Die Stärkung des Europäischen Parlaments als Lösungsansatz des institutionellen Demokratiedefizits


Essay, 2005

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Demokratiedefizit – was ist das?
2.1 Strukturelles und institutionelles Demokratiedefizit
2.2 Empirische und Normative Dimension

3. Legitimation trotz Demokratiedefizit?

4. Die Stärkung des Europäischen Parlamentes als Lösungsansatz des institutionellen Demokratiedefizits?
4.1 Das Europäische Parlament
4.2 Verbesserungsvorschläge
4.3 Kritische Betrachtungen

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Europäische Union (EU) hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem neuartigen politischen System entwickelt. Zunehmende Kompetenzübertragungen an die supranationale Institution lassen den Ruf nach politischer Legitimation immer deutlicher werden. Kernelement der daraus entstandenen Diskussion sind die verschiedenen Dimensionen des Demokratiedefizits der EU. Vor allem das institutionelle Defizit, dessen Überwindung in der Stärkung des Europäischen Parlaments (EP) gesehen wird, ist ein wesentlicher Bestandteil aktueller Debatten. Jürgen Hartmann verallgemeinert dies sogar, indem er sagt: „Wenn die Demokratiefortschritte in der EU besungen werden, geht es stets um das Europäische Parlament“[1]. Die Überwindung des institutionellen Demokratiedefizits durch die Stärkung des EP’s steht auch im Mittelpunkt dieser Arbeit. Ziel ist es, zu untersuchen, ob eine Stärkung des EP’s zur Überwindung des Legitimationsproblems und insbesondere zur Überwindung des institutionellen Demokratiedefizits beitragen kann.

In der umfangreichen Literatur sind diesbezüglich sehr kontroverse Meinungen zu finden, die im Laufe der Arbeit skizziert werden.

Zunächst wird im Kapitel zwei erörtert, worum es sich beim Demokratiedefizit der EU handelt. Hierzu wird eine Unterscheidung zwischen dem strukturellen und dem institutionellen Defizit getroffen. Außerdem wird auf die empirische und die normative Dimension des Begriffes eingegangen. Im Kapitel drei wird kurz die Frage behandelt, ob eine Legitimation der EU trotz vorhandenem Demokratiedefizit möglich ist. Da es im Rahmen der Arbeit unmöglich ist, die gesamte Legitimationsproblematik zu erörtern, werde ich mich in der Folge nur mit dem institutionellen Defizit und dessen mögliche Lösung durch die Stärkung des EP’s befassen. Im Kapitel vier werden dazu zunächst einige grundlegende Aussagen getroffen. Danach werden einige wichtige Verbesserungsvorschläge angebracht, die jeweils einer kritischen Betrachtung unterworfen werden. Im letzten Kapitel erfolgen eine Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse sowie die Beantwortung der Fragestellung.

Durch die Gliederung ist es möglich, zunächst einen allgemeinen Überblick über die Gesamtdiskussion um das Problem der politischen Legitimation der EU zu geben, um in der Folge speziell die Lösung des institutionellen Demokratiedefizits erörtern zu können. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt im Kapitel vier.

2. Demokratiedefizit – was ist das?

In diesem Kapitel wird beschrieben, worum es sich beim Demokratiedefizit der EU handelt. Hierzu erfolgt zunächst eine Unterscheidung zwischen dem strukturellen und dem institutionellen Demokratiedefizit. Danach werden sowohl die empirische als auch die normative Dimension dieses Defizits beschrieben.

2.1 Strukturelles und institutionelles Demokratiedefizit

Zunächst ist es wichtig, den Begriff der Demokratie selbst zu bestimmen. Dies ist notwendig um einen einheitlichen Maßstab zu schaffen, an dem ein Defizit überhaupt erst gemessen werden kann.

