Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Überblick Künstliche Intelligenz
2.1 Definition und Begriffserklärungen.
2.2 Historische Entwicklung
2.3 Bedeutung von KI für die Arbeitswelt
3 Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt
3.1 Einsatzgebiete von KI
3.2 KI im Unternehmen.
3.3 KI bei Zalando.
3.4 Algorithmen im Marketing
4 Makroökonomische Effekte Künstlicher Intelligenz
4.1 Ökonomische Effekte
4.2 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
4.3 Herausforderungen und offene Fragen
5 Schlussbetrachtung und Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abstract
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz dringt immer weiter in unseren Alltag ein und verändert auch unsere Arbeitswelt. Im März 2018 wurden 250 Marketing-Mitarbeiter bei dem Modehändler Zalando entlassen, da deren Aufgaben künftig von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz übernommen werden. Durch den Einsatz von KI im Bereich Programmatic Marketing lassen sich zielgerichtete und hoch personalisierte Kampagnen umsetzen, die auf Basis der Auswertung unzähliger Daten den potenziellen Kunden zum perfekten Zeitpunkt erreichen. Nicht nur im algorithmischen Marketing, auch in klassischen Unternehmensbereichen wie Handel und Logistik, Management oder Produktion wird Künstliche Intelligenz eingesetzt und gilt als entscheidender Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. Größen wie Google, Amazon und Apple setzen bereits verstärkt auf KI-Technologien, um sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Makroökonomische Effekte, die durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz prognostiziert werden, werden die Arbeitswelt grundlegend verändern. Geschäftsmodelle, Unternehmensstrukturen und industrielle Wertschöpfungsketten verschieben sich und spezialisierte und abgeschlossene Produktionseinheiten wandeln sich zu hybriden und offenen Kollaborationen. Auf dem Arbeitsmarkt werden vor allem Routinetätigkeiten von Künstlicher Intelligenz übernommen, aber auch hochqualifizierte Arbeitsplätze scheinen zukünftig nicht ungefährdet zu sein. Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf die Zahl der Arbeitsplätze darf aber nicht nur als Substitution menschlicher Arbeit durch maschinelle Arbeit gesehen werden, eine starke Veränderung der Berufsbilder durch KI wird sich in den kommenden Jahren aber abzeichnen.
Schlagwörter/Schlüsselwörter: Künstliche Intelligenz, Algorithmen, Programmatic Marketing, Digitalisierung, Wandel der Arbeitswelt
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Einfaches neuronales Netz
Abbildung 2: Die wertvollsten Unternehmen von 1990-2018
Abbildung 3: Die vier Stufen der industriellen Revolution
Abbildung 4: Plakat der gekündigten Zalando-Marketer
Abbildung 5: Bedeutung von Daten im Marketing 2018
Abbildung 6: Übersicht Programmatic Marketing
Abbildung 7: Auswirkungen von KI auf das BIP bis 2030
Abbildung 8: Projektion der KI-Impacts bis 2030
1 Einleitung
Im März 2018 entließ der Online-Modehändler Zalando 250 Marketing-Mitarbeiter in Berlin, da deren Aufgaben künftig von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz übernommen werden (vgl. Meedia 2018). Der im Titel dieser Arbeit enthaltene Slogan “Me.Unemployed“ war die Reaktion der gekündigten Marketing-Experten und spielt auf die im März 2018 aktuelle Kampagne “Me.Unlimited“ des Modehändlers an (vgl. Handelsblatt 2018). Zalando gab anschließend öffentlich bekannt, dass konkrete Marketing-Aufgaben, wie zum Beispiel das Versenden von Werbe-Mails oder Newslettern, zukünftig von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz gesteuert werden sollen (vgl. Meedia 2018). Aufgrund dieser Neuausrichtung des Marketings feuerte das Unternehmen einen großen Teil der Marketing-Abteilung. In den Bereichen Entwicklung und Datenanalyse sollen aber mehr als 2.000 neue Mitarbeiter eingestellt werden (vgl. Handelsblatt 2018).
Die Entwicklung bei Zalando ist kein Einzelfall (vgl. van Rinsum 2018), immer mehr Unternehmen setzen Künstliche Intelligenz ein und erhoffen sich dadurch Wettbewerbsvorteile. Auch Google hat seine Philosophie, welche zwischen den Jahren 2010 und 2017 auf dem Motto “Mobile First“ lag, ab dem Jahr 2017 zu “AI first“ geändert (vgl. Capgemini 2017). Aufgrund der wirtschaftlichen Brisanz des Themas, beschäftigt sich diese Arbeit mit Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt.
