen zur öffentlichen Berichterstattung zur Verfügung. Dieses Material wurde auf für die Arbeit relevante Dokumente gesichtet und für eine weitergehende Recherche verwandt. Hier wurden insgesamt 17 Dokumente gefiltert.

3.2 Explorative Experteninterviews

Während der Literaturrecherche wurde ersichtlich, dass zur Beantwortung der zentralen Fragestellungen einige Publikationen mit ganz unterschiedlicher Informationsausrichtung verfügbar sind. Studien und wissenschaftliche Artikel geben Auskunft über Mengengerüste und Fallzahlen von Freitodbegleitungen und analysieren die Herkunft der Suizidenten. In diesem Zusammenhang finden sich gleichzeitig Thesen zum Sterbetourismus. In medizinischen und juristischen Fachzeitschriften wird häufig die ethische Auslegung der ärztlichen Rolle im Zusammenhang mit der Beihilfe zum Suizid und das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende an sich diskutiert. Wenige Informationen sind zur Wertung der finanziellen Aspekte in Bezug auf eine Mitgliedschaft als auch Freitodbegleitung durch einen der Sterbehilfevereine verfügbar. Hier finden sich in den Vereinsstatuen der Vereine allgemeine Angaben. Darüber hinaus sind wenige Informationen über die Höhe, Zusammensetzung und konkrete Verwendung der Mitgliedsbeiträge und insbesondere der Summen für eine einzelne Freitodbegleitung recherchierbar.

Aus diesem Grunde sollten weitergehende Informationen gerade zu diesen Thematiken im Rahmen explorativer Experteninterviews eruiert werden. Das explorative Interview wurde an dieser Stelle favorisiert, da es unter Wahrung der Vorgaben zum wissenschaftlichen Arbeiten die Möglichkeit bot, in einem relativ offenem Kommunikationsprozess die gewünschten Informationen zu erfragen und darüber hinaus die einschätzende Meinung des Experten zu erhalten.112 Diese Interviewform erlaubt dem Befragten, so denn er dies möchte, eine über die eigentliche Fragestellung hinausführende Darlegung seiner Sicht und ergänzt damit die Literaturanalyse um individuelle Blickwinkel und Standpunkte zur Diskussion.113

3.2.1 Leitfaden und Frageformulierungen

Das explorative Experteninterview ist ein teilstrukturiertes Interview, das mittels eines Interviewleitfadens geplant und durchgeführt wird. Der Leitfaden dient in der Vorbereitung zur Strukturierung der Themenfelder und hilft damit eine logische Abfolge der Fragen zu erarbeiten, die gerade bei Experteninterviews als wichtig erachtet wird. Nicht erwartete oder unlogische Themenwechsel können zu einem Bruch in der Interviewatmosphäre führen, was die Gesprächsführung erschwert und zum anderen die Gesprächsbereitschaft des Befragten reduzieren kann, da dieser sich in der Interviewsituation nicht sicher oder unwohl fühlt und diese dann möglicherweise beenden möchte.114 In der konkreten Interviewsituation dient der Leitfaden als durch das Interview führendes Hilfsmittel und zur Sicherheit des Fragenden, letztlich auch zur Vollständigkeitskontrolle, d.h. wurden alle geplanten Fragen gestellt oder wurde ein Thema noch nicht oder nicht ausreichend angesprochen.115

Die Strukturierung des Interviewleitfadens erfolgte zunächst in Ausrichtung an die Forschungsfragen und wurde in 3 Themenblöcke in der Reihenfolge Liberalisierung/ Enttabuisierung, Mitgliedsbeitrag im Kontext caritativen Handelns und Sterbetourismus gegliedert. Die Themenblöcke wurden damit bewusst von allgemein ausgerichteten Fragen bezüglich der Liberalisierung in der Gesellschaft über die detaillierteren Fragen zum Mitgliedsbeitrag und Summen der Freitodbegleitung der Sterbehilfeorganisationen und direkten Fragen zum Sterbetourismus in der Schweiz strukturiert. Innerhalb der Themenblöcke erfolgte die Anordnung der Fragen nach Schwerpunkten, die zur Beantwortung der Forschungsfragen als wichtig erachtet wurden.

Frageformulierung

Die Formulierung der Fragen gestaltete sich schwieriger, da sie durchaus kritisch einen konkreten Aspekt abfragen sollen, gleichzeitig jedoch in der Art zu stellen sind, dass sie den Interviewten über die bloße Beantwortung hinaus zur Mitteilung seines Wissens in Form von Schilderungen, Erfahrungen und Bewertungen einladen.116 Zu diesem Zweck wurden die Fragen möglichst offen formuliert, jedoch unter der Maßgabe fokussiert, innerhalb eines eng begrenzten Interview-Zeitfensters möglichst viele Informationen zu erhalten. Gleichzeitig musste eine neutrale Formulierung der Fragen hinsichtlich der Wertung zum Thema erreicht werden, da sowohl Befürworter als auch Kritiker als Interviewpartner in Betracht gezogen wurden. Eine positiv oder negativ positionierende Frageformulierung könnte zu einer distanzierten, wenig informativen Gesprächsatmosphäre führen und auch dazu, dass die Antworten den sozialen Erwartungen entsprechend gegeben werden und nicht die vom Befragten tendenziell vertretene Meinung widerspiegeln.117 Gerade bei Meinungsfragen, wie sie in dieser Arbeit von Bedeutung sind, ist dies eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Den Frageblöcken wurde daher zur thematischen Einführung eine kurze Schilderung vorangestellt, die die konträren Diskussionspositionen wertfrei reflektierte oder allgemein anerkannte Daten nannte, die für die nachfolgenden Fragen einen neutralen Rahmen dahingehend schafften, dass dem Interviewten offen gehalten wurde, welcher dieser Positionen er sich selbst zuordnet und wie er die allgemeinen Daten interpretieren möchte.118 Die Fragen wurden zunächst vollständig ausformuliert und zusätzlich mit Stichworten zum beabsichtigten Fragenhintergrund versehen. In der konkreten Interviewsituation sollten die Fragen verinnerlicht sein und in freier Rede sinngemäß und adressatengerecht gestellt werden. Die Stichworte dienen der Übersicht in der Interviewsituation hinsichtlich möglicher Abschweifungen zur eigentlichen Frage und der gezielten Steuerung des Gesprächs zurück auf den Fragenhintergrund.