Karl Doehring bietet diesbezüglich einen interessanten Ansatz. Er führt an, dass es sich beim Demokratiebegriff der EU wohl nur um einen solchen handeln kann, „der zumindest in Rudimenten in den Verfassungen der europäischen Staaten Ausdruck findet“.[2] Er nennt dazu einige europäische general principles of law, die zumindest teilweise in den Verfassungen der europäischen Einzelstaaten vorzufinden sind. Der wichtigste Grundsatz dabei ist, dass alle Macht vom Volke ausgeht. Des Weiteren führt er das Mehrheitsprinzip, die Kontrollierbarkeit delegierter Gewalt, die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Gerichte als grundlegende Elemente des europäischen Demokratiebegriffs an.[3]

Anhand dieser Elemente kann nun ein mögliches Demokratiedefizit bestimmt werden. In der Literatur findet sich häufig die Unterscheidung zwischen dem strukturellen und dem institutionellen Demokratiedefizit der EU[4]. Das institutionelle Defizit umfasst vor allem zwei wichtige Komponenten: Einerseits die Übertragung von Hoheitsrechten von den einzelnen Mitgliedstaaten auf die Ebene der EU, wodurch bestimmte Entscheidungskompetenzen von den nationalen Parlamenten an die supranationale Organisation abgegeben werden und andererseits die Ausübung dieser Hoheitsrechte durch nicht ausreichend oder gar nicht legitimierte Organe.[5] Axel Misch sieht vor allem das Rechtssetzungsverfahren im Mittelpunkt der Diskussion und problematisiert diesbezüglich vor allem die Übertragung erheblicher legislativer Kompetenzen auf die Gemeinschaft.[6] Das institutionelle Defizit ist die „zwangsläufige Folge eines von Anfang an fehlenden Konsensus der Mitgliedstaaten über die anzustrebende Finalität der Integration“[7].

Das strukturelle Demokratiedefizit geht diesbezüglich noch weiter und kritisiert die Oberflächlichkeit des institutionellen Defizits. Als Hauptkomponente ist die fehlende kollektive europäische Identität zu nennen, welche die Abwesenheit religiöser, ethnischer, sprachlicher, ideologischer und ökonomischer Gleichheit umfasst. Diese kollektive Identität sei notwendig, um auch Entscheidungen als legitim anzusehen, die eigenen Interessen und Überzeugungen zuwiderlaufen. Das Vorhandensein einer solchen Identität wird sogar als eine Grundvoraussetzung für die Demokratiefähigkeit der EU bezeichnet.[8] Marcus Höreth bringt zum Ausdruck, dass das Demokratiedefizit eindeutig strukturell bedingt ist und institutionelle Reformen somit nicht zum Erfolg führen können. Des Weiteren könne sich das EP auch nicht als Volksvertretung bezeichnen, da kein europäisches Staatsvolk vorhanden ist.[9]

Für den weiteren Verlauf der Arbeit ist jedoch nur das institutionelle Defizit von Bedeutung, da die Stärkung der Institution des EP’s diesem Bereich angehört.

2.2 Empirische und Normative Dimension

Bei der empirischen Legitimität der EU geht es vor allem um den Legitimitätsglauben der Bevölkerung. Der Bürger und seine Einstellungen stehen im Mittelpunkt der Diskussion. Hierzu werden regelmäßige repräsentative Befragungen, zum Beispiel, die von der Kommission für das Eurobarometer in Auftrag gegebenen, Meinungsumfragen durchgeführt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwiefern eine Herrschaftsordnung fähig ist, einen Legitimitätsglauben in der Bevölkerung zu erzeugen und diesen zu erhalten. Ausgangspunkt ist die These, dass ein politisches System mit zunehmender Unterstützung durch die Bevölkerung an Stabilität gewinnt.[10] Problematisch ist vor allem die Operationalisierung des Legitimitätsglaubens. Deshalb wird insbesondere versucht die Leistung (Output) des politischen Systems zu messen, auf die im Kapitel drei noch eingegangen werden wird. Zusätzlich wird allerdings auch versucht die langfristige Leistungsfähigkeit oder eine generelle Bewertung des politischen Systems zu hinterfragen. Die Ergebnisse des Eurobarometers sind im Internet nachzulesen.[11]