Ziel der Arbeit ist es herauszufinden, in welchem Ausmaß Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändert, in welchen Bereichen die neue Technologie eingesetzt wird und welche Makroökonomischen Effekte durch den Einsatz von KI zu erwarten sind. Durch diese Struktur lässt sich am Ende der Arbeit die Forschungsfrage beantworten, wie Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändert. Der Schwerpunkt liegt aufgrund der Aktualität des Themas auf dem Einsatz Künstlicher Intelligenz im Marketing. Hier wird detailliert auf die verschiedenen Methoden und Ansätze eingegangen, einige Beispiele aus der Praxis vorgestellt und am Beispiel Zalando erklärt, welche neuen Marketing-Möglichkeiten sich aus der Nutzung von KI ergeben.
Der erste Teil dieser Arbeit umfasst notwendige Begriffserklärungen und Definitionen, gefolgt von einem Überblick der historischen Entwicklung Künstlicher Intelligenz und geht dann bereits auf die Bedeutung von KI in der Arbeitswelt ein. Im Hauptteil geht es um den konkreten Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt. Mit ausgewählten Best-Practice-Beispielen wird der Einsatz Künstlicher Intelligenz in den klassischen Unternehmensbereichen Handel und Logistik, Produktion und Management aufgezeigt, anschließend wird der Fall Zalando ausgiebig beleuchtet. Das Beispiel von Zalando bildet den passenden Übergang, um im weiteren Verlauf der Arbeit auf den Einsatz von KI im Marketing einzugehen. Das so genannte Programmatic Marketing wird ausführlich beleuchtet, die verschiedenen KI-basierten Methoden aufgezeigt und durch Beispiele aus der Praxis abgerundet. Das Kapitel KI im Marketing schließt mit einer Zusammenfassung der Potenziale und Gefahren von KI im Marketing. Im zweiten Abschnitt des Hauptteils geht es um die zu erwartenden Makroökonomischen Effekte durch KI. Anhand verschiedener Studien und Hochrechnungen werden die zu erwartenden ökonomischen Effekte ausführlich dargestellt sowie die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt beleuchtet. Auch dieses Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der Herausforderungen im Umgang mit KI und gibt einen Ausblick auf die Zukunft. Die Schlussbetrachtung und das Fazit bilden den letzten Teil dieser Arbeit.
„Wenn Daten das Öl des 21. Jahrhunderts sind, so ist KI der Motor der diesen Kraftstoff nutzen kann. Gemeinsam bilden sie die Kraftquelle für die Digitalisierung.“ (Wess 2017)
2 Überblick Künstliche Intelligenz
2.1 Definition und Begriffserklärungen
Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ (KI) ist die deutsche Übersetzung des amerikanischen Begriffes “Artificial Intelligence“ (AI), der erstmals im Jahr 1956 auftauchte (vgl. Görz/Schneeberger 2003: 1). John Mc Carthy, der Erfinder der Programmiersprache LISP, prägte den Begriff “Artificial Intelligence“ im Jahr 1956 während einer sechswöchigen Konferenz am Darthmouth College in Hanover, New Hampshire (vgl. ebd.: 2). An der Konferenz mit dem Namen “Summer Research Project on Artificial Intelligence“ nahmen verschiedene Forscher mit dem Ziel teil, Maschinen mit intelligentem Verhalten zu entwickeln. Diese Konferenz gilt heute als Geburtsstunde der KI-Forschung (vgl. Sesink 2012: 3).
Was genau man unter Künstlicher Intelligenz versteht, lässt sich bis heute nicht exakt eingrenzen. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Definitionen, eine einheitliche Definition zu finden erweist sich aber aus zwei Gründen als schwierig: zum einen herrscht bis heute Uneinigkeit darüber, was man unter „Intelligenz“ versteht und zum anderen, da das Gebiet rund um die Künstliche Intelligenz sehr breit ist (vgl. Buxmann/Schmidt 2018: 6). Laut Franklin und Graesser (1997) besteht aber Einigkeit darin, dass Künstliche Intelligenz ein Teilgebiet der Informatik darstellt, welches sich mit der Erforschung und Entwicklung von „intelligenten Agenten“ befasst. Intelligente Agenten zeichnet aus, dass sie in der Lage sind, selbstständig Probleme zu lösen.