3.2.2 Expertenauswahl und Interviewanfrage

Wer als Experte gilt, wird in der Literatur sehr unterschiedlich ausgelegt. Von der Annahme jeder Mensch verfüge über eine Art besonderen Wissens im sozialen, beruflichen oder gesellschaftlichen Kontext, dass ihn damit auch zum Experten mache119, über die allgemeine Interpretation eines Experten als Sachverständigen oder Kenner, der über besonderes Wissen verfügt, dass auf Anfrage Dritter abrufbar sei120, wird ein Experte auch als „…Quelle von Spezialwissen über die zu erforschenden sozialen Sachverhalte…“121 definiert. Bogner et al. erweitern diese Auslegung von Gläser und Laudel um den Aspekt, dass nicht allein das Spezialwissen ausschlaggebend für einen Experten sei, sondern dieses Wissen erst mit seiner praxisbezogenen Wirksamkeit und in Folge einer einflussnehmenden Wirkung auf die Strukturierung von Handlungs- und Denkweisen anderer Akteure an Bedeutung gewinne. Demnach sei ein Experte jemand, dessen spezifisches Praxis- oder Erfahrungswissen sich auf einen klar begrenzten Themenbereich konzentriere, und dessen Auslegungen eine sinnhafte und handlungsleitende Wirkung auf andere, in diesem konkreten Themenkomplex agierende Akteure nehme.122 Diese Definition war die Basis für das weitere Vorgehen zur Auswahl von Experten für die geplanten Interviews.

Experten-Sampling

Die Fragen des Interviews sind auf spezielle Aspekte des Themas Sterbehilfe und Sterbehilfeorganisationen ausgerichtet. Die Wahl der Experten ist entscheidend für den Erkenntnisgewinn, da die Art und Qualität der Informationen wesentlich von diesem Sampling abhängt. Sterbehilfe wird zudem konträr diskutiert – es gibt Befürworter und Gegner und auch eher neutrale Beobachter, die zu erwartenden Antworten sind natürlicherweise von der Position des Befragten im Diskurs geprägt. So muss auf ein ausgewogenes Sampling geachtet werden, um im Rahmen mehrerer Interviews die verschiedenen Blickwinkel hinterfragen zu können um daraus ein Gesamtbild zu erhalten.123

Die Basis zur ersten Orientierung bezüglich einer geeigneten Wahl an Experten bot die Literaturanalyse. Hier wurden vor allem die Aufsätze in Fachzeitschriften und Beiträge in Sammelwerken nach interessanten und realistisch erreichbaren Interviewpartnern gesichtet. Im Fokus der Wahl stand hierbei, dass die Experten gerade über die bisher unzureichend recherchierbaren Fragestellungen Informationen verfügbar haben könnten. Daher wurden insbesondere Personen ausgewählt, die durch ihre Vita Kontaktpunkte zur Freitodbegleitung oder den Sterbehilfeorganisationen hatten oder aus medizinischer und forschender Tätigkeit intensiver mit der Thematik befasst waren.

Interviewmodus

Interviews werden idealerweise face-to-face durchgeführt, beide Gesprächspartner befinden sich dabei in unmittelbarer Nähe zueinander, so dass neben dem gesprochenen Wort auch die soziale Interaktion sowie Mimik und Gestik des Gegenübers als Informationsquelle dienen.124 Alternativ können Interviews auch per Telefon und mit erst ganz geringer Tendenz auch per E-Mail durchgeführt werden. Vorteile des Telefon- oder E-Mail-Interviews sind klar in der flexibleren und schnelleren Durchführbarkeit gegeben, da mitunter lange Anreisen mit Fahrt- und Hotelkosten entfallen. Durch die Negierung dieser mitunter deutlich einschränkend wirkenden finanziellen und zeitlichen Parameter kann der Kreis potentieller Gesprächspartner global gewählt und damit deutlich erweitert werden.125

Inwieweit Telefon-Interviews dem klassischen face-to-face-Interview in Qualitäts- und Ergebnisgüte unterlegen sind, ist nicht ausreichend untersucht. In einer der wenig empirisch angelegten Methodenvergleichsstudien konnte festgestellt werden, dass Telefon-Interviews etwas kürzer andauern im Vergleich zu face-to-face-Interviews und die Redebeiträge der Interviewten gleichfalls etwas kürzer ausfielen. Darüber hinaus konnten keine Nachteile gefunden werden, die aus wissenschaftlicher Sicht gegen diese Methode sprächen.126 Die als Vorteil des Telefon-Interviews benannte Anonymität beider Seiten wurde in diesem Fall zum einen durch die vorbereitende Recherche aufgehoben, in der auch soweit möglich, die Visualisierung der Experten durch Fotos erfolgte und gleichfalls für die Befragten dadurch aufgehoben wurde, das in der Anfrage zum Interview ein Foto der Anfragenden sowie ein kurzes, biographisches Statement integriert war. Dies sollte bewusst die Anonymität der Anfragenden aufheben und eine gewisse Personalisierung für den Angefragten hervorrufen. Hier war auch das Ziel, sich von den vermutet zahlreichen Anfragen abzuheben und Interesse zu wecken.