Die Beurteilung der empirischen Legitimität eines politischen Systems ist dabei keineswegs einfach. Dies liegt vor allem daran, dass die Bürger in erster Linie Aussagen über die Zufriedenheit mit dem politischen System selbst machen, nur wenig dagegen direkt über dessen demokratische Qualität. Uneinheitliche und uneindeutige Ergebnisse machen es zudem unmöglich vorschnell von einer Legitimitätskrise auszugehen. Deshalb wäre die Untersuchung der demokratischen Legitimität lediglich unter dem Gesichtspunkt der empirischen Dimension zu kurz gegriffen.[12] Die normative Dimension stellt somit eine wichtige Ergänzung dar, die es erst ermöglicht sich mit den Grundannahmen der empirischen Legitimität auseinanderzusetzen. Zudem liefert sie Maßstäbe, die es ermöglichen, Reformen in Bezug auf die Verbesserung der demokratischen Legitimation zu beurteilen.

In der normativen Dimension geht es vorrangig um die Frage nach der Legitimationswürdigkeit der politischen Ordnung und nicht mehr um die Legitimationsüberzeugungen der Bürger. Das institutionelle System der EU steht also im Vordergrund. Hierbei sind in der Regel dieselben Legitimationskriterien anzulegen wie in den Einzelstaaten selbst. Die im Punkt 2.1 genannten demokratischen Mindestanforderungen gehören unter allen Umständen dazu.[13]

Relevant für diese Arbeit ist vor allem die normative Diskussion. Eines ihrer Kernelemente ist der Vorschlag das EP, besonders hinsichtlich seines Mitspracherechts, zu stärken.

[...]


[1] Hartmann, J.: Das Politische System der Europäischen Union. Eine Einführung, Frankfurt/ Main, Köln 2001, S. 129.

[2] Doehring, K.: Demokratiedefizit in der Europäischen Union? In: Deutsches Verwaltungsblatt, Heft 19 (1997), S. 1133.

[3] Vgl. ebd., S. 1133f.

[4] Eine weitere mögliche Bezeichnung sind Standardvariante (institutionelles Defizit) und erweiterte Variante (strukturelles Defizit). Vgl. dazu: Grande, E.: Demokratische Legitimation und europäische Integration. In: Leviathan, Heft 3 (1996), S. 341.

[5] Vgl. Grande, E.: Demokratische Legitimation und europäische Integration. In: Leviathan, Heft 3 (1996), S. 342.

[6] Vgl. Misch, A. Europäische Union: Legitimation durch Parlamentarisierung? In: ZPol, Heft 4 (1996), S. 978.

[7] Höreth, M.: Die Europäische Union im Legitimationsdilemma. Zur Rechtfertigung des Regierens jenseits der Staatlichkeit, Baden-Baden 1999, S. 42.

[8] Vgl. Grande, E.: Demokratische Legitimation und europäische Integration. In: Leviathan, Heft 3 (1996), S. 345f.

[9] Vgl. Höreth, M.: Warum sich das Vereinte Europa mit der Demokratie schwer tut. In: Internationale Politik und Gesellschaft, Heft 1 (1998), S. 81.

[10] Vgl. Kohler-Koch, B., Conzelmann, T., Knodt, M.: Europäische Integration – Europäisches Regieren. Wiesbaden 2004, S. 200f.

[11] http://europa.eu.int/comm/public_opinion/index_en.htm [Stand: 04.03.05]

[12] Vgl. Kohler-Koch, B., Conzelmann, T., Knodt, M.: Europäische Integration – Europäisches Regieren. Wiesbaden 2004, S. 201ff.

[13] Vgl. Misch, A. Europäische Union: Legitimation durch Parlamentarisierung? In: ZPol, Heft 4 (1996), S. 977.

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Details

Titel
Die Stärkung des Europäischen Parlaments als Lösungsansatz des institutionellen Demokratiedefizits
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
Aktuelle Entwicklungen der Europäischen Integration
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V46160
ISBN (eBook)
9783638434119
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stärkung, Europäischen, Parlaments, Lösungsansatz, Demokratiedefizits, Aktuelle, Entwicklungen, Europäischen, Integration
Arbeit zitieren
Henri Schmidt (Autor:in), 2005, Die Stärkung des Europäischen Parlaments als Lösungsansatz des institutionellen Demokratiedefizits, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46160

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