Man unterscheidet zwischen sogenannter starker Künstlicher Intelligenz (“Strong AI“) und schwacher Künstlicher Intelligenz (“Weak AI“) (vgl. Buxmann/Schmidt 2018: 6). Buxmann und Schmidt sind sich einig, dass man unter starker Künstlicher Intelligenz alle Ansätze versteht, die versuchen, den Menschen und die im Gehirn ablaufenden Vorgänge abzubilden und zu imitieren. Eigenschaften wie Bewusstsein und Empathie werden häufig als konstituierendes Merkmal einer solchen starken KI genannt. Um eine schwache KI handelt es sich, wenn gezielt Algorithmen für bestimmte, abgegrenzte Problemstellungen entwickelt werden (vgl. Goertzel 2010: 19-24). Schwache Künstliche Intelligenzen sind im Gegensatz zur starken Künstlichen Intelligenz mittlerweile technisch umsetzbar und bereits in zahlreichen Softwarelösungen implementiert. Lernfähigkeit ist eine wesentliche Anforderung an beide KI-Varianten, laut Buxmann und Schmidt ist die Forschung Stand 2018 aber noch lange nicht so weit, Forschungsprojekte umsetzen zu können, die die Kriterien für eine starke KI erfüllen würden. (Vgl. Buxmann/Schmidt 2018: 6)
Eine wichtige Unterform der KI ist Maschinelles Lernen (Machine Learning). Beim Machine Learning lernt der Computer auf Basis von Daten und gemachten Fehlern selbst, eine Aufgabe zu meistern. Das sogenannte Deep Learning ist wiederum eine Unterform des Machine Learning. Den Kern der Deep-Learning-Methoden bilden künstliche neuronale Netze, die versuchen, die Strukturen des menschlichen Gehirns mathematisch zu repräsentieren. Somit sind Methoden des Deep Learnings de facto neuronale Netze, bei denen zwischen Input und Output des Modells, viele weitere Verarbeitungsschichten liegen. (Vgl. Zimmermann 2017)
Technisch ausgedrückt sind neuronale Netze Verallgemeinerungen bekannter statistischer Regressionsmodelle. Ein neuronales Netzwerk ist eine Serie von Einheiten, die nach den Neuronen im menschlichen Gehirn modelliert sind und den Verbindungen zwischen ihnen, welche wiederum nach den menschlichen Synapsen modelliert sind. In Abbildung 1 sind die Punkte die Neuronen und die Pfeile bilden die Synapsen ab. Die Einheiten auf der linken Seite der Darstellung bilden die Input-Schicht, die rechte Schicht ist die Output-Schicht. Wird in die Input-Schicht nun eine Information eingespeist, beispielsweise ein Bild einer Katze, entspricht jede Einheit in der Input-Schicht nun einem Pixel des Bildes. Die Input-Schicht ist somit in der Lage, das Bild in seiner Gesamtheit zu identifizieren. Die Einheiten der Input-Schicht lösen Verbindungen zu den nächsten Einheiten aus, wenn sie das Bild identifizieren. Jede der Einheiten in der mittleren Spalte löst wiederum eigene Verbindungen aus, sobald die kombinierten Gewichtungen aller ausgelösten Verbindungen zu dieser Einheit einen bestimmten Schwellenwert übersteigen. Die Output-Schicht nimmt, wie die Einheiten in der mittleren Schicht, die kombinierten Gewichtungen aller ausgelösten Verbindungen zu ihr auf. Wenn diese über einem bestimmten Schwellenwert liegen, wird dies als “Yes“ des Netzwerks verstanden. Durch dieses System kann das Netzwerk eine Antwort auf die Frage geben, ob es sich bei dem Bild um eine Katze handelt. (Vgl. Zimmermann 2017)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Einfaches neuronales Netz
(Quelle: LBBW 2017)
Im ersten Durchlauf dieses Prozesses wird die Antwort mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch sein, da die Gewichtungen der Verbindungen zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich zufällig erfolgen. Wird dem Netzwerk dann aber mitgeteilt, ob es richtig oder falsch lag, adjustiert es selbstständig die Gewichtungen der Verbindungen zwischen den Einheiten, um näher an die korrekte Antwort zu gelangen. Dieser Prozess muss entsprechend oft wiederholt werden, dass sich das neuronale Netzwerk dadurch selbstständig verbessert. (Vgl. Zimmermann 2017)
Da in der vorliegenden Arbeit vermehrt von Algorithmen gesprochen wird, bedarf es auch hier einer kurzen Definition:
Algorithmen sind mathematisch-statistische Modelle, die auf Basis einer bestimmten Fragestellung und dem zu Grunde liegenden Datenmodell neue Erkenntnisse oder Aussagen bis hin zur Entscheidungsunterstützung liefern. Wirtschaftlich betrachtet sind diese Algorithmen der Motor für Innovation und neue Wertschöpfung gepaart mit dem Treibstoff Daten. (Bitkom 2017)
2.2 Historische Entwicklung
Um nachvollziehen zu können, wie die KI unsere Arbeitswelt verändert, sollten zu Beginn die Grundlagen und die Entstehung dieser neuen Disziplin geklärt werden. Die Grundsteine für die Entstehung der KI wurden bereits ab dem Jahr 1920 gelegt und greifen selbst auf noch ältere wissenschaftliche Errungenschaften zurück (vgl. Ertel 2013: 6). In dieser Arbeit werden lediglich die größten Meilensteine in der Entwicklung von KI knapp vorgestellt, um anschließend auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt einzugehen.