Für die vorliegende Arbeit wurde auf den Modus des Telefon-Interviews zurückgegriffen, da sämtliche Interviewpartner in der Schweiz ansässig sind. Hier hätte in der Durchsetzung der Maxime, nur face-to-face Interviews zu führen, die Vielfalt der auswählbaren Experten auf Grund der zur Verfügung stehenden finanziellen und logistischen Ressourcen eine deutliche Reduzierung erfahren.

Interviewanfrage

Die Anfrage mit dem Anliegen eines Interviews stellt den ersten und sehr wichtigen Kontakt zum Experten dar. Zu berücksichtigen gilt, dass die ausgewählten Personen auf Grund Ihres Status bzw. hochrangingen Tätigkeit per se einer strikten Zeitplanung unterliegen und sehr wahrscheinlich eine Vielzahl von Interviewanfragen zum Thema erhalten, was sie zwangsläufig zu einer Selektion von wichtigen und unwichtigen Terminen und Tätigkeiten führt. Es darf angenommen werden, dass Interviewanfragen eine nur untergeordnete Priorität zugeordnet bekommen. Eine weitere Zugangsbarriere wird in dem Status-Gefälle zwischen Anfragendem und Experten beschrieben, da hochrangige Experten in homogenen geschlossenen Netzwerken agieren und diese nach außen hin, in die allgemeine rangniedrigere Gesellschaft, selten durchlässig sind.127 Zudem handelt es sich bei der Sterbehilfe und den Sterbehilfevereinen um ein sehr sensibles Thema, dass mit entsprechenden Fingerspitzengfühl in der Öffentlichkeit diskutiert und kommentiert werden muss. Auch in diesem Umstand ist sicherlich ein Grund zur Ablehnung eines persönlichen oder telefonischen Interviews zu suchen, da die Interviewfragen nicht bekannt sind und die Bereitschaft zu spontanen Antwort nicht gegeben ist.

In Kenntnis dieser möglichen Barrieren war es wichtig, in einem kurzen und prägnanten Anschreiben die Umstände zur Anfrage und den Inhalt sowie die Wichtigkeit des Anliegens darzulegen. Die Rolle, die dem Experten zugedacht ist und die Rahmendaten bezüglich der Durchführung, Dauer und Frageschwerpunkte zum geplanten Interview, als auch letztlich eine Kurzinformation zur eigenen Person sollten gleichfalls enthalten sein.128

Für die ausgewählten Personen und Institutionen wurden nun die Kontaktdaten eruiert. Hier war die Ermittlung der korrekten Anrede, Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse primäres Ziel. Diese konnten für neun Personen bzw. Institutionen anhand der Angaben in Fachartikeln oder per Internetrecherche ermittelt werden. Für eine Person war dies nicht möglich, da vermutlich auf Grund der beruflichen Vergangenheit ein besonderer Schutz der personenbezogenen Daten erfolgt. Hier wurde der Versuch unternommen, die Anfrage über den Verlag, in dem das Herausgeberwerk mit dem entsprechenden Autorenbeitrag erschienen war, an den gewünschten Adressaten weiterleiten zu lassen. Über diesen Weg konnte tatsächlich der Kontakt hergestellt und der Experte für eine schriftliche Beantwortung der Fragen gewonnen werden.

Neben den damit sechs ausgewählten Experten erschien es auch zielführend, die entsprechenden Sterbehilfevereine um ein Interview anzufragen, obgleich sie bekannter weise eine subjektive Perspektive vertreten und wenig Interesse an öffentlicher Stellungnahme bekunden.129

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ergebnis der Anfragen

Auf die insgesamt neun verschickten Anfragen wurde innerhalb eines erfreulich kurzen Zeitraumes von einer Woche von acht angeschrieben Personen oder Vereinen geantwortet. Hierbei wurden zwei Interviews direkt zugesagt, drei Absagen erteilt, von einer Person die Interviewfragen vorab zur Ansicht angefordert und zwei Angefragte boten nach weiterer abklärender Korrespondenz die schriftliche Beantwortung an.

Die Vor-und Nachteile eines Interviews in Schriftform sind ähnlich des Telefon-Interviews nicht ausreichend untersucht. Grundsätzlich bleibt die Frage- und Antwortfunktion erhalten, jedoch kann keine direkte Interaktion mit dem Interviewten erfolgen. Mögliche Nachteile liegen darin, dass die Antworten durch den Leser ggf. anders interpretiert werden als sie durch den Schreibenden angedacht waren bzw. die Fragen durch den Antwortenden anders interpretiert und dann beantwortet werden als es durch den Fragenden beabsichtigt war.130 Da das Anliegen des Interviews auf grundlegenden Informationsgewinn ausgerichtet ist und die o.g. Sensibilität des Themas und die damit einhergehende Zurückhaltung der Angefragten mit vermutet erhöhter Absagetendenz bekannt war, wurde die Möglichkeit der schriftlichen Beantwortung bzw. der anonymen Verwendung bereits bei der Anfrage als mögliche Option nach dem primären Gesuch eines Telefon-Interviews angeboten. Insofern wurde bereits auch der Leitfaden auf den Modus der schriftlichen Beantwortung hin ausgerichtet.

Insgesamt konnten aus den acht beantworteten Anfragen zwei Telefoninterviews und zwei schriftlich beantwortete Interviews generiert werden. Hinzu kommt, dass Dignitas das Interview an sich erwartungsgemäß ablehnte, jedoch die Anfrage mit einer sehr ausführlichen E-Mail, die teilweise auf die in der Anfrage formulierten Forschungsfragen abgestellt war, wertschätzte.

3.2.3 Durchführung und Auswertung

Die Schwierigkeit bei den telefonischen Interviews bestand darin, eine stabile länderübergreifende Gesprächsverbindung von Deutschland in die Schweiz sicherzustellen. Trotz technischer Errungenschaft der Smartphones in Verbindung mit entsprechenden Apps, die in der Lage sind, Telefongespräche aufzuzeichnen, sollten die Interviews unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Grundsätze (deutsches Mobilnetz in schweizerisches Festnetz), fehlender Erprobung zur Funktionsgarantie und Tonqualität diverser Aufnahme-Apps und hauptsächlich auf Grund der als unzuverlässig erlebten mobilen Netzabdeckung und damit einhergehenden Verbindungsunterbrechung hierüber nicht realisiert werden.

Technische Umsetzung

Als sicherste Option wurde nach intensiver Recherche die Internettelefonie über Skype erachtet. Hier bestand die Möglichkeit im Rahmen einer umgehend zur Verfügung stehenden kostengünstigen und flexiblen Flatrate über das Programm mit zuverlässiger Internetverbindung per WLAN in das schweizerische Festnetz zu telefonieren. Das Programm bietet gleichzeitig einen Call-Recorder an, der in Verbindung mit einem angenommenen Gespräch nach der Nutzerbestätigung die Aufnahme startet. Allerdings ist der Call-Recorder nur auf PCs mit Linux-Betriebssystem ausgelegt – dieses stand hier zur Verfügung, so dass nach der Einrichtung der erforderlichen Flatrate Probeanrufe durchgeführt und damit die Verbindungsstabilität als auch die Aufnahmequalität des Call-Recorders ausführlich getestet werden konnten.

Die Interviews wurden an 2 verschiedenen Terminen durchgeführt und dauerten wie bei der Anfrage veranschlagt zwischen 30 und max. 45 min. Die Gespräche wurden per Call-Recorder aufgezeichnet und im MP3-Format archiviert.

Transkription

Die aufgezeichneten Interviews wurden im Anschluss transkribiert und einheitlich formatiert. Hier wurde die empfohlene Methode der vollständigen Transkription angewandt, wobei es hierzu keine klar vorgeschriebenen Standards zur Transkription gibt und die Regeln hierfür im jeweiligen Studiendesign zweckdienlich definiert werden müssen. Für die vorliegenden Interviews wurden folgende Regeln berücksichtigt131:

- wörtliche Transkription, inkl. Füllwörtern; Satzbrüchen und Wiederholungen, Dialektfärbungen werden eingedeutscht
- Transkription der eigenen Redeanteile nur, wenn Sie wesentlich für das Gesagte des Interviewten sind und vom Leitfaden inhaltlich abweichen – dann Darstellung des eigenen Redeanteils in kleinerer Schrift und farblich gekennzeichnet
- unverständliche Passagen werden grau hinterlegt
- es wird die allgemein anerkannte Rechtschreibung verwandt

Die so erhaltenen Abschriften der Telefoninterviews als auch die schriftlich beantworten Interviews sowie die E-Mail-Antwort von Dignitas wurden für die sich anschließende inhaltliche Auswertung übersichtlich und je Frage bzw. inhaltlich bezogenen Absätzen (Dignitas) formatiert und mit Zeilenzahlen versehen, um die entsprechenden Textpassagen für die spätere Ergebnisdarstellung als einwandfreie Quellenangabe benennen zu können.

Auswertung

Die Auswertung orientierte sich in der Strukturierung nach der zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring, nach der es das Ziel ist, „…das vorhandene Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion einen überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials ist.“132

Gläser und Laudel beschrieben diesen Schritt Ihrer an Mayrings Modell angelehntenqualitativen Inhaltsanalyse als Extraktion, bei der dem Text Informationen zum Zwecke der Auswertung entnommen werden, die dann eine vom Ursprungstext unterschiedliche Informationsbasis darstellen, die die Beantwortung der Forschungsfragen ermöglichen soll.133

In einem ersten Schritt wurden daher für die Forschungsfragen relevante Textpassagen identifiziert (extrahiert) und bei den Telefoninterviews um Wiederholungen, Füllwörter, Textbrüche gestrichen, um eine zusammenhängende konforme Kontexteinheit zu erhalten. Nach Mayring sind in Vorbereitung der Zusammenfassung Kodier-, Kontext- und Auswertungseinheit zu definieren. Die Kodiereinheit legt dabei fest, was als kleinste Einheit aus dem Text extrahiert werden kann. Hier wurde als Minimum ein Satz in Zuordnung der jeweiligen Frage festgelegt. Die Kontexteinheit legt fest, was die größte Einheit umfasst, hierunter wurden alle ausgewählten Textpassagen innerhalb des Interviews definiert. Die Auswertungseinheit legt die Reihenfolge der Textpassagen in deren Auswertung fest, hierfür wurden die Schritte der Textauswahl – Paraphrasierung – Generalisierung und Reduktion in einer Übersicht nachvollziehbar dokumentiert.134

Die Paraphrasierung hat zum Ziel, die ausgewählten Textpassagen auf den wesentlichen Inhalt zu verdichten, hierfür sind neben Füllwörtern auch Umschreibungen oder nicht inhaltsrelevante Textteile zu filtern.