Um eine Künstliche Intelligenz erschaffen zu können, bedarf es grundlegend zweier Dinge. Es braucht eine formale Sprache, in die sich kognitive Prozesse abbilden lassen und in der sich rein formal neues Wissen generieren lässt. Außerdem benötigt Künstliche Intelligenz ein Medium oder „Behältnis“ – analog dem menschlichen Gehirn. (Vgl. Manhart 2018)
Die Philosophen und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz, George Boole und Gottlob Frege entwickelten die alte aristotelische Logik weiter, und in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zeigte Kurt Gödel mit dem Vollständigkeitssatz die Möglichkeiten – und mit den Unvollständigkeitssätzen die Grenzen – der Logik auf (vgl. ebd.). Durch diese neuen Erkenntnisse war die erste Bedingung, eine formale Sprache, für eine Künstliche Intelligenz gegeben.
Im Jahr 1936 beweist der britische Mathematiker Alan Turing durch seine Theorien, dass eine Rechenmaschine – heute als Turing-Maschine bekannt – in der Lage wäre, kognitive Prozesse auszuführen, vorausgesetzt diese lassen sich in Einzelschritte zerlegen und durch einen Algorithmus darstellen (vgl. Bosch 2018). Dies bedeutet übertragen auf menschliche Intelligenz, dass wenn man kognitive Prozesse in wohldefinierte Einzelschritte zerlegt, können diese auf einer Maschine ausgeführt werden (vgl. Manhart 2018). Mit dieser Theorie legt Alan Turing den Grundstein für das, was man heute als Künstliche Intelligenz versteht (vgl. Bosch 2018). Dadurch war auch die zweite Bedingung, ein Medium oder „Behältnis“, für eine Künstliche Intelligenz gegeben.
Alan Turing war außerdem auf Grund des sogenannten Turing-Tests, den er das erste Mal im Jahr 1950 erläuterte, wichtig für die KI-Entwicklung (vgl. Manhart 2018). Der Turing-Test ist eine Methode um festzustellen, ob eine Maschine als intelligent betrachtet werden kann oder nicht (vgl. ebd.). Um dies herauszufinden, unterhält sich ein Proband mit zwei ihm unbekannten Gesprächspartnern via Text-Chat. Einer der Gesprächspartner ist ein Mensch, der andere ist eine Maschine. Der Turing-Test gilt als bestanden, wenn es dem Computer gelingt, seinem menschlichen Gegenüber in mehr als 30 Prozent einer Serie kurzer Unterhaltungen nicht als Computer aufzufallen (vgl. Gentsch 2018: 26). Gentsch verweist darauf, dass es bis heute (2018) kein Programm gibt, welches unumstritten den Turing-Test bestanden hat (vgl. ebd.).
Im Jahr 1956, während der sechswöchigen Konferenz “Summer Research Project on Artificial Intelligence“ am Darthmouth College, entsteht der Begriff Künstliche Intelligenz (vgl. Görz/Schneeberger 2003: 2). Diese Konferenz gilt heute als Geburtsstunde der KI-Forschung (vgl. Sesink 2012: 3). McCarthy, der Initiator der Konferenz, stellt kurze Zeit später eine Programmiersprache namens LISP vor, die in den folgenden Jahren als Standardsprache für KI-Anwendungen genutzt wird (vgl. Manhart 2018).