Um eine einheitliche Anwendung auf die charakterlich sehr unterschiedlichen Texte gewährleisten zu können, wurden folgende Regeln im Vorfeld definiert:

- Füllwörter, Umschreibungen, Ausschmückungen werden ausgefiltert
- Inhaltsrelevante Textteile werden auf eine einheitliche Sprachebene transferiert
- Zusammenfassung in grammatikalischer Kurzform

Die so erhaltenen Textauszüge werden in einem zweiten Schritt generalisiert. Hierzu muss zunächst das Abstraktionsniveau bestimmt werden, dass sich am vorliegenden Grundmaterial sowie den Arbeitshypothesen – hier in Form der Themen-Frageblöcke und in weitere Konsequenz den generellen Forschungsfragen – orientiert. Folgende Regeln wurden hierfür definiert:

- Paraphrasen unter dem Abstraktionsniveau werden verallgemeinert, darüber liegende zunächst so belassen
- Generalisierung in der Art, dass die Grundaussagen in der neuen Aussage enthalten sind
- Theoretische Grundannahmen werden für Zweifelsfälle herangezogen

Der dritte Schritt der Reduktion zeichnet sich durch die Auswertung und Zusammenfassung der so erhaltenen Paraphrasen aus. Hierfür wurden folgende Regeln angewandt:

- Paraphrasen gleicher Bedeutung (Aussage, Inhalt) werden gestrichen
- Wenig inhaltsrelevante Paraphrasen werden ebenfalls gestrichen
- Bei Zweifelfällen werden wiederum theoretische Grundannahmen herangezogen

Nach der Reduktion werden die vorhandenen gekürzten und zusammengefassten Paraphrasen, die Mayring an dieser Stelle als Kategoriensystem bezeichnet, anhand des Originaltextes rücküberprüft. Sind die wesentlichen Inhalte tatsächlich enthalten und geben sie sinngemäß die wesentlichen Aussagen wieder. Mayring führt hierzu an, dass bei Bedarf eine weitere Reduktion erfolgen kann, um eine weitere Präzisierung der inhaltlich relevanten Aussagen zu erreichen. Die Vorliegenden Interviews waren von der Komplexität in der Art zu händeln, dass eine zweite Reduktion nicht als notwendig erachtet wurde. Führt die Rücküberprüfung zu der Erkenntnis, dass die wesentlichen Inhalte nicht enthalten sind, sind die o.g. Schritte zu wiederholen. Ist dies jedoch der Fall, ist die Zusammenfassung im Sinne der Kategorisierung abgeschlossen und die Interviews können anhand des gewonnen Kategoriesystems miteinander verglichen und die Erkenntnisse je Interview auf die Forschungsfragen angewandt werden.135

3.2.4 Güte- und Qualitätskriterien

Im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Ausarbeitungen in der quantitativen Forschung gilt das Selbstverständnis, die Ergebnisse unter Einhaltung anerkannter und jeweils definierter Kriterien zu erarbeiten, so dass diese bei erneuter Durchführung durch Dritte unter Einhaltung identischer Bedingungen reproduzierbar sind und insbesondere das verwandte Datenmaterial auf statistischer Grundlage überprüfbar ist. Die klassischen Gütekriterien der sozialwissenschaftlichen Methodenlehre sind unterteilt in136:

- Reliabilität (Zuverlässigkeit) im Sinne der Stabilität und Genauigkeit der Ergebnisermittlung und Feststellung der Konstanz der Umweltbedingungen, unter denen die Ergebnisse ermittelt wurden
- Validität (Eindeutigkeit), wird das Ergebnis tatsächlich anhand der gemessenen Faktoren ermittelt und konnten Störungen durch externe Einflüsse ausgeschlossen werden.
- Objektivität (Unabhängigkeit), gibt an, inwieweit ein Ergebnis unabhängig von der erhebenden Person ermittelt wird

Innerhalb dieser Kriterien werden verschiedene Testoptionen definiert, die auf die Überprüfung durch Wiederholung, veränderter Aufteilungen der Daten bzw. Anwendung verschiedener Methoden am gleichen Datenmaterial (Reliabilität) abzielen oder die Ergebnisse durch Überprüfung anhand bewährter Theorien, gezielter Untersuchung erwarteter Grenzwerte oder dem Abgleich mit Prognosen validieren sollen. Die Kriterien beziehen sich grundsätzlich auf die wert-, einfluss- und fehlerfreie Auswahl, Erhebung und Auswertung der zu Grunde liegenden quantitativen Daten.

Die Übertragbarkeit dieser Kriterien auf die qualitative Forschung wird kontrovers diskutiert, da trotz der zahlreichen Ausarbeitungen zur Definition, Anwendung und Gültigkeit der Gütekriterien bisher keine Lösung gefunden werden konnte, wie sich subjektive Sichtweisen oder Informationen aus Expertenwissen verlässlich und reproduzierbar ermitteln lassen. Denn zur Überprüfung der Reliabilität wäre beispielsweise die Wiederholung des Interviews im gleichem Wortlaut Voraussetzung, was dann jedoch dem Ziel und Charakter des Interviews entgegenstünde, da hier von einem gelernten Antwortverhalten ausgegangen werden müsste.Wie kann sichergestellt werden, dass die gefundenen Aussagen ausreichend unabhängig von der erhebenden Person sind, die dann auch die Schlussfolgerungen zieht und wie kann eine hinreichende Gültigkeit der Aussagen in Bezug auf das Forschungsthema erreicht werden?137 Die Validierung wird in der quantitativen Forschung durch Ausschluss externer Störfaktoren ermittelt, und somit vorausgesetzt, dass diese je nach Ausprägung oder Art der Einflussname, die Vergleichbarkeit der Ergebnisse beeinflussen könnten. Für die Interviews wurden zur Erreichbarkeit der identischen Bedingungen bei der Erhebung und Auswertung Fragebögen konzipiert, deren Zweck aber auch auf die erzählende Wissensmitteilung und damit grundsätzlich auch auf ungeplante zusätzliche Informationsgewinne abgestellt ist. Dieses Vorgehen steht der Idee der Validierung im quantitativen Bereich jedoch entgegen. Die Überprüfbarkeit der Objektivität wäre gegeben, wenn zwei Personen bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Interviews unabhängig voneinander zu identischen Ergebnissen in ihrer Analyse kämen. Dies wird bereits dadurch als unrealistisch angesehen, als das bei jedem Menschen Interpretationsunterschiede gegeben seien, die als nicht beeinflussbare Variable immer anzunehmen wären.138 Für die vorliegende Arbeit war die Einzelleistung Bedingung, insofern kam der Einbezug weiterer Personen zur Durchführung und Auswertung der Interviews nicht in Frage. Um dennoch den wissenschaftlichen Anforderungen zu genügen, gibt es derzeit zwei verschiedene Ansätze in der Fachliteratur. Der erste Ansatz verfolgt die Modifizierung bzw. Reformierung der vorhandenen Gütekriterien in der Art, dass sie für die qualitative Forschung anwendbar sind. Der zweite Ansatz fragt nach der Entwicklung spezifischer, auf die inhaltsanalytische Methode anzuwendende Kriterien. Flick (2014) gibt hier einen detaillierten Einblick in die Strategieansätze und führt Vor- wie auch Nachteile dieser Überlegungen aus, deren Diskussion an dieser Stelle jedoch für den Rahmen dieser Arbeit zu umfangreich wäre.

Als Quintessenz des Diskurses liegt der Fokus darauf, in Abhängigkeit des Studiendesigns geeignete individuelle, methodenangemessene Gütekriterien auszuwählen, die den Nachweis der wissenschaftlichen Güte ausreichend und nachvollziehbar erlauben. Dabei gilt es vor allem, die dem Prozess zu Grunde liegenden subjektiven Einflüsse zu identifizieren, kritisch zu reflektieren, nachvollziehbar zu bewerten und deren Auswirkungen darzulegen und zu diskutieren. Auch hierfür ist das Portfolio der vorgeschlagenen Kriterien sehr umfangreich, die nachfolgend erläuterten fanden für die vorliegende Arbeit letztlich Anwendung139:

[...]


1 Vgl.: BT-Drucks. 18/5373 vom 01.07.15

2 Vgl.: Minelli (2015), S. 169 f.

3 Putz (2006), S. 4

4 ebd., S. 55

5 Vgl.: ebd.

6 Vgl.: Thöns (2016), S. 9; Putz; Steldinger (2016), S. V, VII

7 Vgl.: Putz; Steldinger (2016), S. VII f.; 19 ff.

8 Vgl.: Gauthier et al. (2014), S. 3

9 Vgl. Woellert; Schmiedebach (2008), S. 18; Gottwald (2009), S. 14; Fuchs; Hönings (2014), S. 11, 14

10 Vgl.: Fuchs; Hönings (2014), S. 11

11 Vgl.: Hilgendorf (2016), S. 37 f.

12 Vgl.: ebd., S. 38

13 Vgl.: ebd.

14 Vgl.: Gottwald (2009), S. 27; Putz; Steldinger (2016), S. 190

15 Vgl.: Bundesärztekammer (2011), S. A347

16 Vgl.: Hick (2007), S. 56 ff.; Gottwald (2009), S. 24; Putz; Steldinger (2016), S. 188 ff.

17 BGH 2 StR 454/09 - Urteil vom 25. Juni 2010 (LG Fulda)

18 Vgl.: Putz; Steldinger (2016), S. 189 ff.

19 Vgl.: Gottwald (2009), S. 18 f.; Hilgendorf (2016), S. 38 f.; Putz; Steldinger (2016), S. 193 f.

20 Vgl. ebd.

21 Vgl.: Hilgendorf (2016), S. 39; Putz; Steldinger (2016), S. 190 ff.

22 Bundesärztekammer (2011), S. A347

23 Vgl.: Gerhard (2015), S. 12, 15

24 z. Bsp. Pflege, Physio- und Psychotherapeuten, Seelsorger, Sozialarbeiter, ehrenamtliche Helfer

25 Vgl.: Radbruch et al. (2007), S. 2 ff.; Gerhard (2015), S. 12 ff.

26 Vgl.: Henking (2015), S. 176

27 Mord bezeichnet gemäß § 211 StGB die Tötung eines anderen Menschen; ein Mord an sich selbst ist rechtlich nicht möglich, siehe hierzu auch: Petermann (2004), S. 1113; Gottwald (2009), S. 28