Joseph Weizenbaum, ein deutsch-amerikanischer Informatiker, erfindet im Jahr 1966 am Massachusetts Institute of Technology ein Computerprogramm, das mit Menschen kommuniziert (vgl. Bosch 2018). Das Programm mit dem Namen „ELIZIA“ simuliert über Skripte verschiedene Gesprächspartner und wird heute als erster Chatbot in der Geschichte betrachtet (vgl. ebd.).
Das von Ted Shortliffe im Jahr 1972 entwickelte Expertensystem „MYCIN“ ebnet der Künstlichen Intelligenz Einzug in die Praxis und verleiht dem Forschungsgebiet KI neuen Aufwind (vgl. Manhart 2018). Expertensysteme dienen dazu, Wissen eines bestimmten Fachgebiets in Form von Regeln und großen Wissensbasen zu repräsentieren. MYCIN diente zur Unterstützung von Diagnose- und Therapieentscheidungen bei Blutinfektionskrankheiten und Meningitis (vgl. ebd.).
Die von der Firma IBM entwickelte KI-Schachmaschine “Deep Blue“ bezwingt 1997 den amtierenden Schachweltmeister Garry Kasparov in einem Turnier (vgl. Bosch 2018). Der Erfolg des Computers über den Schachweltmeister wurde jedoch im Nachhinein stark kritisiert, da Deep Blue den Erfolg nicht seiner künstlichen, kognitiven Intelligenz verdankte, sondern das Resultat roher Gewalt war. Der Computer rechnete alle nur denkbaren Züge durch (vgl. Manhart 2018).
Dank enormer Technologiesprünge bei Hard- und Software zwischen den Jahren 1990 und 2010 (vgl. Bosch 2018) bahnte sich Künstliche Intelligenz ab dem Jahr 2011 den Weg in das tägliche Leben. Insbesondere die KI-Gebiete maschinelles Lernen, neuronale Netze und Natural Language Processing (vgl. Manhart 2018) boomten ab dem Jahr 2011. Im privaten Gebrauch erweisen sich Sprachassistenten wie Apples Siri, die Software Cortana von Microsoft oder der von Amazon entwickelte Sprachassistent Alexa als äußerst beliebt (vgl. Bosch 2018).
Ein weiterer Meilenstein, der Künstlicher Intelligenz auch gesellschaftliches Ansehen einbrachte, war der Sieg von IBM`s Watson in einer US-amerikanischen TV-Quizshow im Jahr 2011 (vgl. Bosch 2018). Das von IBM entwickelte Computerprogramm bewies dadurch, dass es natürliche Sprache versteht und schnell auf unvorhersehbare Fragen antworten kann (vgl. ebd.).
Das vorläufig letzte einschneidende Ereignis war im Jahr 2016, als Google`s Alpha Go den vermutlich besten Go-Spieler bezwang (vgl. Manhart 2018). Im Gegensatz zum Schach ist das japanische Brettspiel Go aufgrund der größeren Komplexität nicht mit traditionellen Algorithmen, wie sie Deep Blue verwendete, zu bezwingen. Deep Learning und weitere KI-Methoden führten das von Google erschaffene Programm zum Erfolg (vgl. ebd.).
Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz steht noch relativ am Anfang (vgl. Bosch 2018) und muss zukünftig, um in den verschiedensten Bereichen des Lebens eingesetzt werden zu können, zuverlässiger und sicherer gegen Manipulationen werden (vgl. ebd.). Die großen Tech-Konzerne dieser Welt setzen ihre Zukunft bereits auf die Technologie der Künstlichen Intelligenz. Abzuwarten bleibt aber, wie die restlichen Unternehmen mit der Technologie umgehen. Laut Zimmermann (vgl. 2017) ist es sehr wahrscheinlich, dass viele Unternehmen es verpassen, frühzeitig das Potenzial von KI zu entdecken und für sich zu nutzen. Zimmermann geht davon aus, dass KI an Bedeutung das Internet noch übertreffen wird und nur mit der Erfindung der Elektrizität zu vergleichen ist. Wie Künstliche Intelligenz in unserer Arbeitswelt, besonders im Marketing, bereits eingesetzt wird und welche Effekte dies auf den Arbeitsmarkt hat, damit befasst sich der folgende Teil dieser Arbeit.