28 Vgl.: Wehrli et al. (2015), S. 283 f.; Deisenhammer (2012), S. 395 f.

29 Vgl.: Reimer (2005), S. 42 ff.; Gottwald (2009), S. 27 f.; Deisenhammer (2012), S. 395 ff.

30 Vgl. ebd.

31 Deisenhammer (2012), S. 396

32 Vgl.: Henking (2015), S. 176

33 Vgl.: Petermann (2004), S. 1116

34 Vgl.: Hilgendorf (2016), S. 46 f.; Putz; Steldinger (2016), S. 194 ff.

35 Putz; Steldinger (2016), S. 194

36 Vgl. BGHSt3 32, 367

37 Vgl.: Hilgendorf (2016), S. 42 f.; Putz; Steldinger (2016), S. 197

38 In der Literatur oft auch im englischen V oluntary S topping of E ating and D rinking at the end of life (VSED) benannt, siehe hierzu auch: Ivanovic et al. (2014): Voluntary stopping of eating and drinking at the end of life, BMC Palliative Care 2014

39 Vgl.: Birnbacher (2015), S. 315

40 Vgl.: Klein Remane (2015), S. 7; Birnbacher (2015), S. 317 f.

41 Vgl.: Birnbacher (2015), S. 316; Ivanovic et al. (2014), S. 3 f.

42 Vgl.: Klein Remane (2015), S. 7 ff.

43 Vgl.: Birnbacher (2015), S. 322

44 Hoffbauer (1859), S. 7

45 nach Art. 2 Abs. 1 GG

46 Vgl.: Faust (2016), S. 26

47 Vgl. ebd., S. 28

48 Vgl. Magnus (2015), S. 256 f.

49 Gavela (2013), S. 20

50 Vgl. ebd.

51 Vgl. Magnus (2015), S. 256

52 Vgl.: Gavela (2013)S. 20 f.; Magnus (2015), S. 256 f.

53 Vgl.: Rippe et al. (2005), S. 60

54 BGH Urt. v. 05.12.1958 – VI ZR 266/57

55 Vgl.: Duttge (2013), S. 86

56 Duttge (2013), S. 78 f.; »Wesen, Bedeutung und Tragweite« zitiert nach BGH NStZ 1981, 351

57 Vgl.: Duttge (2013), S. 79

58 Art. 16 ZGB

59 Vgl.: Gleixner-Eberle (2014), S. 300

60 Vgl.: SAMW (2004 b), S. 12 f.

61 Vgl.: Rippe et al. (2005), S. 60

62 Vgl.: Putz; Steldinger (2016), S. 189 – siehe hierzu auch BGH Urt. v. 25.06.2010 - 2 StR 454/09, NJW 2010, 2963

63 Mörder ist gem. §211 StGB, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

64 Hilgendorf (2016) Putz; Steldinger (2016), S. 191

65 Vgl.: Hilgendorf (2016), S. 37, Strätling (2012), S. 287

66 Siehe hierzu § 34 StGB

67 Vgl.: Hilgendorf (2016), S. 39

68 Vgl.: Putz; Steldinger (2016), S. 188 ff.; Hilgendorf (2016), S. 39 f.

69 Siehe hierzu §§ 630 a –h BGB

70 § 1901a Abs. 2 BGB

71 BGH Urt. v. 17.09.2014 – XII ZB 202/13

72 Vgl.: Putz; Steldinger (2016), S. 45 ff.; Hilgendorf (2016), S. 10

73 Vgl.: Putz; Steldinger (2016), S. 56

74 Vgl.: Henking (2015), S. 174; Gavela (2013), S. 15 f.

75 Vgl.: Gavela (2013), S. 12 f.

76 Vgl.: Henking (2015), S. 175

77 Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten, aus dem amtlichen Quellen nach den Paragraphen des Gesetzbuches zusammengestellt und in einem Kommentar erläutert, Teil II, S. 363 f. zitiert nach Gavela (2013), S. 10

78 Vgl. ebd.; Dreier (2006), S. 88 f.

79 Vgl. § 16 MBO-Ä

80 Vgl.: Strätling (2012), S. 284 f

81 Mitternacht (2011): Die neue Berufsordnung: Das kommt auf Ärzte zu, zuletzt abgerufen am 18.09.2016.:„Gemäß der neuen (Muster-)Berufsordnung drohen Ärzten, die dennoch Suizidhilfe leisten, zukünftig aufgrund einer „Verletzung ihrer Berufspflichten“ potenziell die folgenden (standes)rechtlichen Sanktionen: In „leichten Fällen“ kann es zu einer Abmahnung, einer Rüge oder einer Rüge mit Ordnungsgeld (bis zu 5000 €) kommen. In „schweren Fällen“ kann ein berufsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden. Dieses wird vor einem Verwaltungsgericht geführt. (…) Mögliche Sanktionen sind Warnung, Verweise, Geldbußen bis zu 50.000 €, der Entzug des (aktiven und passiven) Kammerwahlrechts sowie die Feststellung, dass der Arzt unwürdig ist, seinen Beruf auszuüben. Die Durchsetzung der Berufsordnung obliegt den zuständigen Landesärztekammern. Rechtsgrundlagen sind die Kammer- und Heilberufegesetze der Länder.“

82 Vgl.: Putz; Steldinger (2016), S. 200 f.

83 Die Landesärztekammern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Westfalen-Lippe haben die Empfehlungen nicht wortwörtlich aus der MBO-Ä übernommen

84 Ärztekammer Berlin (2014)

85 Ärztekammer Sachsen-Anhalt (2015)