2.3 Bedeutung von KI für die Arbeitswelt
„KI ist wie Sex unter Teenagern – alle reden darüber, aber keiner weiß, wie es wirklich geht.“ (Bünte 2018a: 10)
Mit diesen Worten beschreibt Prof. Dr. Claudia Bünte die aktuelle Situation und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Wirtschaft für die Region Dach. Bünte führte im April 2018 eine Studie (vgl. Bünte 2018b) unter 208 Marketing-Managern durch, um die Einsatzfelder und Anwendungsgebiete von Künstlicher Intelligenz im Marketing zu erforschen. Die Ergebnisse aus dieser Studie zeigen deutlich, dass Künstlicher Intelligenz ein sehr hoher Stellenwert unter den Marketing-Managern zugetragen wird und die Technologie enormes Potential mit sich bringt (vgl. Bünte 2018a). Bünte schließt aus der durchgeführten Studie, dass der Zugang und richtige Umgang mit Daten zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Unternehmen wird und KI die Schlüsseltechnologie bietet, diese Daten zu nutzen. Zudem sagt Bünte voraus, dass die Marketingbranche, als eine der direktesten Disziplinen eines Unternehmens im Umgang mit Kunden, am besten von den Vorteilen durch KI profitieren kann. Die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz im Marketing ist zumindest im Marketing bereits voll anerkannt, allerdings sind Wissen, Erfahrungen und der Einsatz von KI noch relativ gering. Die momentan in der Marketing-Praxis genutzten KI-Tools sind noch Insellösungen und es fehlt eine übergreifende und vernetzte Lösung. (Vgl. Bünte 2018a: 39) Auf die speziellen Anwendungsfelder von KI im Marketing wird ab Punkt 3.3 dieser Arbeit eingegangen.
Die Frage, warum Künstliche Intelligenz gerade jetzt eine ausschlaggebende Rolle für die Wirtschaft spielt, lässt sich anhand der folgenden Entwicklung beantworten. Schaut man sich die Abbildung 2 an, sieht man, dass im Jahr 2018, gemessen an der Marktkapitalisierung, die Tech-Firmen Apple, Amazon, Microsoft und Alphabet (der Mutterkonzern zu Google) an der Spitze stehen. Die Portfolios dieser vier Firmen basieren auf Daten – Kaufdaten, Suchdaten, Kundendaten, Bilddaten etc. (vgl. Bünte 2018a). Vor einigen Jahren noch waren hauptsächlich Firmen, wie zum Beispiel Genreal Electric, an der Spitze, deren Angebotsportfolios auf Öl fußten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Die wertvollsten Unternehmen von 1990-2018
(Quelle: Nitsche 2018)
Große Digitalunternehmen wie Google oder Amazon, deren Portfolios auf Daten basieren, setzen Künstliche Intelligenz bereits gezielt und massiv ein und sind dadurch in der Lage, ihren Kunden völlig neue Möglichkeiten und persönlich zugeschnittene Erlebnisse zu bieten (vgl. Knapp/Wagner 2018: 161).
Das Wachstum einer Volkswirtschaft hängt in der ökonomischen Theorie vom Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital ab. Eine Volkswirtschaft wächst, wenn die eingesetzte Menge der Produktionsfaktoren steigt oder wenn die Faktoren produktiver eingesetzt werden (vgl. Buxmann/Schmidt 2018: 25).
An diesem Punkt kommt die Bedeutung von KI ins Spiel: KI kann die Produktivität von Arbeit und Kapital erhöhen. Algorithmen nehmen Arbeitern Routinetätigkeiten ab und können ihnen Fähigkeiten verleihen, die sie ohne technische Hilfe nicht erreichen würden. Aber auch Kapital kann Künstliche Intelligenz produktiver machen, indem beispielsweise selbstlernende Maschinen zuverlässiger funktionieren oder komplett eigenständig operieren. Die angesprochenen Produktivitätseffekte gewinnen mit steigender Datenmenge und Selbstlernfähigkeit der Algorithmen immer mehr an Bedeutung. (Vgl. ebd.)