86 Vgl.: Nauck et al. (2014), S. A67 f.

87 Bundesärztekammer (2011), S. A346 f.

88 Vgl.: Gavela (2013), S. 58 f.

89 Vgl.: Lorenz (2010), S. 827 f.

90 Vgl.: Schildmann et al. (2011), S. 123 f.

91 Art. 114 StGB-CH

92 solch tatbegründende Motive sind im § 216 StGB nicht genannt

93 Vgl.: Gavela (2013), S. 65

94 Das StGB-CH verwendet noch den anitquierten, inhaltlich nicht korrekten Begriff des Selbstmords für die Selbsttötung, dieser wird in der vorliegenden Arbeit nur im Zusammenhang mit dem StGB-CH so verwendet

95 Art. 115 StGB-CH

96 Vgl. Fuchs, Hönings (2014), S. 67 ff.; Rossier (2012), S. 92

97 Vgl.: Brauer et al. (2014), S. 11 f.

98 Vgl.: Gavela (2013), S.

99 Vgl. ebd., S. 66

100 Vgl.: Marti (2002), S. 570 f.; Kunz (2012), S. 48 f.

101 Vgl.: Kunz (2012), S. 48; SAMW (2004 a), S. 7

102 Vgl.: Magnus (2015), S. 479 f.

103 Vgl.: FMH (2016 b): Struktur und Organe der FMH, zuletzt abgerufen am 19.09.2016.

104 „Arzt und Ärztin dürfen – unter Vorbehalt des Willens von urteilsfähigen Patienten und Patientinnen – auf lebensverlängernde Massnahmen verzichten und sich auf die Linderung der Beschwerden beschränken, wenn ein Hinausschieben des unvermeidbaren Todes für die sterbende Person lediglich eine unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde. Die passive Sterbehilfe ist unter diesen Bedingungen erlaubt.“

105 Vgl.: FMH (2016 a), S. 7

106 Vgl.: Gavela (2013), S. 79

107 Vgl.: SAMW (2004 a), S. 9

108 Gavela (2013), S. 80

109 Vgl.: FMH (2016 a)

110 NEK-CNE (2005), S. 7

111 Vgl. ebd., S. 47

112 Vgl.: Döring; Bortz (2016), S. 358 f.

113 Vgl.: Bogner et al. (2014), S. 23 f.; Gläser; Laudel (2010), S. 114 f.

114 Vgl.: Gläser; Laudel (2010), S 144 ff.

115 Vgl.: Bogner et al. (2014), S. 27 f.

116 Vgl.: ebd., S. 33; Gläser; Laudel (2010), S. 120 f., 131 f.

117 Vgl.: Gläser; Laudel (2010), S. 135 ff.

118 Vgl. ebd., S. 138

119 Vgl.: Bogner et al. (2014), S. 10

120 Vgl.: Liebold; Trinczek (2009); S. 33

121 Gläser; Laudel (2010), S. 12

122 Vgl.: Bogner et al. (2014), S. 13

123 Vgl.: Gläser; Laudel (2010), S. 117; Bogner et al. (2014), S. 34 ff.

124 Vgl.: Gläser; Laudel (2010), S. 153; Döring; Bortz (2016), S. 373

125 Vgl.: Döring; Bortz (2016), S. 373 f. Gläser; Laudel (2010), S. 153 f.

126 Vgl.: Irvine et al. (2010), S. 3

127 Vgl.: Bogner et al. (2014),S. 37 f.

128 Vgl.: Gläser; Laudel (2010), S. 162 ff.

129 Vgl.: DIGNITAS (2016 c): Information für Medienschaffende, zuletzt abgerufen am 19.06.2016.

130 Vgl.: Gläser; Laudel (2010), S. 154

131 Vgl.: ebd., S. 193 f.; Mayring (2015), S. 57

132 Mayring (2015), S. 67

133 Vgl.: Gläser; Laudel (2010), S. 199 f.

134 Vgl.: Mayring (2015), S. 61

135 ebd., S. 71

136 Vgl.: Flick (2014), S. 412 ff.; Mayring (2015), S. 123 ff.

137 Vgl.: Flick (2014), S. 412

138 Vgl.: Flick (2014), S. 412 ff.; Mayring (2015), S. 123 ff.; Mey et al. (2013): Gütekriterien qualitativer Forschung, zuletzt abgerufen am 30.09.2016.

139 Vgl.: Flick (2014), S. 420 ff.; Mey et al. (2013): Gütekriterien qualitativer Forschung, zuletzt abgerufen am 30.09.2016.

Ende der Leseprobe aus 201 Seiten

Details

Titel
EXIT, DIGNITAS & Co. Organisierte Freitodbegleitung als neue Sterbekultur?
Hochschule
APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft in Bremen
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
201
Katalognummer
V460491
ISBN (eBook)
9783668913646
ISBN (Buch)
9783668913653
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sterbehilfe, Dignitas, EXIT, Lifecircle, Dr. med. Bosshard, Rechtsanwalt Herr Putz, Dr. iur. Brunner, Oberstaatsanwalt Zürich a.D., Herr Kaufmann Stiftung Palliacura, Sterbehilfe Deutschland e.V., § 217 StGB, Dr. med. Preisig, Schweiz, Experteninterview, Freitodbegleitung, Kosten einer Freitodbegleitung, Sterbetourismus, Dammbruchargumente, Kommerzialisierung, Ex International, Suizid, Kosten Suizid
Arbeit zitieren
Judith Büttner (Autor:in), 2016, EXIT, DIGNITAS & Co. Organisierte Freitodbegleitung als neue Sterbekultur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460491

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