Durch die Verfügbarkeit von Big Data und dem intelligenten auswerten der vorhandenen Daten durch KI, können sich Unternehmen also einen enormen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Aus diesem Grund spielt KI gerade jetzt eine so ausschlaggebende Rolle für die Wirtschaft. „Erst KI macht aus Big Data Smart Data“. (EY 2018)
Der Markt für auf Künstlicher Intelligenz basierten Dienstleistungen könnte laut einer Studie von McKinsey weltweit sogar um bis zu 25% jährlich steigen (vgl. McKinsey 2017).
Beschäftigt man sich intensiver mit dem Thema, fällt auf, dass in der öffentlichen Diskussion Künstliche Intelligenz meist als Ersatz des Produktionsfaktors Arbeit gesehen wird. Im Bereich Marketing liegt eine aktuell häufige Anwendung in der KI-gesteuerten Auslieferung digitaler Werbemittel (vgl. Buxmann/Schmidt 2018: 26). Dies war auch der Grund, für die in der Einleitung dieser Arbeit angesprochenen, Entlassungswelle von 250 Mitarbeitern beim Modehändler Zalando. Peter Buxmann und Holger Schmidt (2018) weisen aber darauf hin, dass im Mittelpunkt der meisten KI-Projekte nicht der Ersatz eines Produktionsfaktors steht, sondern die Erhöhung seiner Produktivität. So konnte die Firma Siemens beispielsweise die Emissionen einer Gasturbine um 20% senken, nachdem KI-Algorithmen die Steuerung übernommen haben (vgl. Capgemini 2017) und Google konnte die Energiekosten eines Rechenzentrums dank Künstlicher Intelligenz um 40% senken (vgl. Deep Mind 2016).
Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInsituts (HWWI), geht noch einen Schritt weiter und behauptet, dass Daten neben Kapital und Arbeit in der Produktionsfunktion als eigenständiger Produktionsfaktor erscheinen (vgl. Vöpel 2018).
Dadurch verändert sich zugleich das Substitutionsverhältnis der Produktionsfaktoren untereinander und somit die funktionale Verteilung der Einkommen auf Daten, Kapital und Arbeit. So wie in der Agrarwirtschaft dem Faktor Boden die ökonomische Rente zufiel, gewann der Faktor Kapital im Industriekapitalismus Marktmacht gegenüber dem Faktor Arbeit. KI wird das Verhältnis zwischen Daten, Kapital und Arbeit nun wieder völlig neu definieren. (Vöpel 2018)
Vöpel sieht in der Digitalisierung die technologische Möglichkeit, die in Daten liegende Wertschöpfung ökonomisch zu nutzen. Künstliche Intelligenz einzusetzen, um Muster in Daten zu erkennen, Prozesse zu steuern und aus neuen Daten zu lernen, ist seiner Ansicht nach neben den Daten selbst der wesentliche Schlüssel zur Digitalisierung. Die Ökonomisierung von KI besteht darin, dass sie im Vergleich zum Menschen schneller und systematischer mit großen, auch unstrukturierten Daten umgehen kann. Künstliche Intelligenz ist nach Ansicht Vöpels somit keine Fortsetzung der industriellen Automatisierung mit anderen Mitteln, sondern ein qualitativer Sprung in die Autonomisierung von Prozessen und Entscheidungen. (Vgl. Vöpel 2018)
Exakte Anwendungsfälle und Beispiele aus der Praxis werden im folgenden Kapitel dieser Arbeit näher beleuchtet.
3 Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt
3.1 Einsatzgebiete von KI
Peter Gentsch fasst in seinem Buch „Künstliche Intelligenz für Sales, Marketing und Service“ zusammen, dass Künstliche Intelligenz in klassischen Unternehmensbereichen die Art zu arbeiten nachhaltig und radikal verändern wird: Unternehmen können durch den Einsatz von KI nicht nur Effizienz- und Produktivitätspotenziale ausschöpfen, sondern auch spezifischer auf Kunden eingehen und damit einen Mehrwert schaffen (vgl. Gentsch 2018: 55). Die SAP-Innovationsexperten Bernd Leukert, Jürgen Müller und Markus Noga sagen voraus, dass sich Geschäftsmodelle und Prozesse von Unternehmen im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten in den kommenden Jahren durch KI noch einmal fundamental verändern werden (vgl. Leukert/Müller/Noga 2018: 42-43). Auch deutsche Unternehmen wie Volkswagen, adidas (vgl. ARD 2017) oder Continental (vgl. Continental 2017) verstehen Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie und richten einen starken Fokus auf die einzelnen Gebiete, die sich durch die neue Technologie erschließen lassen.
Mitarbeiter von Unternehmen werden lernen müssen, mit den Technologien der Künstlichen Intelligenz zusammenzuarbeiten. Laut Gentsch gibt es durch KI mehr als nur Wettbewerbsvorteile durch den Abbau von Arbeitskräften oder gesteigerter Produktivität, da gut strukturierte und standardisierte Bereiche von Künstlichen Intelligenzen zwar komplett übernommen werden können, in Bereichen, bei denen es um Empathie oder die Zusammenarbeit mit Menschen geht, die menschliche Arbeitskraft aber nicht wegfallen wird (vgl. Gentsch 2018: 56).
Digitale Unternehmen bilden die derzeitige Evolutionsstufe innerhalb eines Paradigmenwechsels hin zu selbstlernenden Unternehmen (vgl. Leukert/Müller/Noga 2018: 43). In diesen sogenannten selbstlernenden, von Künstlicher Intelligenz unterstützten, Unternehmen werden Menschen in repetitiven Prozessen nur noch eine anleitende und überwachende Rolle einnehmen (vgl. ebd.).
3.2 KI im Unternehmen
Dieser Absatz beschäftigt sich mit konkreten Einsatzgebieten von Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt und zeigt Best-Practice-Beispiele aus verschiedenen Unternehmen auf. Daran wird sich erkennen lassen, dass Künstliche Intelligenz die Art zu arbeiten nachhaltig und radikal verändern wird (vgl. Gentsch 2018: 55) Aufgrund des begrenzten Umfangs und dem thematischen Schwerpunkt „KI im Marketing“, wird nicht auf die einzelnen Industrien, wie zum Beispiel Automobilindustrie, Versicherungsindustrie usw. eingegangen, sondern lediglich ein Überblick des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in den klassischen Unternehmensbereichen Handel und Logistik, Produktion und Management gegeben.
3.2.1 Handel und Logistik
Künstliche Intelligenz wird im Handel bereits für Aufgaben wie Preisoptimierung, Vertriebsvorhersagen, Einkaufsplanung, Warendisposition und Betrugsprävention genutzt (vgl. Bitkom 2017). Beim Verkauf generieren Entscheidungssysteme Kundenempfehlungen und errechnen den aktuell optimalen Preis, auf der anderen Seite sorgen Planungssysteme für eine effiziente und lückenlose Lieferkette (vgl. ebd.). Laut Kolbrück wollen rund 45 Prozent aller Retailer in den Jahren zwischen 2017 und 2020 vermehrt auf Künstliche Intelligenz setzen (vgl. Kolbrück 2017). Beim Thema Logistik rechnen über 50 Prozent der deutschen Unternehmen mit Logistikprozessen damit, dass Waren in den kommenden Jahren mit autonomen Fahrzeugen transportiert werden (vgl. Bitkom 2017).
Es folgen ausgewählte Beispiele von Unternehmen, die mit Hilfe von KI ihre Handels- oder Logistikprozesse optimieren:
Im Jahr 2012 begann der Online-Händler Amazon durch die Übernahme von „AIvs Robotics“, KI-Technologien in der Logistik zu nutzen. Das daraus entstandene Projekt „Amazon Robotics“ beschäftigt sich damit, Roboter zu produzieren, die in den Logistikzentren von Amazon zu automatischen Prozessabläufen beitragen. Inzwischen werden die Roboter, die etwa 145kg wiegen, 340kg Gewicht heben können und mit einer Geschwindigkeit von 5,5 km/h durch die Lagerhallen fahren, als Standard in den Logistikzentren von Amazon in Europa und den Vereinigten Staaten genutzt. (Vgl. Gentsch 2018: 56)
Nicht nur in der Logistik unterstützt KI die Abläufe von Amazon, auch im Handel zeigt sich die Technik für den Großkonzern als Türöffner. Mit „Amazon Go“ testet das Unternehmen in Seattle einen kassenlosen Supermarkt. Das Konzept von Amazon Go eliminiert das Ein- und Auspacken für den Kunden im Supermarkt. Der Kunde nimmt einfach das gewünschte Produkt aus dem Regal, steckt es in die Tasche und kann den Supermarkt wieder verlassen. Gezahlt wird digital. Um dieses Konzept umsetzen zu können, kommen ausgefeilte Kombinationen verschiedener Sensortechnologien zum Einsatz. (Vgl. Herbrich 2018)
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